OGH 12Os180/85

OGH12Os180/8524.4.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.April 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger sowie Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Enzenhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Christian M*** wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 8. Februar 1985, GZ 12 Vr 727/84-19, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Christian M*** des Vergehens (richtig: Verbrechens) der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 1.Jänner 1984 in Steindorf außer dem Fall der Notzucht Hildegard O*** mit Gewalt, indem er sie in ein Abteil der Damentoilette des Gasthauses M*** drängte, die Toilettentüre versperrte und ihr die Jeans und den Slip gewaltsam herunterzog, zum außerehelichen Beischlaf nötigte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4 und 5 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welcher Berechtigung zukommt.

Das Schöffengericht gründete die Annahme der Täterschaft des Angeklagten auch auf dessen geständige Verantwortung vor der Gendarmerie am 1.Jänner 1984 (S 35 f). Entgegen der Annahme des Erstgerichts kann diese Aussage des Angeklagten - wie die Mängelrüge (Z 5) dem Sinne nach mit Recht geltend macht - für sich allein und ohne weitere Begründung aber nicht als ein "im Sinne der Anklage volles Geständnis" (vgl. Urteil S 124) gewertet werden, aus dem "unzweifelhaft zu entnehmen ist, daß der Angeklagte Hildegard O*** trotz deren Gegenwehr zum Beischlaf nötigte" (S 125). Der Angeklagte gibt wohl zu, daß er die Zeugin in die Toilette "drängte", daß - als er die Frau umarmte - sie sich wehrte und ihre Gegenwehr vor und während des Geschlechtsverkehrs darin bestand, ihn "wegzutauchen"; er gibt in diesem Zusammenhang aber auch an, daß er dabei mit der Zeugin "einige innige Zungenküsse" ausgetauscht habe. Nach der Darstellung der Gendarmeriebeamten Florian Z*** und Gottfried W*** in der Hauptverhandlung ist diese Aussage des Angeklagten so zustandegekommen, daß ihm lediglich die Angaben der Zeugin O*** vorgehalten wurde; von sich aus hatte er "mehr oder weniger" keine Angaben gemacht (vgl. S 102 f und 107 f). Weder diese oben wiedergegebenen Teile der Verantwortung des Angeklagten noch der Umstand, daß der Angeklagte in seiner Darstellung zweimal ohne nähere Erläuterung das Wort "vergewaltigen" verwendet, rechtfertigen für sich allein die Annahme, der Beschwerdeführer habe damit die Anwendung von Gewalt iS von überlegener physischer Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder auch nur erwarteten Widerstandes, somit zum Zwecke der Willensbeugung (vgl. Leukauf-Steininger, Komm. 2 , § 74 RN 24) und eine Nötigung der Hildegard O*** zum außerehelichen Beischlaf zugegeben.

Es hätte somit einer näheren Begründung für die Annahme bedurft, daß diese Aussage des Angeklagten vor der Gendarmerie als ein "Geständnis im Sinne der Anklage" aufzufassen ist, sodaß das Urteil mit einem Begründungsmangel behaftet ist. Das Gericht hat zwar die bekämpfte Feststellung nicht nur auf das erörterte Verfahrensergebnis gestützt; es kann jedoch keineswegs ausgeschlossen werden, daß es nicht gerade diese fehlerhafte Prämisse war, welche letztlich für die gewonnene Überzeugung den Ausschlag gab.

Mit Recht rügt der Beschwerdeführer unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO auch die Abweisung seines in der Hauptverhandlung (S 106) gestellten Antrags auf Einvernahme des Zeugen Reinhold M*** darüber, daß Hildegard O*** dem Angeklagten am fraglichen Abend "schöne Augen" gemacht habe. Das Erstgericht führt dazu in der Urteilsbegründung (S 131) zwar zutreffend aus, daß dies ein gewaltsames Vorgehen gegen die Zeugin keinesfalls rechtfertigen könnte. Wäre ein solches Verhalten der Zeugin aber nachweisbar und würde dieses mit dem vom Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung geschilderten zumindest teilweise übereinstimmen, dann hätte sich das Erstgericht doch eingehender mit der (von ihm pauschal als unglaubwürdig abgelehnten, vgl. S 124 letzter Absatz, S 125) Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung auseinandersetzen müssen. Es darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, daß auch die Darstellung des Angeklagten in der Hauptverhandlung über den eigentlichen Hergang des inkriminierten Vorfalles außerhalb des Gasthauses mit jener Aussage der O***, welcher das Gericht nicht gefolgt ist, im wesentlichen übereinstimmt (vgl. S 60 f, 97 f und S 69 f). So gesehen betrifft das beantragte Beweismittel somit eine entscheidende Tatsache und ist ein verwertbares Ergebnis nicht von vornherein auszuschließen. Schon wegen dieser Verfahrens- und Begründungsmängel ist eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich, sodaß nach Anhörung der Generalprokuratur bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen war (§ 285 e StPO). Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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