OGH 7Ob540/86

OGH7Ob540/8624.4.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Mag.Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eduard F***, Bauunternehmen, Hall in Tirol, Fassergasse 31, vertreten durch Dr.Wolfgang Walser, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei I*** Oswald M***, Isolierungen, Natters, Gartenweg 6, vertreten durch Dr.Hansjörg Mader, Rechtsanwalt in Innsbruck, und der Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei A. S*** Gesellschaft mbH, Wien 16., Friedrich Kaiser-Gasse 96-98, vertreten durch Dr.Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 2,618.125 S s. A., infolge der Revisionen der beklagten Partei und deren Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 27.November 1985, GZ 5 R 296/85-57, womit infolge der Berufungen der beklagten Partei und deren Nebenintervenientin das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 29.Mai 1985, GZ 12 Cg 508/80-51, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 28.033,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.112,15 S an Umsatzsteuer und 4.800 S an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt die Zahlung von 2,618.125 S s.A. und bringt vor, die Beklagte habe in ihrem Auftrag im Jahre 1979 als Subunternehmerin Isolierarbeiten an der Brenner Autobahn im Bereich der Paschbergbrücke (Bergfahrbahn), durchgeführt. Zur selben Zeit habe die Beklagte auch die Ausführung der Isolierarbeiten für die Talfahrbahn angeboten. Da Preissteigerungen auf dem Kunststoffsektor zu erwarten gewesen seien, habe die Beklagte die Preise nur unter der Bedingung fix offerieren können, daß die erforderlichen Kunststoffmaterialien "schon zur damaligen Zeit" angeschafft und vorgelagert würden. Die Klägerin habe sich im Einvernehmen mit der auftraggebenden Brenner Autobahn AG bereit erklärt, die Materialien von der Beklagten zu kaufen und habe hiefür 2,618.125 S einschließlich 18 % Umsatzsteuer gezahlt. Der Kauf habe einzig und allein dem Zweck gedient, daß die Beklagte selbst das Material - das in der Autobahnmeisterei Plons vorgelagert worden sei - im Jahre 1980 auf der Talfahrbahn der Paschbergbrücke verarbeite. Dieser Kauf sei Teil des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Werkvertrages gewesen. Kurze Zeit nach der Inbetriebnahme des Fahrzeugverkehrs auf der Bergfahrbahn der Paschbergbrücke seien am Straßenbelag Schäden aufgetreten, der Belag sei an mehreren Stellen in Stücke gebrochen. Es sei festgestellt worden, daß die von der Beklagten verlegte Isolierung im Bereich der Brückenfahrbahnen weder auf dem Untergrund, noch auf dem darüberliegenden eigentlichen Fahrbahnbelag gehaftet habe. Da die Gründe hiefür zunächst ungeklärt geblieben seien, sei im Einvernehmen aller Beteiligten der Beginn der Isolierungsarbeiten an der Talfahrbahn vorerst verschoben worden. In der Folge habe die Brenner Autobahn AG der Klägerin gegenüber auf Durchführung der Arbeiten bestanden. Sie habe ihr freigestellt, anstelle der auf der Bergfahrbahn aufgetragenen Polyurethanisolierung die zweite, in der seinerzeitigen Ausschreibung enthaltene Variante, eine Teer-Epoxidharzbeschichtung durchzuführen. In der Folge habe sich jedoch herausgestellt, daß die von der Beklagten gelieferten Polyurethankunststoffe die in der Ausschreibung geforderten Werte nicht erreichten, so daß alle Beteiligten einvernehmlich beschlossen hätten, diese Kunststoffe für die Talfahrbahn nicht mehr zu verwenden. Die Beklagte habe ausdrücklich erklärt, diese Materialien bis zur Klärung der Schadensursache unter keinen Umständen mehr angreifen zu wollen. Die Nebenintervenientin, die die Polyurethankunststoffe hergestellt habe, habe sich jedoch geweigert, Teer-Epoxidmaterial für die Isolierung der Paschbergbrücke zu liefern, und habe sich geäußert, dieses Material sei nicht geeignet. Der Auftrag sei deshalb schließlich einem anderen Subunternehmer erteilt worden. Die Klägerin sei einerseits aus dem Titel der Gewährleistung zur Aufhebung des Vertrages mit der Beklagten berechtigt, andererseits aber auch legitimiert, den Kaufvertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage anzufechten und aufzulösen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und wendet ein, die Klägerin habe die Kunststoffmaterialien ohne jede Bedingung oder Befristung gekauft. Die Ware sei im Herbst 1979 von der Beklagten ausgeliefert und von der Klägerin bezahlt worden. Innerhalb der Gewährleistungsfrist von 6 Monaten seien keine Mängel gerügt worden, die Gewährleistungsfrist sei damit abgelaufen. Habe die Klägerin damit gerechnet, daß die von ihr gekauften Materialien auf der Talfahrbahn der Paschbergbrücke verlegt werden, sei dies möglicherweise der Beweggrund für den Ankauf gewesen. Es habe sich aber nicht um die Geschäftsgrundlage für den Kauf zwischen den Streitteilen gehandelt. Der Kauf sei nicht unter der Bedingung erfolgt, daß die Beklagte die Ware zurücknehmen müsse, wenn das Projekt nicht ausgeführt werde. Die vom Sachverständigen festgestellten mangelhaften Materialeigenschaften und die Stärke der Hauptisolierung seien nicht von der Beklagten zu verantworten. Die Beklagte habe die Isolierung entsprechend der Ausschreibung und unter ständiger Kontrolle der Klägerin durchgeführt. Die der Beklagten im Rechtsstreit beigetretene Nebenintervenientin behauptet, das von ihr der Beklagten gelieferte Material habe in seiner Qualität der von der Brenner Autobahn AG geforderten Spezifikation entsprochen.

Das Erstgericht gab der Klage statt und traf folgende Feststellungen:

Die Klägerin erhielt von der Brenner Autobahn AG den Auftrag zur Sanierung der Paschbergbrücke und übertrug der Beklagten die Durchführung der Isolierarbeiten. Im Leistungsverzeichnis der Brenner Autobahn AG waren Isoliermaterialien der Nebenintervenientin auf Teer-Polyurethanbasis, sowie als Variante eine Teer-Epoxidharzbeschichtung ausgeschrieben worden, wobei für die Epoxidharzvariante bestimmte Materialeigenschaften vorgeschrieben waren. Mit Schreiben vom 12.April 1979 bot die Beklagte der Klägerin unter Verbindlicherklärung der besonderen Hinweise, der Anbots- sowie der Ausschreibungsbeilagen und des Leistungsverzeichnisses der Brenner Autobahn AG die Teer-Polyurethanvariante mit dem Mittel T***-E an.

Bei einem Gespräch am 18.April 1979, an dem die Beklagte, Baumeister Ing. M*** für die Klägerin, der örtliche Bauleiter Dipl.Ing. Elmar P***, der Vorstandsdirektor der Brenner Autobahn AG Ing. Peter U*** und die Nebenintervenientin teilnahmen, wurden die für die Isolierung Verwendung findenden Kunststoffe und deren Eigenschaften festgelegt. Die Nebenintervenientin legte Proben und Prüfwerte der MA 39 der Stadt Wien vom 6. und 10. April 1979 über Polyurethane verschiedener Shorehärte, Dehnfestigkeit und Zugfestigkeit vor. Da sowohl der Beklagten als auch der Nebenintervenientin bekannt war, welchen Belastungen die Fahrbahn ausgesetzt sein würde, legte man das Hauptaugenmerk auf ausreichende Dehnfestigkeit des Isoliermaterials zur Überbrückung der zwischen den einzelnen, je 30 m langen Feldern befindlichen Fugen. Für die Hauptbeschichtung wurde festgelegt die Verwendung von Polyurethan mit einer Dehnfähigkeit von 60 % und einer Zugfestigkeit größer als 20 kp/cm 2 (= ca. 2 N/mm 2 ). Diese Werte wurden von der Nebenintervenientin garantiert. Für die Arbeitsausführung wurden die Reinigung des Tragwerkes mittels Flammstrahlen und Klopffräsen, die Grundierung mit Teer-Epoxidharz, nach Aufbringung der Isolierbeschichtung die Dichteabstreuung mit Diabassplit 2/5 mm mit Überziehen einer Kopfsprühung und nach deren Aushärtung der Auftrag mit einer wasseremulgierten Bitumenhaftbrücke bestimmt. Darüber sollte die Aufbringung der Asphaltbetondecke erfolgen.

Vor Beginn der Isolierungsarbeiten durch die Beklagte wurde von der Klägerin die Reinigung des Tragwerkes mittels Klopffräsen durchgeführt. Eine Reinigung mittels Flammstrahlen unterblieb, sie wurde auch technischerseits von der Bauleitung der Brenner Autobahn AG als nicht unbedingt notwendig erachtet. Nach Freigabe der gereinigten Fläche durch die örtliche Bauleitung zur Weiterbearbeitung wurde von der Beklagten die Grundierung, das Teer-Epoxidharz E***-T, gemäß der Verarbeitungsanleitung der Nebenintervenientin fachgerecht aufgetragen. Auf diese Grundierungsschichte wurde nach Abstreuung mit Diabassplit die Hauptisolierung (T***-E) ebenfalls gemäß der Verarbeitungsanleitung der Nebenintervenientin fachgerecht aufgebracht. Da keine Schichtstärke vorgeschrieben war, wurde von der örtlichen Bauleitung die Verwendung von Mindestmengen pro m 2 an Hand der angelieferten Gebinde kontrolliert, um Unterschreitungen zu vermeiden. Ebenso kontrolliert wurde von der Bauleitung die übereinstimmende Bezeichnung der Originalgebinde mit dem in der Ausschreibung geforderten Isolierstoff. Während der Isolierarbeiten waren die Beklagte und zeitweise auch die Nebenintervenientin an der Baustelle anwesend. Die Isolierarbeiten wurden nach ihrer Beendigung von der örtlichen Bauleitung kontrolliert und abgenommen. Die isolierte Fläche wurde zum Aufbringen der Asphaltdecke freigegeben. Ob auf die Isolierschichte die vorgesehene wasseremulgierte Bitumenhaftbrücke aufgetragen wurde, konnte nicht mehr festgestellt werden.

Die Bergfahrbahn der Paschbergbrücke wurde am 12. Juni 1979 in Betrieb genommen. Die Beklagte gestand eine Garantiezeit von 5 Jahren zu.

Mit Schreiben an die Klägerin vom 1.August 1979 bot die Beklagte die Isolierungsarbeiten an der Talfahrbahn zu den gleichen preislichen Bedingungen wie bei der Bergfahrbahn an, falls die Isolierungsmaterialien sofort gekauft und vorgelagert würden. Um den bei Kunststoffen bevorstehenden Preiserhöhungen vorzukommen, kaufte die Beklagte - nach Zusage der Brenner Autobahn AG und mit dem Einverständnis der Klägerin - von der Nebenintervenientin dieselben Isoliermaterialien, wie sie für die Bergfahrbahn verwendet worden waren und lagerte sie in der Autobahnmeisterei in Plons vor. Die Klägerin erteilte daraufhin der Beklagten mündlich den Auftrag zur Durchführung der Isolierung auch der Talfahrbahn. Die Brenner Autobahn AG erstattete der Klägerin den Kaufpreis von 2,618.125 S und diese zahlte ihn an die Beklagte, die ihn, vermindert um einen Nachlaß, der Nebenintervenientin entrichtete. Der vorgelagerte Flüssigkunststoff T***-E war von der gleichen Qualität, wie er auf der Bergfahrbahn verwendet worden war.

Im September 1979 traten an der Bergfahrbahn der Paschbergbrücke erste Fahrbahnschäden auf. Ab Dezember 1979 mußte die Klägerin die sich ausweitenden Fahrbahnschäden sanieren. Schließlich wurde die Fahrbahn für den Verkehr gesperrt.

Mit Schreiben vom 4.April 1980 teilte die Klägerin der Beklagten, die von den Schäden sofort informiert worden war, mit, sie werde die Beklagte im Rahmen der Gewährleistungsverpflichtung zur Behebung der Schäden in Anspruch nehmen. Über Ersuchen der Brenner Autobahn AG kam man überein, mit der Sanierung der Talfahrbahn so lange nicht zu beginnen, als die Schadensursache nicht geklärt sei.

Eine Materialuntersuchung der Isolierung T***-E durch den Magistrat der Stadt Wien ergab (Bericht vom 10.Juli 1980) bei dem 1979 verarbeiteten Prüfgut bei einer Prüftemperatur von minus 20 Grad Celsius eine Zugfestigkeit von 8,33 N/mm 2 (Bruchdehnung 32 %), bei plus 40 Grad Celsius von 5,13 N/mm 2 (Bruchdehnung 47 %). Geforderte Werte laut Leistungsverzeichnis und Garantie der Nebenintervenientin waren eine Zugfestigkeit von 2 N/mm 2 bei einer Bruchdehnung von 60 %. Eine Prüfung zweier Originalgebinde T***-E Komp A und Komp B mit einem Verarbeitungsdatum bis Juni bzw. Juli 1980 ergab unter Normalklima einen Zugfestigkeitswert von 2,27 N/mm 2 (Bruchdehnung 77 %), bei siebentägiger Lagerung bei plus 130 Grad Celsius 1,61 N/mm 2 (60 % Bruchdehnung) und nach einer siebentägigen Lagerung bei minus 35 Grad Celsius 1,74 N/mm 2 (Bruchdehnung 78 %). Bei Prüfung der Haftfestigkeit auf Beton lag das Mittel bei Normalklima bei 0,835 N/mm 2 und nach einer Heißasphaltbehandlung bei plus 220 Grad Celsius bei 0,764 N/mm 2 . Aus diesen Messungen ging hervor, daß die Haftfähigkeit um fast 50 % abfiel, wenn die Probe strengen Temperaturbedingungen von plus 130 Grad Celsius ausgesetzt wurde. Prüfungsergebnisse der MA 39 vom 11. November 1980 über einen weiteren Untersuchungsantrag des Dipl.Ing. Horst P*** erbrachten ähnliche Werte. Bei den bis zu plus 130 Grad Celsius gelagerten Proben trat der Bruch durch glatte Ablösung zwischen Voranstrich und erster Beschichtung ein, bei allen übrigen Lagerungen zwischen dem in der Isolierschichte eingebetteten Vlies und erster Beschichtung.

In den Ausschreibungsunterlagen gefordert war eine Abrißfestigkeit (Haftfestigkeit) von 2,5 N/mm 2 .

Mit Schreiben vom 23. Juli 1980 teilte die Klägerin der Beklagten den Beginn der Sanierungsarbeiten an der Bergfahrbahn mit 15. September 1980 mit. Nach Weigerung der Beklagten, die Mängelbehebung mit dem bisher verwendeten T***-E durchzuführen, erklärte die Brenner Autobahn AG, die Mängelbehebungsarbeiten könnten auch mit dem in der Ausschreibung enthaltenen Mittel auf Teer-Epoxidharzbasis durchgeführt werden. Mit Schreiben vom 7.August 1980 teilte die Nebenintervenientin mit, daß die von der Klägerin geforderte Eignungsprüfung des Teer-Epoxidharzes ergeben habe, daß das Material auf Grund des niedrigen Martenswertes des Epoxidharzes bereits bei + 160 o C erweiche und bei niedrigen Temperaturen verspröde, demzufolge nicht den Bedingungen der Brenner Autobahn AG entspreche und es die Nebenintervenientin ablehne, dieses Material für die Sanierung der Paschbergbrücke zur Verfügung zu stellen. Am 8. August 1980 fand eine Besprechung über die Art der Sanierung der Bergfahrbahn und der Isolierung der Talfahrbahn statt, an der Ing. M***, Dipl.Vw. S***, Dipl.Ing. Horst P*** und Dipl.Ing. Elmar P***, die Nebenintervenientin und die Beklagte teilnahmen. Die Beklagte machte den Vorschlag, eine andere, nicht in der Ausschreibung der Brenner Autobahn AG enthaltene Isolierungsart durchzuführen, und zwar mittels eines Bitumen-Polypropylen-Gemisches mit einem Polyestergewebe, welche Art der Isolierung in vielen Ländern Europas erfolgreich angewendet worden sei. Der Vorschlag der Beklagten wurde abgelehnt, da eine Einigung hinsichtlich der Mängelbehebung nicht zustandekam.

Mit Schreiben vom 8.August 1980 erklärte sich die Beklagte bereit, sowohl die Bergfahrbahn, als auch die Talfahrbahn der Paschbergbrücke mit der von ihr vorgeschlagenen Methode zu isolieren, und zwar zu dem von ihr garantierten Preis. Ausdrücklich erklärte die Beklagte, sie müsse sich andernfalls aus allen heraushalten, zumal ein Gutachten über die vollkommen unklare Schadensursache nicht vorläge und sich das Teer-Epoxidharz zur Sanierung nicht eigne.

Auf Grund der Weigerung der Beklagten, die Sanierungsarbeiten mit den in der Ausschreibung vorgesehenen Materialien durchzuführen, wurde die Verbesserungarbeit am 15.September 1980 von der Fa. ABC Allgemeine Bauchemie Salzburg unter Verwendung eines Teer-Epoxidharzes der deutschen Firma BC Bauchemie Bottrop begonnen; die Sanierungsarbeiten wurden Anfang 1981 erfolgreich abgeschlossen. Die Talfahrbahn wurde von der Fa. Allgemeine Bauchemie ebenfalls mit Teer-Epoxidharz isoliert; diese Arbeiten waren Ende Juni 1981 beendet.

Nach einem von Dipl.Ing.Horst P*** veranlaßten Prüfbericht der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt Innsbruck vom 22.Juni 1981 war die Grundierung auf der Tragplatte, abgesehen von Stellen mit starker Blasenbildung, im allgemeinen gut. Die Haftung der Hauptisolierung auf der Grundierung war bis auf wenige Stellen, die vor allem im Bereich der Überholspur und an den unwesentlich beanspruchten Stellen zu finden waren, durchwegs schlecht und auf Grund ihrer schlechten Vernetzung auch händisch leicht ablösbar. Die Schichtstärke der Hauptisolierung war nicht immer gleich ausgebildet und wies vor allem im Bereich der Fugen starke Schwankungen auf. Innerhalb der Hauptisolierung konnten durchgehende Blasensysteme gefunden werden, die eine hohe Anfälligkeit für mechanische Zerstörung zeigten, wodurch an diesen Stellen die geforderte Dichtigkeit nicht mehr gewährleistet war. Diese Blasensysteme und die teilweise große Schichtstärke bewirkten eine unbeabsichtigte Erhöhung der Elastizität des gesamten Systems. Die aufgetretenen Schäden sind daher in erster Linie auf die mangelhafte Haftung der Hauptisolierung auf der Grundisolierung infolge zu geringer, bzw. nicht vorhandener Vernetzung derselben durchzuführen. Die schlechte Haftung der Isolierschichte war zum Zeitpunkt der Isolierung nicht ohne weiteres zu erkennen, erst bei stärkerer Beanspruchung machten sich die fehlenden chemischen Bindungskräfte bemerkbar. Durch die starke mechanische Belastung, vor allem durch den Schwerverkehr, kam es zum verstärkten Ablösungsprozeß, wodurch auch das geforderte Nicht-Unterlaufen der Brückenisolierung durch eindringendes Wasser nicht mehr gewährleistet war. In Verbindung mit der zum Teil erheblich vergrößerten Schichtstärke, besonders im Bereich der Fugen, sowie der blasigen Struktur des Isoliermaterials und der dadurch erhöhten Elastizität entstand eine Art Walkprozeß, der sich zerstörend auf den Asphaltbelag auswirkte.

Aus dem in einem Beweissicherungsverfahren eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dipl.Ing.Dr.techn. Werner W*** geht hervor, daß die entstandenen Schäden auf die Hauptisolierung zurückzuführen sind. Der verwendete Isolierstoff ergab in der eingebauten Art eine viel zu geringe Stabilität durch zu hohe Elastizität und war unter der gegebenen Verkehrsbelastung derartigen Verformungen unterworfen, daß die darüberliegenden bituminösen Schichten zu starken Schwankungen und Dehnungen ausgesetzt waren. Die mangelhafte Verklebung der Hauptisolierung mit der Grundierung und der Bindschichte hat die Schadensbildung noch beschleunigt. Maßgebend für die rasche Zerstörung des Brückenbelages waren daher die für diesen Zweck ungeeigneten Materialeigenschaften und die Stärke der Hauptisolierung.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, bei dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrag handle es sich um einen Werkvertrag. Die Vorfinanzierung des Materialpreises durch die Klägerin sei als Vorauszahlung auf die der Beklagten für den Fall der Ausführung des Werkes gebührende Entlohnung anzusehen. Da die Ausführung des Werkes zufolge der Weigerung der Beklagten unterblieben sei, habe die Beklagte keinen Entgeltsanspruch und müsse das vorausbezahlte Entgelt der Klägerin zurückerstatten.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es stellte nach teilweiser Beweiswiederholung und -ergänzung fest, daß es sich bei der Zahlung der Brenner Autobahn AG an die Klägerin von 2,618.125 S nur um eine Vorfinanzierung der Isoliermaterialien handelte und, daß die Klägerin nach Beauftragung der ABC Allgemeine Bauchemie Salzburg mit den Arbeiten zur Isolierung der Talfahrbahn der Brenner Autobahn diesen Betrag zurückzahlen mußte. Mit Schreiben vom 18.August 1980 teilte die Klägerin der Beklagten mit, das im Bauhof Plons vorgelagerte Isoliermaterial sei nicht verwendbar. Sie möge es abholen und binnen 14 Tagen den vorausbezahlten Betrag von 2,618.215 S überweisen. Das Berufungsgericht übernahm nach ausführlicher Überprüfung alle Feststellungen des Erstgerichtes und führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, die Streitteile seien davon ausgegangen, daß die Isoliermaterialien für die Sanierung der Talfahrbahn der Brenner Autobahn verwendet werden sollten. Hiebei habe es sich aber keineswegs um einen rechtlich irrelevanten Beweggrund gehandelt, sondern um die Geschäftsgrundlage im Sinne des § 901 ABGB. Ein Vertrag sei auflösbar, wenn die objektive (typische) Geschäftsgrundlage, die jedermann mit einem solchen Geschäft verbinde, weggefallen und damit der im Vertragsinahlt zum Ausdruck gebrachte, von beiden Teilen anerkannte wesentliche Vertragszweck nicht nur zeitweilig unerreichbar geworden sei. Der Wegfall einer von beiden Parteien gemeinsam dem Vertragsabschluß unterstellten (typischen) Voraussetzung sei als Wegfall der Geschäftsgrundlage zu werten. Selbstverständliches könne auch ohne ausdrückliche Parteienvereinabrung als Vertragsinhalt angesehen werden. Es unterliege keinem Zweifel, daß die Streitteile beim Kauf der Isoliermaterialien - werte man das Vertragsverhältnis als Kaufvertrag - gemeinsam von der Erwartung ausgegangen seien, daß diese für die Sanierung der Talfahrbahn der Brenner Autobahn verwendet werden würden. Dieser Vertragcinhalt sei weggefallen, weil kurz nach der Lieferung der Isoliermaterialien auf der Bergfahrbahn, die mit dem gleichen Material isoliert worden sei, Schäden aufgetreten seien, wobei verschiedene Indizien auf eine mangelhafte Isolierung hingewiesen hätten. Die Beklagte habe sich in dieser Situation geweigert, die Isoliermaterialien vor genauer Klärung der Schadensursache für die Sanierung der Talfahrbahn zu verwenden. Da die Fahrbahnschäden immer gravierender geworden seien und schließlich die Sperre der Fahrbahn für den Verkehr notwendig gemacht hätten und die Brenner Autobahn AG auf die Erfüllung des zwischen ihr und der Klägerin geschlossenen Vertrages gepocht habe, sei schließlich eine andere Gesellschaft mit den Isolierarbeiten beauftragt worden. Damit aber sei der von beiden Streitteilen der Anschaffung der Isoliermaterialien zugrundegelegte Vertragszweck vereitelt worden. Dieser Wegfall der Geschäftsgrundlage berechtige die Klägerin zur Rückforderung des von ihr Geleisteten unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 1435 ABGB. Es sei ohne rechtliche Bedeutung, ob der Beklagten ein Verschulden an der Nichtverwendung der Isoliermaterialien oder deren mangelhaften Beschaffenheit anzulasten sei und letztlich auch, ob diese Materialien überhaupt die zugesicherte Qualität aufgewiesen hätten. Entscheidend sei allein, daß die Vertragsteile auf Grund ihres Wissensstandes zum damaligen Zeitpunkt darin übereinstimmten, daß die Isoliermaterialien für die Sanierung der Talfahrbahn nicht verwendet werden sollen. Zum gleichen Ergebnis komme man, wenn man, wie das Erstgericht, die Ansicht vertrete, es sei zwischen den Streitteilen ein einheitlicher Werkvertrag abgeschlossen worden, auf den die Klägerin einen Teil des Entgelts in Form des Kaufpreises für die Isoliermaterialien voraus entrichtet habe. Da die Werkleistung nicht erbracht worden sei, könne der Vorschuß nach kondiktionsrechtlichen Grundsätzen zurückgefordert werden. Die Beklagte und ihre Nebenintervenientin bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes mit (getrennten) Revisionen aus den Revisionsgründen des § 503 Abs. 1 Z 2 bis 4 ZPO und beantragen, es im klageabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, den Revisionen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind nicht berechtigt.

Die von der Beklagten und ihrer Nebenintervenientin geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit (§ 503 Abs. 1 Z 2 und 3 ZPO) wurde vom Revisionsgericht geprüft. Keiner dieser beiden Revisionsgründe liegt vor (§ 510 Abs. 3 ZPO). Das Neuerungsverbot gilt entgegen der Ansicht der Nebenintervenientin auch dann, wenn das Berufungsgericht eine Beweiswiederholung oder -ergänzung durchführt (Fasching IV 168; 5 Ob 667/82).

Verfehlt ist der Vorwurf der Beklagten, das Berufungsgericht habe bei seiner rechtlichen Beurteilung die Feststellung nicht berücksichtigt, daß über Ersuchen der Brenner Autobahn AG vereinbart worden sei, mit der Sanierung der Talfahrbahn so lange nicht zu beginnen, als die Schadensursache nicht geklärt sei. Die Beklagte läßt außer Acht, daß in der Folge, insbesondere am 8.August 1980, weitere Gespräche über die Sanierung der Bergfahrbahn und die Isolierung der Talfahrbahn der Paschbergbrücke stattgefunden haben, bei denen von einem Zuwarten mit diesen Arbeiten nicht mehr die Rede war, sondern es nur mehr darum ging, mit welchen Materialien die Isolierung durchgeführt wird, weil sich die Beklagte weigerte, hiezu wie bisher T***-E zu verwenden, die Nebenintervenientin aber es ablehnte, Teer-Epoxidharz für die Sanierung der Paschbergbrücke zur Verfügung zu stellen, da es den Bedingungen der Brenner Autobahn AG nicht entspreche.

Der Umstand, daß allein schon die Bestellung der Isoliermaterialien durch die Klägerin im Zusammenhang mit dem Anbot der Beklagten vom 1.August 1979 (betreffend die Isolierung der Talfahrbahn) nur als Annahme dieses Anbotes durch die Klägerin aufgefaßt werden konnte, so daß es eines zusätzlichen Auftrages hiezu nicht bedurft hätte, ändert nichts daran, daß ein derartiger Auftrag durch die Klägerin nach den Feststellungen ausdrücklich mündlich erteilt wurde.

Der Oberste Gerichtshof stimmt der ausführlichen und völlig zutreffenden rechtlichen Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht auch darin bei, daß es im Ergebnis keinen Unterschied macht, ob man die Ansicht vertritt, die Klägerin habe - wie es der Auffassung der Beklagten und ihrer Nebenintervenientin entspricht - das Isoliermaterial von der Beklagten gekauft, oder die Beklagte habe dieses Material im Rahmen des mit der Klägerin abgeschlossenen Werkvertrages über die Isolierung der Talfahrbahn der Paschbergbrücke geliefert und das Entgelt für dieses Material sei vorschußweise bezahlt worden (vgl. zum Begriff des Vorschusses die bereits vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung EvBl. 1981/157).

Folgt man der Ansicht, das Isoliermaterial sei von der Beklagten im Rahmen des mit ihr zustandegekommenen Werkvertrages geliefert und von der Klägerin vorschußweise gezahlt worden, ist es gemäß § 1168 ABGB wesentlich, weshalb die Ausführung des Werkes unterblieben ist, insbesondere, ob die Beklagte als die Unternehmerin zur Leistung bereit war und die Verhinderung des Werkes auf Umstände zurückzuführen ist, die auf Seite der Klägerin als der Bestellerin liegen. Derartige Umstände auf Seite des Bestellers sind nicht vorhanden. Die Beklagte hat sich im Hinblick auf die an der Bergfahrbahn der Brenner Autobahn entstandenen Schäden ausdrücklich geweigert, die weiteren Arbeiten mit dem bis dahin verwendeten T***-E durchzuführen, wie dies vertraglich vorgesehen war. Diese Weigerung ist zwar nach der Sachlage durchaus verständlich. Dies ändert aber nichts daran, daß das verwendete Isoliermaterial (in Verbindung mit der zum Teil erheblich vergrößerten Schichtstärke) den ausdrücklich geforderten Eigenschaften nicht entsprochen hat, weshalb die Umstände, deretwegen dieAusführung des Werkes unterblieben ist, auf Seite der Beklagten und ihrer Nebenintervenientin liegen. Die Lage wäre im übrigen nicht anders, hätte die Beklagte in der Folge die Isolierung der Talfahrbahn der Paschbergbrücke doch durchgeführt, aber nicht mit dem bereits gelieferten und gezahlten Isoliermaterial, sondern mit dem in der Ausschreibung der Arbeiten durch die Brenner Autobahn AG angeführten Teer-Epoxidharz oder mit dem von ihr selbst im Schreiben vom 8. August 1980 vorgeschlagenen Bitumen-Polypropylengemisch. Denn auch in diesem Fall wäre die Ausführung des Werkes einer Isolierung der Talfahrbahn der Brenner Autobahn mit dem bereits gelieferten Polyurethan unterblieben. Liegen aber Umstände auf Seite des Bestellers, die zum Unterbleiben der Ausführung des Werkes geführt haben, nicht vor, ist die Klägerin gemäß § 1435 ABGB berechtigt, den von ihr geleisteten Vorschuß zurückzufordern. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob das von der Klägerin im Zuge der Rückabwicklung zurückzustellende Material bereits verdorben ist, wie die Beklagte entgegen dem im Rechtsmittelverfahren bestehenden Neuerungsverbot in der Berufung vorgebracht hat und in ihrer Revision neuerlich behauptet, weil kein Grund gefunden werden kann, weshalb dieser Umstand von der Klägerin zu verantworten wäre. Derartiges hat die Beklagte auch gar nicht behauptet.

Die Beurteilung der vertraglichen Beziehungen zwischen den Streitteilen bei Lieferung des Isoliermaterials und der Bezahlung als Kauf führt zu keinem anderen Ergebnis. Das von der Klägerin angenommene Anbot der Beklagten, die Isolierungsarbeiten an der Talfahrbahn zu den gleichen preislichen Bedingungen wie jene an der Bergfahrbahn durchzuführen, falls die Isolierungsmaterialien sofort gekauft und vorgelagert würden, kann nicht anders verstanden werden, als daß die Arbeiten mit dem bereits gelieferten und "vorgelagerten" Material natürlich durch die Beklagte durchgeführt werden und daß die Klägerin dieses Material nur erwirbt, um die Durchführung der Arbeiten durch die Beklagte zu denselben preislichen Bedingungen wie an der Bergfahrbahn zu gewährleisten. Die Durchführung der Isolierarbeiten durch die Beklagte mit dem vorgelagerten Material war daher Geschäftsgrundlage, eine Vertragsvoraussetzung, die beide Parteien nach der Sachlage als gewiß angesehen haben und die daher nicht erst einer Vereinbarung bedurfte (JBl. 1976, 145; JBl. 1979, 652; 6 Ob 23/73 u.a.). Diese Geschäftsgrundlage ist dadurch weggefallen, daß die Beklagte sich nach dem Auftreten von Schäden an der Bergfahrbahn weigerte, die vorgelagerten Materialien bei der Isolierung der Talfahrbahn zu verwenden. Da dieser Umstand nicht von der Klägerin zu verantworten ist, ist die Klägerin zur Rückforderung des von ihr Geleisteten berechtigt.

Es ist nicht richtig, daß nach Ansicht des Berufungsgerichtes die Geschäftsgrundlage deshalb weggefallen sei, weil die Klägerin eine andere Gesellschaft mit den Isolierungsarbeiten beauftragte. Eine derartige rechtliche Beurteilung wäre auch nach den untergerichtlichen Feststellungen nicht gerechtfertigt. Aber selbst wenn man annehmen würde, daß die Klägerin mit der Beklagten darin übereinstimmte, das vorgelagerte Material für die Isolierung der Talfahrbahn nicht zu verwenden, ändert dies jedoch nichts daran, daß das Isoliermaterial, wie die Schäden an der Bergfahrbahn und die in der Folge eingeholten Untersuchungsergebnisse gezeigt haben, für den vorgesehenen Zweck offensichtlich nicht geeignet war und daß aus diesem Grund die Beklagte die Verwendung des Materials zur Isolierung der Talfahrbahn ablehnte.

Ein Eingehen auf die in der Revision der Nebenintervenientin erstmals aufgestellte Behauptung, die Klägerin hätte gemäß § 377 HGB unverzüglich rügen müssen, daß das gelieferte Material nicht die bedungenen Eigenschaften habe, erübrigt sich schon deshalb, weil es gegen das Neuerungsverbot verstößt.

Mit Recht haben deshalb die Vorinstanzen dem Klagebegehren stattgegeben. Die Revisionen erweisen sich damit als unbegründet, so daß ihnen ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

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