OGH 13Os49/86

OGH13Os49/8624.4.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.April 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Horak, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Jagschitz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Herwig W*** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht Klagenfurt vom 5.Februar 1986, GZ. 8 Vr 168/85-60, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Scheibenpflug, und der Verteidigerin Dr. van der Let, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 3.März 1963 geborene Herwig W*** wurde der Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2 StGB (1), des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 (zu ergänzen: vierter Fall) StGB (2) und der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 und 2 StGB (3) sowie des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 StGB (4) schuldig erkannt.

Die Schuldsprüche gründen sich auf den Wahrspruch der Geschwornen, welche die auf die betreffenden (entgegen der von der Generalprokuratur vertretenen Auffassung real konkurrierenden) Straftaten lautenden vier Hauptfragen - jene nach dem Verbrechen des schweren Raubes (2) mehrheitlich mit sechs gegen zwei Stimmen, alle übrigen (1, 3 und 4) stimmeneinhellig - bejaht haben; weitere Fragen waren nicht gestellt worden.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft diese Schuldsprüche mit einer auf § 345 Abs. 1 Z. 9 und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund macht er als Undeutlichkeit und Unvollständigkeit des Urteils geltend, daß die Vorschrift des § 260 (gemeint: Absatz 2) StPO verletzt worden sei, wonach bei Verurteilungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe wegen vorsätzlicher und fahrlässiger Taten im Anschluß an den Strafausspruch festzustellen ist, ob auf eine oder mehrere vorsätzlich begangene strafbare Handlungen eine mehr als einjährige Freiheitsstrafe entfällt. Diesem Vorbringen fehlt indes ein taugliches Substrat, weil der Angeklagte wegen keiner fahrlässig begangenen Tat, sondern ausschließlich wegen Vorsatzdelikten verurteilt wurde (woran nichts ändert, daß bei vorsätzlich begangenen Straftaten für die Erfolgsqualifikation: § 84 Abs. 1; § 143, 4. Fall, StGB) Fahrlässigkeit genügt.

Nur der Vollständigkeit halber sei bemerkt, daß zwar in § 345 Abs. 1 Z. 4 StPO die Bestimmung des § 260 StPO zitiert ist, doch sind nur Verstöße gegen Abs. 1 Z. 1 bis 3 dieser Gesetzesstelle mit Nichtigkeit bedroht; die prozessuale Vorgangsweise für den Fall einer Verletzung des § 260 Abs. 2 StPO ist hingegen in § 260 Abs. 3 StPO gesondert geregelt.

Mit der auf den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z. 12 StPO abzielenden Behauptung, das Geschwornengericht sei in Ansehung der Freiheitsentziehung (§ 99 StGB) "irrtümlicherweise" davon ausgegangen, daß das Opfer Franz A*** zum Zeitpunkt der Begehung dieser Tat bereits schwer verletzt gewesen sei, in Wahrheit sei der Genannte aber erst beim (späteren) Zurückreißen vom Fenster schwer verletzt worden, bringt der Beschwerdeführer weder den von ihm geltend gemachten, noch einen anderen materiellen Nichtigkeitsgrund zur gesetzmäßigen Darstellung. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen läuft nämlich bloß darauf hinaus, in im Nichtigkeitsverfahren unzulässiger Weise den Wahrspruch der Geschwornen und damit die von diesen getroffenen Tatsachenfeststellungen zu bekämpfen. Im übrigen sei bemerkt, daß die erwähnte Beschwerdebehauptung im gegebenen Fall irrelevant ist, weil Franz A*** im Zeitpunkt der Freiheitsentziehung jedenfalls bereits anläßlich des vorangegangenen Raubüberfalls vom Angeklagten derart erheblich verletzt worden war, daß die zugefügten Verletzungen die schwere Dauerfolge einer (verschlimmerten) chronischen Niereninsuffizienz nach sich gezogen haben (vgl. die Beantwortung der Hauptfrage 2 sowie Punkt 2 des Urteilsspruchs, insbesondere aber auch S. 213 und 273). Die vom Beschwerdeführer vertretene Rechtsansicht, die zum Schuldspruchfaktum 3 umschriebene Tat wäre richtigerweise nur als Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB zu beurteilen gewesen, weil es an den Voraussetzungen für die Anwendung der strafsatzerhöhenden Qualifikation des Abs. 2 der genannten Gesetzesstelle mangle, ist daher verfehlt: Würde doch die Tatbegehung lt Schuldspruchfaktum 3 an einer Person, welche unmittelbar vorher auf die aus dem Schuldspruch 2 ersichtliche Weise brutal mißhandelt und dabei erheblich verletzt worden war, selbst dann, wenn die dem Opfer in diesem Stadium des Geschehens zugefügten Verletzungen nicht im Rechtssinn als "schwer" zu qualifizieren wären, die Annahme rechtfertigen, daß die Freiheitsentziehung dem Festgehaltenen besondere Qualen im Sinn des § 99 Abs. 2 StGB bereitet hat, welche dann vorliegen, wenn die Beeinträchtigungen durch die Tat entweder an sich sehr intensiv sind oder eine länger dauernde physische oder psychische Belastung darstellen (LSK. 1978/44, LSK. 1985/61 zu § 99 Abs. 2 StGB); umsomehr trifft dies angesichts der dem Opfer vorher zugefügten Verletzungen zu, welche schwere Dauerfolgen im Sinn des § 85 Z. 3 StGB nach sich gezogen haben.

Da sich somit auch die Rechtsrüge des Angeklagten als verfehlt erweist, war seine Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen. Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach § 143, zweiter Strafsatz (= dritter Satz, erster Halbsatz) StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren. Dabei waren erschwerend das Zusammentreffen von drei Verbrechen und einem Vergehen, die beispiellose Brutalität, mit der der Angeklagte gegen sein Opfer vorgegangen ist, und die mehrfache Qualifikation des Diebstahls. Mildernd waren hingegen die bisherige Unbescholtenheit und das teilweise Geständnis des Angeklagten sowie die partielle Schadensgutmachung durch Auffinden der Diebsbeute bei ihm.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Strafe auf das gesetzliche Mindestmaß an, allenfalls sogar dessen Unterschreitung angesichts des Überwiegens der Milderungsgründe. Auch der Berufung bleibt ein Erfolg versagt.

Von einem - noch dazu beträchtlichen (§ 41 StGB) - Überwiegen der Milderungsumstände kann weder der Zahl noch dem Gewicht nach die Rede sein. Die bei den vom Schuldspruch erfaßten Delikten zutreffend angenommene Deliktskonkurrenz und die abstoßende Brutalität gegenüber einem schwerkranken Menschen verlangen eine empfindliche Bestrafung des Täters. Wenn das Geschwornengericht angesichts eines über dem Durchschnitt vergleichbarer Kriminalität liegenden Unrechtsgehalts und des dadurch mitbestimmten gravierenden Verschuldens des Rechtsmittelwerbers die gesetzliche Mindeststrafe (10 Jahre) nicht mehr für vertretbar hielt und in deren ohnehin bloß maßvoller Überschreitung eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren für angemessen hielt, findet dies auch die Billigung des Obersten Gerichtshofs.

Auf die handschriftliche Eingabe des Angeklagten vom 8. April 1986 konnte nicht Bedacht genommen werden, weil die Strafprozeßordnung nur eine Ausfertigung der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 285 Abs. 1 StPO) und der Berufung (§ 294 Abs. 2 StPO) kennt.

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