OGH 7Ob12/86

OGH7Ob12/8624.4.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Mag.Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Josef G***, Sägewerksbesitzer, Gleisdorf, Mühlgasse 144, vertreten durch Dr.Fritz König, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei G*** W*** V***, Graz, Herrengasse 18-20,

vertreten durch Dr.Hella Ranner, Rechtsanwalt in Graz, wegen 422.325 S s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 14. Oktober 1985, GZ 5 R 150/85-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 4. Juni 1985, GZ 7 Cg 382/84-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 16.091,85 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.920 S Barauslagen und 1.288,35 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Bei einem am 6.August 1984 auf der Liegenschaft des Klägers aus Fremdverschulden entstandenen Brand wurde ein bei der beklagten Partei zum Neuwert feuerversicherter Hubstapler mit Generator vernichtet. Der Versicherung liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS), die Allgemeinen Feuerversicherungsbedingungen (AFB) sowie die Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung industrieller und gewerblicher Anlagen (im folgenden nur Sonderbedingungen) zugrunde. Nach Punkt IV der Sonderbedingungen erwirbt der Versicherungsnehmer den Anspruch auf Zahlung des die Zeitwertentschädigung übersteigenden Teiles der Entschädigung nur insoweit, als dieser Teil zusammen mit der Zeitwertentschädigung den Wiederherstellungsaufwand nicht übersteigt, und in dem Umfang, in dem die Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung an der bisherigen Stelle gesichert ist. Die Entschädigung für den Hubstapler wurde zwischen den Streitteilen am 11.September 1984 einvernehmlich mit 853.086 S und die Zeitwertentschädigung mit 430.761 S bestimmt. Die den Zeitwert übersteigende Versicherungsleistung von 422.325 S sollte der Kläger im Sinne des Punktes IV der Sonderbedingungen im Falle der Nachschaffung eines gleichwertigen Hubstaplers innerhalb der bis 6. August 1987 laufenden Wiederherstellungsfrist erhalten. Am 21. September 1984 kaufte der Kläger bei der Firma T*** unter Eigentumsvorbehalt einen Hubstapler um 1,000.836 S. Der Kaufpreis sollte wie folgt berichtigt werden: Durch eine Gutschrift über 292.836 S "für einen verbrannten Hubstapler der gleichen Type, Baujahr 1976", durch Barzahlung von 15.000 S bei Übernahme, durch Zahlung von 85.000 S und der Mehrwertsteuerdifferenz von 118.000 S binnen 14 Tagen nach der Lieferung, der Restbetrag in 24 Raten ab 1. Jänner 1985 mit 9,5 % Verzinsung durch Wechsel. Die Barzahlung von 15.000 S erfolgte mit Verrechnungsscheck, dessen Erhalt von der Firma T*** mit Schreiben vom 2.Oktober 1985 bestätigt wurde. Der Kläger verfälschte diese Bestätigung dahin, daß er den Betrag auf 515.000 S änderte. Er legte die verfälschte Urkunde der beklagten Partei zum Nachweis der Nachschaffung des Hubstaplers vor. Zugleich wies er die 23 Wechsel über je 23.000 S vor, die von der Firma T*** ausgestellt und von ihm angenommen worden waren. Der Kläger hatte bereits im Jahre 1982 anläßlich eines einen Hubstapler betreffenden Schadensfalles der beklagten Partei anstelle der Nachschaffung eines 6 Tonnen-Staplers die Nachschaffung eines 8 Tonnen-Staplers gemeldet, sodaß es zu einer Mehrleistung der beklagten Partei von 118.071 S gekommen war, die durch die Vereinbarung vom 11.September 1984 auf die Zeitwertentschädigung dieses Schadensfalles angerechnet wurde. Auf Grund einer Rückfrage der beklagten Partei bei der Firma T***, zu der sie sich wegen der mit dem Kläger gemachten Erfahrungen veranlaßt sah, erfuhr sie von der Urkundenverfälschung des Klägers. Die beklagte Partei versuchte zusätzlich Informationen von der Firma T*** zu erhalten, die ihr jedoch verweigert wurden, da der Kläger inzwischen der Firma T*** jede Auskunftserteilung an die beklagte Partei untersagt hatte.

Gegen das auf Zahlung der den Zeitwert übersteigenden Entschädigung gerichtete Klagebegehren wendet die beklagte Partei Leistungsfreiheit nach Art. 12 der ABS und nach Art. 4 Abs. 3 der AFB ein. Nach Art. 12 der ABS ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung unter anderem frei, wenn sich der Versicherungsnehmer bei der Ermittlung des Schadens oder der Entschädigung einer arglistigen Täuschung schuldig macht. Nach Art. 4 Abs. 1 lit. d der AFB hat der Versicherungsnehmer dem Versicherer, soweit es ihm billigerweise zugemutet werden kann, jede Untersuchung über die Ursache und die Höhe des Schadens und über den Umfang seiner Entschädigungspflicht zu gestatten, auf Verlangen jede hiezu dienliche Auskunft zu Protokoll zu geben oder schriftlich zu erteilen und Belege beizubringen. Bei vorsätzlicher Verletzung dieser Auskunftspflicht ist der Versicherer nach Art. 4 Abs. 3 AFB leistungsfrei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.

Durch das ausdrückliche Verbot des Klägers an seinen Lieferanten, der beklagten Partei weitere Auskünfte zu erteilen, habe er vorsätzlich gegen seine Auskunftsobliegenheit nach Art. 4 Abs. 1 lit. d der AFB verstoßen. Eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung führe immer zur vollen Leistungsfreiheit des Versicherers. Eine arglistige Täuschung im Sinne des Art. 12 der ABS stelle jede falsche Angabe dar, durch die die Entschließung des Versicherers über die Auszahlung der Entschädigung in irgendeiner Weise beeinflußt werden könne. Schon der Versuch einer Täuschung führe zur Anspruchsverwirkung. Die Vorlage der gefälschten Zahlungsbestätigung sei geeignet gewesen, den Entschluß der beklagten Partei zur Auszahlung des Restbetrages zu beeinflussen, da nach dem Inhalt dieser Bestätigung und den vorgewiesenen Wechseln die Bezahlung des gesamten Kaufpreises gesichert gewesen sei. Für den Tatbestand der Täuschung sei es nicht erforderlich, daß der Versicherungsnehmer durch seine Handlungen einen Vermögensvorteil anstrebe, es genüge, daß er nur die Schadensregulierung beschleunigen oder Schwierigkeiten bei der Feststellung seiner berechtigten Ansprüche vermeiden wolle.

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der behauptete Verfahrensmangel und die Aktenwidrigkeit wurden geprüft, liegen jedoch nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO). Soweit sich der Kläger auf die Vereinbarung vom 11.September 1984 beruft, kann ihm nur insoweit beigepflichtet werden, daß die Entstehung des Restanspruches nicht von der restlosen Bezahlung der Kaufsumme abhängig gemacht wurde. Im übrigen wurde in dieser Vereinbarung ausdrücklich auf Punkt IV der Sonderbedingungen Bedacht genommen und damit klargestellt, daß der Kläger den Anspruch auf Zahlung des die Zeitwertentschädigung übersteigenden Teiles der Entschädigung nur insoweit und in dem Umfang erhält, in dem die Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung gesichert ist. Schon aus dem Wortlaut der Wiederherstellungsklausel ergibt sich, daß es für den Restanspruch genügt, wenn die Verwendung der Entschädigung für die Wiederherstellung oder Nachschaffung sichergestellt ist, sodaß der Anspruch auf die Neuwertspanne im allgemeinen nicht erst nach Bezahlung entsteht (vgl. Martin, Sachversicherungsrecht R IV 12, 15). Wann die Verwendung gesichert ist, ist nach Treu und Glauben zu entscheiden (Prölss-Martin, VersVG 23 499). Dem Versicherungsnehmer obliegt es, die Sicherstellung der Verwendung der Entschädigungssumme für die Wiederherstellung oder Nachschaffung darzutun. Alle tatsächlichen Angaben des Versicherungsnehmers darüber gegenüber dem Versicherer dienen der Ermittlung der Entschädigung und unterliegen dem Verbot der arglistigen Täuschung nach Art. 12 der ABS. Für den Tatbestand der arglistigen Täuschung genügt jede objektiv falsche Angabe, sofern dadurch die Feststellung des Schadens oder die Entschließung des Versicherers über die Auszahlung der Entschädigung in irgendeiner Weise beeinflußt werden kann. Nicht erforderlich ist, daß der Versicherungsnehmer einen Vermögensvorteil anstrebt, auf den er keinen Anspruch hat. Eine arglistige Täuschung ist daher auch dann gegeben, wenn der Versicherungsnehmer einen vermeintlich berechtigten oder selbst einen berechtigten Anspruch mit dem Mittel der Täuschung durchsetzen oder die Schadensregulierung beschleunigen will. Der Versuch der Täuschung genügt, auch wenn die wahre Sachlage dem Versicherer bekannt wird (Prölls-Martin aaO 551 f; Martin aaO X III 10). Daß die Verfälschung des Betrages von 15.000 S auf 515.000 S in der Bestätigung über den Erhalt des Verrechnungsschecks durch die Firma T*** geeignet war, die Entscheidung der beklagten Partei über die Auszahlung der Neuwertspanne zu beeinflussen, kann nicht zweifelhaft sein, würde doch damit dargetan, daß der Kläger einen Betrag von 515.000 S für die Nachschaffung bereits tatsächlich aufgewendet hat. Zu Recht haben daher die Vorinstanzen dem Kläger eine arglistige Täuschung der beklagten Partei nach Art. 12 der ABS angelastet, die die Leistungsfreiheit der beklagten Partei zur Folge hat. Darauf, ob unabhängig von dieser Täuschung die Verwendung der Entschädigung für die Nachschaffung gesichert war und welche Bedeutung in diesem Zusammenhang dem Eigentumsvorbehalt zukommt und daß der Kläger nur die Auszahlung der Entschädigungssumme beschleunigen wollte (vgl. AS 5), kommt es nach den obigen Darlegungen nicht an. Es ist zwar richtig, daß in der deutschen Rechtsprechung basierend auf § 242 BGB eine Einschränkung der Leistungsfreiheit im Einzelfall anerkannt wird (vgl. Prölss-Martin aaO 553; Martin aaO X III 14 f). Daraus ist aber für den Kläger schon deshalb nichts zu gewinnen, weil er auch nach seiner eigenen Darstellung bei der Liquidierung des Schadensfalles vom Jahre 1982 jedenfalls gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, den auch der Versicherungsnehmer gegen sich gelten lassen muß (Prölls-Martin aaO 15), verstoßen hat und sich daher nicht der beklagten Partei gegenüber auf diesen Grundsatz berufen kann. Es kann daher unerörtert bleiben, ob die vom Kläger für eine Anerkennung der Leistungspflicht der beklagten Partei im Sinne der deutschen Rechtsprechung vorgetragenen Argumente auch nach dieser Rechtsprechung überhaupt zu einer Leistungspflicht des Versicherers führen könnten.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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