OGH 2Ob559/86

OGH2Ob559/8622.4.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Vormundschaftssache der mj.Sarah M***, geboren am 19.Mai 1983, wohnhaft in Feldkirch - Gisingen, Im Gisinger Feld 8, infolge Revisionsrekurses der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 7. März 1986, GZ1 a R 90/86-5, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 24.Feber 1986, GZ P 59/86-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die mj.Sarah M*** ist das uneheliche Kind der Hata M***. Beide sind jugoslawische Staatsangehörige und haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Am 19.2.1986 brachte die Mutter als Vertreterin des Kindes zur AZ 6 C 41/86 des Bezirksgerichtes Feldkirch eine Klage auf Feststellung der Vaterschaft und Unterhaltsleistung gegen den ebenfalls jugoslawischen Staatsangehörigen Jure M*** ein. Gleichzeitig beantragte sie, für die Klägerin einen "Kollisionskurator" zu bestellen.

Das Erstgericht bestellte gemäß § 22 Abs2 JWG, § 198 Abs3 ABGB die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch zum besonderen Sachwalter für die Minderjährige im angeführten Verfahren.

Der von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs blieb erfolglos. Das Rekursgericht führte aus, entgegen der Ansicht der Rekurswerberin sei für die Beurteilung der gegenständlichen Frage des Haager Unterhaltsstatutabkommen vom 24.10.1956, BGBl.1961/293, sowie BGBl.1961/295, anwendbar. Richtig sei, daß Jugoslawien nicht Vertragsstaat dieses Übereinkommens sei. Der Zweck des Übereinkommens sei es jedoch, die Kollisionsnormen der Vertragsstaaten zu vereinheitlichen, weshalb es auch in jenen Fällen anwendbar sei, in denen Staatsbürger keines Vertragsstaates beteiligt seien. Nach dieser Ansicht wäre die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch Amtsvormund und bereits als solche Vertreterin des Kindes. Im Vaterschaftsverfahren müsse die Unterhaltsverpflichtung jedenfalls als Vorfrage beurteilt werden. Insofern bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Geltendmachung des Unterhaltes und der Vaterschaftsfeststellung, sodaß auch hinsichtlich der Vertretung keine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sei. Dies ergebe sich insbesondere auch aus § 22 Abs2 und 3 JWG sowie § 198 Abs3 ABGB. Abgesehen von der Anwendung der §§ 17, 18 JWG sei es für das Wohl des Kindes erforderlich, die Bezirksverwaltungsbehörde zum besonderen Sachwalter im Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft und zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche zu bestellen.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß wegen Rechtswidrigkeit zu beheben und die Bestellung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch zum Sachwalter zwecks Feststellung der Vaterschaft und Festsetzung des Unterhaltes abzulehnen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Da im vorliegenden Fall übereinstimmende Entscheidungen der Vorinstanzen vorliegen, fände ein weiterer Rechtszug gemäß § 16 AußStrG nur wegen Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit oder offenbarer Gesetzwidrigkeit statt.

Im Revisionsrekurs wird der Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit geltend gemacht. Die Rechtsmittelwerberin führt aus, die Bestellung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch zum Sachwalter nach § 198 Abs3 ABGB und § 22 Abs2 Jugendwohlfahrtsgesetz sei schon deshalb nicht möglich, da eine Sachwalterbestellung nach diesen gesetzlichen Bestimmungen nur für Minderjährige österreichischer Staatsbürgerschaft vorgesehen sei. Die Ausweitung dieser gesetzlichen Bestimmung auf Personen ausländischer Staatsbürgerschaft sei unzulässig. Die Bestellung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch zum Sachwalter könne auch nicht auf Art.1 Abs3 des Übereinkommens über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht vom 20.12.1958 (BGBl.293/1961) gestützt werden, wonach das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes auch für die Frage anwendbar sei, wer für das Kind antragsberechtigt sei. Die Minderjährige Sarah M*** sei ein uneheliches Kind mit jugoslawischer Staatsangehörigkeit. Jugoslawien habe das Haager Unterhaltsstatutübereinkommen nicht ratifiziert, sodaß es nicht als Rechtsgrundlage für die Bestellung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch zum Sachwalter herangezogen werden könne. Es bestehe für die österreichischen Bezirksverwaltungsbehörden grundsätzlich keine Verpflichtung, für ein jugoslawisches Kind in Bezug auf Vaterschaft und Unterhalt einzuschreiten. Dies vor allem deshalb, da eine Bestellung nach § 198 Abs3 ABGB und § 22 Abs2 JWG nur für Kinder österreichischer Staatsbürgerschaft vorgesehen sei und zudem mangels zwischenstaatlicher Vereinbarungen auch keine andere gesetzliche Grundlage herangezogen werden könne, nach der die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch zum Sachwalter zwecks Feststellung der Vaterschaft und Hereinbringung des Unterhaltes bestellt werden könnte. Die Bestellung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch zum Sachwalter zwecks Feststellung der Vaterschaft und Festsetzung des Unterhaltes für ausländische Kinder führe zu einem erheblichen Personal- und Sachaufwand für diese Behörde. Während die Aufgaben der Amtsvormundschaft und Sachwalterschaft für inländische Minderjährige durch die Bezirksverwaltungsbehörde einem gesetzlichen Auftrag entspreche und die Vertretung dieser nicht eigenberechtigten Personen im besonderen öffentlichen Interesse liege, stelle die Betrauung der Bezirksverwaltungsbehörde zum gesetzlichen Vertreter für ausländische Minderjährige eine Tätigkeit dar, die grundsätzlich von den ordentlichen Gerichten selbst wahrzunehmen wäre. Diese Praxis bringe zwar eine erhebliche Entlastung der Gerichte mit sich, habe jedoch eine verstärkte Belastung der Bezirksverwaltungsbehörden, in diesem Fall für "Handlangerdienste der Gerichte", zur Folge.

Diesen Ausführungen ist folgendes zu erwidern:

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine dazu im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird. Es bildet daher nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung eine offenbare Gesetzwidrigkeit (JBl1975,547, RZ 1975,10 ua.). Gerade in der von der Rechtsmittelwerberin zur Unterstützung ihrer Rechsansicht zitierten Entscheidung 7 Ob 520/85 hat der Oberste Gerichtshof aber ausgesprochen, daß das Übereinkommen vom 24.10.1956, BGBl.1961/293, über das auf Unterhaltesverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht im Art.1 Abs1 vorsieht, daß das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes bestimmt, ob, in welchem Ausmaß und von wem das Kind Unterhaltsleistungen verlangen kann. Dieses Recht bestimmt nach Art.1 Abs3 auch, wer zur Einbringung der Unterhaltsklage befugt ist.

Es trifft zwar zu, daß das erwähnte Haager Unterhaltsabkommen primär nur die Voraussetzungen und die Grundsätze für die Gewährung des Unterhaltes regelt. Entsprechend dem Zweck dieses Übereinkommens, nämlich im Interesse des Kindes eine möglichst leichte und zweckmäßige Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen zu bieten, wurde es jedoch dahin ausgelegt, daß auch für die Vertretung des unehelichen Kindes jene Bestimmungen maßgebend sein sollen, die für die Ausmessung und Festsetzung des Unterhaltes heranzuziehen sind. Die gesetzliche Vertretung des Kindes im Unterhaltsverfahren ist also nach den Sachnormen des jeweiligen Unterhaltsstatutes so zu beurteilen, als ob es sich für diese Rechtsordnung um einen reinen Inlandfall handeln würde. Das bedeutet für die besonders häufigen Fälle, in denen das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (also im Forumstaat) hat, daß die Frage der gesetzlichen Vertretung im Unterhaltsverfahren nach inländischem Sachrecht so zu behandeln ist, wie bei inländischen Kindern inländischer Eltern, und zwar auch dann, wenn das Kind oder die Eltern Ausländer sein sollten. Demnach sind auch uneheliche Kinder mit ausländischer Staatsangehörigkeit grundsätzlich durch die gesetzliche Amtsvormundschaft der §§ 17 und 18 JWG ex lege vertreten (vgl. Schwimann, Internationales Zivilverfahrensrecht, 119). Dies trifft auch im vorliegenden Fall, in dem die Minderjährige Sarah M*** ihren gewöhnlichen Aufenthlt in Österreich, nämlich in Feldkirch-Gisingen hat, zu. Ist aber, wie hier, die Frage der Vaterschaft als Vorfrage für die Entscheidung über den Unterhalt zu klären, ist hiefür ebenfalls das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes, also österreichisches Recht, maßgebend (vgl. SZ 38/21 ua.).

Die Bestellung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch zum besonderen Sachwalter der Minderjährigen im Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft und Festsetzung des Unterhaltes stellt somit entgegen der Auffassung des Revisionsrekurses keineswegs eine offenbare Gesetzwidrigkeit dar, sondern entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Auf die im Revisionsrekurs angeführten Zweckmäßigkeitserwägungen bezüglich der Bestellung der Bezirksverwaltungsbehörde zum Sachwalter für Kinder mit ausländischer Staatsangehörigkeit war im Rahmen der Überprüfung der Entscheidung der zweiten Instanz hinsichtlich des Vorliegens einer offenbaren Gesetzwidrigkeit nicht einzugehen.

Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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