Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung des Angeklagten Milorad J*** wird nicht Folge gegeben.
Der Berufung des Angeklagten Radoje J*** wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 15 (fünfzehn) Jahre herabgesetzt. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Milorad J*** und Radoje J*** auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen im zweiten Rechtsgang (§ 334 StPO) - abermals - der Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB und des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Darnach haben sie am 1.Februar 1984 in Wien
1. im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter die Josefa S*** durch Versetzen mehrerer Messerstiche in das Gesicht, den Oberkörper und die Bauchregion vorsätzlich getötet;
2. in Gesellschaft als Beteiligte durch die zu 1. beschriebene Tathandlung der Josefa S*** mit Gewalt gegen deren Person unter Verwendung von Waffen fremde bewegliche Sachen, nämlich zumindest drei Handtaschen und eine Kofferschreibmaschine mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Die Geschwornen hatten die diesen Schuldsprüchen entsprechenden und anklagekonform an sie gerichteten Hauptfragen nach Mord (A und C) und schwerem Raub (B und D) einstimmig bejaht und ließen demgemäß (lediglich) in Ansehung des Angeklagten Radoje J*** gestellte Eventualfragen unbeantwortet.
Dieses Urteil wird vom Angeklagten Milorad J*** mit einer auf die Z 4, 6 und 8 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft, die jedoch unbegründet ist.
Rechtliche Beurteilung
Zum Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs. 1 Z 4 StPO:
In der zum Urteil führenden, gemäß § 276 a StPO wegen Zeitablaufs neudurchgeführten Hauptverhandlung vom 21.Oktober 1985 hat eine abgesonderte Vernehmung der beiden Angeklagten gemäß § 250 StPO nicht stattgefunden, sodaß mit Bezug auf diese (für die Beurteilung allfälliger Verfahrensmängel allein
maßgebliche - vgl Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , E 8 zu § 276 a) Hauptverhandlung eine Nichtigkeit bewirkende Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 250 Abs. 2 StPO ausscheidet. Im übrigen ist dem Erstgericht auch in der früheren Hauptverhandlung (vom 26. Februar 1985) in bezug auf den Beschwerdeführer keine solche Nichtigkeit unterlaufen, da der Angeklagte Milorad J*** im Rahmen des damals verfügten abgesonderten Verhörs als erster vernommen worden ist und die nachfolgende Verantwortung des Mitangeklagten Radoje J*** unmittelbar selbst mitangehört hat, sodaß hinsichtlich des durchwegs im Sitzungssaal anwesend verbliebenen Beschwerdeführers die Vorschrift des § 250 StPO gar nicht aktuell war.
Mit dem Hinweis, daß im Hauptverhandlungsprotokoll die Entlassung der Ersatzgeschwornen nach Schluß der Verhandlung (S 34/III) nicht ausdrücklich festgehalten ist, wird der Nichtigkeitsgrund des § 329 StPO nicht dargetan. Dazu hätte es vielmehr der positiven Beschwerdebehauptung bedurft, daß der Abstimmung der Geschwornen ein nicht eingetretener (§ 320 Abs. 2 StPO) Ersatzgeschworner (oder sonst jemand außer den acht berufenen Geschwornen) beigewohnt habe.
Gleiches gilt für den Einwand gegen die Protokollstelle (S 34/III) über die Verkündung des Urteils durch den Vorsitzenden "nach Verkündung des Wahrspruchs durch den Obmann der Geschwornen". Auch damit wird nur eine als solche nicht mit Nichtigkeit bedrohte Ungenauigkeit bei der Protokollierung wesentlicher Förmlichkeiten (§§ 271 Abs. 1, 343 StPO) aufgezeigt, aber weder behauptet noch dargetan, daß der Obmann der Geschwornen der mit Nichtigkeitssanktion ausgestatteten Verfahrensvorschrift des § 340 Abs. 2 StPO zuwider lediglich den Wahrspruch (als solchen), nicht aber unmittelbar davor auch die an die Geschwornen gerichteten Fragen verlesen hätte.
Zum Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs. 1 Z 6 StPO:
Für die Stellung von besonderen Schuldfragen nach Alleintäterschaft des Angeklagten Radoje J*** war angesichts der ohnedies für jeden der beiden Angeklagten getrennt gestellten Hauptfragen nach Mord (A und C) und Raub (B und D) kein Raum. Darnach hätten die Geschwornen ihre allfällige Überzeugung von einer Alleintäterschaft des Angeklagten Radoje J*** durch Verneinung der hinsichtlich des Angeklagten Milorad J*** gestellten Hauptfrage A (nach Mord) und B (nach Raub) sowie durch Beifügung einer die Mittäterschaft des Beschwerdeführers verneinenden Beschränkung (§ 330 Abs. 2 StPO) - über welche Möglichkeit sie in der Allgemeinen Rechtsbelehrung (StPOForm.RMB 1) aufgeklärt worden sind - bei den in Ansehung des Angeklagten Radoje J*** gestellten Hauptfragen C (nach Mord) und D (nach Raub) unschwer zum Ausdruck bringen können.
Die Stellung von Eventualfragen (§ 314 StPO) nach anderen Täterschaftsformen aber war beim Beschwerdeführer nicht indiziert, denn soweit er im Vorverfahren zeitweilig geständig war, hat er sich als unmittelbarer (Allein-)Täter bekannt; sonst aber hat er eine Tatbeteiligung in welcher Form immer überhaupt bestritten. Auch nach einer im Vorverfahren (ua) angebotenen Version des Angeklagten Radoje J*** kam nur unmittelbare Täterschaft seines Vaters in Betracht. Von Bestimmungs- oder Beitragstäterschaft des Angeklagten Milorad J*** war weder in den abwechselnden Geständnissen die Rede noch wurden sonst in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht, die die vom Beschwerdeführer reklamierten Eventualfragen erforderlich gemacht hätten. Auch in der Beschwerde vermag der Angeklagte Milorad J*** nicht aufzuzeigen, nach welchen "anderen Täterschaftsformen" bei ihm eventualiter hätte gefragt werden sollen.
Zum Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs. 1 Z 8 StPO:
Da - wie eben erörtert zu Recht - nach Täterschaft des Beschwerdeführers durch Bestimmung oder durch sonstigen Tatbeitrag nicht gefragt war, bedurfte es auch keiner Belehrung der Geschwornen über die Abgrenzung unmittelbarer Täterschaft zu diesen (in der Beschwerde als "Teilnehmer" bezeichneten) Rechtsbegriffen, denn die Rechtsbelehrung hat nur die in den gestellten Fragen aufscheinenden, nicht aber andere, wenn auch mit ihnen verwandte Rechtsbegriffe zu erläutern (Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , E 22 zu § 345 Abs. 1 Z 8). Auch ist auf Besonderheiten des Verfahrens in tatsächlicher Hinsicht - wie dies in der Beschwerde andeutungsweise gefordert wird - in der schriftlichen Rechtsbelehrung nicht einzugehen; dies ist vielmehr Sache der nach § 323 Abs. 2 StPO vom Vorsitzenden mit den Geschwornen abzuhaltenden Besprechung (aaO E 14 und 15). Im übrigen entsprachen die Ausführungen in der Rechtsbelehrung (S 3 derselben) zum Rechtsbegriff der Mittäterschaft, die der Beschwerdeführer nur in bezug auf den Mordvorwurf als unvollständig und unrichtig bezeichnet, durchaus dem Gesetz; wurde doch diese damit umschrieben, daß jeder der mehreren vorsätzlich zusammenwirkenden unmittelbaren Täter Ausführungshandlungen setzt, also an der Tatausführung unmittelbar mitwirkt, wobei allerdings nicht jeder Mittäter das gesamte Tatbild verwirklichen muß, es vielmehr genügt, daß er in der Ausführungsphase an der Tat mitwirkt, also in dieser Phase in bezug auf seine Person als unmittelbarer Täter tätig wird (vgl ÖJZ-LSK 1977/17 zu § 12 StGB). Mit dem Hinweis auf das Erfordernis eines vorsätzlichen Zusammenwirkens wurden die Geschwornen aber auch darüber belehrt, daß die Annahme von Mittäterschaft beim Mord einen auf diese Tat gerichteten gemeinsamen Tatentschluß der Mittäter zur Voraussetzung hat.
Darüber hinwieder, was bei Überschreiten des ursprünglich gefaßten gemeinsamen Tatentschlusses durch einen der Täter rechtens wäre, mußten die Geschwornen mangels einer auf eine solche Konstellation abzielenden Fragenstellung nicht belehrt werden. Inwiefern die Rechtsbelehrung (auf deren S 5) über das Verhältnis der Hauptfragen A (nach Mord durch Milorad J***) und C (nach Mord durch Radoje J***) zueinander die Geschwornen hätte beirren können, kann der Beschwerde nicht entnommen werden. Gerade durch den Hinweis, daß diese Hauptfragen darauf gerichtet sind, ob Milorad J*** und/oder Radoje J*** das Verbrechen des Mordes begangen haben, wurden die Geschwornen auf die von ihnen (beweismäßig) allein zu lösende Frage der Mittäterschaft oder Alleintäterschaft (eines der beiden Angeklagten) besonders deutlich hingewiesen.
An sich zwar zutreffend ist der schließlich gegen die Rechtsbelehrung über die Begehung einer erfolgsgerichteten Straftat durch Unterlassung (§ 2 StGB) erhobene Einwand der Unrichtigkeit, wurde doch dabei (S 5 und 6 der Rechtsbelehrung) gänzlich außer Acht gelassen, daß eine solche Unterlassung gemäß § 2 StGB nur dann strafbar ist, wenn der Täter zufolge einer ihn im besonderen treffenden Verpflichtung durch die Rechtsordnung zur Erfolgsabwendung verhalten ist (Garantenstellung) und die Unterlassung der Erfolgsabwendung einer Verwirklichung des gesetzlichen Tatbildes durch ein Tun gleichzuhalten ist (Gleichwertigkeit). Allein aus diesem Fehler der Belehrung kann eine Nichtigkeit des Verdikts und des darauf gegründeten Urteils nicht abgeleitet werden, denn mit Rücksicht darauf, daß den Angeklagten in der Anklageschrift Mord durch einverständliches Tun (Versetzen mehrerer Messerstiche) vorgeworfen wurde, war der Rechtsbegriff der Begehung durch Unterlassung nach dem Inhalt der anklagekonform gestellten Hauptfragen gar nicht aktuell und wäre demnach nicht zu erörtern gewesen. Eine unrichtige Rechtsbelehrung über einen gänzlich außerhalb der konkreten Fragestellung liegenden Rechtsbegriff kann aber denkgesetzlich - somit auch in abstracto - keinen Einfluß auf die Entscheidung der Geschwornen üben, weshalb in einem solchen Fall Nichtigkeit nicht begründet wird (vgl Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , E 7 und 8, insoweit aber auch 9 zu § 345 Abs. 1 Z 8).
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Milorad J*** war daher zu verwerfen.
Zu den Berufungen:
Das Geschwornengericht verurteilte nach §§ 28, 75 StGB den Angeklagten Milorad J*** zu zwanzig, den Angeklagten Radoje J*** zu achtzehn Jahren Freiheitsstrafe. Dabei wertete es das Zusammentreffen zweier Verbrechen und die zweifache Qualifikation des Raubes nach § 143 StGB bei beiden Angeklagten als erschwerend; als mildernd berücksichtigte es hingegen bei beiden Angeklagten die im Vorverfahren (vor der Sicherheitsbehörde) gezeigte Schuldeinsicht, bei Radoje J*** überdies dessen bisher ordentlichen Lebenswandel, zu dem die Tat zweifelsohne in einem auffallenden Widerspruch steht, sowie die starke, eine Abhängigkeit im Sinn einer Beeinflussung zur Tat durchaus begründende Bindung an seinen Vater.
Diesen Strafausspruch bekämpfen die Angeklagten mit Berufung, wobei sie eine Herabsetzung des Strafausmaßes - Radoje J*** selbst unter das gesetzliche Mindestmaß (§ 41 StGB) - anstreben. Die Berufung des Angeklagten Milorad J*** ist nicht begründet.
Zu Unrecht hat nämlich das Geschwornengericht diesem Angeklagten die im Vorverfahren gezeigte Schuldeinsicht als mildernd zugutegehalten, denn angesichts seiner strikt leugnenden Verantwortung in der Hauptverhandlung kommt seinem angeblich abgepreßten bzw aus Furcht vor weiteren Repressalien zeitweilig abgelegten Geständnis bei der Polizei und vor dem Untersuchungsrichter weder die Qualität eines reumütigen Schuldbekenntnisses noch etwa eines wesentlichen Beitrags zur Wahrheitsfindung zu. Im übrigen hat das Erstgericht die Strafbemessungsgründe im wesentlichen richtig aufgezählt und der Berufungswerber kann demgegenüber keine für ihn sprechenden Milderungsgründe ins Treffen führen. Ungeachtet der durch die Vorstrafe wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts nicht nennenswerten Trübung seines Vorlebens erscheint die vom Geschwornengericht - wenn auch im Höchstmaß - verhängte bloß zeitliche Freiheitsstrafe keineswegs überhöht.
Hingegen erweist sich das Berufungsbegehren des Angeklagten Radoje J*** insofern berechtigt, als ihm für seine Person ein durchaus reumütiges Geständnis zuzubilligen ist, wobei es diesem Milderungsgrund keinen Abbruch tut, daß der Angeklagte infolge seiner außergewöhnlichen Vaterbeziehung diesen zu decken versuchte. Zudem verdient dieses Abhängigkeitsverhältnis (§ 34 Z 4 StGB) nach Lage des Falles eine größere als ihm vom Erstgericht beigemessene Gewichtung, weshalb dem Obersten Gerichtshof die Reduktion der über diesen Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe auf fünfzehn Jahre geboten erschien.
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