Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und hinsichtlich beider Angeklagten der Ausspruch gemäß § 43 Abs. 2 StGB aus dem angefochtenen Urteil ausgeschaltet.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem (auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden) angefochtenen Urteil wurden der am 14.Feber 1966 geborene Gerd G*** und die am 29.Jänner 1966 geborene Ruth L*** im zweiten Rechtsgang des (am 5.Juli 1984 begangenen) Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Über sie wurden vom Geschwornengericht hiefür nach §§ 41, 143 erster Strafsatz StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das (aufgrund derselben Anklage) im ersten Rechtsgang ergangene Urteil vom 18.Feber 1985 (ON 23) - mit dem sie des Anfang Juni und am 4.Juli 1984 begangenen Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 2, 129 Z 1 und 2 sowie 15 StGB zu gemäß § 43 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von je drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen, und zwar Gerd G*** in der Dauer von zwei Jahren und Ruth L*** in der Dauer von einem Jahr verurteilt worden waren - Zusatzstrafen in der Dauer von je zwei Jahren verhängt, deren Vollziehung bei beiden Angeklagten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs. 2 StGB (abermals) nachgesehen worden ist.
Rechtliche Beurteilung
Der von der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde - in der behauptet wird, das Geschwornengericht habe durch die (neuerliche) Entscheidung über die bedingte Strafnachsicht die Grenzen der ihm gemäß § 43 Abs. 2 StGB eingeräumten Befugnisse überschritten (§ 493 Abs. 2 StPO iVm § 345 Abs. 1 Z 13 StPO) - kommt keine Berechtigung zu.
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Zusatzstrafe (§ 31 StGB) bedingt nachgesehen werden kann, kommt es nur auf deren Art und Ausmaß, nicht aber auf das Ergebnis einer Zusammenrechnung der im früheren Urteil ausgesprochenen Strafe mit der Zusatzstrafe an. Daß die Summe der Freiheitsstrafen aus zwei zueinander im Verhältnis des § 31 StGB stehenden Urteilen das im § 43 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB vorgesehene Höchstmaß übersteigt, schließt die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht nicht generell aus (vgl. Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 31 RN 18, 19, § 43 RN 15, Kunst im WK § 43 Rz. 10; SSt. 47/28; ÖJZ-LSK 1982/52, ebenso schon EvBl 1972/168 ua zu § 265 StPO aF). Die Regelung des § 31 StGB will (ausschließlich) das Absorptionsprinzip (auch) bei solchen zusammentreffenden Straftaten zum Tragen bringen, die zwar nach der Zeit der Begehung Gegenstand eines einzigen, nämlich des ersten Urteils hätten sein können, aber - aus welchen Gründen immer - nicht zugleich abgeurteilt worden sind. Sie entspricht inhaltlich im wesentlichen der Anordnung des § 28 StGB - auf den sie rekurriert - und legt damit die Grenzen der dem Gericht zur Verfügung stehenden Strafbefugnis lediglich in bezug auf die Höhe der zu verhängenden Zusatzstrafe fest. Im übrigen aber - in bezug auf den sonstigen Strafausspruch - kann und muß das Gericht im später abgeschlossenen Strafverfahren alle Normen des materiellen Rechts zur Anwendung bringen, die bei der Festlegung der Sanktion(en) für die im Spruch (§ 260 Abs. 1 Z 1 StPO) bezeichnete Tat zu beachten sind. Denn es ist diesbezüglich (auch) das (spätere) Urteil, mit dem eine Zusatzstrafe ausgesprochen wird, ein selbständiges Straferkenntnis, für das nur bezüglich der Strafhöhe die besonderen Vorschriften der §§ 31, 40 StGB gelten (vgl. Leukauf-Steininger aaO, § 31 RN 2). Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 StGB bei Zusatzstrafen, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Summe der Freiheitsstrafen aus den zueinander im Verhältnis des § 31 StGB stehenden Urteilen ein Jahr bzw. zwei Jahre übersteigt, ist weder aus dem Gesetzestext noch aus dem Zweck dieser Regelung zu erkennen (vgl. die Widerrufsregelung des § 55 Abs. 1 StGB).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Bei der Strafbemessung wertete das Geschwornengericht bei beiden Angeklagten als erschwerend das Zusammentreffen des Verbrechens des schweren Raubes mit dem Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch und die zweifache Qualifikation der Tat zum schweren Raub, als mildernd hingegen das im Vorverfahren und im ersten Rechtsgang abgelegte reumütige Geständnis, die Tatbegehung nach Vollendung des 18., jedoch vor Vollendung des 21. Lebensjahres, den bis Anfang Juni 1984 ordentlichen Lebenswandel und den Umstand, daß die Raubtat nur bis zum Versuch gediehen ist.
Die Anwendung der bedingten Strafnachsicht erachtete das Geschwornengericht im Hinblick auf diese Strafzumessungsgründe sowie die derzeitigen Bemühungen der beiden Angeklagten, sich sozial zu integrieren, für berechtigt.
Die Staatsanwaltschaft strebt mit ihrer Berufung bei beiden Angeklagten die Ausschaltung der bedingten Strafnachsicht an. Der Berufung kommt Berechtigung zu.
Vorweg sei nur am Rande angemerkt, daß das Erstgericht entgegen dem Vorbringen des Verteidigers des Angeklagten G*** im Gerichtstag das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen verschiedener Art (§ 33 Z 1 StGB) zu Recht als erschwerend gewertet hat (vgl. 10 Os 162/80; Leukauf-Steininger aaO § 31 RN 25).
Dem öffentlichen Ankläger ist allerdings darin beizupflichten, daß es vorliegend sowohl beim Angeklagten G*** als auch bei der Angeklagten L*** an den Voraussetzungen für die Gewährung bedingter Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 2 StGB gebricht. Ob die bloße Androhung der Vollziehung der Strafe genügen werde, den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten und der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entsprechend entgegenzuwirken, ist gemäß § 43 Abs. 1 (vorletzter Satz) StPO insbesondere (auch) nach der Art der Tat und dem Grad der personalen Täterschuld zu beurteilen.
Insoweit hat der Senat erwogen: Die beiden Angeklagten haben, nachdem sie bereits Anfang Juni 1984 den ersten Einbruchsdiebstahl in die Wohnung der Familie C*** verübt, den aus der Verwertung der Diebsbeute erzielten Erlös (von insgesamt ca. 14.000 S) im Prater (in Spielhallen) sowie in Kaffeehäusern durchgebracht hatten und ihr beim zweiten Einbruch am 4.Juli 1984 unternommener Versuch, in der bezeichneten Wohnung zwei Wandtresore unter Verwendung einer Bohrmaschine und sonstiger Werkzeuge aufzubrechen, gescheitert war, schon für den darauffolgenden Tag (5.Juli 1984) die Durchführung der urteilsgegenständlichen (schweren) Raubtat ausgeheckt, bei welcher das Tatopfer von den mit einer Gaspistole bewaffneten und maskierten Tätern unter Verwendung einer betäubenden Flüssigkeit bewußtlos gemacht, gefesselt und dann beraubt werden sollte. Schon diese eskalierende Vorgangsweise, bzw. die daraus abzuleitende immer größer werdende Schuld sprechen gegen die Gewährung bedingter Strafnachsicht; charakterisiert sie doch die beiden Angeklagten als Rechtsbrecher, die sich beharrlich und bedenkenlos (durch die Begehung mehrerer schwerer Delikte) über die Schranken des Rechts hinwegsetzen, bei denen es also in hohem Maße an Verbundenheit mit den rechtlich geschützten Werten fehlt. Es sind sohin selbst bei Berücksichtigung der nunmehrigen Bemühungen der Angeklagten, ihr bisher mit sehr mäßigem Erfolg betriebenes Studium, mit größerem Ernst fortzusetzen, bei ihnen die erforderlichen spezialpräventiven Bedingungen für eine bedingte Strafnachsicht nicht gegeben. Dazu kommt aber noch, daß gerade bei einer so schwerwiegenden Straftat, wie der vorliegenden, auch aus generalpräventiven Gründen, nämlich zur Erhaltung der Rechtstreue der Allgemeinheit, die Vollstreckung der verhängten Strafen geboten ist. Denn nach Lage des Falles würde der Erhaltung und Bestärkung des allgemeinen Rechtsbewußtseins empfindlich Abbruch getan, wenn das Strafübel bloß angedroht und nicht auch in Vollzug gesetzt wird.
Es war daher in Stattgebung der Berufung des öffentlichen Anklägers bei beiden Angeklagten der Ausspruch über die bedingte Strafnachsicht aus dem Urteil auszuschalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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