OGH 5Ob44/86

OGH5Ob44/868.4.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HONProf.Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Elfriede F***, Mieterin, Wien 1., Wiesingerstraße 6/8, vertreten durch Alfred K***, Sekretär der Mietervereinigung Österreichs, Wien 1., Reichsratstraße 15, dieser vertreten durch Dr. Heinrich Keller, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin

S***-E***, Hauseigentümerin, Wien 1., Wiesingerstraße 6, vertreten durch Mag.jur.Oswald W***, Wien 13., Hietzinger Hauptstraße 108, wegen § 37 Abs1 Z 8 MRG infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 10.Dezember 1985, GZ 41 R 1169/85-9, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 25.August 1985, GZ 48 Msch 27/85-5, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit S 120,-- bestimmten Barauslagen des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin ist seit 1.7.1966 Mieterin der Wohnung top.Nr.8 in dem der Antragsgegnerin gehörenden Haus Wien 1., Wiesingerstraße 6. Laut Pkt.4 Abs1 des Mietvertrages unterliegt das Mietobjekt den Bestimmungen des Mietengesetzes und wird daher auf seine Dauer der Mietzins unter Zugrundelegung eines Jahresmietwertes von 4.800,-- Kronen errechnet. Hiebei gilt ein Zuschlag zum Hauptmietzins von 13 1/3 Groschen je Friedenskrone vereinbart. Laut Punkt 4 Abs4 des Mietvertrages ist nach Aufhebung der gesetzlichen Zinsbeschränkungen ein neu zu vereinbarender Mietzins zu zahlen. Nach Punkt 9 des Mietvertrages wurden andere als hier festgehaltene Vereinbarungen nicht getroffen und müssen spätere Änderungen des Vertrages in schriftlicher Form erfolgen. Gemäß Punkt 11 des Mietvertrages entrichtet die Mieterin durch 4 Jahre zusätzlich S 200,-- monatlich. Nach Punkt 14 des Mietvertrages anerkennt die Mieterin die im Mietzins eingebaute Liftinstandsetzungsrate durch 4 Jahre, das heißt bis 30.10.1969. Im Punkt 15 des Mietvertrages nimmt die Mieterin zur Kenntnis, daß nach Ablauf von 4 Jahren eine allfällige gesetzliche Mietzinserhöhung zur Gänze zu erbringen ist. Am 26.6.1984 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin unter Berufung auf die zu 2 Ob 513/84 ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes und "§ 3 Abs3" des Mietvertrages mit, daß sie den (bisher in der Höhe von S 600,-- vorgeschriebenen) monatlichen Hauptmietzins (ab dem 1.7.1984) entsprechend dem Kategoriewert und der Nutzfläche der Wohnung auf S 3.733,-- (wertgesichert) ausschließlich USt. anheben werde

(= 18,30,-- S x 204 m 2 ).

Das gemäß § 40 Abs2 MRG von der Antragsgegnerin angerufene Erstgericht stellte mit Sachbeschluß fest, daß die Antragsgegnerin der Antragstellerin gegenüber durch Vorschreibung eines Hauptmietzinses von S 3.733,-- anstelle von S 600,-- zum 1.7.1984 das gesetzlich zulässige Zinsausmaß um S 3.133,-- (ausschließlich USt.) überschritten habe. Es führte aus:

Da ein Beweisverfahren nicht erforderlich gewesen sei, habe sich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erübrigt (§ 37 Abs3 Z 12 MRG). Die Antragsgegnerin stütze die von ihr beabsichtigte Mietzinserhöhung auf die Bestimmungen des Mietvertrages, und zwar insbesondere auf Punkt 4 Abs4, wonach nach Aufhebung der gesetzlichen Zinsbeschränkungen ein neu zu vereinbarender Mietzins zu zahlen sei. Ohne Abschluß einer neuen Mietzinsvereinbarung berechtige aber weder die zitierte Klausel noch einer der übrigen Punkte des Mietvertrages die Antragsgegnerin zur Erhöhung des Mietzinses. Abgesehen davon, daß durch die Einführung des Mietrechtsgesetzes am 1.1.1982 gesetzliche Zinsbeschränkungen keinesfalls weggefallen seien, mangle es dieser Klausel an der Bestimmbarkeit des neu zu vereinbarenden Mietzinses. Aber auch Punkt 15 des Mietvertrages berechtige allein auf Grund des Inkrafttretens des Mietrechtsgesetzes nicht zur Erhöhung des Mietzinses, weil das Mietrechtsgesetz nicht einen "gesetzlichen" Hauptmietzins und schon gar nicht eine "gesetzliche" Mietzinserzöhung normiert habe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge und erklärte den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, und zwar aus nachstehenden Erwägungen:

Zunächst rüge die Antragsgegnerin, daß das Erstgericht keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe. Dabei übersehe die Antragsgegnerin, daß sie ihr Vorbringen lediglich auf den schriftlichen Mietvertrag stütze, dessen Inhalt das Erstgericht in dem hier interessierenden Teil ohnedies festgestellt habe. Die Antragsgegnerin vermöge nicht darzulegen, welchen Einfluß das Unterlassen der mündlichen Verhandlung auf die getroffenen Feststellungen gehabt haben solle. Damit zeige die Antragsgegnerin aber einen relevanten Verfahrensmangel nicht auf. Entgegen der Meinung der Antragsgegnerin bewirke die Unterlassung der mündlichen Verhandlung für sich allein keine Nichtigkeit (vgl. Würth-Zingher, MRG 2 Anm.45 zu § 37).

Ausgehend von den unbekämpft gebliebenen Feststellungen betrage der Jahresmietwert für die hier in Rede stehende Wohnung

4.800 Kronen. Gemäß § 16 Abs2 und 3 MG in der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Fassung (1.7.1966) sei die Zinsvereinbarung von den Zinsbildungsvorschriften des Mietengesetzes ausgenommen gewesen, weil der Jahresmietzins für 1914 2.000 Kronen überstiegen habe. Hätte aber schon damals ein höherer als der gesetzliche Mietzins vereinbart werden können, so sei die formularmäßige "Anpassungsklausel" schon bei ihrem Abschluß jeden sinnvollen Parteiwillens entkleidet gewesen. Darüber hinaus fehle es der im Mietvertrag verwendeten Anpassungsklausel an der für die Auslegung erforderlichen Bestimmbarkeit.

Gegen den Sachbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der auf die Beschwerdegründe der Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die Durchführung eines gesetzlichen Verfahrens unter Wahrung des Parteiengehörs aufzutragen. Hilfsweise wird ein Abänderungsantrag im Sinne der Abweisung des Feststellungsantrages der Antragstellerin gestellt.

Die Antragstellerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt. Was zunächst die Mängelrüge der Antragsgegnerin betrifft, so ist ihr zu erwidern, daß angebliche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, die vom Rekursgericht als nicht gegeben erachtet worden sind, auch im Verfahren nach § 37 MRG in dritter Instanz nicht mehr releviert werden können (5 Ob 47/83).

Zur Rechtsrüge der Antragsgegnerin ist wie folgt Stellung zu nehmen:

Am 1.1.1986 trat das Bundesgesetz vom 12.12.1985 BGBl.559, mit dem unter anderem das Mietrechtsgesetz geändert worden ist, in Kraft. Gemäß Abs1 des durch dieses Gesetz in das Mietrechtsgesetz eingefügten § 16 a sind Vereinbarungen in einem vor dem 1.1.1982 geschlossenen Vertrag, die eine Erhöhung des Hauptmietzinses für den Fall einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Höhe des Hauptmietzinses vorsehen, rechtsunwirksam, wobei unter diesen Vereinbarungen auch solche zu verstehen sind, in denen sich der Mieter für den Fall einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Höhe des Hauptmietzinses zum Abschluß einer neuen Mietzinsvereinbarung verpflichtet hat. Nach Art.IV Z 7 des Bundesgesetzes vom 12.12.1985 BGBl.559 ist § 16 a MRG auch auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen streitigen und außerstreitigen Verfahren anzuwenden. Damit wird, wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals entschieden hat (6 Ob 660/85, 5 Ob 112/85, 8 Ob 633/85 ua.), in eindeutiger Weise eine Rückwirkung des § 16 a MRG auf die den genannten Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalte angeordnet (ebenso Rieder in der 120.Sitzung des NR, Sten.Prot.16.GP 10.626 rSp unten; ImmZ 1986,28 Pkt.1 lit d; Würth-Zingher, MRG`86, 39 Anm.3 zu § 16 a MRG; Tschugguel in ÖJZ 1986,100 ff; noch weitergehend Zingher in ÖJZ 1986, 97 ff; vgl. ferner Hanel in JBl1986,162 ff). Die von Iro in RdW 1986,37 f geäußerte Rechtsansicht, Zinsanpassungsklausel bzw. daran anknüpfende Mietzinsvereinbarungen seien nach § 16 a MRG generell, also auch in am 1.1.1986 noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren, nur hinsichtlich der nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 12.12.1985 BGBl.559 liegenden Zinsperioden unwirksam, träfe nach Meinung des Obersten Gerichtshofes nur dann zu, wenn sich der Gesetzgeber auf die allgemeine Anordnung des Inkrafttretens des genannten Gesetzes mit 1.1.1986 (Art.IV Z 1) beschränkt und die spezielle Anordnung für die am 1.1.1986 noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren (Art.IV Z 7) unterlassen hätte. Gegen die spezielle Anordnung bestehen auch unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes keine Bedenken; es ist nicht unsachlich, im Bereich noch nicht rechtskräftig abgeschlossener Verfahren die Rückwirkung zwingender gesetzlicher Vorschriften zu normieren, eine Rückwirkung solcher Vorschriften auf rechtskräftig entschiedene Fälle aber nicht vorzusehen (vgl.dazu Hanel in JBl1986,164).

Es war daher schon aus diesen Erwägungen dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen, ohne daß es noch erforderlich gewesen wäre zu prüfen, ob die rekursgerichtliche Entscheidung auch der Rechtslage vor dem Bundesgesetz vom 12.12.1985 BGBl.559 entsprochen hat. Die Entscheidung über den Ersatz der Barauslagen des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 37 Abs3 Z 19 MRG iVm §§ 41, 50 ZPO. Die Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung im Revisionsrekursverfahren konnten der Antragstellerin nicht zuerkannt werden, weil die Erhebung des Revisionsrekurses durch die Antragsgegnerin - wie die Ausführungen zu dessen Erledigung zeigen - nicht als mutwillig anzusehen ist.

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