OGH 14Ob14/86

OGH14Ob14/8625.3.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith, sowie die Beisitzer Dipl.Ing. Otto Beer und Johann Friesenbichler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf P***, Textiltechniker, Wien 14., Penzingerstraße 96/11, vertreten durch Dr. Ernst Blasl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei IWG I*** W*** mbH in Wien 1., Hoher Markt 12, vertreten durch Dr. Ernst Grossmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 38.501,35 brutto und S 2.017,10 netto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 10.Oktober 1985, GZ 44 Cg 158/85-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 19. April 1985, GZ 9 Cr 1166/84-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 3.069,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 257,25 Umsatzsteuer und S 240 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1.2.1971 bis 15.5.1984 bei der beklagten Partei als Angestellter im Werbeaußendienst beschäftigt. Er leistete, insbesondere von 1979 bis 1981, Überstunden. Der Kläger behauptet, er habe mit seinem damaligen Vorgesetzten, Direktor S***, vereinbart, daß ihm für diese Überstunden pauschal pro Jahr ein Zeitausgleich von vier Wochen gewährt werde. Es sei jedoch zu keinem Zeitausgleich gekommen, weil stets mehr Überstunden angefallen seien, als der Kläger sich Freizeit habe nehmen können. Anfang 1982 habe er mit Direktor S*** als Vertreter der beklagten Partei vereinbart, daß er seine Überstundenleistungen nach Möglichkeit einschränke und auch den pauschalierten Zeitausgleich von vier Wochen jährlich nicht mehr erhalte. Die zu diesem Zeitpunkt offenen 37 Werktage Zeitausgleich sollte er jedoch nach Bedarf verbrauchen können, ohne daß sie verfallen würden. Diese 37 Werktage entsprächen 7 Wochen Urlaub, was bei Zugrundelegung eines Bruttobezuges von monatlich S 23.190,- einen Betrag von S 40.582,50 brutto ergebe.

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei nach Einschränkung S 38.501,35 brutto, sowie weitere S 2.017,10 netto sA an Barauslagen für die Pflege und Wartung des Dienstwagens.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, die Streitteile hätten keine Vereinbarung über die Abgeltung allfällig aufgelaufener Überstunden durch Zeitausgleich getroffen. Der Kläger habe geleistete Überstunden bereits durch Zeitausgleich verbraucht. Direktor S*** sei zum Abschluß der vom Kläger behaupteten Vereinbarungen nicht berechtigt gewesen. Eine Vereinbarung, daß der Kläger allfällige noch offene Überstundenguthaben beliebig verbrauchen könne, sei nicht geschlossen worden. Im übrigen werde Verjährung eingewendet. Die PKW-Wartungskosten seien während eines Krankenstandes des Klägers aufgelaufen und könnten daher der beklagten Partei nicht angelastet werden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und traf folgende wesentliche Feststellungen:

Der Kläger schloß alle, sein Dienstverhältnis betreffenden Vereinbarungen nur mit seinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem inzwischen verstorbenen Direktor S***, der Geschäftsführer der Firma "A***", einer "Teilfirma" der beklagten Partei, war. Er konnte sich nicht daran erinnern, daß Direktor S*** ihm bei irgendwelchen, sein Dienstverhältnis betreffenden Problemen mitgeteilt hätte, er müsse mit jemandem von der beklagten Partei Rücksprache halten. Das Arbeitsgebiet des Klägers war vor der Übernahme durch ihn von drei Leuten betreut worden. Der Kläger mußte sehr viele Überstunden leisten. Seit Anfang 1973 wurden die Überstunden limitiert. Später ordnete die beklagte Partei an, daß Überstunden nicht mehr zu leisten seien; Direktor S*** teilte dies dem Kläger mit. Beiden war aber klar, daß die Arbeit des Klägers Überstunden erforderte. Aus diesem Grund vereinbarte Direktor S*** mit dem Kläger, daß dieser für die geleisteten Überstunden kein Entgelt, sondern vier Wochen Zeitausgleich pro Jahr erhalte. Der Kläger konnte aber diese vier Wochen aus arbeitstechnischen Gründen nicht verbrauchen. Im Jahre 1981 vereinbarte Direktor S*** mit dem Kläger, daß dieser wegen seiner bevorstehenden Pensionierung keine weiteren Überstunden mehr aufschreiben, aber das Zeitausgleichsguthaben von 37 Werktagen behalten und nach Belieben verbrauchen solle. In den ersten drei Monaten des Jahres 1982 wurde überdies vereinbart, daß dieser Zeitausgleich nicht verfallen solle.

Direktor S*** starb im April 1983. Der Kläger sprach nicht sofort mit dem neuen Chef der Firma "A***" über die Frage seines Freizeitausgleichs. Als er ihm das Problem einmal vorlegte, erklärte der neue Chef, er müsse erst in der Geschäftsleitung fragen, und kam mit der Antwort zurück, daß dem Kläger "das finanziell irgendwie abgegolten" werden sollte. Der Kläger verbrauchte die vereinbarten 37 Tage bis zum Ende seines Dienstverhältnisses nicht. 37 Tage Freizeitausgleich ergeben als Urlaubsentschädigung gerechnet den Bruttoklagsbetrag. Rechnet man die Tage als Überstunden mit Zuschlag, so ergibt sich ein weitaus höherer Betrag. Der Kläger wendete S 2.017,10 für Wartung und Pflege des ihm anvertrauten Dienstwagens auf.

Das Erstgericht war der Ansicht, der Kläger habe nach der Art seiner Tätigkeit und seiner Stellung zu seinem Vorgesetzten Direktor S*** mit Recht annehmen dürfen, daß dieser befugt sei, die festgestellten Vereinbarungen abzuschließen. Diese sollten dem Kläger den Anspruch auf Entgelt für geleistete Überstunden wahren, auch wenn er in der nächsten Zeit überhaupt nicht in die Lage kommen sollte, einen Zeitausgleich zu konsumieren. Die Vereinbarung, daß der Anspruch des Klägers auf Verbrauch der 37 Tage Freizeit nicht verfalle, schließe die Verjährung aus.

Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs.1 Z 3 ArbGG von neuem, bestätigte das Ersturteil, traf dieselben Feststellungen wie das Erstgericht und ergänzte sie dahin, daß der Kläger den ihm von der beklagten Partei zur Verfügung gestellten Dienstwagen nicht für private Fahrten benützte.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus: Da der Kläger sämtliche Vereinbarungen über sein Dienstverhältnis nur mit Direktor S*** getroffen habe, habe er darauf vertrauen dürfen, daß jener als Angestellter in der gehobenen Position eines Abteilungsleiters ermächtigt gewesen sei, Vereinbarungen über die Leistung von Überstunden und deren Abgeltung durch Freizeit zu treffen. In den Fällen der Anordnung von Überstunden und der Abgeltung durch Freizeit sei es dem Dienstnehmer in den meisten Fällen nicht möglich zu erkennen, ob sich die Erklärungen seines Vorgesetzten auf die Ermächtigung des Dienstgebers oder dessen Stellvertreters gründen. Die beklagte Partei müsse sich als äußeren Tatbestand zurechnen lassen, daß sie im Rahmen ihrer Organisation einen Abteilungsleiter bestellt habe, der gegenüber dem Kläger faktisch die Dienstgeberfunktion ausgeübt habe. Das Vertrauen des Klägers auf diesen äußeren Tatbestand sei zu schützen. Das Klagebegehren könne zwar nicht auf den Rechtsgrund einer Urlaubsentschädigung nach § 9 UrlG gestützt werden, doch habe dies der Kläger auch nicht ausdrücklich getan. Der Hinweis, 37 Werktage entsprächen 7 Wochen Urlaub, sei eher als Begründung für die Angemessenheit der geforderten Abgeltung des Freizeitausgleiches zu verstehen. Vereinbare ein Arbeitgeber mit seinem Arbeitnehmer die Abgeltung geleisteter Überstunden in Form von Freizeitgewährung und werde der Verbrauch dieser Freizeit in der Folge wegen Auflösung des Dienstverhältnisses unmöglich, so behalte der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Überstundenvergütung. Dieser umfasse den Grundlohn (Normallohn) und einen 50 %-igen Zuschlag gemäß § 10 AZG. Eine Berechnung des Überstundenentgelts unter Berücksichtigung des 50 %-igen Zuschlages mache weitaus mehr als den Klagsbetrag aus. Dem Kläger sei es auch nicht freigestanden, die offenen 37 Tage jederzeit zu verbrauchen. Der neue Chef habe nämlich erklärt, daß dem Kläger der offene Zeitausgleich finanziell abgegolten werden sollte. Damit habe die beklagte Partei zum Ausdruck gebracht, daß sie nicht bereit sei, dem Kläger als Ausgleich für die geleisteten Überstunden Freizeit zu gewähren, sondern eine finanzielle Abgeltung vorsehe. Der Anspruch des Klägers sei nicht verjährt, weil ihm noch im Jahre 1983 eine finanzielle Abgeltung der Überstundenleistungen in Aussicht gestellt worden sei. Die Barauslagen für den Dienstwagen entfielen auf Zeiträume, in denen der Kläger das Fahrzeug für dienstliche Zwecke benützt habe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Der Einwand der Revisionswerberin, der Kläger habe auf die Vertretungsmacht des Direktors S*** zum Abschluß von Vereinbarungen über die Abgeltung von Überstunden durch Freizeit nicht vertrauen dürfen, weil er von einer Beschränkung der Entscheidungsbefugnis dieses Direktors gewußt habe, kann auf sich beruhen. Das gilt auch für die Frage, ob der Kläger auf Grund der ihm bekannt gewordenen Anordnung der Firmenleitung, Überstunden seien nicht mehr zu leisten, annehmen mußte, daß auch im Wege des Zeitausgleiches zu verrechnende Überstunden untersagt und der unmittelbare Vorgesetzte des Kläges zum Abschluß von Zeitausgleichsvereinbarungen nicht berechtigt sei. Als nämlich der Kläger seinen neu eingesetzten Chef nach einiger Zeit auf das offene Problem des Freizeitausgleichs ansprach, erklärte dieser nach Rücksprache mit der Geschäftsleitung, daß dieser Freizeitausgleich dem Kläger "finanziell irgendwie abgegolten werden sollte". Damit hat die beklagte Partei das Freizeitguthaben des Klägers aus jener Vereinbarung, deren Rechtswirksamkeit sie infolge Fehlens der Vertretungsmacht des Direktors S*** bestreitet, als zu Recht bestehend behandelt. Sie hat mit dieser Zusage einer finanziellen Abgeltung zum Ausdruck gebracht, daß der Kläger mindestens jenen Zeitausgleich, den er nicht mehr in natura verbrauchen könne, finanziell irgendwie abgegolten erhalten werde. Daß der Kläger einen ihm noch vor dem Ende seines Dienstverhältnisses möglichen Verbrauch des Zeitausgleichsguthabens unterlassen oder gar eine ihm konkret angebotene Freistellung abgelehnt hätte, wurde nicht behauptet. Damit kommt es aber nur mehr darauf an, daß der Kläger den ihm zustehenden, von der neuen Firmenleitung grundsätzlich anerkannten Zeitausgleich während seines Dienstverhältnisses nicht konsumierte und infolge Beendigung des Dienstverhältnisses die Inanspruchnahme des Zeitausgleichs unmöglich geworden ist. Dem Kläger steht daher für den nicht mehr möglichen Zeitausgleich nach ständiger Lehre und Rechtsprechung ein Geldersatz für die nicht gewährte Freizeit zu (Grillberger, Arbeitszeitgesetz 86; Cerny, Arbeitszeitecht 98; Dittrich, Der Freizeitausgleich des Arbeitnehmers, RdA 1961, 10 [18]; Arb.8.876; SozM I A/d 1184; 4 Ob 112/76). Der Höhe nach steht dem Kläger der unter Zugrundelegung nur des normalen Entgelts für 7 Wochen berechnete Klagsbetrag jedenfalls zu.

Entgegen der Ansicht der beklagten Partei ist der Geldanspruch für die nicht gewährte Freizeit auch nicht verjährt. Die Zusage der beklagten Partei, das Guthaben des Klägers an Freizeitausgleich irgendwie finanziell abzugelten, erfolgte nicht vor Mitte 1983 (Direktor S*** starb im April 1983; mit dem daraufhin eingesetzten neuen Chef sprach der Kläger "nicht sofort"). Auf Grund dieser Erklärung kann von einer Verjährung des Naturalanspruches, dessen Abgeltung damals bereits (jedenfalls für den Fall der Unmöglichkeit eines Naturalverbrauchs) zugesagt war, bis zum Ende des Dienstverhältnisses des Klägers am 15.5.1984 nicht gesprochen werden. Danach trat aber an die Stelle dieses nicht verjährten Naturalanspruches infolge Unmöglichwerdens seiner Inanspruchnahme endgültig ein Geldersatzanspruch. Dieser war - unabhängig davon, ob man die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 ABGB (vgl. Dittrich aaO 18) ab der Zusage des Geldersatzanspruches nicht vor Mitte 1983 oder ab dem Ende des Dienstverhältnisses rechnet - im Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Klage im September 1984 nicht verjährt. Auch der Behauptung der Revisionswerberin, der Kläger habe seinen Anspruch nur auf den Rechtsgrund der Gewährung einer Urlaubsentschädigung (§ 9 UrlG) gestützt, ist nicht zu folgen. Der Kläger hat vielmehr Gesichtspunkte des Urlaubsrechtes nur für die Berechnung der Höhe des Geldersatzanspruches herangezogen, nach dem vorgetragenen Sachverhalt aber deutlich eine Abgeltung des vereinbarten Freizeitausgleichs in Geld begehrt.

Zum Begehren des Klägers auf Ersatz der für den Firmen-PKW ausgelegten Wartungskosten macht die Revision keine Anfechtungsgründe geltend, so daß sie insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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