OGH 4Ob308/86

OGH4Ob308/8625.3.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Kuderna und Dr. Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z*** D*** & F***

G*** M.B.H. & CO., Wien 19., Muthgasse 2, vertreten durch Dr. Karl Böck und Dr. Ewald Weiss, Rechtssnwälte in Wien, wider die beklagte Partei B***

Z***-VERLAGS- UND V*** M.B.H., Wien 19.,

Muthgasse 56, vertreten durch Dr. Heinz Barazon und Dr. Brigitte Birnbaum, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 500.000,-) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 5. Dezember 1985, GZ 1 R 248/85-9, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 24. Oktober 1985, GZ 19 Cg 34/85-4, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat die Kosten dieses Rechtsmittels endgültig, die Klägerin die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Beklagte ist Medieninhaberin und Verlegerign der periodischen Druchschrift "Bezirksjournal". Sie veröffentlichte im Herbst 1985 in verschiedenen Zeitschriften ganzseitige, jeweils über zwei aufeinanderfolgende "ungerade" ("rechte") Seiten reichende Anzeigen, wobei stets auf der ersten der beiden Seiten, blickfangartig hervorgehoben, eine Frage gestellt und diese dann auf der zweiten Seite beantwortet wurde. Während die Antwort selbst jeweils in der linken oberen Ecke der zweiten Seite in verhältnismäßig kleinem, wenig auffälligem Druck aufschien, wurde diese Seite immer von einer Tabelle beherrscht, in welcher nach der Anführung einer bestimmten, von Inserat zu Inserat wechselnden "Zielgruppe" für das "Bezirksjournal (Wien)" und mehrere andere periodische Druckschriften - zu denen regelmäßig die Zeitschrift "Ihr Einkauf", die "Kronen-Zeitung (Stamm)" und der "Kurier", gelegentlich aber auch die "Presse" gehörten - neben ihrer "Reichweite" in % und "in 1000" auch sogenannte "Tausend-Leser-Preis" angegeben wurde; in diesen auf die jeweilige Zielgruppe abgestellten und deshalb in den einzelnen Anzeigen unterschiedliche Zahlenangaben enthaltenden tabellarischen Übersichten wurde dem "Bezirksjournal (Wien)" in allen angeführten Belangen fast durchwegs "Rang 1" zugeschrieben und diese Spitzenstellung auch farblich besonders hervorgehoben. Unterhalb der Tabelle stand in relativ kleiner Schrift: "Quelle: Optima 1. Hj. 85" sowie - als Anmerkung zum "Tausend-Leser-Preis" - "Basis: 1/1 Kronen Zeitung, s/w, inkl. AA". Am unteren Rand der Seite folgten dann noch - in großen, auffälligen Buchstaben - der Slogan: "Das Bezirksjournal. Die Lieblingszeitung der Wiener" und daneben in einem 6 x 5 cm großen Rechteck, zweizeilig in weißen Buchstaben auf rotem Grund geschrieben, das Signet "Bezirks-Journal". Im einzelnen wurden nachstehende Fragen gestellt und - unter deutlicher Bezugnahme auf die anschließende, der jeweils angeführten "Zielgruppe" angepaßte Tabelle - wie folgt beantwortet:

1. Im "trend" Nr. 9 vom September 1985 (Beilage C), S 109 und 111, und im "profil" Nr. 37 vom 9.9.1985 (Beilage D), S 53 und 55:

"Welches Kleinformat hat Wiener Großformat?" - "Falsch - Was haben denn Sie vermutet? Das große Kleinformat? Das eine oder andere Großformat? Doch sicherlich nicht das Bezirksjournal. Dabei werden wir von den meisten Wienerinnen und Wienern gelesen. Seite für Seite, Artikel für Artikel, Anzeige für Anzeige. Das brauchen Sie uns nicht zu glauben. Das können wir beweisen:..."

Zielgruppe: "Gesamtbevölkerung Wien (1,305.000)"

2. Im "profil" Nr. 39 vom 23.9.1985 (Beilage E), S 55 und 57, und in "C.A.S.H." Nr. 10/85 (Beilage H), S 17 und 19:

"Wer bringt den meisten Wiener Hausfrauen die Sonderangebote ins Haus?" - "Nein, die nicht - Wir reden nicht von irgendwelchen Flugblättern. Oder von Anzeigen in anderen Zeitungen, die zwar viel mehr kosten, aber dafür von weniger Frauen gelesen werden. Wir reden von einer Zeitung, die die meisten Wiener Hausfrauen wirklich interessiert. Sonst würden sie sie ja nicht lesen. Seite für Seite, Anzeige für Anzeige. Und das tun sie. Ganz eindeutig:"

Zielgruppe: "Haushaltsführende Frauen in Wien (646.000)".

3. Im "trend" Nr. 10 vom Oktober 1985 (Beilage F), S 249 und 251, im "Bestseller" Nr. 9/85 (Beilage G), S 87 und 89, und in "Werbung aktuell" Nr. 131 vom 17 9.1985 (Beilage M), S 3 und 5:

"Wo erfahren die meisten g'scheiten Wiener g'scheite Sachen?" - "Große Täuschung - Was auch der g'scheiteste Wiener braucht, ist ein bisserl mehr Information über seine nächste Umgebung. Die findet er nicht in den Fachzeitschriften. Die holt er sich bei uns. Denn das Bezirksjournal erreicht mehr gebildete Wiener Leser als jede andere Zeitung. Echte Leser, die jede Seite studieren. Auch Ihre Anzeige. Das geben wir Ihnen schriftlich."

"Zielgruppe: "Maturanten und Akademiker in Wien (295.000)".

4. In der Zeitschrift "intern" Nr. 40/85 vom 23.9.1985 (Beilage G):

"Welche Zeitung beschäftigt zur Zeit den Geist der meisten jungen Wiener?" - "Ganz daneben - Wir wollen uns da nicht in den Vordergrund drängen. Oder vielleicht doch? Aber schießlich haben wir die meisten jungen Zeitungsleser in ganz Wien. Noch einmal: Leser! Mit Betonung auf Lesen. Denn wir werden wirklich gelesen. Seite für Seite, Anzeige für Anzeige. Kein Schmäh:"

Zielgruppe: "14-29-jährige in Wien (305.000)"

5. In der Zeitschrift "intern" Nr. 38/85 vom 9.9.1985 (Beilage K):

"Welche Zeitung lesen die meisten Wiener Dabeis und Adabeis?" - "Irrtum" - Wir müssen Sie da leider korrigieren. Es ist nicht die große Journaille, es ist ein kleines Journal. Das Bezirksjournal. Mit dem größten Prozentsatz an wichtigen Wienern unter seinen Lesern. Vom Hausherrn bis zum Seidenfabrikanten. Vom Geheimrat bis zum Hofrat. Vom Drahtzieher bis zur Schickeria. Und wenn wir von Lesern reden, dann meinen wir auch Leser. Die Seite-für-Seite-, Anzeige-für-Anzeige-Leser. Tatsache:"

Zielgruppe: "A/B/C 1 - Schicht in Wien (736.000)"

6. Im "Extradienst" Nr. 17/85 vom 19.9.1985 (Beilage J), S 23 und 25, und in der Zeitschrift "intern" Nr. 39/85 vom 16.9.1985 (Beilage L):

Wo lesen die meisten sanierten Wiener über neue

Sanierungen?" - "Stimmt nicht - Wer hätte das gedacht? Daß gerade eine Gratis-Zeitung von mehr Wiener Großverdienern gelesen wird als jede andere. Aber schließlich sind reiche Menschen auch Menschen. Mit Nachbarn. Einem Wohnbezirk. Und Baustellen vor der Haustür. Darüber und was sonst noch rundum passiert, informieren Sie sich im Bezirksjournal. Intensiv. Seite für Seite, Anzeige für Anzeige. Schauen Sie sich das an:"

Zielgruppe: "Haushalte in Wien mit 20.000,- Nettoeinkommen und mehr (438.000)".

Die klagende Medieninhaberin und Verlegerin der "Neuen Kronen-Zeitung" sieht in diesen Werbeeinschaltungen der Beklagten einen Verstoß gegen § 2 UWG: Die Behauptung, das "Bezirksjournal" werde "Seite für Seite, Artikel für Artikel, Anzeige für Anzeige" von der jeweils angeführten Anzahl von Lesern wirklich gelesen, sei unrichtig und zur Irreführung des angesprochenen Publikums geeignet. Eine nicht ernst zu nehmende, reklamehafte Übertreibung könne hier schon deshalb nicht angenommen werden, weil die Beklagte immer wieder betone, daß es sich um - erwiesene oder doch beweisbare - Tatsachen handle und dabei auf die Optima-Analyse verweise. Bei dieser würden aber die befragten Testpersonen nur danach gefragt, ob sie die betreffende Druckschrift "gelesen oder durchgeblättert" hätten.

Die Klägerin beantragt daher, zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches der Beklagten mit einstweiliger Verfügung ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs (ua) zu untersagen

"a) die Werbebehauptung, daß die auf Grund des 1. Halbjahres-Berichtes der Optima-Analyse 1985 oder einer anderen Leserzahlenerhebung ermittelten Leser der periodischen Druckschrift 'Bezirksjournal' diese Druckschrift Seite für Seite und/oder Artikel für Artikel und/oder Anzeige für Anzeige lesen oder studieren oder sich in ebensolcher Weise in dieser Druckschrift informieren,

b) oder eine ähnliche Werbehauptung,

wenn die Optima-Leserzahlenerhebung Fragen, ob die periodische Druckschrift 'Bezirksjournal' Seite für Seite und/oder Artikel für Artikel und/oder Anzeige für Anzeige gelesen oder studiert wurde oder ob man sich in ebensolcher Weise in dieser Durckschrift informiert habe, oder ähnliche Fragen nicht enthält."

Die Beklagte hat sich gegen den Sicherungsantrag ausgesprochen. Ganz abgesehen davon, daß der Inserentenkreis des "Bezirksjournals" ein ganz anderer sei als derjenige der "Neuen Kronen-Zeitung", seien die beanstandeten Werbebehauptungen der "typische Fall einer marktschreierischen Reklame ohne jeglichen Tatsachenkern"; jedermann wisse nämlich, daß keine einzige Zeitung oder Zeitschrift, wie interessant auch immer sie sein möge, keinesfalls aber eine Tageszeitung oder ein Blatt vom Charakter des "Bezirksjournals", von der ersten Seite links oben bis zur letzten Seite rechts unten einschließlich aller Inserate gelesen wird. Die in den Anzeigen der Beklagten enthaltenen Vergleiche mit anderen Zeitungen entsprächen den Tatsachen und seien deshalb weder sittenwidrig noch zur Irreführung der angesprochenen Interessenten geeignet. Für den Fall der Erlassung der einstweiligen Verfügung werde beantragt, deren Wirksamkeit vom Erlag einer Sicherheit von 5 Millionen S durch die Klägerin abhängig zu machen.

Unbestritten ist, daß das "Bezirksjournal" von seinen Lesern nicht "Seite für Seite, Anzeige für Anzeige" gelesen wird.

Das Erstgericht schloß sich der Rechtsauffassung der Beklagten an und wies den Sicherungsantrag ab. Die beanstandeten Werbebehauptungen würden auch dann von jedermann sogleich als maßlose Übertreibung erkannt, wenn sie durch Worte wie "Tatsache", "Kein Schmäh" oder "Das geben wir Ihnen schriftlich" bekräftigt würden.

Das Rekursgericht trug der Beklagten auf, ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Werbebehauptung zu unterlassen, daß die auf Grund des 1. Halbjahresberichtes der Optima-Analyse 1985 oder einer anderen Leserzahlenerhebung ermittelten Leser der periodischen Druckschrift "Bezirksjournal" diese Druckschrift Seite für Seite und/oder Artikel für Artikel und/oder Anzeige für Anzeige lesen oder studieren oder sich in ebensolcher Weise in dieser Druckschrift informieren, insbesondere, wenn die Optima-Leserzahlenerhebung diese oder ähnliche Fragen nicht enthält; zugleich sprach es aus, daß der Wert des von der Abänderung betroffenen Streitgegenstandes S 15.000,- und der Wert des gesamten - auch ein zweites, bereits rechtskräftig erledigtes Sicherungsbegehren enthaltenden - Streitgegenstandes S 300.000,- übersteigt. Mit den Werbeeinschaltungen der Beklagten werde nichts anderes behauptet, als daß das "Bezirksjournal" jeweils erheblich genauer und intensiver gelesen werde als die in den Inseraten genannten periodischen Druckschriften der Mitbewerber, nämlich Seite für Seite, Artikel für Artikel und Anzeige für Anzeige. Stünde diese Behauptung allein, dann wäre sie gewiß als marktschreierische Anpreisung zu qualifizieren; im vorliegenden Fall habe jedoch die Beklagte immer wieder betont, daß diese Behauptungen beweisbar, kein "Schmäh" odgl. seien und sich in diesem Zusammenhang auf die Leserzahlenerhebungen des 1. Halbjahresberichtes 1985 der Optima-Analyse berufen. Da sie damit den Eindruck erweckt habe, sich auf konkrete Fakten zu stützen, könne schon aus diesem Grund keine marktschreierische Anpreisung angenommen werden. Die beanstandeten Behauptungen würden von einem nicht unerheblichen Teil des flüchtigen Leserpublikums nicht sogleich als Übertreibung aufgefaßt, sondern auf einen sachlich nachweisbaren Tatsachenkern zurückgeführt werden, welcher durchaus ernst genommen werde und deshalb zur Irreführung geeignet sei. Dem Sicherungsantrag der Klägerin sei daher - in einer gegenüber dem ursprünglichen Wortlaut modifizierten und damit klareren Fassung - stattzugeben gewesen. Zur Auferlegung einer Sicherheitsleistung bestehe nach der Lage des Falles kein Anlaß.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Beschlusses der ersten Instanz.

Die Klägerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Der Beklagten ist ohne weiteres zuzugeben, daß die Behauptung, eine bestimmte Zeitung werde "Seite für Seite, Artikel für Artikel, Anzeige für Anzeige" gelesen, für sich allein als marktschreierische Werbung - im Sinne einer von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht wörtlich genommenen, sondern sogleich als nicht ernst gemeinte, ohne Anspruch auf Glaubwürdigkeit auftretende reklamehafte Übertreibung erkannten Anpreisung (ÖBl. 1984, 73; ÖBl. 1984, 97 mit weiteren Nachweisen uva) - aufzufassen wäre. Im Zusammenhang mit bekräftigenden Worten wie "Das brauchen Sie uns nicht zu glauben, das können wir beweisen", "Kein Schmäh", "Tatsache" oder "Das geben wir Ihnen schriftlich" und der - entgegen der Meinung des Revisionsrekurses klar erkennbaren - Bezugnahme auf konkrete Leserzahlenerhebungen der Optima-Analyse enthält aber auch diese Behauptung einen sachlich nachweisbaren, im Fall seiner Unrichtigkeit zur Irreführung im Sinne des § 2 UWG geeigneten "Tatsachenkern" (ÖBl. 1978, 31; ÖBl. 1984, 97 mit weiteren Nachweisen), nämlich die Aussage, daß das "Bezirksjournal" jedenfalls erheblich intensiver und genauer gelesen werde als die in der anschließenden Tabelle namentlich angeführten Konkurrenzzeitungen; daß dies tatsächlich der Fall wäre, hat aber die Beklagte selbst nicht einmal behauptet. Auch die jeweils "zum Beweis" angeführten Daten der Optima-Analyse weisen lediglich die "Reichweite" und den sogenannten "Tausend-Leser-Preis" der einzelnen Druckschriften aus; daß sie über die Häufigkeit und die Intensität der Lektüre dieser Zeitungen und Zeitschriften keinerlei Aufschluß geben können, liegt in der Natur der Sache und ist im übrigen eine notwendige Folge des - von der Klägerin unwiderlegt behaupteten - Umstandes, daß bei den entsprechenden Erhebungen nur danach gefragt wird, ob und wann die angesprochenen Personen die betreffende Druckschrift "gelesen oder zumindest einmal durchgeblättert" haben. Bei dieser Sachlage hat das Rekursgericht mit Recht angenommen, daß die beanstandeten Werbebehauptungen der Beklagten im Sinne des § 2 UWG zur Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise geeignet sind.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

Die Kostenentscheidung beruht in Ansehung der Beklagten auf §§ 40, 50, 52 ZPO IVm §§ 78, 402 Abs 2 EO, in Ansehung der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO.

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