OGH 4Ob35/85

OGH4Ob35/8525.3.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HONProf. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer Dipl.Ing. Otto Beer und Johann Friesenbichler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei MichaeL P***, Detektiv, Innsbruck, Schillerstraße 20, vertreten durch Dr. Kurt Zangerl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei BSV S*** & V*** B*** G*** mbH in Salzburg, Eichstraße 37 vertreten durch DDr. Manfred Walter, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen restlicher S 52.681,72 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 21.Mai 1984, GZ 3a Cg 7/84-46, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Innsbruck vom 30.Jänner 1984, GZ 2 Cr 315/82-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 3.553,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 600,-- Barauslagen und S 268,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 1.12.1980 bei der beklagten Gesellschaft mbH als Berufsdetektiv-Assistent beschäftigt und in dieser Eigenschaft zuletzt mit der Überwachung der drei TIROLER I***-Märkte betraut. Mit der Behauptung, daß er im September 1982 grundlos entlassen worden sei, begehrt er zu 2 Cr 315/82 des Erstgerichtes - die damit zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundene Rechtssache 2 Cr 391/82 ist bereits rechtskräftig erledigt - von der beklagten Partei (ua) die Zahlung von S 74.173,92 sA an restlichem Gehalt, Kündigungsentschädigung, Weihnachtsremuneration und Urlaubsentschädigung sowie als Ersatz für angeschafftes Zubehör im Dienstauto.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe das Arbeitsverhältnis des Klägers vorzeitig aufgelöst, weil er ihre Aufforderung, am 20.9.1982 nach Salzburg zu kommen und dort die Betreuung der BAUMAX-Märkte zu übernehmen, nicht befolgt habe. Die weiteren von der beklagten Partei zunächst geltend gemachten Entlassungsgründe sind nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens. Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von S 52.681,72 sA und wies das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer S 21.492,20 sA - insoweit rechtskräftig - ab. Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens sei der Kläger zu Unrecht entlassen worden; er habe daher Anspruch auf restliches Gehalt, Kündigungsentschädigung, Weihnachtsremuneration und Urlaubsentschädigung in der Höhe des zugesprochenen Betrages.

Die Berufung der beklagten Partei blieb erfolglos. Das Berufungsgericht führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs1 Z 3 ArbGG von neuem durch und nahm folgenden Sachverhalt - soweit er für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist - als erwiesen an:

Anläßlich eines Ende August 1982 in Innsbruck geführten Gespräches brachte der Geschäftsführer der beklagten Partei, Josef S***, dem Kläger zur Kenntnis, daß sein Einsatz als Warenhausdetektiv nach wiederholten Beschwerden über seine rigorosen Kontrollen von der I***-Gruppe nicht mehr gewünscht werde. Er könne unter diesen Umständen für eine Überwachungstätigkeit in den TIROLER-I***-Märkten nicht mehr herangezogen werden und müsse versuchen, in Tirol andere Kunden für die beklagte Partei zu aquirieren; anderfalls müsse er in einem anderen Bundesland eingesetzt werden. Zur genaueren Besprechung eines solchen auswärtigen Einsatzes war für den 17. oder 18.9.1982 ein Treffen zwischen dem Kläger und Josef S*** in Innsbruck vereinbart worden, zu welchem aber der Geschäftsführer der beklagten Partei, obgleich er sich in Innsbruck aufhielt, nicht erschien. Der Kläger, welchem es bis dahin nicht gelungen war, in Tirol neue Kunden für die beklagte Partei zu gewinnen, setzte sich in der Folge telefonisch mit Josef S*** in Verbindung. Ob er schon bei diesem Telefongespräch, bei dem der auswärtige Arbeitseinsatz - mit welchem sich der Kläger einverstanden erklärte - allgemein besprochen wurde, dem Geschäftsführer der beklagten Partei davon Mitteilung machte, daß er für den 21.9. und für den 24.9.1982 jeweils eine Zeugenladung zum Landesgericht Innsbruck erhalten hatte, kann nicht festgestellt werden.

Am Sonntag, den 19.9.1982 meldete sich Alexander S*** - der Sohn des Geschäftsführers der beklagten Partei - telefonisch beim Kläger und ließ diesen im Auftrag seines Vaters wissen, daß er sich am folgenden Tag in Salzburg einfinden solle, wofür eine von Josef S*** in Aussicht genommene gemeinsame Geschäftsreise nach Kärnten maßgebend war. Der Kläger antwortete, daß er diesem Auftrag selbstveständlich nachkommen wolle; zugleich wies er aber darauf hin, daß er für Dienstag und Freitag der kommenden Woche zwei Termine als Zeuge wahrnehmen müsse, wobei in einer dieser beiden Rechtssachen die Verhandlung schon einmal seinetwegen vertagt worden sei. Er wolle sich noch mit dem Verhandlungsrichter in Verbindung setzen. Im gleichen Sinne äußerte sich der Kläger auch in einem anschließend mit Josef S*** selbst geführten Telefongespräch. Auch ihm gegenüber versuchte er darzulegen, daß er den beiden Zeugenladungen - deretwegen er auch noch bei Gericht vorsprechen wolle - nachkommen müsse; er werde sofort nach Ablegung der ersten Aussage am Dienstag nach Salzburg kommen. Josef S*** beharrte hingegen darauf, daß sich der Kläger ungeachtet der Zeugenladungen schon am nächsten Tag in Salzburg einfinden müsse. Er erklärte zuletzt dezidiert, daß es ihm gleichgültig sei, ob der Kläger in der nächsten Woche Vorladungen habe oder nicht, er habe jedenfalls "am Montag in der Früh gestellt zu sein", widrigenfalls er fristlos entlassen sei.

Tatsächlich leistete der Kläger sowohl am 21.9. als auch am 24.9.1982 den an ihn ergangenen Zeugenladungen des Landesgerichtes Innsbruck - welche ihm am 26.8. bzw. am 17.8.1982 zugestellt worden waren - Folge. In einem der beiden Verfahren war die Hauptverhandlung unter anderem auch wegen Nichterscheinens des Klägers vertagt worden. Beide Strafverfahren betrafen Beschuldigte, die vom Kläger in seiner Eigenschaft als Warenhausdetektiv angehalten worden waren.

Rechtlich hielt auch das Berufungsgericht den Entlassungsgrund des § 27 Z 4, erster Fall, AngG nicht für gegeben, weil sich der Kläger unter den hier festgestellten Umständen auf einen rechtmäßigen Hinderungsgrund berufen könne. Da er grundsätzlich dienstbereit gewesen sei, könne von einer beharrlichen Arbeitsverweigerung nicht gesprochen werden. Das Nichterscheinen des Klägers in Salzburg wiege keinesfalls so schwer, daß die beklagte Partei darauf nur mit der sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses reagieren konnte.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird von der beklagten Partei mit Revision aus dem Grunde des § 503 Abs1 Z 4 ZPO bekämpft. Die beklagte Partei beantragt, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung das Begehren des Kläges auf Zahlung von S 52.681,72 sA abzuweisen; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die beklagte Partei hält daran fest, daß die Entlassung des Klägers durch dessen Weigerung gerechtfertigt gewesen sei, am 20.9.1982 zum Dienstantritt nach Salzburg zu kommen. Die gegenteilige Rechtsansicht würde zu dem Ergebnis führen, daß der Kläger während der gesamten Arbeitswoche keine Dienstleistung zu erbringen gehabt hätte, "nur weil er an zwei Tagen eine sicherlich nur kurze Zeugenvernehmung zu absolvieren hatte". Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden:

Gemäß § 27 Z 4, erster Fall AngG ist als ein wichtiger Grund, der den Arbeitgeber zur sofortigen Entlassung berechtigt, anzusehen, wenn der Angestellte ohne einen rechtmäßigen Hinderungsgrund während einer den Umständen nach erheblichen Zeit die Dienstleistung unterläßt. Was den Arbeitgeber zur sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigt, ist das Nichteinhalten der durch Gesetz, Kollektivvertrag oder Einzelarbeitsvertrag festgesetzten Arbeitszeit, also eine Verletzung der vom Angestellten durch den Abschluß des Arbeitsvertrages übernommenen Pflicht zur Arbeitsleistung (Martinek-Schwarz, AngG 6 , 619 § 27 Anm.20). Pflichtwidrig ist jedes vertrags- oder sonst rechtswidrige Verhalten des Arbeitnehmers, das mit den ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen arbeitsvertraglichen Pflichten, mit einer durch den Gegenstand der Arbeitsleistung gerechtfertigten Anordnung des Arbeitgebers oder mit der Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Verrichtung der ihm zugewiesenen Arbeiten nach bestem Wissen und Können im Widerspruch steht (Arb.9690 = RdA 1982, 305). Ist dagegen ein solches Arbeitsversäumnis im Einzelfall als gerechtfertigt anzusehen, weil sich der Angestellte auf einen rechtmäßigen Hinderungsgrund berufen und das Unterlassen der Dienstleistung deshalb nicht als pflichtwidrig angesehen werden kann, dann ist eine Entlassung nach § 27 Z 4, erster Fall AngG ausgeschlossen. Das trifft vor allem dann zu, wenn das Fernbleiben vom Arbeitsplatz durch eine gesetzliche oder vertragliche Regelung gerechtfertigt ist, der Angestellte sich also durch das Unterlassen der Dienstleistung keiner Verletzung seiner vertraglichen Arbeitspflicht schuldig gemacht hat. Darüber hinaus muß ein die Entlassung ausschließender Hinderungsgrund in der Regel auch dann angenommen werden, wenn dem Angestellten im Einzelfall aus besonderen Gründen eine vertragsgemäße Arbeitsleistung nicht zugemutet werden kann. Hier kommen nicht nur Dienstverhinderungen durch Krankheit, Unglücksfall, Arbeitsunfall oder dgl. in Betracht; auch andere wichtige, die Person des Arbeitnehmers betreffende Gründe (vgl. § 8 Abs3 AngG) wie überhaupt jede unvorhersehbare Kollision von Vertragspflichten mit einer höherwertigen Pflicht können das Verhalten des Angestellten im Einzelfall rechtfertigen (Arb.9578 = ZAS 1978, 180; Arb.9672 mwN).

Daß eine Vorladung zum Gericht ein rechtmäßiger Hinderungsgrund im Sinne des § 27 Z 4, erster Fall AngG ist (Arb.10.146), bedarf gerade im vorliegenden Fall, in welchem die beiden Strafverfahren auf die dienstliche Tätigkeit des Klägers zurückzuführen waren, keiner weiteren Begründung. Wie schon das Erstgericht zutreffend erkannt hat, mußte der Kläger auf Grund der ihm von Alexander S*** gemachten Mitteilungen damit rechnen, daß er schon am nächsten Tag (Montag, 20.9.1982) gemeinsam mit Josef S*** eine Geschäftsreise nach Kärnten anzutreten haben werde, welche ihn möglicherweise außerstande setzen würde, am Dienstag, den 21.9.1982 seiner Pflicht zur Zeugenaussage vor dem Landesgericht Innsbruck nachzukommen. Obwohl er seine beiden Gesprächspartner sogleich auf diesen Umstand hinwies und sich gegenüber dem Geschäftsführer der beklagten Partei ausdrücklich bereit erklärte, nach der Ablegung der ersten Zeugenaussage am Dienstag sogleich nach Salzburg zu kommen, war Josef S*** zu keiner einvernehmlichen Lösung bereit. Von einem pflichtwidrigen, durch keinen höherwertigen Hinderungsgrund gerechtfertigten Unterlassen der Arbeitsleistung während einer den Umständen nach erheblichen Zeit kann unter diesen Umständen umso weniger gesprochen werden, als der Kläger, welcher am 20.9.1982 um 9 Uhr seinen Dienst in Salzburg antreten sollte, schon am folgenden Tag um 11 Uhr wieder in Innsbruck vor dem dortigen Landesgericht zur Ablegung seiner Zeugenaussage zu erscheinen hatte, so daß ihm für eine tatsächliche Arbeitsleistung in Salzburg höchstens ein Arbeitstag zur Verfügung gestanden wäre; daß eine solche Arbeitsleistung nach den Umständen des konkreten Falles für sie von besonderer Bedeutung gewesen wäre (Arb 8667, 9991 ua), hat die beklagte Partei nicht behauptet. Das Argument der Revision, daß der Kläger infolge seiner Weigerung, nach Salzburg zu kommen, während der gesamten Arbeitswoche keine Dienstleistung erbracht hätte, ist hingegen schon deshalb nicht stichhältig, weil der Kläger zwischen der für den 21.9.1982 zugesagten Reise nach Salzburg und der für Freitag, den 24.9.1982 anberaumten nochmaligen Zeugenaussage in Innsbruck jedenfalls den ganzen Mittwoch und mindestens den halben Donnerstag der beklagten Partei zur Verfügung gestanden wäre. Da die Weigerung des Klägers, entsprechend der Weisung der beklagten Partei am Morgen des 20.9.1982 in Salzburg zu erscheinen, nicht nur wegen des Fehlens einer vorausgegangenen Verwarnung, sondern auch mangels Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens auch nicht als beharrliche Dienstverweigerung im Sinne des § 27 Z 4, dritter Fall, AngG angesehen werden kann, war der Revision der beklagten Partei ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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