OGH 8Ob532/86 (8Ob533/86)

OGH8Ob532/86 (8Ob533/86)19.3.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Erna K***, derzeit beschäftigungslos, 3100 St. Pölten, Mariazellerstraße 6 b, vertreten durch Dr. Peter Panovsky, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte und widerklagende Partei Walter K***, Tischlergeselle, 3204 Kirchberg an der Pielach, Blumau 9, vertreten durch Dr. Ferdinand Fasching, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25. September 1985, GZ 16 R 296,207/85-36, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 15. Mai 1985, GZ 3 Cg 240/84-29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Ein Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens findet nicht statt.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin und Widerbeklagte, (künftig als Klägerin bezeichnet), begehrte die Scheidung ihrer Ehe mit dem Beklagten aus dessen Verschulden. Sie brachte vor, daß der Beklagte seit Jahren dem Alkohol verfallen sei und keiner geregelten Beschäftigung nachgehe. Er sei durchschnittlich 2 bis 3 mal pro Woche betrunken nach Hause gekommen, in den letzten Jahren sei er fallweise auch über Nacht weggeblieben. Der Beklagte habe sich nicht um die Gestaltung der gemeinsamen Freizeit mit der Klägerin bemüht. Er verhalte sich ihr gegenüber unleidlich, streite mit ihr und sei auch tätlich geworden. Hierauf habe die Klägerin die eheliche Wohnung verlassen. Seit einem Arbeitsunfall bemühe sich der Kläger nicht mehr um einen Arbeitsplatz, vielmehr arbeite er "im Pfusch". Der Beklagte als Widerkläger, (künftig als Beklagter bezeichnet), begehrte die Scheidung der Ehe mit der Klägerin aus deren Verschulden. Er bestritt, der Trunksucht verfallen zu sein und brachte vor, bis zu seinem Arbeitsunfall regelmäßig gearbeitet zu haben. Den Pensionsantrag habe er über Anraten seiner behandelnden Ärztin gestellt. Unrichtig sei, daß er die Klägerin bedroht und geschlagen habe, vielmehr habe die Klägerin ihn am 19. März 1984 gewürgt. Der Beklagte sei gezwungen gewesen, die Attacke der Klägerin abzuwehren. Die Klägerin habe daraufhin mit ihrem Sohn Werner die eheliche Wohnung grundlos verlassen. Darüber hinaus habe sich die Klägerin verschiedene Eheverfehlungen zuschulden kommen lassen. Sie sei am Faschingsdienstag 1984 alkoholisiert nach Hause gekommen, habe in die Waschmuschel erbrochen und am folgenden Tag den Kindern gegenüber diese Verfehlung auf den Beklagten abgewälzt. Die Klägerin sei im Februar 1983 aus dem gemeinsamen Schlafzimmer ausgezogen und verweigere dem Beklagten seither grundlos den Geschlechtsverkehr. Sie sei an einem Familienzusammenleben überhaupt nicht interessiert. Sie habe den Beklagten auch wiederholt betrogen und ehebrecherische Verhältnisse mit verschiedenen Männern begonnen. Vom Beklagten zur Rede gestellt habe sie ein solches Verhältnis mit ihrem Arbeitgeber zugestanden und dem Beklagten für die Übergabe des "belastenden Materials" die Bezahlung von S 70.000,-- angeboten. Die Klägerin habe Ernst W*** die Ehe versprochen, falls er ihr einen Mercedes schenke. Sie habe sich gegenüber W*** als geschiedene Frau ausgegeben. Die Klägerin habe den Beklagten während eines 16-tätigen Krankenhausaufenthaltes ein einziges Mal besucht, sei jedoch in der gleichen Zeit mit seinem PKW 1700 Kilometer gefahren. Zur Rede gestellt habe die Klägerin angegeben, dies zu ihrem Vergnügen getan zu haben. Die Klägerin sei auch allein auf Urlaub gefahren.

Das Erstgericht sprach die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten aus, wobei es folgende Feststellungen traf:

Der Beklagte hat während der gesamten Ehe der Streitteile übermäßig dem Alkohol zugesprochen. Im betrunkenen Zustand hat der Beklagte mit der Klägerin wiederholt grundlos Streit vom Zaun gebrochen, die Klägerin beschimpft und herumgestoßen. Im Mai 1982 hatte der Beklagte einen Arbeitsunfall, nach welchem er mehrmals am Knie operiert wurde. Er war dann im Krankenstand und anschließend arbeitslos. In dieser Zeit verschlechterte sich das Verhalten des Beklagten deutlich, er kam im Durchschnitt zweimal wöchentlich spät nachts betrunken heim und randalierte. Weil ihn die Klägerin nicht ins Schlafzimmer ließ, wenn er alkoholisiert war, klopfte er anhaltend an die Schlafzimmertüre, sodaß die Söhne wach wurden. Weil ihm die Klägerin wegen seines Trinkens wiederholt Vorwürfe machte, verbrachte der Beklagte die meiste Zeit außer Haus und nächtigte auf öfters im Gasthaus, um weiteren Streitigkeiten mit der Klägerin aus dem Wege zu gehen. Am Faschingsdienstag des Jahres 1984 besuchten beide Streitteile getrennt Veranstaltungen. Die Klägerin kam nachts alkoholisiert heim und erbrach sich in die Waschmuschel. Am Morgen gab sie gegenüber den Kindern vor, der Beklagte habe dies getan, weil sie sich vor den Kindern schämte. Am 19. März 1984 kam der Beklagte alkoholisiert heim und verbot dem Sohn Walter fernzusehen. Weil der Sohn frech wurde, wollte der Beklagte auf ihn losgehen. Als sich die Klägerin dazwischen stellte, ging der Beklagte auf sie los. Im Zuge der darauffolgenden tätlichen Auseinandersetzung zwischen den Streitteilen erlitt der Beklagte Blutunterlaufungen am Hals. Über Ersuchen der Klägerin rief der Sohn Werner den Hausarzt Dr. Walter K*** an, welcher daraufhin in die Wohnung der Streitteile kam und der Klägerin den Rat gab, die Wohnung zu verlassen. Tatsächlich verließ die Klägerin in der gleichen Nacht die eheliche Wohnung und kehrte seither nicht mehr in diese zurück. Daß die Klägerin ehewidrige Beziehungen zu anderen Männern, insbesondere dem Zeugen Ing. Hans K*** unterhalten hätte, kann nicht festgestellt werden. Die Klägerin arbeitete ab 1982 1 1/2 Jahre bei der Ing. Hans K*** Turn- und Sportgeräte-Fabrik GmbH. Während dieser Zeit kam es gelegentlich vor, daß Ing. K*** die Klägerin ebenso wie auch andere Mitarbeiter seines Unternehmens über ihr Ersuchen nach St. Pölten mitnahm. - Im Juli 1982 lud der Zeuge Anton K*** die ihm bekannte Klägerin im Gasthaus W*** ein, mit ihm zum Hendlessen in die Backhendl-Station nach Rametzberg zu fahren. Die beiden fuhren dorthin, kehrten aber gleich wieder zum Gasthaus W*** zurück, da das von ihnen aufgesuchte Lokal Ruhetag hatte. Diese Begebenheit fand an einem Nachmittag statt. - Gleichfalls 1982 tanzte die Klägerin bei einem Feuerwehrfest im Gasthaus W*** mit dem damals 67-jährigen Pensionisten Ernst W***. In der Folge räumte sie einmal für diesen Zeugen gegen Entgelt das Haus zusammen und putzte Fenster. Im Jahr 1983 sagte der Zeuge W*** in einem Gasthaus, in welchem die Klägerin Aushilfsarbeten verrichtete, in leicht alkoholisiertem Zustand zur Klägerin, daß er eine Frau brauchen würde, worauf die Klägerin spaßhalber erwiderte, sie würde ihn nehmen, wenn er ihr einen Mercedes kaufe. - Die mit beiden Streitteilen befreundete Zeugin Silvia S*** führte die Klägerin einmal nach Boding. Trotz der von der Zeugin geäußerten Zweifel erklärte die Klägerin, eine Arbeitskollegin besuchen zu wollen. Ein weiteres Ersuchen der Klägerin sie mitzunehmen, lehnte die Zeugin ab. Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, daß den Beklagten auf Grund seiner Trunksucht und seines unleidlichen Verhaltens das Alleinverschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe. Am 19. März 1984 habe die vom Beklagten angegriffene Klägerin bestenfalls das Ausmaß der zulässigen Notwehr überschritten. Zufolge der ständigen und jahrelangen Alkoholisierung des Beklagten habe sich die Klägerin zu Recht über Nacht in ein Zimmer eingesperrt und dem Beklagten den Geschlechtsverkehr verwehrt. Das Verhalten des Beklagten habe auch die Klägerin gerechtfertigt veranlaßt, die eheliche Wohnung zu verlassen. Demgegenüber hätten ins Gewicht fallende Eheverfehlungen der Klägerin nicht festgestellt werden können.

Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte auch dessen rechtliche Beurteilung.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne des Ausspruches des zumindest gleichteiligen Verschuldens der Klägerin an der Aufhebung der Ehegemeinschaft.

Die Klägerin hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Beklagte führt in seinem Rechtsmittel zunächst aus, die Klägerin habe selbst erklärt, der Beklagte habe bereits getrunken, als sie ihn kennengelernt habe. Der Umstand, daß die Klägerin dadurch nicht abgehalten worden sei, ihn zu heiraten, mache deutlich, daß sie seine angebliche Trunksucht keineswegs als störend empfunden habe, wie sie es nunmehr behaupte. Dem ist zu erwidern, daß selbst der Umstand, daß einem Ehepartner bei der Eheschließung die Neigung des anderen Ehepartners zum Alkoholmißbrauch bekannt war, unerheblich ist, weil jeder Ehegatte vom Ehepartner erwarten darf, daß dieser Neigungen, die ein gedeihliches Zusammenleben stören, soweit als möglich unterdrückt (vgl. EFSlg. 11.863, 22.692, 27.356 ua.).

Der Beklagte bringt weiters vor, daß eine Beweisführung hinsichtlich des Bestehens ehewidriger Beziehungen schon grundsätzlich mit erheblichen Schwierigkeiten behaftet sei. Dies umso mehr in seinem Fall, da er ja über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren im Ausland beschäftigt gewesen und lediglich an den Wochenenden nach Hause gekommen sei. Er sei aus diesem Grunde auch nicht in der Lage gewesen, ehewidrige Beziehungen seiner Gattin zu bemerken. Es stehe jedoch fest, daß im Dorf Gerüchte über ein ehebrecherisches Verhalten seiner Gattin existierten. Gehe man nun davon aus, daß auch derartige Gerüchte bzw. Redereien selbst in einem kleinen Ort wie Kirchberg nicht ohne Grund entstehen könnten, so liege klar auf der Hand, daß diese Gerüchte nur durch ein entsprechend auffallendes, und für eine verheiratete Frau ungewöhnliches Verhalten, begründet werden konnten. Es sei somit eine Tatsache, daß seine Gattin über Jahre hindurch ein für eine Ehefrau auffälliges und verwerfliches Verhalten an den Tag legte, das letzten Endes dazu geführt habe, daß er im ganzen Ort der Lächerlichkeit preisgegeben gewesen sei.

Mit diesen Ausführungen weicht der Beklagte von den vom Berufungsgericht übernommenen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes ab, nach welchen weder ehewidrige Beziehungen der Klägerin zu anderen Männern, noch auch sonstige Verletzungen der ehelichen Treuepflicht erwiesen werden konnten. In diesem Umfang ist daher die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt. Aus den Tatsachenfeststellungen sind auch keine Anhaltspunkte für ein Verhalten der Klägerin abzuleiten, das eine begründete Ursache für das Entstehen der in der Revision behaupteten Gerüchte im Wohnort der Streitteile hätte darstellen können. Ohne Rechtsirrtum ist daher das Berufungsgericht vom Alleinverschulden des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe der Streitteile ausgegangen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 41 und 50 ZPO. Aus welchen Gründen der Schriftsatz der Klägerin vom 4. Februar 1986 (Verzicht auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung) zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig gewesen sein sollte, ist nicht ersichtlich.

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