OGH 11Os200/85

OGH11Os200/8511.3.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.März 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Breycha als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz K*** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 3, 128 Abs. 2, 129 Z 1 und 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 5. November 1985, GZ 24a Vr 464/85-58, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Scheibenpflug als Vertreter der Generalprokuratur, des Angeklagten Franz K*** und des Verteidigers Dr. Hummer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (Schuldspruch wegen des Verbrechens des Diebstahls) unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 und Abs. 2 StGB sowie im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben, und es wird gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Franz K*** ist ferner schuldig, in der Zeit von Anfang September 1984 bis zum 28.Februar 1985 mit Ausnahme eines Zeitraumes von etwa fünf Wochen ab Anfang November 1984 in Partenen im Rückfall (§ 39 StGB) seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber seinem am 10.November 1977 außer der Ehe geborenen Sohn Günther G*** gröblich verletzt und dadurch bewirkt zu haben, daß der Unterhalt des Unterhaltsberechtigten ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre.

Franz K*** hat hiedurch das Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 und Abs. 2 StGB begangen und wird hiefür sowie für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Schuldspruch zu Punkt 1 des Ersturteiles weiterhin zur Last liegende Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 3, 128 Abs. 2, 129 Z 1 und 2 StGB nach dem § 128 Abs. 2 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 (zwei) Jahren verurteilt.

Die Aussprüche über die Vorhaftanrechnung und die Kostenersatzpflicht werden aus dem Ersturteil übernommen. Hingegen wird Franz K*** von der weiteren Anklage, im Monat August 1984 sowie in dem vom Schuldspruch nicht erfaßten Zeitraum von etwa fünf Wochen ab Anfang November 1984 in Partenen im Rückfall (§ 39 StGB) seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber dem vorgenannten Günther G*** gröblich verletzt und dadurch bewirkt zu haben, daß der Unterhalt des Unterhaltsberechtigten ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre; er habe (auch) hiedurch das Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 und Abs. 2 StGB begangen, gemäß dem § 259 Z 3 StPO f r e i g e s p r o c h e n. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Berufung des Angeklagten wird zurückgewiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 21.Mai 1940 geborene Franz K*** des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 3, 128 Abs. 2, 129 Z 1 und 2 StGB (Pkt 1 des Schuldspruches) und des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 und Abs. 2 StGB (Pkt 2 des Schuldspruches) schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 18. Februar 1985 in Partenen mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung seinen Dienstgebern Georg und Christine K*** nach Aufsperren eines Büroraumes und eines Wandschrankes jeweils mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel insgesamt 135.500 S Bargeld weggenommen (Pkt 1 des Urteilssatzes) und in der Zeit von Anfang August 1984 bis 28.Februar 1985 im Rückfall (§ 39 StGB) seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber seinem am 10. November 1977 geborene außerehelichen Sohn Günther G*** durch Unterlassung jeglicher Unterhaltsleistung gröblich verletzt und dadurch bewirkt zu haben, daß der Unterhalt des Unterhaltsberechtigten gefährdet war oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre (Pkt 2 des Urteilssatzes).

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer ausdrücklich auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich teilweise als begründet, im übrigen aber teils als nicht der Prozeßordnung gemäß ausgeführt und teils als nicht berechtigt erweist.

Zur Mängelrüge:

Das Erstgericht stellte zum Schuldspruch wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls fest, daß der Angeklagte die Tat am 18. Februar 1985 zwischen 3,30 Uhr und 6,00 Uhr morgens in Partenen beging und sodann um 6,22 Uhr von Gaschurn-Kirche aus mit dem Postomnibus nach Schruns fuhr.

Mit dem Einwand einer Unvollständigkeit der Begründung macht die Beschwerde geltend, daß zwischen diesen beiden Feststellungen "eine räumliche und zeitliche Lücke klaffe"; das Erstgericht hätte prüfen müssen, auf welche Weise der Angeklagte von Partenen nach Gaschurn gelangt sei und ob angesichts der Entfernung von mehreren Kilometern die Tatverübung zeitmäßig überhaupt möglich gewesen wäre. Diese Erörterungen waren indes überflüssig, weil das Beweisverfahren Anhaltspunkte für eine noch nähere Einschränkung des Zeitraumes, innerhalb dessen die Tat verübt worden sein konnte, nicht erbrachte und bei einer Zeitspanne von rund 2 1/2 Stunden die Tatbegehung auch unter Berücksichtigung des Zeitaufwandes für die vom Angeklagten selbst behauptete - denkbare - Zurücklegung des Weges von Partenen nach Gaschurn per Anhalter möglich war. Mit seinem Vorbringen vermag der Angeklagte daher nicht eine unvollständige Begründung durch mangelnde Erörterung konkreter Verfahrensergebnisse darzutun, er ficht vielmehr unter spekulativen Erwägungen über die Zurücklegung des Weges zwischen den beiden Orten entweder zu Fuß oder per Anhalter nur unzulässigerweise die freie Beweiswürdigung des Schöffengerichtes (§ 258 Abs. 2 StPO) an. Gleiches gilt für die Beschwerdeausführungen, mit welchen der Angeklagte aus dem Umstand, daß er während der Autobusfahrt von Gaschurn nach Schruns trotz Kälte sehr leicht bekleidet gewesen sei und kein Gepäck mit sich getragen habe, abzuleiten sucht, daß er nach dem Besuch einer Ballveranstaltung im Hotel V*** in Partenen in den frühen Morgenstunden des Tattages das Haus seiner Dienstgeber nicht mehr betreten hätte, und er, sofern es auf dem Weg vom Hotel in Richtung Gaschurn läge, gleichsam zwangsläufig daran hätte vorbeikommen müssen. Damit hält der Beschwerdeführer den hinreichenden, logischen und lebensnahen erstgerichtlichen Schlußfolgerungen lediglich ihm möglich erscheinende Sachverhaltsalternativen entgegen, womit ebenfalls kein formaler Begründungsmangel im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO aufgezeigt wird. Aus welchen Gründen die Feststellung, daß der Angeklagte zusammen mit einem gewissen Karl I*** und dessen Freundin vom V***-HOF zum Haus seiner Dienstgeber ging, wo er sich verabschiedete, undeutlich sein soll (wie in der Beschwerde behauptet wird), ist nicht zu erkennen. Mit den erwähnten Konstatierungen wird im Gegenteil ein eindeutig determinierter Vorgang umschrieben, der keine mißverständliche Interpretation zuläßt. Frei von logischen Mängeln ist, entgegen der Beschwerdeauffassung, auch der vom Erstgericht aus dieser Feststellung gezogene Schluß, daß der Beschwerdeführer (sodann) das Haus seiner Dienstgeber auch betrat.

Soweit schließlich als Scheinbegründung bemängelt wird, daß das Erstgericht den Angeklagten wegen seiner Kenntnis der Örtlichkeit und der Schlüsselverwahrung in der Metzgerei K*** der Tat für überführt hält, löst die Beschwerde einen Teil der nicht nur auf dem örtlichen und zeitlichen Naheverhältnis sondern auch auf dem Gesamtverhalten (des Angeklagten) nach dem Tatzeitpunkt beruhenden Schlußfolgerungen willkürlich aus dem Zusammenhang und bringt damit die Mängelrüge nicht zur gesetzmäßigen Ausführung.

Zur Rechtsrüge:

Unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO bestreitet der Angeklagte die Tatbildlichkeit der Unterhaltsverletzung nach dem § 198 StGB (Schuldspruch Pkt 2), weil es seiner Ansicht nach am Merkmal der Gröblichkeit fehle. Hiefür sei entscheidend, ob er über sein Einkommen auch hätte verfügen können. Überdies hätte er, da nicht anzunehmen sei, daß er im vorhinein entlohnt wurde, frühestens Anfang September 1984 mit den Unterhaltszahlungen beginnen können, sofern man ihm nicht zubillige, daß er mit seinem ersten Einkommen nach mehrjährigem Gefängnisaufenthalt einen allfälligen Kleiderbedarf etc befriedigen durfte. Schließlich hätte der Angeklagte im November 1984 "unverschuldeterweise" kein Einkommen bezogen, weil zu dieser Zeit der Metzgereibetrieb geschlossen gewesen sei.

Die Rüge ist teilweise berechtigt.

Richtig ist, daß für die Frage des Vorliegens des - nicht schematisierbaren - Tatbildmerkmales der Gröblichkeit einer Unterhaltspflichtverletzung alle in subjektiver und objektiver Richtung zu prüfenden Umstände des Einzelfalles maßgeblich sind (Mayerhofer-Rieder 2 , E Nr 20, 22 zu § 198 uva). Den erstgerichtlichen Feststellungen zufolge ist der Angeklagte für zwei Kinder sorgepflichtig, darunter für den am 11.November 1977 geborenen Günther G***, für den er bisher (und zwar schon seit dessen Geburt [ON 41 d.A] keinerlei Unterhalt leistete. Dies, obwohl der Angeklagte, nachdem er zuletzt zwar mehrere Jahre, insbesondere die Zeit vom 13.Juni 1979 bis 12.Juni 1984 in Strafhaft zugebracht hatte, "vor" (gemeint von - s. S 241 d.A) Anfang August 1984 - mit einer Unterbrechung von etwa fünf Wochen ab November 1984 - bis zu seiner Flucht nach Begehung des Diebstahls am 18.Februar 1985 bei den Eheleuten Georg und Christine K*** als Metzgergeselle einen Monatsnettolohn von 8.000 S bei freier Kost und freiem Quartier bezog. Somit wäre der Angeklagte, der im erstgerichtlichen Verfahren zugab, über einen Betrag von etwas mehr als 12.000 S und weitere Ersparnisse von 4.000 S verfügt zu haben (S 217 d.A), auch unter Berücksichtigung seiner eigenen Bedürfnisse und seiner - allerdings ebenfalls durch längere Zeit nicht erfüllten (vgl seine Verantwortung S 152 d.A) - zusätzlichen Unterhaltsverpflichtung für ein weiteres Kind (worüber das Erstgericht keinerlei Feststellung trifft, insbesondere auch nicht in der Richtung, ob im hier maßgeblichen [Tat-]Zeitraum überhaupt noch eine Unterhaltsverpflichtung bestand) zuletzt in der Lage gewesen, wenigstens teilweise für den Unterhalt des Günther G*** aufzukommen. Daß er dies nicht tat, weist sein mehrere Monate währendes Verhalten in objektiver und subjektiver Beziehung als qualifizierte Verletzung der Unterhaltspflicht aus, die jenseits der Grenze der aus dem Unrechtsbereich auszuscheidenden Unterhaltsverletzungen minderer Art und Dauer (Pallin im WK, Rz 27 zu § 198 StGB) gelegen und solcherart als "gröblich" im Sinn des Gesetzes zu bezeichnen ist.

Das Ersturteil bedarf lediglich im Tatzeitraum einer Korrektur, weil die Lohnzahlungen an den Angeklagten ersichtlich (vgl die Verantwortung des Angeklagten S 154, die Aussagen des Zeugen Georg K*** S 158, 160 und die Urteilsausführungen S 236 u 239 d.A) erst im nachhinein stattfanden und deshalb der Beginn der tatbildlichen Unterhaltsverletzung erst mit Anfang September (und nicht schon mit Anfang August) 1985 anzusetzen ist. Ferner ist aus dem Tatzeitraum die - vom Angeklagten nach Lage des Falles nicht

verschuldete - Unterbrechung seines Beschäftigungsverhältnisses von fünf Wochen ab Beginn November 1984 auszuscheiden. - Als Ende des Tatzeitraumes verbleibt hingegen weiterhin das Ende des Monates Februar 1985; dies schon deshalb, weil der Angeklagte durch die Flucht nach Begehung des Diebstahls vorsätzlich seine Erwerbsgelegenheit aufgab (§ 198 Abs. 1 letzter Satz StGB). Somit war der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten insoweit Folge zu geben.

Bei der infolge Aufhebung des Urteils auch im Strafausspruch erforderlichen Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, den raschen Rückfall und die mehrfache Qualifikation des Diebstahls. Als mildernd war demgegenüber lediglich der Umstand in Betracht zu ziehen, daß die (strafnormierende) Wertgrenze des § 128 Abs. 2 StGB nur geringfügig überschritten wurde.

Unter Berücksichtigung dieser Strafzumessungsgründe erweist sich eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren als dem Unrechtsgehalt der Taten und der Schwere der Schuld des Täters angepaßt.

Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Da der Angeklagte seine Berufung nicht ausführte und auch bei ihrer Anmeldung nicht jene Punkte des Erkenntnisses bezeichnete, durch die er sich beschwert findet, war dieses Rechtsmittel zurückzuweisen (§§ 294 Abs. 2, 296 Abs. 3 StPO).

Die Kostenentscheidungen beruhen auf den zitierten Gesetzesstellen.

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