Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.225,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 565,95 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 18.Februar 1983 gegen 14 Uhr fuhr die damals 12 1/2 Jahre alte Klägerin, die eine schlechte Skifahrerin ist, von der Bergstation des Haag-Schlepplifts in Schwarzenberg auf der bergwärts gesehen linken Piste talwärts bis zur Talstation des Lifts. Unterhalb der Talstation blieb die Klägerin stehen, um Leute zu beobachten, die bergwärts fuhren. Rechts neben der Talstation des Haag-Liftes befindet sich ein Häuschen zur Ausgabe von Liftkarten. Die Klägerin beabsichtigte, den Haag-Lift nicht nochmals zu benützen, sondern weiter talwärts zum Halden-Lift abzufahren. Sie setzte sich daher von ihrem Standplatz aus in Bewegung und fuhr unterhalb des Kartenausgabehäuschens vorbei. Der Beklagte, der mit einigen Freunden auf der rechten Piste des Haag-Liftes talwärts gefahren war, wollte diesen Lift noch einmal zur Bergfahrt benützen. Als er sah, daß ein vor ihm fahrender Freund an der Zufahrt zur Talstation vorbei in Richtung Halden-Lift weiterfuhr, verringerte der Beklagte seine Geschwindigkeit, doch entschloß er sich dann, dem vorausfahrenden Freund zur Bergstation des Halden-Lifts zu folgen. Durch einige Leute, die im Bereiche des Kartenausgabehäuschens standen, sowie durch das Häuschen selbst war dem Beklagten die Sicht auf die talwärts gesehen von rechts nach links unterhalb des Häuschens fahrende Klägerin verstellt. Nachdem der Beklagte die Kante, die den Zugang zum Haag-Lift bildete, überfahren hatte, bemerkte er die von rechts herankommende Klägerin. Da er keine Möglichkeit mehr sah, einen Zusammenstoß zu vermeiden, ließ sich der Beklagte auf seine Schier fallen und prallte so gegen die von rechts kommende Klägerin, die im Augenblick des Zusammenstoßes gerade einen Rechtsschwung einleiten wollte. Obwohl die Klägerin den Beklagten spätestens beim Überfahren der Geländekante hätte sehen können, bemerkte sie den herannahenden Beklagten nicht, sondern setzte ihre Fahrt bis zur Kollision ungebremst fort. Der Zusammenstoß fand ca. sieben Meter unterhalb des Kartenausgabehäuschens statt. Die Klägerin erlitt dabei eine geschlossene Oberschenkelfraktur links. Diese schwere Verletzung und deren Behandlung war mit starken Schmerzen im Ausmaße von 14 Tagen, mittelstarken Schmerzen im Ausmaße von drei Wochen und leichten Schmerzen von zusammengefaßt vier Wochen verbunden. Nach Abschluß der unfallsbedingten Behandlung beteht bei der Klägerin eine Beinverkürzung von 2,5 cm links mit entsprechendem Beckenschiefstand und konsequenter Verkrümmung der Wirbelsäule. Außerdem besteht eine Fehlstellung des Oberschenkels im Sinne einer Varus-Deformität. Während die Verkürzung des Oberschenkels durch einen entsprechenden Sohlen- und Absatzausgleich korrigiert werden kann, ist ein solcher Ausgleich bei der Varus-Fehlstellung nicht möglich. Vielmehr ist früher oder später mit einer Fehlbelastungsarthrose im linken Kniegelenk zu rechnen, wenn diese Deformität nicht korrigiert wird; ob eine Korrektur möglich ist, kann derzeit noch nicht festgestellt werden. Bis zur Korrektur der Deformität besteht bei der Klägerin auf Grund der Unfallsfolgen eine Invalidität von 20 %.
Der zum Zeitpunkt des Unfalls fast 16jährige Beklagte wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Bezau vom 20.6.1983, U 115/83, wegen Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs1 und 4 erster Fall StGB rechtskräftig verurteilt.
Die Klägerin begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung des Betrages von S 379.000,-- (S 179.000,-- Schmerzengeld, dies unter Berücksichtigung von S 1.000,--, die der Klägerin im Strafverfahren als Privatbeteiligte zugesprochen wurden und S 200.000,-- Verunstaltungsentschädigung) sowie die Feststellung, daß ihr der Beklagte für alle Folgen aus dem Unfall vom 18.2.1983 zu haften habe. Der Unfall sei auf das alleinige Verschulden des Beklagten zurückzuführen.
Der Beklagte brachte vor, daß die Klägerin ein Mitverschulden im Ausmaß eines Drittels treffe. An Schmerzengeld sei ein Betrag von S 100.000,--, an Verunstaltungsentschädigung ein Betrag von S 30.000,-- gerechtfertigt. Unter Berücksichtigung des zugesprochenen Betrages von S 1.000,-- anerkannte der Beklagte das Begehren mit dem Betrag von S 86.000,--, weiters anerkannte er das Feststellungsbegehren in Ansehung von zwei Dritteln der künftigen Schäden. Auf Grund des Anerkenntnisses fällte das Erstgericht in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 29.4.1985 ein Teilanerkenntnisurteil.
Mit Endurteil wurde der Beklagte schuldig erkannt, der Klägerin den Betrag von S 13.000,-- s.A. zu bezahlen. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren auf Zuspruch von weiteren S 280.000,-- sowie das Feststellungsmehrbegehren wurden abgewiesen. In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, beide Streitteile habe als Skifahrer die Verpflichtung getroffen, den vor ihnen liegenden Pistenteil genau zu beobachten. Sowohl die Klägerin als auch der Beklagte hätten damit rechnen müssen, daß aus der Gegenrichtung andere Skifahrer kämen. Hätte die Klägerin die vor ihr liegende Fläche sorgfältig beobachtet, so hätte ihr der talwärts herankommende Beklagte auffallen müssen; die Klägerin habe den Beklagten jedoch nicht bemerkt. Die grundsätzlichen Regeln des Skifahrens hätten der Klägerin bekannt sein müssen. Dies begründe an sich ein gleichteiliges Mitverschulden der Klägerin. Im Hinblick auf ihr Alter sei jedoch ihr Verschulden im Verhältnis zum Verschulden des Beklagten geringer anzusetzen, so daß eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 2 : 1 zu Lasten des Beklagten gerechtfertigt sei. An Schmerzengeld und Verunstaltungsentschädigung sei ein Gesamtbetrag von S 150.000,-- angemessen. Unter Berücksichtigung der Mitverschuldensquote sowie des Zuspruchs im Strafverfahren in der Höhe von S 1.000,-- ergebe sich ein gerechtfertigter Anspruch in der Höhe von S 99.000,--; abzüglich der mit Teilanerkenntnisurteil zugesprochenen S 86.000,-- verbleibe ein Betrag von S 13.000,--. Das Mehrbegehren sei abzuweisen.
Das Berufungsgericht gab der gegen den abweisenden Teil der Entscheidung des Erstrichters erhobenen Berufung der Klägerin teilweise Folge. Es änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es den Beklagten schuldig erkannte, der Klägerin über den mit Teilanerkenntnisurteil des Erstgerichtes zuerkannten Betrag von S 86.000,-- hinaus weitere S 48.000,-- s.A. zu bezahlen. Es stellte fest, daß der Beklagte der Klägerin für alle in Hinkunft entstehenden Folgen und Nachteile aus dem Unfall vom 18.2.1983 (über den Ausspruch des Teilanerkenntnisurteils hinaus) zu einem weiteren Zwölftel, insgesamt sohin zu drei Vierteln, hafte. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren wies das Berufungsgericht ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, in Ansehung des abändernden Teils S 15.000,-- und in Ansehung des bestätigenden Teils S 60.000,--, insgesamt aber S 300.000,-- übersteigt.
Das Berufungsgericht führte aus, die Klägerin sei - talwärts gesehen - von rechts kommend schräg nach links unten abgefahren, während die Fahrlinie des Beklagten nach schräg rechts unten verlaufen sei; beide Fahrlinien hätten zueinander einen Winkel von ca. 120 o aufgewiesen. Es sei dem Erstgericht darin beizupflichten, daß die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, den vor ihr liegenden Pistenteil mit besonderer Aufmerksamkeit zu beobachten (Gebot des Fahrens auf Sicht). Sie habe den Beklagten nach eigenen Angaben vor der Kollision überhaupt nicht bemerkt, obwohl sich dieser aus ihrer Sicht von schräg links oben genähert habe. Der Beklagte habe andererseits eine für die örtlichen Verhältnisse überhöhte Geschwindigkeit eingehalten und auf die herannahende Klägerin insoferne falsch reagiert, als er sich fallengelassen habe. Damit habe er sich der Möglichkeit begeben, durch eine Ausweichlenkung den Unfall zu vermeiden oder seine Folgen zu verringern. Unter Berücksichtigung der der Klägerin zugutekommenden milderen Beurteilung gemäß § 1310 ABGB sei eine Verschuldensteilung im Ausmaß von 1 : 3 zu Lasten des Beklagten angemessen. Im Hinblick auf die erlittenen Schmerzen sei ein Schmerzengeld von (ungekürzt) S 130.000,-- angemessen. Die Klägerin werde zeitlebens in ihrer sportlichen und beruflichen Leistungsfähigkeit behindert sein, so daß neben den rein körperlichen Schmerzen auch dieses seelische Ungemach zu berücksichtigen sei. Unter Bedachtnahme auf das die Klägerin treffende Mitverschulden im Ausmaß von einem Viertel belaufe sich ihr Anspruch an Schmerzengeld auf S 97.500,--; abzüglich der S 1.000,--, die ihr im Strafverfahren zuerkannt wurden, sei der Anspruch mit S 96.500,-- gerechtfertigt. Bei der Verunstaltungsentschädigung sei nicht nur die Möglichkeit der künftigen Behinderung des besseren Fortkommens in der privaten Sphäre (Heiratsaussicht), sondern auch eine Behinderung im Berufsleben zu berücksichtigen. Die Entschädigung im Sinne des § 1326 ABGB sei demnach (ungekürzt) mit S 50.000,-- gerechtfertigt, so daß unter Berücksichtigung der Mitverschuldensquote der Klägerin ein Betrag von S 37.500,-- gebühre. Unter Bedachtnahme auf den Zuspruch von S 86.000,-- im Teilanerkenntnisurteil des Erstgerichtes vom 29.6.1985 sei der Anspruch der Klägerin mit restlichen S 48.000,-- gerechtfertigt. Im Hinblick auf die geänderte Verschuldensaufteilung sei auch auszusprechen, daß der Beklagte der Klägerin für die Folgen und Nachteile des Unfalls mit einem weiteren Zwölftel zu haften habe.
Die Klägerin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision insoweit, als ihr an Schmerzengeld und Verunstaltungsentschädigung nicht ein weiterer Betrag von S 150.000,-- zugesprochen wurde. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung und demgemäß auch der Ausspruch über das Feststellungsbegehren bleibt unbekämpft.
Die Revisionswerberin führt aus, daß ihr unter Berücksichtigung der erlittenen körperlichen und seelischen Schmerzen - sie werde zeitlebens in ihrer sportlichen und beruflichen Leistungsfähigkeit behindert sein - ein Schmerzengeld von (ungekürzt) S 180.000,-- gebühre. Bei der Bemessung der Verunstaltungsentschädigung wäre ein (ungekürzter) Betrag von S 200.000,-- angemessen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revison kommt Berechtigung nicht zu.
Das Schmerzengeld soll eine Genugtuung für alles Ungemach darstellen, das der Verletzte infolge der Verletzung zu erdulden hat und noch zu erdulden haben wird. Es ist gemäß § 273 ZPO unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, der körperlichen und seelischen Schmerzen, der Art und Schwere der Verletzung nach freier Überzeugung des Richters festzusetzen (ZVR 1985/107, 102, 50 uva; Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 43 zu § 1325). Die Bemessung des (ungekürzten) Schmerzengeldes mit S 130.000,-- durch das Berufungsgericht entspricht den dargestellten Bemessungsgrundsätzen. So hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung ZVR 1985/139 einen Schmerzengeldbetrag von S 150.000,-- in einem Fall als angemessen erachtet, in dem der Verletzte eine Kopfprellung mit Gehirnerschütterung und Rißquetschwunden im Gesicht, einen Kompressionsbruch des fünften Halswirbels mit Verrenkung, Abbruch des linken Querfortsatzes des zweiten Lendenwirbels und allgemeine Körperprellungen mit 14 Tagen starken, 22 Tagen mittleren und 100 Tagen leichten Schmerzen erlitten hat. Ein Betrag von S 130.000,-- wurde in einem Fall zuerkannt, in dem der Verletzte eine Gehirnerschütterung mit mehrfachen Wunden im Gesicht und Glassplittereinsprengungen, einen Bruch am unteren Speichenende mit Abbruch des Ellengriffels, Bruch des Kahnbeines der rechten Hand, Verrenkungsbruch des linken Hüftgelenkes mit Ausbruch des hinteren Pfannenrandes sowie mehrfache Prellungen mit 12 Tagen starken, 28 Tagen mittelstarken und 70 Tagen leichten Schmerzen erlitten hatte (2 Ob 38/83). Die Art der Verletzung, die die Klägerin erlitten hat, und die Dauer der festgestellten Schmerzperioden rechtfertigen kein höheres als das vom Berufungsgericht als angemessen erachtete Schmerzengeld. Unter Bedachtnahme auf die Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere die festgestellten Schmerzperioden beinhaltet das zugesprochene Schmerzengeld auch eine angemessene Abgeltung der psychischen Schmerzen, die die Klägerin dadurch erlitten hat, daß sie künftig bei der Sportausübung behindert sein wird.
Was die Verunstaltungsentschädigung betrifft, so kommt es dabei auf den Grad der Verunstaltung und die Wahrscheinlichkeit der Behinderung des Fortkommens an (ZVR 1985/8 u.a.; Piegler, RZ 1973, 22). Die Bemessung dieser Entschädigung mit dem (ungekürzten) Betrag von S 50.000,-- ist zu billigen. So hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung ZVR 1984/319 in einem Fall, in dem eine 20 Jahre alte Frau eine Halbseitensymptomatik der linken Körperseite, die zwar nicht eine komplette Lähmung, aber immerhin eine Spastizität mit einer Behinderung sowohl der linken Hand als auch beim Gehen im linken Bein bewirkt, erlitten hatte, eine Verunstaltungsentschädigung von S 80.000,-- als angemessen erachtet. Ein Betrag von S 100.000,-- wurde in einem Fall zuerkannt (2 Ob 164/83), in dem ein 19 Jahre alter Verletzter eine Hirnquetschung mit längerer traumatischer Hirnödemphase, Gleichgewichtsstörungen, Schreibunfähigkeit infolge Ataxie, Depressionen, Sprachstörungen und Konzentrationsschwäche erlitten hat. Im Falle der Amputation des rechten Oberschenkels wurde einem 20jährigen Lagerarbeiter eine Verunstaltungsentschädigung von S 150.000,-- zuerkannt (2 183/83). Demgemäß erscheint aber auch die Ausmessung der Verunstaltungsentschädigung im vorliegenden Fall mit S 50.000,-- als angemessen.
Die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes unterliegt nicht der Überprüfung durch das Revisionsgericht (§ 528 Abs1 Z 2 ZPO). Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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