OGH 11Os3/86

OGH11Os3/8625.2.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Februar 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider (Berichterstatter) sowie Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gruber als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hansjörg M*** wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach dem § 288 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengerichtes vom 1.Oktober 1985, GZ 29 Vr 931/85-47, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwaltes Dr. Presslauer, und der Verteidigerin Dr. Pewny, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 15 (fünfzehn) Monate herabgesetzt wird.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 10.September 1959 geborene Hansjörg M*** der Vergehen nach § 16 Abs 1 und Abs 2 Z. 2 SGG (Punkt 1.1 des Urteilssatzes) und der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB (Punkt 1.2) schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruches führte er zu wiederholten Malen gestrecktes Heroin und einmal Methadontabletten nach Österreich ein, überließ gewerbsmäßig (unter den Bedingungen des § 16 Abs 2 Z. 2, letzter Satzteil, SGG) mehreren Personen Heroin und erwarb und besaß solches Suchtgift, wobei das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 12 und 14 a SGG vom Landesgericht ausdrücklich (unangefochten) negiert wurde. Darüber hinaus liegt dem Angeklagten zur Last, am 23.Juli 1985 in Linz vor dem Landesgericht in der Hauptverhandlung in der Strafsache gegen Herbert K*** als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache durch die Angaben "Ich habe an K*** zwanzig 500er-Packerl verkauft. Ich weiß, daß ich bisher eine größere Menge angegeben habe, ich habe ihn verleumdet" sowie "Ich habe an O*** nie etwas verkauft und ihn damals verleumdet" falsch ausgesagt zu haben.

Der Angeklagte Hansjörg M*** bekämpft nur den Schuldspruch wegen falscher Beweisaussage vor Gericht mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 9 (zu ergänzen: lit b) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Zunächst wendet der Beschwerdeführer einen die Beurteilung seiner Zurechnungsfähigkeit im Tatzeitpunkt betreffenden Feststellungsmangel ein; er bringt sinngemäß vor, bei Ablegung der Zeugenaussage nicht schuldhaft gehandelt zu haben, weil er durch die damalige Anhaltung in Haft und infolge einer bestehenden Infektion mit AIDS-Viren physisch und psychisch stark beeinträchtigt gewesen sei. Dabei wird übersehen, daß ein Feststellungsmangel nur dann vorliegt, wenn Verfahrensergebnisse auf einen rechtlich relevanten Umstand hinweisen, das Gericht jedoch hiezu keine Konstatierung trifft. Die bezeichnete Beeinträchtigung des Angeklagten durch Haft und körperliche Erkrankung läßt aber für sich allein nicht an seiner Fähigkeit zweifeln, das Unrecht einer falschen Zeugenaussage einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (§ 11 StGB). Im übrigen hatte sich der Angeklagte nicht einmal andeutungsweise mit damaliger Zurechnungsunfähigkeit verantwortet. Daher wurde auch der dem Verfahren beigezogene ärztliche Sachverständige hiezu nicht konkret befragt: Dieser Gutachter nahm primär zur Suchtgiftabhängigkeit und zu den Aussichten einer Entwöhnungsbehandlung Stellung; er verneinte dabei aber jedenfalls das Vorliegen einer Geisteskrankheit oder Geistesschwäche und bekundete auch im Zuge der Erörterung der festgestellten Infektion des Angeklagten mit AIDS-Viren keine die Schuldfähigkeit ausschließenden Auswirkungen (S. 394 ff.; siehe auch S. 285 ff.).

Rechtliche Beurteilung

Demnach boten die Verfahrensergebnisse keinen Anlaß, gesonderte Feststellungen über die geistige Verfassung des Angeklagten bei Ablegung der falschen Beweisaussage zu treffen.

Der weitere Einwand, daß die Voraussetzungen des Aussagenotstandes unberücksichtigt geblieben seien, ist mangels jeglicher Substantiierung einer näheren sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich. Dem Akteninhalt zufolge legte der Angeklagte die Zeugenaussage nach Belehrung über den Befreiungsgrund des § 153 StPO ab (S. 341), wobei die Anhängigkeit eines Strafverfahrens wegen der den Gegenstand der Einvernahme bildenden Weitergabe von Suchtgift offenkundig war, sodaß eine Inanspruchnahme des Entschlagungsrechtes seine Verfahrensposition nicht hätte beeinträchtigen können. Demgemäß ließ der Angeklagte die ihm bewußte Möglichkeit ungenutzt, zur Wahrung seiner Interessen im Strafverfahren das Zeugnis zu verweigern, weshalb die im § 290 Abs 1 StGB umschriebenen Straflosigkeitsbedingungen nach keiner Richtung hin ersichtlich sind. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Landesgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 288 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten. Gemäß dem § 22 Abs 1 StGB ordnete es die Einweisung des Angeklagten in eine Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher an.

Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht als erschwerend die mehrfachen, auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden (und sogar rückfallbegründenden) Vorstrafen sowie die Deliktskonkurrenz, hingegen als mildernd das Geständnis. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.

Diesem Rechtsmittel kommt Berechtigung zu.

Wenngleich - der Meinung des Berufungswerbers zuwider - die schon erwähnte Infektion den Umständen nach (auch) nicht als schuldmildernd angesehen werden kann, erachtet der Oberste Gerichtshof auf der Grundlage der zutreffend festgestellten Zumessungsgründe eine Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten für angemessen. In diesem Sinn war der Berufung Folge zu geben. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch zitierte Gesetzesstelle.

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