OGH 13Os10/86

OGH13Os10/8620.2.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Februar 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Huber als Schriftführers in der Strafsache gegen Eduard M*** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht Innsbruck vom 8. November 1985, GZ 20 Vr 1950/85-40, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Scheibenpflug, und des Verteidigers Dr. Adler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 1.Jänner 1932 geborene Eduard M*** des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 StGB schuldig erkannt.

Dieser - vom Angeklagten mit einer auf § 345 Abs 1 Z. 6 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpfte - Schuldspruch erging auf der Basis des Wahrspruchs der Geschwornen, welche die an sie gerichtete (einzige) Hauptfrage, ob der Angeklagte schuldig sei, er habe "am 14.Mai 1985 in Innsbruck dadurch, daß er zunächst einen Schraubenzieher gegen die Brust und den Bauch des 69-jährigen, schwerstens gehbehinderten Rentners Leo L*** drückte und sodann ein Küchenmesser gegen den Rücken des Leo L*** richtete und ihn unter Androhung mit dem Umbringen aufforderte, er solle ihm sofort Geld geben, mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben dem Leo L*** fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz abzunötigen versucht, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub unter Verwendung von Waffen zu verüben versucht hat", einstimmig bejaht hatten.

Der Beschwerdeführer vermeint, diese Fragestellung verstoße gegen § 312 Abs 1 StPO, weil der oben wiedergegebenen Formulierung der Frage ungeachtet der "eklatanten Widersprüche" in den Angaben des Zeugen Leo L*** über den Tathergang nicht entnommen werden kann, "wann im Rahmen des Geschehensablaufes und unter welchen Umständen" bzw. "wo genau im Rahmen der Räumlichkeiten" der Angeklagte zunächst einen Schraubenzieher gegen die Brust und den Bauch und dann ein Küchenmesser gegen den Rücken des Leo L*** gerichtet hat.

Rechtliche Beurteilung

Demgegenüber verlangt das Gesetz im § 312 Abs 1 StPO jedoch neben der Aufnahme der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung lediglich eine Individualisierung der Tat nach Ort, Zeit, Gegenstand usw., und zwar dergestalt, daß die Tat das verwechslungssichere Gepräge eines individuellen Vorgangs erhält, damit die Möglichkeit einer Doppelverurteilung ausgeschlossen wird. Darüber hinaus sind in die Frage auch jene konkreten Tatsachen aufzunehmen, die die Tatbestands- und Qualifikationsmerkmale des in Rede stehenden Delikts im Anlaßfall verwirklichen (EvBl 1985/97). Eine Spezialisierung in Form einer erschöpfenden Beschreibung der Tat durch Anführung auch aller rechtlich bedeutungslosen Nebenumstände ist hingegen den Beschwerdebehauptungen zuwider auch dann nicht erforderlich, wenn hinsichtlich dieser Nebenumstände widersprüchliche Beweisergebnisse vorliegen (Mayerhofer-Rieder 2 , § 312 StPO, E.Nr. 30 ff.). Vielmehr unterliegt die Beurteilung der Beweiskraft der vorgeführten Beweismittel in bezug auf die Fragestellung ausschließlich der freien Beweiswürdigung der Geschwornen (§ 325 Abs 1 StPO).

Da die Fragestellung den dargelegten gesetzlichen Erfordernissen (Individualisierung und Konkretisierung) in jeder Beziehung entspricht, kann von einem Verstoß gegen § 312 Abs 1 StPO keine Rede sein.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB eine Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren. Dabei waren erschwerend drei auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafen, daß sowohl Gewalt angewendet wie auch mit dem Umbringen gedroht wurde und die schwere Behinderung des 69-jährigen Opfers, mildernd dagegen, daß die Tat beim Versuch blieb, und die verminderte Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten.

Mit seiner Berufung strebt dieser eine weitgehende Herabsetzung des Strafmaßes an. Auch diesem Rechtsmittel bleibt ein Erfolg versagt.

Den Raubanschlag einfach als "Milieutat" im "Sandlermilieu" anzusehen und als damit weniger strafwürdig abtun zu wollen, liefe auf eine Abqualifizierung des Raubopfers hinaus, die gerade im vorliegenden Fall völlig fehl am Platze wäre: Handelt es sich doch beim Überfallenen um einen schwerst behinderten Menschen (ON 23 S. 159, ON 35 S. 169), der in wirtschaftlich beengten Verhältnissen lebt und sich gegen den ihm körperlich weit überlegenen Angeklagten in keiner Weise wirksam zur Wehr setzen konnte. So wurde denn auch der Raub schließlich nur durch das hilfreiche Eingreifen eines Nachbarn verhindert. Daß von einer Vorplanung nicht gesprochen werden könne, ist nach den aktenmäßigen Grundlagen (s.S. 22, 23, 48, 102, 104, 209) nicht anzunehmen. Ein nennenswerter Einfluß von Alkohol wurde vom Angeklagten niemals behauptet (S. 35, ON 32 S. 162). Auch die Verminderung seiner Zurechnungsfähigkeit hält sich in Grenzen: Liegt doch dem Sachverständigengutachten zufolge die Intelligenz des Angeklagten noch im (wenn auch unteren) Normalbereich (S. 121, 214). Er wird sogar ausdrücklich als geistesgesund bezeichnet. Schließlich kann sich der nunmehr 54-jährige Angeklagte, dem es übrigens nach eigener Darstellung in seiner Jugend bei der Mutter gut gegangen ist (S. 113, 129), füglich nicht auf eine vernachlässigte Erziehung ("nicht vorhandene Familienverhältnisse" (S. 263) berufen (LSK. 1983/38). Die eigene Erkrankung des Berufungswerbers kann allenfalls bei der Vollstreckung der Freiheitsstrafe, nicht aber bei deren Bemessung eine Rolle spielen. Was letztlich den Ausschlag gibt, ist das einschlägig getrübte Vorleben des Angeklagten (siehe S. 23 und 24), wobei hinsichtlich der Art der Gewaltanwendung bei einer Vortat (22 Vr 3819/79 des Landesgerichts Innsbruck) sogar eine Parallelität zur nunmehrigen Tat erkennbar ist. Die Strafe von sechseinhalb Jahren, die weit im unteren Bereich des von fünf bis fünfzehn Jahren reichenden Strafsatzes geschöpft wurde, ist nach Meinung des Obersten Gerichtshofs keineswegs überhöht.

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