OGH 2Ob503/86

OGH2Ob503/8618.2.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertrude A***, Pensionistin, Linz, Freistädterstraße 419, vertreten durch Mag.Dr.Adalbert Resch, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Franz A***, Berufsdetektiv, Linz, Schallenbergerweg 3, vertreten durch Dr.Wolfgang Moringer, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterhalt, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 15.Oktober 1985, GZ 14 R 75/85-41, womit das Teilanerkenntnisurteil des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung vom 10.Juli 1985, GZ 4 C 8/84-37, teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Ausspruch über die Abweisung des Antrages der Klägerin auf Fällung eines Teilanerkenntnisurteils aufgehoben wird.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Streitteile sind verheiratet. Die Klägerin begehrt einen Unterhalt von 2.000 S für den Monat Oktober 1982 und ab 1.November 1982 einen Unterhalt von 3.000 S monatlich. Bei der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 22.Oktober 1982 (ON 2) anerkannte der Beklagte einen Unterhaltsbetrag von 1.000 S. Er behauptete, daß er diesen Betrag auch bezahle. Erst mit Schriftsatz vom 17.August 1984 (ON 27) beantragte die Klägerin die Fällung eines Teilanerkenntnisurteils. Der Beklagte habe den anerkannten Unterhaltsbetrag bis Juli 1984 geleistet, im August jedoch die Zahlung eingestellt. Das Erstgericht erließ das Teilanerkenntnisurteil antragsgemäß. Das Berufungsgericht hob das Teilanerkenntnisurteil mit der Begründung auf, daß die Erlassung eines Anerkenntnisurteils auf Grund eines schriftlichen Antrages außerhalb der mündlichen Streitverhandlung unzulässig sei. In der fortgesetzten Verhandlung trug die Klägerin ihren Schriftsatz am 7. Dezember 1984 vor. Der Beklagte widerrief daraufhin sein Anerkenntnis, weil sich seine Einkommensverhältnisse drastisch verschlechtert hätten. Hingegen habe die Klägerin ihr Haus verkauft und könne ihren Unterhalt nunmehr aus den Zisnen des Kaufpreises bestreiten.

Das Erstgericht sprach der Klägerin mit Teilanerkenntnisurteil vom 10.Juli 1985 ab 1.August 1984 einen monatlichen Unterhalt von 1.000 S zu. Es vertrat die Auffassung, daß nach Antragstellung auf Fällung eines Anerkenntnisurteils das Anerkenntnis nur mehr wegen eines Willensmangels widerrufen werden könne. Einen Willensmangel habe der Beklagte nicht einmal behauptet.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes im Zuspruch eines Unterhaltsbetrages von 1.000 S für die Zeit vom 1.August 1984 bis 31.Dezember 1984, hob im übrigen das Ersturteil mit Beschluß auf und wies im Umfang der Aufhebung den Antrag der Klägerin auf Fällung eines Teilanerkenntnisurteils ab. Es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof "für zulässig". Da es sich um einen im Berufungsverfahren ergangenen Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes handelt, ist dieser Ausspruch als solcher iS des § 519 Abs 1 Z 3 ZPO anzusehen (vgl. Fasching, LB, Rdz 1822). Nach der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes sei in Unterhaltssachen der Widerruf eines Anerkenntnisses noch nicht fälliger Unterhaltsbeträge wegen einer behaupteten Änderung der Verhältnisse bis zum Schluß der Streitverhandlung über das Anerkenntnis zulässig.

Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht eine Sachentscheidung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin ist zulässig. Die (verfahrensrechtliche) Frage der Widerruflichkeit eines prozessualen Anerkenntnisses ist umstritten (SZ 47/85). Die Anfechtungsbeschränkung des § 502 Abs 2 Z 1 ZPO, die den Rechtszug an den Obersten Gerichtshof ausschließt, gleichgültig ob die Entscheidung durch Urteil oder durch Beschluß erfolgt und mit Revision oder mit Rekurs bekämpft wird (Fasching LB Rdz 1864), gilt für rein verfahrensrechtliche Fragen, die in einem Unterhaltsprozeß auftauchen, nicht (Fasching LB Rdz 1867; EFSlg. 44.618 u.a.).

Der Rekurs ist jedoch nur zum Teil berechtigt.

Der Meinungsstand in Lehre und Rechtsprechung über die Widerruflichkeit eines prozessualen Anerkenntnisses wurde in der von den Vorinstanzen zitierten Entscheidung SZ 47/85 eingehend dargestellt und in den Entscheidungen der Vorinstanzen auch weitgehend wiedergegeben, sodaß insoweit auf diese Ausführungen verwiesen werden kann. Ergänzend ist festzuhalten, daß Holzhammer (Österreichisches Zivilprozeßrecht) auch in der zweiten Auflage, S 226, einen Widerruf weiterhin nur in dem Falle für zulässig erachtet, als der Gegner zustimmt oder ein Restitutionsgrund vorliegt. Fasching, LB Rdz 1311, hält gleichfalls an seiner schon in seinem Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen (III, 607) vertretenen Meinung fest, daß der Widerruf des Anerkenntnisses ohne weitere Begründung möglich sei, solange der Gegner noch keinen Antrag auf Fällung eines Anerkenntnisurteils gestellt habe. Nach Antragstellung auf Fällung eines Anerkenntnisurteiles bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung darüber könne der Widerruf nur mehr wegen eines Willensmangels, den der Widerrufende behaupten und gegebenenfalls beweisen müsse, erfolgen. Fasching verweist auch auf die Inkonsequenz der Rechtsprechung, soweit diese die Widerruflichkeit des Anerkenntnisses verneint, wonach zwar das Anerkenntnis als Prozeßhandlung erachtet, die für Prozeßhandlungen geltende Möglichkeit des rechtzeitigen Widerrufes jedoch verweigert werde. Die Rechtsprechung hat die Widerruflichkeit des prozessualen Anerkenntnisses überwiegend abgelehnt (MietSlg. 23.658;

EvBl 1962/376; JBl. 1959, 239; EvBl 1957/192; SZ 25/234;

SZ 23/237; SZ 3/99; 5 Ob 55/69; 7 Ob 256/65 betreffend das Anerkenntnis eines Unterhaltsteilbetrages; 7 Ob 186/63 u.a.), und nur in einzelnen Entscheidungen einen Widerruf insoweit für zulässig erachtet, als dieser nach materiellem Recht gerechtfertigt ist (RZ 1956/127; Rspr. 1930/59). In der Bundesrepublik Deutschland wird nach herrschender Meinung gleichfalls das prozessuale Anerkenntnis grundsätzlich für unwiderruflich angesehen (Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO 43 829). Staudigl (FamRZ 1980, 222) weist zutreffend auf die Problematik der Unwiderruflichkeit des prozessualen Anerkenntnisses in Unterhaltssachen hin, wenn sich lediglich die zugrunde liegenden Umstände wesentlich geändert haben. Der Beklagte müßte das auf sein Anerkenntnis hin ergehende Anerkenntnisurteil rechtskräftig werden lassen und eine Klage auf Abänderung erheben, die dem Einwand ausgesetzt wäre, daß die wesentliche Änderung schon im Vorprozeß vorgebracht werden hätte können. Der Grundsatz der Prozeßökonomie müsse überdies auch dann zum Tragen kommen, wenn sich nach einem prozessualen Anerkenntnis auf Unterhaltszahlung die Umstände maßgebend geändert hätten. Staudigl kommt deshalb zu dem Ergebnis, daß ein prozessuales Anerkenntnis auf Unterhalt bei wesentlicher Änderung der ihm zugrunde liegenden Verhältnisse noch im anhängigen Rechtsstreit entsprechend den Änderungen widerruflich sei. Unwesentliche Änderungen könnten jedoch nicht zum Widerruf berechtigen. Auch das Berufungsgericht ließ sich von der Erwägung leiten, daß bei Eintritt einer wesentlichen Änderung nach Fällung des Anerkenntnisurteils der Beklagte diese Umstände mit Oppositionsklage oder mit vorbeugender Feststellungsklage geltend machen könnte, bei Eintritt der Änderung zwischen Anerkenntnis und Schluß der Verhandlung hierüber dem Beklagten aber diese Möglichkeit verwehrt sei.

Die Tragfähigkeit dieser Argumente etwa im Hinblick auf die Bestimmung des § 35 Abs 1 zweiter Satz EO und dessen Auslegung in der Rechtsprechung (vgl. MGA EO 11 § 35/B 2) braucht nicht weiter erörtert zu werden. Entscheidende Bedeutung kommt nämlich dem Umstand zu, daß nach ständiger Rechtsprechung für jede Unterhaltsregelung die Umstandsklausel gilt (EFSlg. 35.237; 3.934 u. v.a.; vgl. auch EvBl 1977/219). Konsequenterweise muß sie dann aber auch für ein Anerkenntnis gelten, anderenfalls würde dem Anerkenntnis eine stärkere Wirkung zuerkannt, als einem Unterhaltsvergleich oder einem Urteil (vgl. Staudigl aaO). Auch in der Entscheidung SZ 47/85 wurde hervorgehoben, daß das prozessuale Anerkenntnis die vorbehaltslose Unterwerfung des Beklagten zum Ausdruck bringen muß. Anerkennt der Beklagte einen Unterhaltsbetrag für die Zukunft, kann dies mit Rücksicht auf die herrschende Auffassung über die Geltung der Umstandsklausel objektiv nicht als vorbehaltslose Erklärung verstanden werden, daß das von der klagenden Partei gestellte Rechtsfolgebegehren ganz oder zum Teil auch bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse berechtigt sei. Der vor Fällung eines Anerkenntnisurteils wegen wesentlicher Veränderungen der Verhältnisse seit dem Anerkenntnis erfolgte Widerruf des Anerkenntnisses eines für die Zukunft zu leistenden Unterhaltsbetrages ist daher noch im anhängigen Rechtsstreit beachtlich. Stellt sich allerdings heraus, daß eine wesentliche Änderung nicht vorliegt, kommt dem Widerruf keine Bedeutung zu. Daraus folgt aber, daß die Teilabweisung des Antrages der Klägerin auf Fällung eines Teilanerkenntnisurteils im derzeitigen Verfahrensstadium verfrüht ist. Wäre nämlich eine wesentliche Änderung nicht eingetreten, könnte wegen Unbeachtlichkeit des Widerrufes des Beklagten eine den anerkannten Betrag unterschreitende Bemessung nicht erfolgen, die Klägerin könnte sich insoweit auf das Anerkenntnis stützen.

Demgemäß ist dem Rekurs teilweise Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte