Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die
über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf
14 (vierzehn) Jahre erhöht.
Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung
verwiesen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 28.März 1953 geborene Gerhard D*** des Verbrechens des versuchten Mordes nach den §§ 15, 75 StGB (1) und des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt. Darnach versuchte er am 11. Jänner 1985 in Neudörfl, den (Vater seiner Lebensgefährtin) Josef G*** durch Versetzen von heftigen Schlägen mit den Fäusten, einem Sessel, einem Besenstiel und jeweils mit der Schneide zweier Küchenmesser gegen Kopf, Gesicht, Brust und beide Hände sowie Zufügung einer Schnittwunde am Hals zu töten (1) und verletzte anschließend die (zufällig zurückkehrende Lebensgefährtin) Judith A*** durch Würgen am Hals, wodurch sie Blutunterlaufungen erlitt, vorsätzlich am Körper (2).
Die Geschwornen bejahten die im Sinn des Anklagevorwurfes gestellte Hauptfrage 1 in Richtung des Verbrechens des versuchten Mordes stimmenmehrheitlich (7 Ja-Stimmen gegen 1 Nein-Stimme) und die in Richtung des Vergehens der Körperverletzung gestellte Hauptfrage 2 stimmeneinhellig; ebenso verneinten sie die Zusatzfrage 1 nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) stimmeneinhellig. Demgemäß blieben die den Geschwornen gestellten Eventualfragen 1 bis 3 (Verbrechen des versuchten Totschlages nach den §§ 15, 76 StGB, der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs 1 StGB und Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB) sowie die Eventualfragen 4 bis 8 (jeweils in Richtung des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach dem § 287 Abs 1 StGB in bezug auf eine der in den Hauptfragen 1 und 2 sowie den Eventualfragen 1 bis 3 konkretisierten strafbaren Handlungen) unbeantwortet.
Nur den Schuldspruch wegen des Verbrechens nach den §§ 15, 75 StGB ficht der Angeklagte mit der auf § 345 Abs 1 Z 6, 8 und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an, während den Strafausspruch sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte mit Berufung bekämpfen.
Eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) vermeint die Beschwerde darin zu erblicken, daß eine Zusatzfrage nach dem Strafaufhebungsgrund des Rücktrittes vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) nicht gestellt wurde, obwohl der Angeklagte nach dem Erscheinen seiner Lebensgefährtin weiterhin die Tat hätte vollenden können, aber von der Durchführung dieses seines Vorhabens Abstand genommen habe.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß dem § 313 StPO sind Fragen nach einem Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgrund nur dann zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht wurden, die - falls sie als erwiesen angenommen werden - die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben würden. Ein "Vorbringen" von Tatsachen im Sinn dieser Gesetzesstelle liegt aber nur vor, wenn in der Hauptverhandlung - nicht bloß in einem Parteienantrag - konkrete Umstände behauptet werden oder sonst hervorkommen, die einen Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgrund begründen könnten (Mayerhofer-Rieder 2 E 13 ff zu § 313 StPO). Zur Stellung einer Zusatzfrage in Richtung des Strafaufhebungsgrundes des § 16 StGB ist der Schwurgerichtshof demnach nur verpflichtet, wenn die vorgebrachten Tatsachen - ihre Richtigkeit vorausgesetzt - die Strafbarkeit tatsächlich aufheben würden. Der Schwurgerichtshof hat somit vorweg aus rechtlicher Sicht zu prüfen, ob die behaupteten Tatmodalitäten überhaupt die Bedeutung haben können, die Strafbarkeit aufzuheben, und nur für den Fall der rechtlichen Erheblichkeit der vorgebrachten Tatsachen eine entsprechende Zusatzfrage an die Geschwornen zu richten (Mayerhofer-Rieder 2 E 25, 26, 27, zu § 313 StPO, SSt 46/42, 13 Os 79/77, 11 Os 25/85 uva).
In diesem Strafverfahren standen die Tathandlungen des Angeklagten, die zu den schweren Verletzungen des Tatopfers Josef G*** geführt hatten, nicht in Frage. Gerhard D*** bestritt aber in der Hauptverhandlung den Tötungsvorsatz und bekannte sich mit der Begründung, nur mit Verletzungsabsicht gehandelt zu haben, einer schweren Körperverletzung schuldig. Er habe in voller Wut mit den Messern auf den Kopf des Mannes eingeschlagen, habe sich dabei auch gar nichts gedacht und habe wahrscheinlich zu dem Zeitpunkt, als seine Lebensgefährtin Judith A*** zurückkam und draußen klopfte, von seinem Opfer abgelassen und hierauf Judith A*** attackiert, bis sie keine Luft mehr bekam. In der Zwischenzeit habe Josef G*** das Haus verlassen (S 107 bis 115/II). Josef G*** gab in Übereinstimmung mit Judith A*** (S 129/II) an, der Beschwerdeführer habe erst "aufgehört", als die Tochter klopfte. Er sei hierauf hinausgelaufen, aber dort "niedergegangen" (S 123, 124/II). Den Aussagen der unmittelbar nach der Tat einschreitenden, in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Gendarmeriebeamten Pius S*** (S 136 bis 139/II) und Johann M*** (S 120/II) ist zu entnehmen, daß der Angeklagte unmittelbar nach der Tat meinte, Josef G*** getötet zu haben.
Nach diesen im Grunde übereinstimmenden Darstellungen ließ der Angeklagte erst infolge des zufälligen Auftauchens seiner Lebensgefährtin Judith A*** und nicht aus eigenem Antrieb von seinem Opfer ab; er war überdies der Meinung, die Tat bereits vollendet zu haben.
Damit ergibt sich aber kein Anhaltspunkt dafür, daß er freiwillig die Ausführung der Tat aufgab und glaubte, er könne die Tat noch vollenden: Es fehlt an jeglichem Tatsachensubstrat, welches freiwilligen Rücktritt von einem noch unbeendeten Versuch indizieren würde. Vielmehr läge nach der Verantwortung des Angeklagten, G*** habe das Haus verlassen, während er mit Wiederbelebungsversuchen an Judith A*** beschäftigt war (S 114, 115/II), ein mißlungener Versuch vor, bei dem strafbefreiender Rücktritt selbst dann ausscheidet, wenn der Täter darauf verzichtet, den Erfolg auf eine - noch mögliche - andere Weise herbeizuführen (Leukauf-Steininger 2 RN 9 zu § 16 StGB).
Durch die Unterlassung der Stellung der reklamierten Zusatzfrage wurden sohin Vorschriften über die Fragestellung nicht verletzt. Aus diesem Grund geht aber auch die im anderen Zusammenhang erhobene Rüge der mangelnden Belehrung im Sinn des § 16 Abs 1 StGB fehl, weil zu nicht gestellten Fragen auch keine Rechtsbelehrung zu geben ist und überdies den Geschwornen im Rahmen der zur Hauptfrage 1 gegebenen Belehrung ausdrücklich die Strafbarkeitsgrenze infolge freiwilligen Rücktritts vom Versuch vor Augen geführt wurde (S 154/II).
Unbegründet sind aber auch die weiteren im Rahmen der Ausführung des Nichtigkeitsgrundes nach dem § 345 Abs 1 Z 8 StPO erhobenen Einwände, die Rechtsbelehrung habe den Geschwornen die verschiedenen Formen des Vorsatzes nicht ausreichend erklärt, vor allem nicht die besondere Problematik bei Nichteintritt des tatbildlichen Erfolges und der Abgrenzung des Mordes zu anderen Tötungsdelikten, namentlich des Totschlages zur Körperverletzung mit Todesfolge. Dieses Vorbringen übergeht nämlich die Ausführungen der schriftlichen Rechtsbelehrung über die Einteilung der Vorsatzformen nach dem Grad des Wollens mit jeweils ausführlicher, auch für Laien verständlicher, den dolus eventualis erfassender Erörterung (S 151, 152/II). Ebenso einprägsam wurde die Abgrenzung zwischen Deliktsvollendung und Versuch (S 153, 154/II) dargelegt und auch erläutert, worin sich der Tatbestand des Totschlags nach dem § 76 StGB von dem des Mordes nach dem § 75 StGB unterscheidet (S 156 bis 159/II). Im Rahmen der Belehrung zu den Eventualfragen 2 und 3 wurde aber auch auf die Tatvariante ausdrücklich Bezug genommen, daß der Angeklagte nur mit Verletzungsvorsatz oder in Verletzungsabsicht gehandelt habe. Wenn die Beschwerde meint, es hätte auch die Problematik der Abgrenzung zwischen versuchtem Mord und (versuchter) Körperverletzung mit Todesfolge erörtert werden müssen, übersieht sie, daß die Todesfolge sowohl beim Verbrechen nach dem § 86 StGB als auch beim Verbrechen nach dem § 87 Abs 2 letzter Fall StGB jeweils nur fahrlässig herbeigeführt worden sein kann, während bei Vorliegen des Tötungsvorsatzes und Nichteintritt der Todesfolge nur die Verbrechen nach den §§ 15, 75 oder 76 StGB in Frage kommen. Versuch der (vorsätzlichen oder absichtlichen) Körperverletzung mit Todesfolge ist somit begrifflich ausgeschlossen (Leukauf-Steininger 2 , RN 8 zu § 86 und RN 11 zu § 87 StGB, Burgstaller im WK Rdz 14 zu § 86 StGB). Die Versuchsproblematik wurde daher im Rahmen der Rechtsbelehrung über die Fragestellungen in Richtung schwerer Körperverletzung zu Recht ausgeklammert. Nicht dem Gesetz gemäß zur Darstellung gebracht ist schließlich der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 12 StPO, weil nicht die rechtliche Beurteilung des durch den Wahrspruch der Geschwornen unanfechtbar feststehenden Sachverhaltes bekämpft, sondern unter Hinweis auf Formulierungen in der gemäß dem § 331 Abs 3 StPO vom Obmann der Geschwornen abzufassenden Niederschrift unzulässig versucht wird, die dem Wahrspruch zugrundeliegende Beweiswürdigung (der Geschwornen) in Zweifel zu ziehen und Umstände darzulegen, die eine Verurteilung nur nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB nahelegen könnten, wobei die Beschwerde auch in diesem Zusammenhang neuerlich die Frage des Rücktritts vom Versuch releviert. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zur Gänze zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach den §§ 28 Abs 1, 75 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Jahren und wertete als erschwerend die einschlägigen Vorverurteilungen, den raschen Rückfall, die mehrfachen Gewalteinwirkungen, das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen, die rohe Vorgangsweise, die erheblichen Verletzungen, die auch beim Opfer einen Dauerschaden nach sich zogen, und den Umstand, daß die Taten trotz eines offenen Strafvollzuges begangen wurden. Als mildernd wurde berücksichtigt, daß es beim Mordversuch blieb, weiters die durch das Scheitern der Lebensgemeinschaft (mit Judith A***) hervorgerufene hochgradige Affektbewegung. Während der Angeklagte mit seiner Berufung die Herabsetzung der Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 41 StGB beantragt, strebt die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung die Erhöhung der Freiheitsstrafe an.
Bei der für das Ausmaß der Schuld bestimmenden Abwägung der Milderungs- und Erschwerungsumstände ist zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende und gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände und Beweggründe zurückzuführen ist, die auch einen ansonsten angepaßt lebenden Menschen zur Tat treiben könnten (§ 32 Abs 1 und 2 StGB). Die wiederholten, auf eine aufsteigende Kriminalität hindeutenden einschlägigen Vorstraftaten weisen aber - wie die Staatsanwaltschaft richtig aufzeigt - Gerhard D*** als einen gewalttätigen, zum Alkoholmißbrauch neigenden Täter aus, der von Jugend auf durch Angriffe - oftmals ohne ersichtlichen Grund - gegen seine Umwelt auffällig wurde und trotz empfindlicher Abstrafungen nicht zur Änderung seines Lebens gebracht werden konnte. Ganz besonders fällt hiebei auf, daß er gegen das Tatopfer Josef G*** bereits am 17.August 1983 mit einem Eisenrohr losging (Akt 7 E Vr 308/84 des Landesgerichtes Eisenstadt) und die nunmehrigen Taten zu einem Zeitpunkt beging, als er die hiefür verhängte Freiheitsstrafe - infolge eines aus familiären Gründen erhaltenen Strafaufschubs - noch nicht einmal verbüßt hatte. Eine durch ein derartiges Vorleben gekennzeichnete, zu ständigen kriminellen Rückfällen (auch aus nichtigen Gründen) neigende Persönlichkeit kann sich nicht - wie die Berufung in breiten Ausführungen darzutun bemüht ist - auf eine einmalige emotionsgeladene Situation als allein tatauslösendes und entschuldigendes Moment berufen, vielmehr muß die - die körperliche Integrität des Mitmenschen völlig mißachtende - Grundeinstellung des Berufungswerbers dazu führen, daß diese schwerwiegende Tat strenger als bei einem mit den rechtlichen Werten im allgemeinen verbundenen Normunterworfenen geahndet wird. Der Oberste Gerichtshof sah sich daher in Stattgebung der Berufung der Anklagebehörde veranlaßt, die schuld- und tatangemessene Freiheitsstrafe im Mittelbereich des (auch für Mordversuch) von zehn bis zwanzig Jahren reichenden Strafrahmens festzusetzen.
Der Angeklagte war mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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