OGH 12Os6/85

OGH12Os6/8513.2.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Februar 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gruber als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kurt K*** wegen des Verbrechens der versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach §§ 15, 209 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 12.September 1984, GZ 12 b Vr 536/84-8, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Gehart, des Angeklagten Kurt K*** und des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Winterstein zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 28.November 1956 geborene Schankgehilfe Kurt K*** von der Anklage, anfangs Jänner 1982 in Baden und anderen Orten "in zwei Angriffen" versucht zu haben, mit dem am 26.Juni 1964 geborenen (demnach damals noch jugendlichen) Rudolf W*** gleichgeschlechtliche Unzucht zu treiben, indem er "ihm das Glied betastete und mit ihm einen Analverkehr durchführen wollte", gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Hiezu stellte das Schöffengericht fest, der (homosexuell veranlagte) Angeklagte habe während einer Autofahrt in der Umgebung von Baden seine Hand auf den Oberschenkel des Rudolf W*** gelegt und versucht, dessen Hose zu öffnen, auf dessen Einwand, daß er "dies im PKW nicht wolle", sich jedoch mit dem Austausch von Küssen begnügt. Einige Tage danach sei W*** in die Wohnung des Angeklagten gekommen, wo sich beide entkleideten und in ein Bett legten. Der Angeklagte habe W*** "am ganzen Körper" betastet, sodann zur Vorbereitung eines von ihm beabsichtigten Analverkehrs sein eigenes Glied mit einer Salbe behandelt und diese auch an W*** After auftragen wollen, worauf W***, weil er den Geruch der Creme als unangenehm empfand, aufsprang und auf die Toilette flüchtete; als er wieder ins Zimmer kam, hatte sich der Angeklagte inzwischen angekleidet und unternahm keinen (weiteren) Versuch einer unzüchtigen Annäherung mehr. Das Gericht nahm an, in beiden Fällen habe es der Angeklagte für möglich gehalten, durch entsprechendes Einwirken auf W***, etwa durch Zureden oder Zärtlichkeiten, doch noch sein Ziel zu erreichen, habe davon jedoch "auf Grund" der ablehnenden Haltung W*** Abstand genommen; mithin habe er die Ausführung freiwillig aufgegeben, weshalb die beiden Versuche gleichgeschlechtlicher Unzucht mit dem Jugendlichen wegen freiwilligen Rücktritts straflos bleiben müßten.

Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a und (subsidiär) Z 5 StPO gestützten Nichtikgeitsbeschwerde.

Der unter dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund erhobene Vorwurf rechtsirriger Annahme des Strafaufhebungsgrundes "Rücktritt vom Versuch" (§ 16 StGB) zielt sachlich auf eine Urteilsnichtigkeit nach der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Der Anklagebehörde ist zwar einzuräumen, daß in der Regel ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch des Delikts nach § 209 StGB nicht anzunehmen ist, wenn der Täter von gleichgeschlechtlichen Unzuchtshandlungen nur wegen der Weigerung des ausersehenen Partners absteht (EvBl. 1978/213 = RZ 1978/65). Bleibt jedoch beim Täter gleichwohl die Vorstellung erhalten, daß, weil er etwa die Weigerung nach Lage des Falles nicht für endgültig hält, eine seinem Tatplan entsprechende Vollendung der Tat dennoch möglich wäre und gibt er trotzdem sein Vorhaben auf, so ist sein Rücktritt noch freiwillig im Sinn des § 16 Abs. 1 StGB (EvBl. 1976/98, ÖJZ-LSK 1977/290 u.a.). Gerade ein solcher Fall liegt aber nach den Feststellungen des Erstgerichtes vor. Darnach hat der Angeklagte anläßlich der Autofahrt sein auf Unzucht mit Rudolf W*** gerichtetes Vorhaben aufgegeben, obwohl er dessen Durchführung mit dem ihm dazu grundsätzlich geneigt scheinenden Partner durch weiteres Einwirken auf ihn (etwa an einem jenem besser zusagenden Ort) durchaus noch für möglich hielt; ebenso schien ihm trotz der deutlichen Ablehnung des Gebrauchs der Salbe durch W*** beim beabsichtigten Analverkehr die Ausführung des (nicht auf diese eine Art unzüchtigen Verkehrs mit der genannten Modalität beschränkt gewesenen) Tatplanes nicht unmöglich, als er sich zu dessen Aufgabe entschloß, mag auch im Verhalten W*** ein auslösender Faktor für den Rücktritt gelegen sein.

Bei (insoweit gebotener) Zugrundelegung sämtlicher Urteilsfeststellungen erweist sich die erstrichterliche Annahme eines strafaufhebenden (freiwilligen) Rücktritts vom Versuch (§ 16 Abs. 1 StGB) mithin als zutreffend.

Aber auch der Vorwurf diesbezüglicher Begründungsmängel (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO) hält einer Prüfung nicht stand.

Daß der Angeklagte seinen Entschluß zur Tatausführung jeweils infolge der Ablehnung bestimmter Tatmodalitäten durch W*** aufgab, schließt die Annahme nicht aus, er habe eine (dem Tatplan im wesentlichen gemäße) Deliktsverwirklichung gleichwohl für möglich gehalten, weshalb von einem entscheidende Tatsachen betreffenden inneren Widerspruch des Urteils keine Rede sein kann. Die letztere Urteilsannahme hinwieder beruht auf denkmöglichen Schlußfolgerungen aus dem äußeren Sachverhalt, somit keineswegs auf bloßen Scheingründen.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.

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