OGH 10Os20/86

OGH10Os20/8611.2.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Februar 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Regen als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Thomas H*** wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. Oktober 1985, GZ 2 a Vr 8392/85-9, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil zur Gänze aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Thomas H*** des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er nachts zum 26.Juni 1985 in Wien die Karin B*** mit Gewalt zum außerehelichen Beischlaf genötigt hat, indem er die noch Schlafende in Rückenlage brachte, sich dann auf sie legte und die nunmehr Erwachende an den Armen und Händen festhielt, sein Glied in die Scheide einführte, obwohl sie mehrmals versuchte, ihn von sich zu stoßen, und sodann einen Geschlechtsverkehr durchführte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.

Den behaupteten Verfahrensmangel erblickt der Beschwerdeführer darin, daß sein Antrag (S 51) auf zeugenschaftliche Vernehmung des Anton P*** sowie des Alexander K*** abgewiesen worden ist, den er zum Beweis dafür gestellt hatte, daß Karin B*** einerseits einige Wochen vor dem verfahrensgegenständlichen Vorfall in der Wohnung des P*** übernachtet hatte, wobei sie mit ihm einen Geschlechtsverkehr ausüben wollte, andererseits mit K*** in der Vorfallsnacht Zärtlichkeiten ausgetauscht hat.

Entgegen der Begründung (S 52) des abweislichen Zwischenerkenntnisses entsprachen Inhalt und Form des Beweisantrages durchaus der Prozeßordnung, zielte er doch nach dem darin angeführten Beweisthema im Zusammenhalt (vgl Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , E 18 zu § 281 Abs. 1 Z 4 StPO) mit der Verantwortung des Angeklagten (S 43) und der Aussage der Zeugin (S 44) ersichtlich auf den Nachweis ab, daß die das behauptete Verhalten gegenüber den namhaft gemachten Zeugen in Abrede stellende Karin B*** insoweit nicht die Wahrheit gesagt hätte, was bei Beurteilung ihrer Glaubwürdigkeit immerhin von Bedeutung sein könnte. Die Ausführungen des Erstgerichtes lassen aber auch nicht verläßlich erkennen, ob und gegebenenfalls aus welchen Gründen es der Zeugin Karin B*** im konkreten Fall auch dann vollen Glauben beigemessen hätte, wenn die im Antrag behaupteten Umstände ihrer Darstellung zuwider dennoch erwiesen worden wären (vgl EvBl 1970/106), zumal auch im Urteil selbst diese Frage nicht erörtert worden ist.

Durch die Abweisung des auf eine Erschütterung der Glaubwürdigkeit der einzigen (unmittelbaren) Belastungszeugin gerichteten und dazu nicht von vornherein ungeeigneten Beweisantrages wurden somit Verteidigungsrechte geschmälert, weshalb die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist. Demgemäß war der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort Folge zu geben und spruchgemäß zu erkennen (§ 285 e StPO).

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