OGH 4Ob141/84

OGH4Ob141/8428.1.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl und Dr.Gamerith sowie die Beisitzer Dr.Viktor Schlägelbauer und Dr.Gerald Mezriczky als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei August M***, Kaufmann, Wien 11., Mitterweg 4/23, vertreten durch Dr.Alfons Adam, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei BP A*** Aktiengesellschaft in Wien 4., Schwarzenbergplatz 13, vertreten durch Dr.Hilbert Aubauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 961.636,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 9.April 1984, GZ.44 Cg 45/84-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 29. November 1983, GZ.6 Cr 220/83-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.341,51 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.400,-- Barauslagen und S 1.358,32 USt.) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem Tankstellenvertrag vom 21.2./27.8.1975 samt Ergänzungsvertrag vom 25.1.1977 hatte die beklagte Aktiengesellschaft die in ihrem Eigentum stehende Tankstelle in Wien 22., Genochplatz 9 einer aus dem Kläger und Horst P*** bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechtes zum Betrieb überlassen. Nachdem Horst P*** schon mit 31.12.1978 aus der Gesellschaft und damit auch aus dem Vertragsverhältnis zur beklagten Partei ausgeschieden war, kündigte der Kläger, welcher die Tankstelle in der Folge allein weitergeführt hatte, den Vertrag zum 31.12.1981 auf.

Mit der Behauptung, daß das Vertragsverhältnis mit der beklagten Partei "eine Art societas leonina" gewesen sei, weil nahezu alle erzielbaren Vorteile der Tankstelleneigentümerin zufallen sollten, während er selbst und seine Ehefrau trotz einer täglichen Arbeitsleistung von rund 16 Stunden zuletzt (1981) einen Verlust von mehr als S 50.000,-- erlitten hätten, begehrt der Kläger die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von S 961.636,-- brutto sA. Der Ergänzungsvertrag vom 25.1.1977, mit welchem der frühere Eigenhändlervertrag in ein Agenturverhältnis umgewandelt und der Betrieb der Tankstelle auf Selbstbedienung umgestellt wurde, sei infolge des Mißverhältnisses der in ihm festgelegten beiderseitigen Leistungen, aber auch wegen bewußter Ausnützung einer wirtschaftlichen Zwangslage des Klägers gemäß § 879 Abs.1, Abs.2 Z 4 ABGB absolut nichtig gewesen. Der Kläger sei zur beklagten Partei in einem faktischen Arbeitsverhältnis gestanden und verlange deshalb für die von ihm erbrachten Leistungen ein angemessenes Entgelt. Das Klagebegehren werde auch auf § 871 ABGB und überhaupt "auf alle in Frage kommenden Rechtsgründe" gestützt, weil die beklagte Partei beim Abschluß des Ergänzungsvertrages dem Kläger die nach der Umstellung der Tankstelle auf Selbstbedienung vorerst zu erwartenden Umsatzeinbußen verschwiegen und ihn damit bewußt in Irrtum geführt habe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die geltend gemachten Anfechtungsgründe lägen nicht vor. Ein Anspruch auf den vom Kläger jetzt geforderten Unternehmerlohn bestehe umso weniger zu Recht, als es dem Kläger jederzeit freigestanden wäre, das Vertragsverhältnis mit der beklagten Partei unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zu lösen. Im übrigen werde vorsichtshalber auch die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Der ursprüngliche, auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Tankstellenvertrag aus dem Jahr 1975 konnte von beiden Teilen unter Einhaltung einer zweimonatigen Kündigungsfrist zum Ende eines jeden Kalendermonates aufgekündigt werden. Die von der beklagten Partei auf die höchstzulässigen Verkaufspreise der Treibstoffe gewährten Nachlässe sollten das Einkommen des Klägers bilden, welcher seinerseits zur Bezahlung bei Übernahme verpflichtet war. Der Kläger war an Öffnungszeiten von 6 Uhr bis 22 Uhr gebunden. Für den angeschlossenen Auto-Shop-Raum, welchen ihm die beklagte Partei zur Nutzung überlassen hatte, mußte er einen monatlichen Mietzins zahlen. Ein Recht zur sofortigen Vertragsauflösung war nur für die beklagte Partei, nicht auch für den Kläger vorgesehen. Eine Vertragsanfechtung wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes war ausgeschlossen, Änderungen und Ergänzungen des Vertrages bedurften der Schriftform. Tatsächlich wurden auch zwei schriftliche Vertragsergänzungen unterfertigt.

Mit dem am 25.1.1977 unterschriebenen Ergänzungsvertrag wurde der Betrieb der Tankstelle auf Selbstbedienung umgestellt. Der Kläger hatte künftig Treibstoff und Heizöl als Agent im Namen und für Rechnung der beklagten Partei zu verkaufen; bei den übrigen Produkten blieb er wie bisher Eigenhändler.

Die Verträge mit der beklagten Partei wurden vom Kläger und Horst P*** als Gesellschaft bürgerlichen Rechtes

abgeschlossen. Horst P*** löste dieses Verhältnis deshalb auf, weil ihm sein Verdienst zu gering war und ein immer größerer Teil seines Einkommens nicht aus den Provisionen, sondern aus Zuschüssen der beklagten Partei stammte.

Die beabsichtigte Umstellung auf Selbstbedienung wurde mit mehreren Pächtern der beklagten Partei, darunter auch mit dem Kläger, auf einer Schulungstagung besprochen. Dabei erklärte der Verkaufsleiter der beklagten Partei den Pächtern, welche Einkommensverluste befürchteten, sie könnten im Fall der Umstellung mit einem Einkommen von nicht unter S 300.000,-- rechnen. Karl D*** hatte als Bezirksleiter der beklagten Partei auch die Tankstelle des Klägers zu betreuen. Er hatte zwar weder Prokura noch Handlungsvollmacht, war aber Kontaktperson zwischen dem Verkaufsleiter der beklagten Partei und deren Vertragspartnern. Wie mit jedem der von ihm betreuten Partner traf D*** auch mit dem Kläger jeweils im Herbst bestimmte Zielvereinbarungen für das kommende Jahr; dieses Budget enthielt gemeinsam besprochene Zahlen über die erwarteten Umsätze und die Kosten der jeweiligen Tankstelle. Zwischen dem Kläger und D*** wurde ausdrücklich besprochen, daß die beklagte Partei Betriebskostenzuschüsse zahlen werde, wenn das so errechnete Einkommen des Vertragspartners eine bestimmte Summe - zuletzt S 350.000,-- im Jahr - nicht erreichen sollte. Karl D*** teilte das Ergebnis dieser Gespräche, welches nicht schriftlich festgehalten wurde, dem Verkaufsleiter mit; ob sein Vorschlag angenommen wurde oder nicht, entzog sich jedoch seiner Einflußnahme. Tatsächlich wurden dem Kläger - zum Teil gemeinsam mit Horst P*** - von der beklagten Partei widerholt Betriebskostenzuschüsse überwiesen.

Der Kläger wollte bei seiner Tankstelle auch einen Würstelstand betreiben. Der Verkaufsleiter der beklagten Partei war damit einverstanden und versprach dem Kläger, daß er diesen Stand auch nach einer allfälligen Beendigung des Pachtverhältnisses über die Tankstelle weiterbetreiben könne.

Rechtlich meinte das Erstgericht, daß der in Rede stehende Tankstellenvertrag nicht schon deshalb als rechtsunwirksam angesehen werden könne, weil er zum Teil einseitig und für den Kläger offenbar auch wirtschaftlich nachteilig gewesen sei. Der vom Kläger aus freien Stücken abgeschlossene Vertrag verstoße weder gegen ein gesetzliches Verbot noch gegen die guten Sitten; seine Zulässigkeit werde auch durch das mit ihm verbundene Unternehmerrisiko nicht berührt. Der Vorwurf des Wuchers (§ 879 Abs.2 Z 4 ABGB) sei durch das Beweisverfahren ebensowenig bestätigt worden wie die Behauptung einer Irreführung des Klägers beim Abschluß des Ergänzungsvertrages vom 25.1.1977. Da auch ein "faktisches Arbeitsverhältnis" zwischen den Parteien nicht angenommen werden könne, sei noch zu prüfen, ob Karl D*** dem Kläger tatsächlich ein bestimmtes Monatseinkommen garantiert habe. Auch das sei jedoch nicht der Fall gewesen, weil sich beide Parteien bewußt gewesen seien, daß es sich bei den dem Kläger von D*** in Aussicht gestellten Einkommensbeträge um keine Garantiezusage, sondern um eine "Verwendungszusage", eine "Zielvorstellung" gehandelt habe, auf welche kein Rechtsanspruch bestanden habe. Schließlich sei auch ein Schadenersatzanspruch des Klägers zu verneinen, weil die Ergebnisse des Beweisverfahrens keine Feststellung zuließen, daß der Kläger nur durch die Hoffnung auf das ihm von der beklagten Partei in Aussicht gestellte Einkommen bewogen worden wäre, den Vertrag nicht zu kündigen, und daß er auf diese Weise durch schuldhaftes Verhalten der beklagten Partei einen Vermögensschaden erlitten hätte.

Das Urteil des Erstgerichtes wurde vom Kläger fristgerecht mit Berufung angefochten. In der mündlichen Berufungsverhandlung brachte der Kläger ergänzend vor, daß er die Tankstelle nach 1978 "nur wegen des ihm in Aussicht gestellten Einkommens von S 350.000,-- jährlich weiterbetrieben" habe; diese Erwartung sei von der beklagten Partei schuldhaft herbeigeführt worden.

Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs.1 Z 3 ArbGG von neuem durch und kam dabei zu den gleichen Tatsachenfeststellungen wie das Ersturteil. Davon ausgehend, billigte es auch die rechtliche Beurteilung dieses Sachverhaltes durch das Prozeßgericht erster Instanz.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird vom Kläger mit Revision aus den Gründen des § 503 Abs.1 Z 2 und 4 ZPO bekämpft. Der Kläger beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß seinem Zahlungsbegehren stattgegeben werde; hilfsweise stellt er einen5Aufhebungsantrag.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Grundlage des Zahlungsbegehrens des Klägers ist die Rechtsauffassung, der Ergänzungsvertrag vom 25.1.1977 sei gemäß § 879 Abs.1 und Abs.2 Z 4 ABGB absolut nichtig; auch habe die beklagte Partei den Kläger bei Abschluß dieses Vertrages in Irrtum geführt. Für die in den Jahren 1979 bis 1981 im Rahmen eines "faktischen Arbeitsverhältnisses" erbrachten Leistungen gebühre dem Kläger deshalb ein angemessenes Entgelt in der Höhe des eingeklagten Betrages. Der Kläger übersieht dabei vor allem, daß bei einem auf die Begründung eines Dauerschuldverhältnisses gerichteten Vertrag nach dem Beginn des Abwicklungs(= Erfüllungs-)Stadiums an die Stelle des Rechtes, den Vertrag wegen Vorliegens von Willensmängeln (§§ 870 ff ABGB) oder wegen Verstoßes gegen § 879 ABGB mit Wirkung ex tunc anzufechten, regelmäßig - insbesondere bei Gesellschaftsverträgen und ähnlichen Rechtsverhältnissen - das Recht zur vorzeitigen Vertragsauflösung ex nunc tritt; dem liegt die Erwägung zugrunde, daß gerade in diesen Fällen die in § 877 ABGB als notwendige Folge einer rückwirkenden Vertragsauflösung vorgesehene Rückabwicklung außerordentlich schwierig ist und überdies durch eine Anfechtung ex tunc in Rechte Dritter eingegriffen und dadurch die Verkehrssicherheit beeinträchtigt werden könnte (siehe dazu HS 1220;

MietSlg.35.089; Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 27 zu § 859, Rdz 24 zu

§ 871; Krejci in Rummel, ABGB, Rdz 251 zu § 879; Koziol-Welser 7

I 180; Gschnitzer in Klang 2 IV/1,137; ebenso für den Rücktritt

nach §§ 918 ff ABGB: SZ 41/144 = Arb.8574 = EvBl1969/63 =

JBl.1969,285 = RdA 1970,37 = ZAS 1970,140 mwN). Daß diese Grundsätze

umso mehr dann gelten müssen, wenn das betreffende

Dauerschuldverhältnis, wie hier, bereits (ex nunc) beendet worden

ist, bedarf keiner weiteren Begründung. Auch im vorliegenden Fall,

in welchem das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nach dem

Abschluß des Ergänzungsvertrages vom 25.1.1977 noch fast fünf Jahre

lang weiterbestanden hatte, wäre es ja praktisch nahezu unmöglich,

den früheren Zustand im Wege einer nach Bereicherungsgrundsätzen

vorzunehmenden Rückstellung oder Vergütung der beiderseits

erbrachten Leistungen wiederherzustellen. Auch der Kläger selbst

will keine derartige Rückabwicklung iS des § 877 ABGB; mit seinem

Begehren auf Zahlung eines angemessenen Entgelts für die von ihm

erbrachten Arbeitsleistungen strebt er vielmehr nichts anderes als

einen Ausgleich für den in den letzten drei Jahren des

Vertragsverhältnisses hinter seinen Erwartungen zurückgebliebenen

Ertrag der Tankstelle an. Für einen solchen, ohne Bedachtnahme auf

die gemäß § 877 ABGB hier anzuwendenden Grundsätze des

Bereicherungsrechtes (§§ 1041, 1431 ff ABGB) erhobenen

Entgeltanspruch wäre aber nach dem Gesagten auch dann kein Raum,

wenn man mit Rummel (aaO Rdz 1 zu § 870) bei einer Anfechtung nach

§ 870 ABGB eine vollständige Rückabwicklung nach § 877 ABGB auch bei

Dauerschuldverhältnissen für möglich und geboten hält; auf die mit

den Anfechtungsgründen der §§ 870 ff, 879 ABGB zusammenhängenden

Revisionsausführungen war daher nicht weiter einzugehen.

Soweit jedoch der Kläger seinen Urteilsantrag auch auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes stützt, fehlt es an einer ausreichenden Substantiierung dieses Begehrens iS des § 226 Abs.1 ZPO Nachdem der Kläger im Verfahren erster Instanz überhaupt kein zur Begründung eines solchen Anspruches geeignetes Sach- und Beweisvorbringen erstattet hatte, hat er sich auch in der mündlichen Berufungsverhandlung auf die Behauptung beschränkt, er habe "nur wegen der ihm in Aussicht gestellten Einkommenshöhe von S 350.000,-- per anno nach 1978 die Tankstelle weiterbetrieben", wobei diese Erwartung "von der beklagten Partei schuldhaft herbeigeführt" worden sei. Für die Substantiierung eines Schadenersatzanspruches ist es aber notwendig, daß nicht nur ein rechtswidriges, schuldhaftes und kausales Verhalten des Schuldners, sondern - neben einem ziffernmäßig bestimmten

Klagebegehren - wenigstens auch die Art des eingetretenen Schadens behauptet wird (vgl. dazu SZ 27/316 ua, zuletzt 4 Ob 376,377/84). Konkrete Behauptungen über Art und Höhe des ihm durch die Weiterführung der Tankstelle in den Jahren 1979 bis 1981 (angeblich) entstandenen Vermögensschadens ist aber der Kläger auch noch in zweiter Instanz zur Gänze schuldig geblieben. Eines entsprechenden Prozeßvorbringens in dieser Richtung hätte es aber schon deshalb bedurft, weil ein solcher Schaden keinesfalls dem "angemessenen Arbeitsentgelt" gleichgesetzt werden dürfte, das der Kläger hier verlangt hat. Bei dieser Sachlage ist für die Revision auch mit der Berufung auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes nichts zu gewinnen; dem unbegründeten Rechtsmittel des Klägers war vielmehr ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO

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