OGH 5Ob536/85 (5Ob537/85)

OGH5Ob536/85 (5Ob537/85)28.1.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Jürgen S***, Elektromechaniker, Barawitzkagasse 34/8, 1190 Wien, vertreten durch Dr. Heinz-Eckard Lackner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte und widerklagende Partei Ingeborg S***, Realschullehrerin, Fellbacherweg 47, D-7146 Tamm, Kreis Ludwigsburg, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 17.Jänner 1985, GZ. 14 R 215/84-24, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 4.Juni 1984, GZ. 35 Cg 283/83-20, aufgehoben und die Rechtssache in die erste Instanz zurückverwiesen wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

In Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird die Entscheidung der ersten Instanz wiederhergestellt.

Die Beklagte und Widerklägerin ist schuldig, dem Kläger und Widerbeklagten binnen 14 Tagen die mit S 8.018,80 (einschließlich S 670,80 Umsatzsteuer und S 640,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens 2. und 3. Instanz zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der klagende Ehemann und die widerklagende Ehefrau begehrten die Scheidung ihrer am 24.6.1982 in der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Ehe (der eine Tochter entstammt) jeweils aus dem alleinigen Verschulden des anderen Teiles. Der Mann ist österreichischer Staatsbürger, die Frau besitzt die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland. Der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthaltsort der Ehegatten war Tamm in der Bundesrepublik Deutschland; dort hat auch die Frau jetzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt. Der Mann hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt nun in Wien.

Der Mann hat geltend gemacht, daß seine Frau ein ehebrecherisches Verhältnis unterhalte und nun mit dem Ehebrecher gemeinsam Wohnung genommen habe.

Die Frau behauptete schwere Eheverfehlungen des Mannes: Er habe sie grundlos mit dem gemeinsamen Kind verlassen, das Kind gegen seine Mutter aufgehetzt und sie auch einmal schwer mißhandelt; der Mann sei arbeitslos geworden, habe übermäßig Alkohol zu sich genommen und auch zu Psychopharmaka gegriffen.

Das Erstgericht sprach unter Zugrundelegung österreichischen Rechtes die Scheidung der Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der Frau aus. Es nahm folgenden Sachverhalt an:

Die Ehe der Streitteile verlief nur kurze Zeit harmonisch: Schon etwa 2 Monate nach der Eheschließung nahm die Frau Beziehungen zu einem früheren Freund auf, die bald zu Intimitäten führten. Die Frau verbrachte mit ihrem Freund die Herbstferien 1979 gemeinsam und beide trafen einander mehrmals wöchentlich abends und zum Teil auch nachmittags. Die Frau verabredete sich mit ihrem Freund oftmals auch in Gegenwart ihres Ehemannes; sie gestaltete ihre Beziehungen zu ihrem Freund ganz offen. Als die Frau am 31.11.1982 im Verlauf eines ehelichen Streits ihren Freund telefonisch anrief, verlor der Ehemann die Nerven und schlug ihr ins Gesicht, so daß die Frau ein blaues Auge davon trug. Hierauf trat die Frau gegen den Mann, worauf dieser stürzte und sich den Finger brach. Seit 30.11.1982 - als er seinen Arbeitsplatz verlor - war der Mann dann arbeitslos. Beide Teile tranken in der Folge übermäßig alkoholische Getränke und nahmen auch Psychopharmaka ein. Der Mann kümmerte sich hauptsächlich um die beiden Kinder seiner Frau (das eheliche und das voreheliche aus einer früheren Ehe der Frau) und fand Trost und Hilfe in der gutnachbarlichen Beziehung zu Herrn und Frau K***, insbesondere zu der Letztgenannten. Den folgenden Weihnachtsurlaub 1982, den er als Familienurlaub geplant hatte, verbrachte der Mann ohne die Frau mit seiner Schwiegermutter in Davos, während die Frau mit ihrem Freund in Österreich Ferien machte. Den Faschingurlaub 1983 verbrachte die Frau mit ihrem Freund und ihren Kindern. In dieser tristen Ehesituation baute der Mann einen besonders engen Kontakt zum gemeinsamen Kind Sonja auf, mit dem er am 15.5.1983 ohne Kenntnis der Ehefrau heimlich nach Österreich reiste; er unterband in der Folge jede Beziehung seiner Ehefrau zu dem Kind Sonja. Unmittelbar nach der Abreise des Mannes aus dem gemeinsamen ehelichen Wohnort (Tamm, Bundesrepublik Deutschland) bezog der Freund der Ehefrau die vormalige Ehewohnung.

Das von der Frau angerufene Gericht zweiter Instanz hob das Scheidungsurteil auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung unter dem Vorbehalt der Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses in die erste Instanz zurück. Den Aufhebungsgrund erblickte das Berufungsgericht in der Nichtbeachtung des seiner Ansicht nach anzuwendenden Scheidungsrechtes der Bundesrepublik Deutschland. Dazu führte es im wesentlichen aus:

Da die Ehegatten Angehörige verschiedener Staaten seien, müsse von Amts wegen geklärt werden, nach welchem Recht die Voraussetzungen und Wirkungen der Ehescheidung zu beurteilen sind.

§ 20 Abs.1 IPRG verweise auf das gemäß § 18 desselben Gesetzes zum Zeitpunkt der Ehescheidung maßgebliche Ehewirkungsstatut. Den Anknüpfungsgleichklang habe der Gesetzgeber geschaffen, weil die Scheidungsgründe meist Verletzungen der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe darstellten und deshalb eine Unterstellung beider unter dasselbe Recht Widersprüche vermeide (Schwimann, Das neue internationale Eherecht Österreichs, JBl.1979,351 f.). Da beide Ehegatten niemals ein gemeinsames Personalstatut besessen, ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt hätten und die Ehefrau ihren gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin dort habe, seien hier gemäß § 18 Abs.1 Z 2 IPRG die Voraussetzungen und Wirkungen der Ehe nach dem maßgeblichen deutschen Recht zu beurteilen. Die Verweisung auf eine fremde Rechtsordnung erfasse gemäß § 5 IPRG auch deren Verweisungsnormen; es sei deshalb das für die Scheidung maßgebliche Recht nach dem IPR der Bundesrepublik Deutschland festzustellen (Art. 17 EGBGB). Schwimann vertrete (in JBl.1979,352) allerdings die Ansicht, daß die Verweisung des § 20 Abs.1 IPRG eine Sachnormverweisung darstelle und deshalb eine allfällig ausgesprochene Rück- oder Weiterverweisung entgegen § 5 IPRG unbeachtlich sei. Es sei im übrigen aber nach Art.17 Abs.1 EGBGB grundsätzlich das Heimatrecht anzuwenden, doch gelte nach Abs.3 dieser Gesetzesstelle bei gemischt-nationalen Ehen deutsches Recht, wenn die deutsche Frau die Scheidung begehrt (Walter Rolland, Das neue Ehe- und Familienrecht 1.EheRG Kommentar zum 1.Eherechtsreformgesetz, Luchterhand, 311 f). Da hier die Ehefrau Widerklage erhoben und demnach ebenfalls die Scheidung begehrt habe, wäre auch nach Art.17 Abs.3 EGBGB deutsches Recht anzuwenden. Aus diesem Grunde sei es gleichgültig, ob man, wie das Berufungsgericht, die Rechtsansicht Schwimanns teile oder ob man dies nicht tue.

Das neue Scheidungsrecht der Bundesrepublik Deutschland kenne die Ehescheidung aus dem Verschulden eines Ehepartners nicht mehr,maßgebliche Voraussetzung der Scheidung sei vielmehr, daß die Ehe gescheitert ist (§ 1565 BGB).

Da sich bisher weder die Parteien noch das Erstgericht mit den Voraussetzungen für die Beurteilung der beiderseitigen Scheidungsbegehren nach dem maßgeblichen Ehescheidungsrecht der Bundesrepublik Deutschland befaßt hätten, müsse die Entscheidung des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung, die das Erstgericht im Rahmen der Pflicht zur materiellen Prozeßleitung (§§ 180 Abs.3 und 182 Abs.1 ZPO) vorzunehmen haben werde, und zur neuerlichen Entscheidung in die erste Instanz zurückverwiesen werden.

Den Beschluß des Berufungsgerichtes bekämpft der Ehemann mit Rekurs. Er begehrt in erster Linie die Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichtes und beantragt hilfsweise, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung in die zweite bzw. erste Instanz zurückzuverweisen. In ihrer Rekursgegenschrift begehrt die Ehefrau, diesem Rechtsmittel des Ehemannes nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Mannes ist jedoch berechtigt.

Im Unterschied zum Erstgericht hat das Gericht zweiter Instanz beachtet, daß ein Sachverhalt mit Auslandsbeziehung zur Entscheidung steht und amtswegig die Frage der Rechtsanwendung aufzuwerfen ist (§ 2 IPRG).

Der Anknüpfung ist die Tatsache zugrunde zu legen, daß sowohl die Klage des Mannes als auch die Klage der Frau auf Scheidung der zwischen ihnen bestehenden Ehe gerichtet ist. § 20 Abs.1 IPRG erklärt für die Scheidung der Ehe, sofern nicht einer der Ausnahmefälle des Abs.2 derselben Vorschrift vorliegt, das für die persönlichen Ehewirkungen im Zeitpunkt der Ehescheidung maßgebliche Recht für anwendbar. Durch diese akzessorische Anknüpfung wird auf jenes Recht verwiesen, das einen anderen Teilbereich der Rechtsbeziehungen zwischen den Ehegatten beherrscht. Auf diese Weise will das Gesetz das Auseinanderfallen von rechtlicher Verpflichtung während aufrechter Ehe und den aus den Pflichtverletzungen ableitbaren Scheidungsgründen verhindern (RV Blg NR 14.GP zu § 20). Daraus folgt aber auch zwingend, daß das für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe im Zeitpunkt der Scheidung anwendbare Recht nach dem Grundsatz der Gesamtverweisung (§ 5 IPRG) aufzusuchen ist. Dasselbe materielle Recht entscheidet dann auch über die Ehescheidung. Keinesfalls ist jenes Kollisionsrecht, das die Verweisung über die persönlichen Ehewirkungen annimmt, dann noch über seine Verweisung oder Annahme hinsichtlich der Scheidung zu befragen, wie dies die Parteien im Rechtsmittelverfahren behaupten. Diese akzessorische Anknüpfung bedeutet, daß Rück- und Weiterverweisungen hinsichtlich der Hauptsache - hier die persönlichen Ehewirkungen - nachzugehen ist, aber mit dem dann als anwendbar vorgefundenen Recht auch das auf die Ehescheidung anzuwendende materielle Recht gefunden wird.

Hier ist ein gemeinsames Personalstatut der Ehegatten nicht vorhanden und es hat auch nie eines gegeben. Die Eheleute hatten aber den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und die beklagte und widerklagende Frau hat diesen bis jetzt beibehalten. § 18 Abs.1 Z 2 IPRG verweist in diesem Fall auf das Recht der Bundesrepublik Deutschland und im Kollisionsrecht dieses Staates (Gesamtverweisung gemäß § 5 Abs.1 IPRG) ist die Beantwortung der Frage zu suchen, ob Annahme der Verweisung, Rück- oder Weiterverweisung stattfindet. Die Kollisionsnorm des Art.14 des EGBGB ist in ihren beiden Absätzen einseitig gefaßt, sie ordnet nur unter bestimmten Umständen die Anwendung des Rechtes der Bundesrepublik Deutschland an und läßt unmittelbar nicht getroffene Fälle ohne Verweisung. Zudem stellt diese Norm nur auf die Staatsangehörigkeit, nicht aber auch auf den Wohnsitz oder Aufenthalt der beteiligten Personen ab. Bei wörtlichem Verständnis der Norm wäre eine Anknüpfung der persönlichen Ehewirkungen bei verschiedenem Personalstatut der Ehegatten unmöglich. Rechtsprechung und Schrifttum in der Bundesrepublik Deutschland haben allerdings die Norm schon seit langem durch Analogie erweitert und allseitig gelesen, d.h. durch die Staatsangehörigkeit der Ehegatten auch die Anwendbarkeit fremden gemeinsamen Heimatrechts als indiziert angesehen (etwa BGH in NJW 1976,1028; BGH in BGHZ 78,288 = NJW 1981,526 mit zustimmender Anmerkung Henrichs in IPrax 1981,48 f; Kropholler, Gleichberechtigung durch Richterrecht 89 f; u.a.). Hatten die Ehegatten - wie hier - keine gemeinsame Staatsangehörigkeit, so kann an eine solche auch nicht angeknüpft werden. Die Praxis in der Bundesrepublik Deutschland knüpft dann an den gemeinsamen, allenfalls auch an den letzten gemeinsamen Aufenthalt an, den einer der Ehegatten beibehalten hat (die angeführte Rechtsprechung, ferner OLG Düsseldorf FamRZ 1981,143 und FamRZ 1981,878) und die Lehre bestätigt dieses Ergebnis (Henrich, Unterhaltsansprüche in gemischtnationalen Ehen, IPrax 1981,48; Münchner Kommentar/Siehr, Rdz 33 zu Art.14 EGBGB). Diese Ansicht führt hier zur Annahme der Verweisung durch das Kollisionsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Der Akzessorietät der österreichischen Verweisung halber ist nun im verwiesenen Recht nicht mehr zu untersuchen, welche Stellung es zur Anknüpfung von Scheidung und Scheidungsfolgen bezieht. Die komplizierten Fragen der Geltung des Art.17 Abs.1 und der Unverträglichkeit des Art.17 Abs.3 EGBGB mit dem ordre-public sind deshalb aus österreichischer Sicht nicht zu beantworten, vielmehr wäre materielles Scheidungsrecht der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden. Allerdings muß noch geprüft werden, ob nicht eine der Ausnahmen des § 20 Abs.2 IPRG eingreift. Die eine, nämlich daß keiner der Anknüpfungspunkte des § 18 IPRG gegeben ist, liegt nicht vor, wie eben dargestellt wurde. Die andere Ausnahme könnte gegeben sein. Das Gesetz sagt, es sei nach dem Personalstatut des klagenden Ehegatten zu entscheiden, wenn nach dem durch § 18 IPRG verwiesenen Recht "die Ehe auf Grund der geltend gemachten Tatsachen nicht geschieden werden" könne. Dadurch wird die Frage aufgeworfen, ob das Gesetz auch den Fall einbeziehen will, daß die Ehe zwar nach dem über § 18 IPRG verwiesenen Recht geschieden werden könnte, nicht aber wegen der vom klagenden Ehegatten behaupteten Scheidungsgründe. Für die positive Beantwortung dieser Frage spricht schon der Wortlaut, der auf die "geltend gemachten Tatsachen" und nicht darauf abstellt, ob die Scheidung als solche möglich wäre. Die Erläuternden Bemerkungen zum IPRG bestätigen diese Ansicht (784 der Beilagen NR 14. GP zu § 20). Im Schrifttum sind die Meinungen geteilt: Schwind (Kommentar zum österreichischen Eherecht 2 192) schränkt offenkundig auf den Fall ein, daß ein passender Scheidungsgrund fehlt, Schwimann hingegen (Grundriß des internationalen Privatrechts 216 f) hat nicht nur das Fehlen eines passenden Scheidungsgrundes, sondern auch sein bereits erfolgtes Erlöschen im Auge. Der Sinn des Gesetzes geht aber offenbar weiter: Immer wenn die geltend gemachten Scheidungsgründe nach dem durch das Ehewirkungsstatut berufenen Recht die Scheidung ausschließen, soll das Ersatzstatut des § 20 Abs.2 erster Fall IPRG eintreten. Tatsächlich wird nur auf diese Weise der in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des IPRG hervorgehobenen Begünstigung der Ehescheidung (sogenannter favor divortii) entsprochen. Kennt das Recht des Ehewirkungsstatuts etwa nur eine Scheidung nach entsprechend langer Trennung der Ehegatten, während das Personalstatut des klagenden Ehegatten bei Ehebruch oder schweren Mißhandlungen die sofortige Ehescheidung zuläßt, dann soll sofort geschieden werden können. Der Rückgriff auf das Scheidungsstatut nach § 20 Abs.2 IPRG ist zudem nicht davon abhängig, daß erst alle Möglichkeiten der Leiter des § 18 Abs.1 IPRG durchlaufen worden wären (aM Schwimann, Grundriß 217; zutreffend Schwind, Kommentar 2 192 FN 296). Da hier das Recht des Ehewirkungsstatuts (deutsches BGB) keine Verschuldensscheidung (mehr) kennt, ist auf Grund der dargelegten Erwägungen nach dem Personalstatut des klagenden Ehemannes österreichisches Scheidungsrecht bei der Abhandlung seiner Scheidungsklage anzuwenden. Damit stellt sich zugleich auch die Frage, nach welchem Scheidungsrecht die Widerklage der Frau zu beurteilen ist. Sowohl die Regel des § 20 Abs.1 IPRG verweist diesbezüglich über § 18 Abs.1 IPRG und die Annahme der Verweisung durch Analogie zu Art.14 EGBGB auf das Scheidungsrecht der Bundesrepublik Deutschland wie auch die Ausnahme des § 20 Abs.2 erster Fall IPRG. Die Ehe der Prozeßparteien ließe sich dann aber nur ohne Verschuldensvoraussetzung und -ausspruch scheiden. Das bedeutet aber, daß die Scheidungsfolgen, die nach eben diesem (deutschen) Recht zu beurteilen sind, mit jenen, die sich aus der Anwendung österreichischen Scheidungsrechts ergeben, unvereinbar wären. In einem solchen Fall, der bisher weder in der Rechtsprechung noch in der Lehre rechtlichen Niederschlag gefunden hat, gebietet das Erfordernis einheitlicher Scheidungsfolgen auch die Anwendung einer Scheidungsrechtsordnung. Die Befolgung des vom Gesetzgeber vorgegebenen Grundsatzes der Anwendung des für die Ehescheidung günstigeren Rechts (sogenannter favor divortii) führt hier zur einheitlichen Anwendung österreichischen Scheidungsrechts auf die Klage des Mannes und auf die Widerklage der Ehefrau, denn der vom Mann als Klagegrund geltend gemachte und unbekämpft vom Erstgericht festgestellte Ehebruch der Frau und ihre Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann führen wegen des in Österreich als absoluten Scheidungsgrund judizierten Ehebruches (§ 47 EheG) ohne weitere Voraussetzungen zur Ehescheidung, während die von der Frau als Klagegrund angeführten und unbekämpft festgestellten Eheverfehlungen des Mannes (heimliches Verlassen der Ehewohnung mit dem gemeinsamen ehelichen Kind Sonja und Rückwanderung nach Österreich, Mißhandlung der Ehefrau) bei Anwendung des Scheidungsrechtes der Bundesrepublik Deutschland nicht ohne weitere Voraussetzungen, die dem deutschen Recht eigentümlich sind, zur Scheidung führen könnten: Dort wird nämlich das Verstreichen gewisser Zeiträume der Trennung der Ehegatten für die Bejahung des Scheiterns der Ehe als Scheidungsvoraussetzung gefordert (§§ 1565 Abs.1 und 1566 Abs.2 BGB), wenn nicht die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen in der Person des anderen Teiles eine unzumutbare Härte für den Antragsteller bedeutet (§ 1565 Abs.2 BGB). Da demnach bei der Gegenüberstellung der beiden Rechtsordnungen die Klage des Mannes auf Grund des mit Erfolg behaupteten fortdauernden ehebrecherischen Verhältnisses der Frau mit einem anderen Mann auf die einfachste Weise zur Scheidung der Ehe der Streitparteien führt - dies strebt schließlich auch die widerklagende Ehefrau als Prozeßziel an -, ist nach den dargelegten Erwägungen sowohl über die Klage des Mannes als auch über die Widerklage der Frau nach österreichischem Scheidungsrecht abzusprechen. Von dieser Rechtsanwendung wäre nur abzusehen, wenn die Klage des Mannes abgewiesen oder rechtzeitig zurückgezogen worden wäre, weil dann, wie eingangs dargelegt wurde, für die Klage der Frau allein das Scheidungsrecht der Bundesrepublik Deutschland maßgeblich wäre, also gewissermaßen diese Rechtsanknüpfung wieder aufleben würde. Unter Zugrundelegung der unbekämpft gebliebenen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes, nach denen das fortgesetzte ehebrecherische Verhältnis der Frau mit einem anderen Manne erwiesen ist, hat das Erstgericht im Ergebnis richtig österreichisches Scheidungsrecht angewendet. Es ist deshalb die Aufhebung seines Urteiles durch das Berufungsgericht nicht berechtigt gewesen, da allein über die Rechtsrüge der berufenden Frau in zweiter Instanz zu erkennen war und der in diesem Rahmen zur Beurteilung stehende Sachverhalt keiner Ergänzung bedarf. Der Oberste Gerichtshof ist daher in der Lage, in der Sache selbst zu entscheiden.

Die Ehefrau macht in ihrer Berufung geltend, daß das Erstgericht ihre Mißhandlung durch den Mann im Zuge des festgestellten Telefongespräches mit dem Ehebrecher (Verletzungsfolge: blaues Auge der Frau) nicht als "schwerste Eheverfehlung" angesehen und deshalb auch nicht zu einem (gleichteiligen) beiderseitigen Verschulden der Ehegatten gekommen sei. Dem ist zu entgegnen, daß zwar jegliche körperliche Mißhandlung eine Eheverfehlung darstellt, daß aber diesfalls die Fehlhandlung des Mannes, die zu einem blauen Auge der Frau führte, in Anbetracht des fortdauernden ehebrecherischen Verhältnisses der Frau und der damaligen Situation (sie telefonierte gerade mit dem Ehebrecher) vom Erstgericht mit Recht als begreifliche, wenn auch nicht zu entschuldigende oder zu rechtfertigende Reaktion des Mannes auf die fortdauernde schwere Kränkung, die er erdulden mußte, in einem milderen Licht zu sehen und deshalb auch nicht als besonders schwere Eheverfehlung zu beurteilen ist, zumal auch die Frau ihrerseits durch Tritte gegen den Mann reagierte, durch die er zu Fall kam und sich einen Finger brach.

Bei dieser Sachlage hat das Erstgericht völlig zutreffend das überwiegende Verschulden an der Scheidung der Ehe der beklagten und widerklagenden Ehefrau zugewiesen.

Der in Verbindung mit der Berufung von der Frau erhobene Rekurs gegen die Kostenentscheidung, über den hier ebenfalls abzusprechen ist, wendet sich zu Unrecht gegen den Zuspruch der gesamten erstinstanzlichen Verfahrenskosten an den Mann: Mit Recht hat das Erstgericht eine Kostenteilung im Hinblick auf das verhältnismäßig geringfügige Verschulden des Mannes an der Scheidung, die im Grundsatz ohnedies von beiden Teilen angestrebt wurde, unter Berufung auf § 43 Abs.2 ZPO abgelehnt und damit im Ergebnis das sehr schwer überwiegende Verschulden der Frau im Kostenersatzbereich ihrem Alleinverschulden gleichgestellt (so auch Fasching, Kommentar II 332).

Die Entscheidung des Erstgerichtes war aus den angeführten Gründen gänzlich wiederherzustellen.

Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens 2. und 3. Instanz beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte