Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens gleich weiteren Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen haben wird.
Text
Entscheidungsgründe:
Zu C 185/75 des Erstgerichtes begehrte der Kläger, Anton P*** als seinen Vater festzustellen. Da das Verfahren ergab, daß die Mutter des Klägers innerhalb der gsetzlichen Vermutungsfrist außer mit Anton P*** auch mit dem nunmehrigen Beklagten und mit Willi O*** Geschlechtsverkehr gehabt hatte, wurden
hinsichtlich dieser drei Männer serologische Sachverständigengutachten eingeholt. Nach diesen Gutachten war Willi O*** von der Vaterschaft ausgeschlossen. Anton P*** war nach klassischen Erbmerkmalen nicht ausgeschlossen, eine biostatistische Hochrechnung ergab sogar, daß seine Vaterschaft faktisch erwiesen sei (99,9 %), nach dem HLA-System war Anton P*** jedoch ausgeschlossen. Einen Ausschluß des nunmehrigen Beklagten ergaben die Gutachten nicht, es ergab sich eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 95,5 %. Auf Grund dieser Beweisergebnisse wurde das gegen Anton P*** gerichtete Klagebegehren abgewiesen.
Zu C 300/78 wurde die Feststellung der Vaterschaft des nunmehrigen Beklagten begehrt. In diesem Verfahren wurde kein neuerliches serologisches Gutachten eingeholt, wohl aber eine erbbiologisch-anthropologische Begutachtung vorgenommen, die zu dem Ergebnis gelangte, die Vaterschaft des Beklagten sei als unwahrscheinlich zu bezeichnen. Auf Grund dieses Gutachtens in Verbindung mit einen im Verfahren C 185/75 eingeholten Tragzeitgutachten wurde das Klagebegehren abgewiesen, weil dem Beklagten der Beweis der Unwahrscheinlichkeit der Vaterschaft im Sinne des § 163 Abs2, 1.Halbsatz gelungen sei.
Mit der am 10.5.1984 zur Post gegebenen Klage wird die Wiederaufnahme des Verfahrens C 300/78 des Erstgerichtes begehrt. Als Wiederaufnahmsgrund wurde in der Klage geltend gemacht, eine auf Ersuchen des Amtsvormundes vom Institut für gerichtliche Medizin der Universität Innsbruck in Zusammenarbeit mit dem Institut für Bluttgruppenserologie der Universität Freiburg durchgeführte biostatistische Berechnung habe eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit des Beklagten von 99,85 % mit der Bewertung "Vaterschaft praktisch erwiesen" ergeben. Dieses Gutachten sei dem Amtsvormund am 16.4.1984 zugestellt worden.
Der Beklagte wendete ein, die biostatistische Berechnung stelle keinen Wiederaufnahmsgrund dar, überdies hätte die Wiederaufnahmsklage binnen 4 Wochen ab Kenntnis von der biostatischen Berechnungsmethode eingebracht werden müssen. In dem am 26.9.1984 eingebrachten Schriftsatz ON 10 führte der Kläger ergänzend aus, es gehe nicht darum, ob die biostatistische Berechnungsmethode einen tauglichen Wiederaufnahmsgrund darstelle, sondern darum, daß die zu C 185/75 des Erstgerichtes vorgenommene biostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnung sowohl bei Anton P*** als auch beim Beklagten unrichtig sei. Unterstützend werde auch ein neuerliches erbbiologisch-anthropologisches Gutachten beantragt, weil - wie jetzt festgestellt worden sei - eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Vater des Beklagten und vor allem mit der am 27.12.1980 geborenen Tochter des Beklagten bestehe. Dieses Kind müßte in die erbbiologisch-anthropologische Untersuchung einbezogen werden.
Das Erstgericht bewilligte die beantragte Wiederaufnahme. Es ging hiebei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:
Am 23.2.1984 begab sich Dr.Waltraud M*** in ihrer Eigenschaft als Amtsvormund in das gerichtsmedizinische Institut der Universität Innsbruck, um sich ganz allgemein über die Erstattung von Vaterschaftsgutachten informieren zu lassen. Oberarzt Dr.U***, mit dem sie auch über die hinsichtlich des Klägers erstatteten Gutachten sprach, erklärte, Zweifel an der Richtigkeit der Gutachten zu haben. Er könne erst auf Grund der Zusammenarbeit mit dem Institut für Blutgruppenserologie der Universität Freiburg genauere Angaben über eine Wahrscheinlichkeit einer Vaterschaft des Beklagten zum Kläger angeben. Die vorhandenen Unterlagen müßten zu diesem Zweck genauestens durchgesehen werden, die Weiterentwicklung im HLA-System aus gesicherten diesbezüglichen serologischen biostatistischen Untersuchungen ließen in zunehmendem Ausmaß exakte Berechnungen zu. Am 29.2.1984 erteilte Dr.Waltraud M*** an Dr.U*** den Auftrag, unter Einbeziehung der bisher
vorliegenden gutachtlichen Ergebnisse ein entsprechendes ergänzendes gerichtsmedizinisches Gutachten zu erstatten. Das Institut für gerichtliche Medizin der Universität Innsbruck führte in Zusammenarbeit mit dem Institut für Blutgruppenserologie der Universität Freiburg eine biostatistische Computerberechnung der Vaterschaftswahrscheinlichkeit des Beklagten auf Grund sämtlicher serologischer Untersuchungsergebnisse durch. Es ergab sich eine biostatistische Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,85 % mit der Bewertung "Vaterschaft praktisch erwiesen". Die Diskrepanz zum erbbiologisch-anthropologischen Gutachten wurde damit begründet, daß die Erscheinungsmerkmale beim Kind damals noch nicht entsprechend ausgebildet gewesen seien. Aus forensisch-serologischer und biostatistischer Sicht sei jedoch der zwingende Verdacht berechtigt, daß es sich bei dem Beklagten um den leiblichen Vater des Klägers handle. Dieser Verdacht wird insbesondere durch den Umstand erhärtet, daß sich in den letzten Jahren immer deutlichere Ähnlichkeitsmerkmale zwischen dem Kläger und der Tochter des Beklagten herausgebildet haben. Das Gutachten wurde dem Amtsvormund am 16.4.1984 zugestellt.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, bei der biostatistischen Berechnungsmethode handle es sich ohne Zweifel um eine neue wissenschaftliche Erkenntnismethode, die erst jetzt wirklich exakte Berechnungen zulasse. Diese neue Methode sei im Vorprozeß jedenfalls noch unbekannt gewesen, insbesondere hätten aber weder der Kläger noch sein Vertreter davon Kenntnis haben können. Diese neue Vaterschaftsfeststellungsmethode - insbesondere im Zusammenhang mit einem neu durchgeführten anthropologisch-erbbiologischen Gutachten - sei auch unzweifelhaft geeignet, eine günstigere Entscheidung gegenüber dem Vorprozeß herbeizuführen. Auch schließe die Tatsache, daß eine erbbiologische Untersuchung im Vorprozeß wegen des noch geringen Alters des Kindes noch nicht exakt gewesen sei, eine Wiederaufnahme zur Durchführung dieses Beweismittels nicht aus. Die Klagsfrist habe an dem Tag begonne, an welchem für die Partei erkennbar gewesen sei, daß mit Hilfe des neuen Beweismittels eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit zur Erlangung eines günstigeren Ergebnisses vorliege. Es könne nicht auf den Tag genau festgelegt werde, ab wann eine neue wissenschaftliche Methode einen solchen Grad an Exaktheit und Zuverlässigkeit erreicht habe, daß sie als neues Beweismittel herangezogen werden könne. Daher könne das Zuwarten mit der Anbringung der Wiederaufnahmsklage nicht zur Versäumung der Frist des § 534 Abs2 Z 4 ZPO führen. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es führte aus, bei neuen Beweismitteln beginne die Frist nicht, bevor die Partei Kenntnis davon habe, daß das Beweismittel tatsächlich Relevanz habe. Im vorliegenden Fall habe die Frist daher erst mit der Zustellung des Gutachtens begonnen. Auf Grund des auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnisquellen basierenden Gutachtens, das eine biostatistische Vaterschaftswahrscheinlichkeit des Beklagten von 99,85 % ergeben habe, könne kein Zweifel bestehen, daß dieses Beweismittel, wäre es dem Kläger im Verfahren C 300/78 zur Verfügung gestanden, zu einer für ihn günstigeren Entscheidung geführt hätte.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Der Revisionwerber vertritt einerseits den Standpunkt, eine neue Untersuchungsmethode stelle kein neues Beweismittel im Sinne des § 530 Abs1 Z 7 ZPO dar, andererseits führt er aus, die Klage sei verspätete eingebracht worden, weil die Frist spätestens zum Zeitpunkt der Unterredung des Amtsvormundes mit Dr.U*** zu laufen begonnen habe. Hiezu ist folgendes zu erwägen:
Auf die von Rechtsprechung und Lehre nicht einheitlich beantwortete Frage, ob eine neue Untersuchungsmethode für eine Wiederaufnahmsklage im Vaterschaftsverfahren ausreiche, braucht hier nicht eingegangen zu werden. Die biostatistische Methode stellt nämlich keine neue Untersuchungsmethode dar. Diese Methode wurde nicht nur zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung im Verfahren C 300/78 (1.3.1979) sondern auch schon zur Zeit der Erstattung der Gutachten im Verfahren C 185/75 (November 1977) angewendet (vgl.Herbich, RZ 1978,125 ff; A.Kayser, Entwicklungen bei der Vaterschaftsfeststellung in biomathematischer Beweis der Vaterschaft, Festschrift für Eric Essen-Möller 21 ff; Beitzke-Hosemann-Dahr-Schade, Vaterschaftsgutachten für die gerichtliche Praxis (1978) 141 ff; G.Brühl, Sieben Fragen zur gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung, FamRZ 1974,66 ff). Diese Methode wurde im Verfahren C 185/75 auch tatsächlich angewendet, wenn auch nach den nunmehr vorliegenden Gutachten nicht alle vorhandenen Untersuchungsergebnisse berücksichtigt worden sein sollen. Zur Behauptung des Klägers, die Methode sei damals nicht bekannt bzw. nicht üblich gewesen, ist darauf hinzuweisen, daß hiefür bereits im § 43 Abs1 Z 13 des Gebührenanspruchsgesetzes 1975 eine eigene Gebühr vorgesehen war. Auch in dem vom Amtsvormund nunmehr eingeholten Gutachten wird nicht ausgeführt, daß es sich um eine neue Methode handle, sondern lediglich, daß eine biostatistische Berechnung der Vaterschaftswahrscheinlichkeit des Beklagten auf Grund sämtlicher serologischer aktenkundiger Untersuchungsergebnisse bislang nicht veranlaßt worden sei. Ein Sachverständigengutachten, das bereits zur Zeit des Vorprozesses möglich gewesen wäre, kann aber eine Wiederaufnahmsklage nicht rechtfertigen (vgl. EFSlg.3339). Auch der Kläger erkennt - wie sich aus dem Schriftsatz ON 10 ergibt - offensichtlich, daß es sich um keine neue wissenschaftliche Methode handelt, sein wesentliches Argument ist nämlich, daß die im Vorprozeß vorgenommenen statistischen Berechnungen unrichtig seien. Der Umstand, daß ein anderer Sachverständiger später ein abweichendes Gutachten erstellt, rechtfertigt aber keine Wiederaufnahme (8 Ob 124/82). Obwohl somit die biostatistische Berechnungsmethode im vorliegenden Verfahren keinen Wiederaufnahmsgrund darstellen kann, wäre eine Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens nicht berechtigt. Dies wegen des Antrages des Klägers, ein neuerliches erbbiologisch-anthropologisches Gutachten einzuholen. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß die Wiederholung einer erbbiologisch-anthropologischen Untersuchung als tauglicher Wiederaufnahmsgrund in Frage kommen kann (EFSlg.44.136 mwN). Berücksichtigt man, daß im vorliegenden Fall nicht nur behauptet wird, daß der Kläger dem Vater des Beklagten ähnlich sieht, sondern, daß eine besondere Ähnlichkeit mit der erst nach Abschluß des Vorprozesses geborenen Tochter des Beklagten bestehen soll, dann muß davon ausgegangen werden, daß besondere Umstände vorliegen, die die Möglichkeit eines für den Wiederaufnahmskläger günstigeren Ergebnisses annehmen lassen (vgl.EFSlg.36.811). Dafür, daß eine neuerliche erbbiologisch-anthropologische Untersuchung schon früher ebenso brauchbare Ergebnisse gezeitigt hätte, wie die erst jetzt durchzuführende, bestehen keine Anhaltspunkte, weshalb im Sinne der ständigen Rechtsprechung nicht von einer verspäteten Einbringung der auf eine neuerliche erbbiologisch-anthropologische Untersuchung gestützten Wiederaufnahmsklage auszugehen ist (EFSlg.36.813, 44.136 uva).
Da nach ständiger Rechtsprechung über eine auf erbbiologisch-anthropologische Untersuchung gestützte Wiederaufnahmsklage erst nach Durchführung der Untersuchung im Wiederaufnahmsverfahren entschieden werden kann (EFSlg.18.575 uva), mußten die Urteil der Vorinstanzen aufgehoben werden. Eine neuerliche Entscheidung hat erst nach Einholung des erbbiologisch-anthropologischen Gutachtens zu erfolgen. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß als Teil der durchzuführenden erbbiologisch-anthropologischen Untersuchung allenfalls auch eine, als Wiederaufnahmsgrund selbständig nicht in Betracht kommende, neuerliche serologische Untersuchung zulässig sein könnte (EFSlg.20.850, 25.409 ua).
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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