Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
G r ü n d e :
Mit dem auf dem (einstimmigen) Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde der am 14.September 1928 geborene Eberhard B*** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 16.Feber 1985 in Fieberbrunn Emmerenz U*** dadurch, daß er sie am Handgelenk erfaßte und über eine steile Kellerstiege hinunterriß, ihr in der Folge mit einer Weinflasche Schläge auf den Hinterkopf versetzte bis die Flasche zerbrach, und ihr mit einem Stemmeisen dreizehn Stiche in den Kopf, den Hals und den Bereich des linken Schulterblattes versetzte, wobei die Tatwaffe so geführt wurde, daß die Stiche teilweise in das Gehirn eindrangen, vorsätzlich getötet hat.
Der nominell auf die Z 4 (der Sache nach aber Z 6) des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu.
Die - entgegen dem Antrag seines Verteidigers in der Hauptverhandlung (S 366/II) - unterbliebene Stellung einer auf das Verbrechen des Totschlags nach § 76 StGB gerichteten Eventualfrage an die Geschwornen rügt der Beschwerdeführer darum als Verstoß gegen § 314 StPO, weil auf Grund seiner Verantwortung die Annahme einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zum Tatzeitpunkt möglich wäre. Darnach seien in ihm, als er Emmerenz U***, die ohne sein Verschulden die Kellerstiege hinuntergestürzt sei, röchelnd am Boden liegen sah, ausgelöst durch die dauernden Sticheleien, Beschimpfungen und Demütigungen U***S, derartige Haßgefühle ausgelöst worden, daß er die Beherrschung verloren und auf U*** zunächst mit einer Zweiliterweinflasche eingeschlagen und sodann mit dem Stemmeisen eingestochen habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Rüge versagt.
Der gegenüber Mord (§ 75 StGB) vom Gesetz mit geringerer Strafe bedrohte (privilegierte) Totschlag (§ 76 StGB) ist dadurch charakterisiert, daß sich der Täter zur vorsätzlichen Tötung eines anderen in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung hinreißen läßt. Um - als objektives Kriterium für
Totschlag - "allgemein begreiflich" zu sein, muß demnach der für das spontane Fassen des Tatentschlusses kausale und im Tatzeitpunkt noch nicht abgeklungene Affekt des Täters zum einen tiefgreifend und zum anderen derart entstanden sein, daß sich auch ein (rechtsgetreuer) Durchschnittsmensch vorstellen könnte, in dessen Situation (unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles) gleichfalls in eine solche Gemütsverfassung zu geraten; nicht die Tat (als Ausfluß dieses Ausnahmezustandes), sondern die konkrete Gemütsbewegung des Täters in ihrer gesamten, zum Zurückdrängen verstandesmäßiger Erwägungen und zur Überwindung starker sittlicher Hemmungen geeigneten Dimension, also einschließlich ihrer tatkausalen Heftigkeit, in Relation zu dem sie herbeiführenden Anlaß unterliegt rechtsethischer Bewertung und muß (auch) sittlich verständlich sein (Leukauf-Steininger Kommentar 2 RN 5, Kienapfel BT I 2 RN 26 bis 31 je zu § 76; ÖJZ-LSK 1982/86 = EvBl. 1982/167, EvBl. 1976/119, 10 Os 116/84 u.a.). Die Annahme eines diesen Kriterien gerechtwerdenden Gemütszustandes des Beschwerdeführers war aber durch dessen Verantwortung nicht indiziert. Denn es vermag sich ein rechtsgetreuer Durchschnittsmensch keinesfalls vorzustellen, angesichts einer ohne sein Verschulden zum Sturz gekommenen, hilflos im Keller liegenden Person, mit der er zuvor aus nichtigem Anlaß eine Auseinandersetzung hatte, wegen deren früheren Verhaltens - das nach den Angaben des Angeklagten darin bestand, daß er ihr (der U***) "nichts recht machen" konnte, daß er von ihr "als Trottel hingestellt" worden sei und wiederholt Unfreundlichkeiten habe hinnehmen müssen - in eine so heftige Erregung zu geraten, daß dadurch selbst stärkste sittliche Hemmungen, wie sie gegen die vorsätzliche Tötung eines Menschen vorauszusetzen sind, überwunden werden und alles "aussetzt".
Die Stellung einer auf Totschlag abzielenden Eventualfrage war demnach schon mangels einer allgemeinen Begreiflichkeit der (behaupteten) heftigen Gemütsbewegung des Angeklagten - abgesehen davon, daß seine Verantwortung im übrigen auch dahin ging, er habe U*** aus Mitleid, "damit sie keine Schmerzen mehr erdulden mußte" (S 345/II), getötet - nicht indiziert (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO 2 ENr. 36 bis 38 zu § 314).
Davon ausgehend ist aber für den Standpunkt des Beschwerdeführers auch aus dem Hinweis auf das Gutachten des Sachverständigen Univ-Prof. Dr. P*** (S 359 ff./II) und auf den von ihm während der Untersuchungshaft unternommenen Selbstmordversuch (vgl. ON 44) nichts (mehr) zu gewinnen. Im übrigen steht der Annahme des Sachverständigen, der Angeklagte habe die Tat nicht in einer heftigen Gemütsbewegung begangen - die er unter anderem auch damit begründete, daß Täter, die eine derartige Tathandlung im Zustand einer heftigen Gemütsbewegung begehen, im Anschluß an die Tat fast immer unter einem schweren seelischen Schock stehen, depressive Reaktionen zeigen und noch häufig in den Tagen nach der Tat ernsthaft suizidgefährdet sind, was beim Angeklagten, der auch während des auführlichen Lokalaugenscheines keine Zeichen von Erschütterung oder depressiven Reaktionen zeigte, nicht der Fall gewesen sei (vgl. S 31, 33, 55 und 361/II) - der von der Beschwerde ins Treffen geführte (nunmehrige) Selbstmordversuch nicht entgegen; denn dieser erfolgte erst am 24.Juli 1985, demnach mehr als fünf Monate nach der am 16.Feber 1985 verübten Tat und stand auch nach den eigenen Angaben des Angeklagten (vgl. S 315, 351/II) mit dem vorliegenden Tatgeschehen in keinem Zusammenhang. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB zu zwanzig Jahren Freiheitsstrafe.
Bei der Strafbemessung wertete es die "äußerst bestialische" und brutale Handlungsweise des Angeklagten als erschwerend, wogegen es den bisher ordentlichen Lebenswandel, das Geständnis (insbesondere vor der Gendarmerie), den dadurch geleisteten Beitrag zur Wahrheitsfindung und die durch die vorangegangenen Auseinandersetzungen mit dem Mordopfer bewirkte Erregung zur Tatzeit als mildernd berücksichtigte.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an; ihr kommt keine Berechtigung zu. Daß Milderungsgründe übersehen oder der (einzige) Erschwerungsgrund zu Unrecht angenommen worden wäre, wird vom Beschwerdeführer gar nicht behauptet. Die im wesentlichen richtig und vollständig angenommenen Strafzumessungsgründe hat das Geschwornengericht entgegen der Meinung des Angeklagten auch ihrem Gehalt entsprechend durchaus zutreffend gewürdigt. Mit Rücksicht auf die Schwere der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten war daher die vom Geschwornengericht verhängte Freiheitsstrafe von zwanzig Jahren vollauf gerechtfertigt (§ 32 StGB).
Es mußte sohin auch der Berufung ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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