OGH 9Os180/85

OGH9Os180/8515.1.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Jänner 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hausmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Stefan G*** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 17. Oktober 1985, GZ 20 Vr 2318/85-26, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Rzeszut, und des Verteidigers Dr. Heißl jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde der 20-jährige Stefan G*** (neben anderen strafbaren Handlungen) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (Punkt 1. des Urteilssatzes) schuldig erkannt.

Insoweit liegt ihm zur Last, am 11.Juni 1985 in Grinzens der Taxilenkerin Helga K*** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe, nämlich durch Vorhalten, Ansetzen und Durchladen einer Schreckschußpistole, fremde bewegliche Sachen, und zwar eine Kassiertasche mit 380 S Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Nur den bezeichneten Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 6 und 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Im Rahmen der Verfahrensrüge (Z 6) macht er geltend, es seien im Verfahren in bezug auf den vom Schuldspruch laut Punkt 1. des Urteilssatzes erfaßten Tatkomplex konkrete Tatumstände hervorgekommen, die darauf hinweisen, daß insoweit bloß versuchter schwerer Raub, diesbezüglich aber strafaufhebender Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB), und in Ansehung der (tatsächlich erfolgten) Wegnahme des Bargeldbetrages von 380 S (vollendeter) Diebstahl mit Waffen (§§ 127 Abs 1, 129 Z 4 StGB) vorliege, weshalb die Stellung entsprechender (vom Erstgericht jedoch abgelehnter) Eventualfragen (§ 314 Abs 1 StPO) bzw. einer den reklamierten Strafaufhebungsgrund betreffenden Zusatzfrage (§ 313 StPO) indiziert gewesen wäre.

Die Rüge versagt.

Denn das von der Beschwerde behauptete Tatsachensubstrat, wonach der Angeklagte die Taxilenkerin Helga K*** zunächst mit Raubvorsatz mit einer Schreckschußpistole bedroht, sie zum Verlassen des Fahrzeuges und zum Ablegen ihrer Kleidung genötigt, angesichts der entblößten Frau jedoch sein Raubvorhaben aufgegeben, das widerstandsunfähige Tatopfer (laut Punkt 2. des Urteilssatzes) zur Unzucht mißbraucht und erst danach unabhängig vom ursprünglichen Raubvorhaben nach Wegfall der drohungsbedingten Einschüchterung bestohlen haben soll, ergibt sich weder aus den (in der Hauptverhandlung verlesenen - S 348) sicherheitsbehördlichen Erhebungsergebnissen (vgl. S 31 ff = S 173 ff und 203 ff) noch aus der Verantwortung des Angeklagten und der Zeugenaussage des Tatopfers in der Hauptverhandlung (vgl. S 333 f, S 339 f). Demgegenüber weist selbst die Verantwortung des Angeklagten in die Richtung, daß er die vorerst ausschließlich mit Raubvorsatz eingeleitete Bedrohung der Zeugin K*** mit dem (erst nach der Entkleidung des Raubopfers entstandenen, sohin) zusätzlichen Vorsatz fortgesetzt hat, die unter dem Eindruck der (durch den Waffengebrauch intensivierten) Drohung widerstandsunfähige Frau vor der durch den Unzuchtsakt nur hinausgeschobenen Vollendung des Raubes durch Betasten am Geschlechtsteil und Erzwingen eines Mundverkehrs auch noch zur Unzucht zu mißbrauchen. Daß schließlich der Zugriff auf das von der Taxilenkerin im Taschenfach der Fahrertür des PKWs mitgeführte Bargeld ohne gleichzeitige nochmalige unmittelbare Bedrohung des Tatopfers erfolgte, entsprach dem vorgefaßten, durch das weitere Tatgeschehen bloß modifizierten Tatplan des Angeklagten, dem eine - mit der Bedrohung des Opfers und der Geldwegnahme als Einheit zu verstehende - Sicherung des Fluchtweges durch gewaltsames Verbringen der Helga K*** (die sich zunächst deshalb entkleiden mußte) in eine entsprechende Entfernung vom Fahrzeug zugrundelag (S 334). Der vom Beschwerdeführer behauptete Verstoß gegen die Bestimmungen der §§ 314 Abs 1 bzw. 313 StPO liegt daher nicht vor.

Soweit der Angeklagte aber eine Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung (Z 8) daraus ableiten will, daß diese die Kriterien des unbeendeten (Raub-) Versuchs, die Abgrenzung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch sowie den Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch unerörtert lasse, genügt der Hinweis, daß sich die Rechtsbelehrung gemäß § 321 Abs 2 StPO nur auf die tatsächlich gestellten Fragen zu erstrecken hatte (Mayerhofer/Rieder, StPO 2 , ENr. 16 zu § 345 Z 8). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten wegen dieses schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes) sowie der (ihm auf Grund des insoweit unbekämpft gebliebenen Schuldspruchs weiters zur Last liegenden) Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (Punkt 3) und des Zwanges zur Unzucht nach § 203 Abs 1 StGB (Punkt 2), ferner der Vergehen des Diebstahls nach § 127 Abs 1 StGB (Punkt 7), des versuchten unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach §§ 15, 136 Abs 1 StGB (Punkt 4), des Betruges nach § 146 StGB (Punkt 5) und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (Punkt 6) nach §§ 28, 143 erster Strafsatz StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen von drei Verbrechen und vier Vergehen, die dem schweren Raub vorangegangene reifliche Überlegung und sorgfältige Vorbereitung der Tat, die Intensität und lange Dauer der Unzuchtshandlungen, die aus dem Zwang zur Unzucht entstandene Gesundheitsschädigung (Schockzustand, Infektion der Scheide), die Begehung der (versuchten) schweren Nötigung gegenüber zwei Personen, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen und die Begehung der Straftaten während eines gegen den Angeklagten beim Landesgericht Innsbruck anhängigen (weiteren) Strafverfahrens, in welchem ihm erst rund einen Monat vorher die Anklageschrift zugestellt worden war, als erschwerend, während es das reumütige Geständnis, die Begehung der Straftaten vor Vollendung des 21. Lebensjahres, die Verwahrlosung des Angeklagten und dessen psychopathische Veranlagung, den Umstand, daß es bei der schweren Nötigung und beim unbefugten Fahrzeuggebrauch beim Versuch blieb sowie die teilweise Schadensgutmachung durch Zahlung des Betrages von 500 S an Helga K*** und Sicherstellung des Diebsgutes (Schreckschußpistole), als mildernd berücksichtigte.

Mit den Berufungen strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe an, während die Staatsanwaltschaft deren Erhöhung begehrt.

Beiden Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig festgestellt und auch zutreffend gewürdigt. Unbeachtet gebliebene (sei es zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten sprechende) Umstände von solchem Gewicht, daß sie eine Änderung des Strafmaßes (nach oben oder unten) rechtfertigen könnten, vermag nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes im Ergebnis keiner der beiden Rechtsmittelwerber aufzuzeigen.

Bei sachgerechtem Abwägen der vorliegenden Strafzumessungsgründe zeigt sich sohin, daß die vom Erstgericht ausgesprochene Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren - zumal unter Bedacht darauf, daß der Angeklagte das Strafübel des Freiheitsentzuges bisher noch nicht zu verspüren bekommen hat - nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) nicht zu gering, aber auch keineswegs zu hoch ausgemessen wurde.

Den Berufungen mußte daher gleichfalls ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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