Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird dahin Folge gegeben, daß - beim Angeklagten Leopold B***ER gemäß den §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 6.Dezember 1984, AZ 15 U 3454/84, und die Strafverfügung desselben Gerichtes vom 5. Juli 1985, AZ 15 U 1905/85, - von der Verhängung von Zusatzstrafen abgesehen wird.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten Leopold B***ER und Andreas H*** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden neben anderen der am 31. März 1963 geborene Fensterputzer Leopold B***ER und der am 26. März 1963 geborene Lagerarbeiter Andreas H*** des Vergehens der Nötigung nach dem § 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Ihnen liegt zur Last, am 7.April 1983 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den Mitangeklagten Peter Z*** und Gerhard Z*** den Christian S*** durch gefährliche Drohung zur Unterfertigung eines Schriftstückes genötigt zu haben, worin jener seine die Angeklagten - in Richtung des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 StGB - belastenden Angaben widerrief (Punkt II/ des Schuldspruchs). Laut Anklage war den Angeklagten Friedrich R***, Leopold B***ER, Andreas H***, Peter Z*** und Gerhard Z*** ursprünglich vorgeworfen worden, am 20.Dezember 1982 in Wien in verabredeter Verbindung Christian S*** vorsätzlich am Körper verletzt zu haben, indem sie mit Fäusten auf ihn einschlugen und ihn mit Füßen traten, wodurch er zu Boden stürzte und eine Gehirnerschütterung sowie Hautabschürfungen erlitt. Während das Gericht Peter Z*** und Gerhard Z*** schuldig erkannte, die betreffende Tat in verabredeter Verbindung mit drei unbekannten Mittätern begangen zu haben (Punkt I/ des Schuldspruchs), wurden Friedrich R***, Leopold B***ER und Andreas H*** insoweit gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Ihren Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten Leopold B***ER und Andreas H*** mit (getrennt ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden. Sie rufen darin die Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO an; der Angeklagte Andreas H*** macht überdies den Nichtigkeitsgrund der Z 5 der zitierten Gesetzesstelle geltend.
Unter dem Gesichtspunkt einer offenbar unzureichenden Begründung (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) wendet sich der Angeklagte Andreas H*** gegen die Annahme, er habe von Christian S*** durch gefährliche Drohung den schriftlichen Widerruf belastender Angaben erzwingen wollen. Die Urteilsfeststellung, wonach die Angeklagten Leopold B***ER, Andreas H***, Peter Z*** und Gerhard Z***, als sie sich gemeinsam auf die Sache nach S*** begaben, darüber einig waren, den Gesuchten nötigenfalls durch Drohung mit weiteren Mißhandlungen zur Unterfertigung einer Widerrufserklärung zu bewegen, und Peter Z*** mit Billigung seiner Komplizen, also mit ihrem Einverständnis handelte, als er S*** bedrohte, beruht indes auf durchaus denkmöglichen Erwägungen. Denn einerseits erachtete das Schöffengericht unter Zugrundelegung der Darstellung des Christian S*** die Verantwortung der Angeklagten Leopold B***ER, Andreas H***, Peter Z*** und Gerhard Z***, das bezügliche Schriftstück sei ohne Druck unterschrieben worden, für widerlegt (vgl S 415 d.A). Anderseits liegt es bei lebensnaher Betrachtung der Situation nahe, daß das Vorhaben der Täter darauf gerichtet war, durch gemeinsames Auftreten ihrem Verlangen nach schriftlichem Widerruf der belastenden Angaben des Christian S*** Nachdruck zu verschaffen und durch Drohung mit Gewalt eine solche Erklärung - anstelle einer entsprechenden Richtigstellung bei der Polizei oder vor Gericht - zu erzwingen, wobei die Beiziehung des unbeteiligten Norbert B***A*** nach der drohenden Äußerung nur zu ihrer späteren Entlastung dienen sollte. Wenn das Erstgericht daher aus der - seiner Beurteilung nach "reichlich ungewÄhnlichen" - Vorgangsweise folgerte, die Täter hätten gemäß einer vorherigen Absprache Christian S*** durch Androhung weiterer, d h (abermals) mit Verletzungsfolgen verbundener Mißhandlungen zur Unterfertigung der vorbereiteten Widerrufserklärung nötigen wollen, wozu sich jener ansonsten nicht verstanden haben würde, stellt dies einen schlüssigen Akt freier Beweiswürdigung dar; formelle Begründungsmängel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO haften dem Urteil in diesem Zusammenhang nicht an. In den Urteilsgründen wird ferner in logisch einwandfreier Weise unter Verwertung des Gutachtens des der Hauptverhandlung beigezogenen gerichtspsychiatrischen Sachverständigen Dr. Otto Schiller dargelegt, daß die Aussage des Christian S*** zwar in ihrem das Urteilfaktum I/ betreffenden Teil (angesichts der als Folge der Mißhandlungen erlittenen Gehirnerschütterung des Zeugen) nicht als taugliche Entscheidungsgrundlage herangezogen werden konnte, daß aber den Angaben über den Vorfall vom 7.April 1983 Glauben zu schenken ist. Hiebei nahm das Erstgericht zu den Bekundungen des Sachverständigen Dr. Schiller und damit indirekt auch zu jenen des Sachverständigen Prof. Dr. Walter Spiel im Verfahren AZ 2 d Vr 512/84 des Jugendgerichtshofs Wien in der Frage der Aussagewilligkeit des Zeugen S*** Stellung; es führte aus, dieser Zeuge habe erkennen lassen, daß er kein Interesse an einer weiteren Strafverfolgung der Angeklagten habe (vgl S 414 ff d.A). Der Hinweis des Angeklagten Andreas H*** auf angebliche die Glaubwürdigkeit insgesamt beeinträchtigende Charaktermängel des Christian S*** erschöpft sich demnach abermals in einem unzulässigen und somit unbeachtlichen Angriff auf die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes.
Rechtliche Beurteilung
Unzutreffend ist der Beschwerdeeinwand des Angeklagten Andreas H***, in der inkriminierten Äußerung sei keine gefährliche Drohung im Sinn des § 74 Z 5 StGB zu erkennen (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO). Nach den Urteilsfeststellungen wollten die Täter mit ihrer Drohung dem Christian S*** weitere Mißhandlungen in Aussicht stellen. Das Erstgericht ging sohin bei Lösung der Tatfrage ersichtlich davon aus, daß die Angeklagten Leopold B***ER, Andreas H***, Peter Z*** und Gerhard Z*** gemeinschaftlich
darauf abzielten, bei dem Bedrohten den Eindruck zu erwecken, sie seien willens, ihn auf dieselbe Art und Weise zu mißhandeln, wie dies (durch Peter Z*** und Gerhard Z*** sowie drei weitere unbekannte Mittäter) schon am 20.Dezember 1982 geschehen war, also ihm Mißhandlungen mit Verletzungsfolgen zuzufügen.
Entgegen der Meinung des Angeklagten Andreas H*** war die Drohung objektiv geeignet, im Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse begründete Besorgnisse zu erwecken. Nahm doch das Schöffengericht als erwiesen an, daß Christian S*** die ihm vorgelegte Erklärung aus Furcht vor solchen weiteren (mit Verletzungsfolgen verbundenen) Mißhandlungen unterschrieb (vgl S 409, 417 d.A), d h andernfalls die Verwirklichung des angedrohten Übels erwartete. Der Ausspruch des Gerichtes, daß bei unbefangener Betrachtung der Situation die Drohung auch objektiv geeignet war, begründete Besorgnisse einzuflößen, erweist sich daher als rechtlich unbedenklich (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO). Die beiden Beschwerdeführer machen unter der Z 9 lit a (sachlich Z 9 lit b) des § 281 Abs 1 StPO weiters geltend, die ihnen angelastete Nötigung sei deshalb nicht rechtswidrig gewesen, weil Christian S*** damit zum Widerruf einer falschen Beschuldigung und zur Angabe eines wahren Sachverhaltes veranlaßt werden sollte. Der hiemit relevierte Rechtfertigungsgrund des § 105 Abs 2 StGB kommt den Angeklagten Leopold B***ER und Andreas H*** jedoch nicht zustatten. Nach der genannten Bestimmung ist die Tat dann nicht rechtswidrig, "wenn die Anwendung der Gewalt oder Drohung als Mittel zu dem angestrebten Zweck nicht den guten Sitten widerstreitet." Dies trifft hier allein schon deshalb nicht zu, weil die Beschwerdeführer - nach dem festgestellten Urteilssachverhalt - den Christian S*** mit der Androhung körperlicher Verletzungen nicht nur zur Abgabe einer Erklärung, die ihre Schuldlosigkeit beweist, sondern darüber hinaus auch dazu nötigten, die an seiner vorsätzlichen Körperverletzung am 20. Dezember 1982 Schuldigen (Peter und Gerhard Z***) wahrheitswidrig zu entlasten.
Bei dieser Sachlage reklamieren die Beschwerdeführer schließlich auch zu Unrecht - aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO - mangelnde Strafwürdigkeit ihrer Tat; denn von geringer Schuld im Sinn des damit bezogenen § 42 Abs 1 Z 1 StGB, also von einem erheblichen Zurückbleiben des tatbildmäßigen Verhaltens hinter dem in der Strafdrohung des § 105 Abs 1 StGB als Regelfall typisierten Unrechts- und Schuldgehalt (ÖJZ-LSK 1976/346, 1984/5), kann den Umständen nach keine Rede sein. Die verabredete Nötigung durch mehrere Personen stellt ein grob rechts- und sittenwidriges Tun dar, welches, was seine Sozialschädlichkeit und den Störwert für die Umwelt anlangt, keinesfalls unter der Norm damit vergleichbarer typischer Deliktsfälle liegt. Beim Angeklagten Andreas H*** kommt hinzu, daß mit Rücksicht auf seine zahlreichen empfindlichen Vorstrafen eine Verurteilung auch geboten ist, um ihm den Unwert seines Verhaltens vor Augen zu führen und ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten (§ 42 Abs 1 Z 3 StGB). Somit waren die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Leopold B***ER und Andreas H*** - dem Antrag der Generalprokuratur folgend - zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über die Genannten nach dem § 105 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB Geldstrafen, und zwar über Leopold B***ER im Ausmaß von 40 Tagessätzen zu je 80 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit 20 Tage Freiheitsstrafe, und über Andreas H*** im Ausmaß von 60 Tagessätzen zu je 100 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, wobei es bei H*** gemäß den §§ 31, 40 StGB auf die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19.Mai 1983, AZ 5 b E Vr 4712/83 (§§ 229 Abs 1, 231 Abs 1, 164 Abs 1 Z 2 und Abs 2, 107 Abs 1 StGB; sieben Monate Freiheitsstrafe) und vom 12. Jänner 1984, AZ 5 b E Vr 12.886/83 (§§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB; zehn Monate Freiheitsstrafe) Bedacht nahm. Bei der Strafbemessung wertete es bei Leopold B***ER zwei einschlägige Vorstrafen, bei Andreas H*** eine auf gleicher schädlicher Neigung beruhende Vorstrafe als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber bei Leopold B***ER sein längeres Wohlverhalten seit der Tat, bei H*** keinen Umstand als mildernd.
Mit ihren Berufungen begehren die beiden Angeklagten die Herabsetzung der Geldstrafen und die Gewährung bedingter Strafnachsicht, Andreas H*** auch das allfällige Absehen von einer Zusatzstrafe.
Wie sich aus einer vom Obersten Gerichtshof beigeschafften Strafregisterauskunft bzw den betreffenden Strafakten ergibt, wurde Leopold B***ER nach der verfahrensgegenständlichen Tat mit dem Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 6.Dezember 1984, AZ 15 U 3454/84 (§ 83 Abs 1 StGB; 70 Tagessätze zu je 70 S, im Nichteinbringungsfall 35 Tage Freiheitsstrafe) und mit Strafverfügung desselben Gerichtes vom 5.Juli 1985, AZ 15 U 1905/85 (§ 146 StGB; 50 Tagessätze zu je 60 S, im Nichteinbringungsfall 25 Tage Freiheitsstrafe) neuerlich verurteilt.
Auf diese rechtskräftigen Erkenntnisse ist gemäß den §§ 31, 40 StGB entsprechend Bedacht zu nehmen. Da auch bei gemeinsamer Aburteilung eine (Gesamt-)Geldstrafe von 120 Tagessätzen dem Unrechtsgehalt aller Tathandlungen und der Täterpersönlichkeit des Angeklagten Leopold B***ER angemessen wäre, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlaßt, bei Leopold B***ER von der Verhängung einer Zusatzstrafe Abstand zu nehmen. Die gleichen Erwägungen hatten für Andreas H*** zu gelten, weil sich aus den angeführten, gemäß den §§ 31, 40 StGB zu berücksichtigenden Vorverurteilungen auch bei diesem Angeklagten bereits eine den Schuldgehalt aller in den Strafbemessungsvorgang einzubeziehenden Taten ausreichend erfassende (Gesamt-)Freiheitsstrafe von siebzehn Monaten ergibt. Es war daher spruchgemäß zu erkennen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)