OGH 11Os196/85

OGH11Os196/8514.1.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Jänner 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Regen als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manoutcher B*** wegen des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG (aF) über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 2.Juli 1985, GZ 6 a Vr 7.398/84-251, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt a des Urteilssatzes wegen der Inverkehrsetzung von 250 g Heroin, in der rechtlichen Beurteilung als teils vollendetes Verbrechen wider die Volksgesundheit nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG (aF) sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der iranische Staatsbürger Manoutcher B*** des teils im Deliktsstadium des Versuches (§ 15 StGB) gebliebenen Verbrechens wider die Volksgesundheit nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG (aF) schuldig erkannt, weil er im Juli 1984 in Gablitz vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in solchen Mengen in Verkehr setzte bzw. in Verkehr zu setzen versuchte, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte oder hätte entstehen können, und zwar a) durch Übergabe von 250 g Heroin an einen Unbekannten und b) dadurch, daß er einen weiteren Suchtgiftvorrat von 3,75 kg Heroin zum Weiterverkauf bereithielt.

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer ausdrücklich auf die Z 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Als eine den erstgenannten Nichtigkeitsgrund verwirklichende Verletzung seiner Verteidigungsrechte macht er die Abweisung von drei in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträgen (S 372, 373/V) geltend.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Verfahrensrüge fehlt es in zwei Fällen an den formellen gesetzlichen Voraussetzungen, weil nach dem für die Prüfung des Zwischenerkenntnisses maßgebenden Inhalt des protokollierten Beweisantrages nicht angegeben wurde, aus welchen Gründen zu erwarten sei, daß die Durchführung der begehrten Beweise das vom Angeklagten erhoffte - mit den gesamten bis dahin erhobenen Beweisen nicht zu vereinbarende - Ergebnis haben werde.

Die beantragte a) Klärung des Standortes einer - für Erhebungsbeamte zur Beobachtung des Wohnhauses des Angeklagten aufgestellten - Bauhütte durch die Einvernahme von zwei "sicherlich" informierten Zeugen und b) Prüfung, "ob" die dem Angeklagten (angeblich) zugekommene Anwendungsanleitung auf den verfahrensgegenständlichen, Heroin enthaltenden Benzinkanister (überhaupt) paßte, läuft bei der gegebenen Sachlage letztlich auf das - nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Mayerhofer-Rieder 2 II/2 § 281 Z. 4 StPO, Nr. 88 ff) grundsätzlich unzulässige - Begehren um Aufnahme bloßer Erkundungsbeweise hinaus und verfiel daher mit Recht der (wenn auch formal nur teilweise begründeten) Ablehnung. Die Frage der Relevanz des dritten Beweisantrages auf Vornahme einer vom Erstgericht unterlassenen Probe, wonach in dem Hohlraum des erwähnten Benzinkanisters vier volle Heroinsäckchen (Inhalt: je 1 kg) nicht Platz hätten, kann unerörtert bleiben, weil dem Schöffengericht im Zusammenhang mit dem von diesem Beweisantrag betroffenen Schuldspruch wegen der vollendeten Inverkehrsetzung der 250 g Heroin ein formaler Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO unterlief, der auch ein Eingehen auf die insoweit Feststellungsmängel einwendende Rechtsrüge nach der Z 9 lit. a des § 281 Abs 1 StPO überflüssig macht.

Das Erstgericht legte denkfolgerichtig und im Einklang mit der allgemeinen Lebenserfahrung dar, aus welchen Erwägungen es die eine Bereithaltung eines Suchtgiftvorrates von 3,75 kg Heroin (Punkt b des Urteilssatzes) zum Weiterverkauf leugnende Verantwortung des Angeklagten als widerlegt ansah, und zwar insbesonders aufgrund der Mitteilung türkischer Behörden, der Beschäftigungs-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Angeklagten, der Ergebnisse der Telefonüberwachung und eines durchgeführten Lokalaugenscheines, aufgrund der Einsicht in das umfangreiche Beweismaterial sowie aufgrund der Einvernahme von Zeugen, namentlich der erhebenden Polizeiorgane.

Auf die sinngemäße Behauptung, daß die im angefochtenen Urteil zum Suchtgiftvorrat von 3,75 kg Heroin gezogenen Konklusionen nicht zwingend und für den Angeklagten günstigere denkbar seien, kann der Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht gestützt werden, weil auch denkmögliche Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu Tatsachenfeststellungen berechtigen.

In der Frage der Bereithaltung der 3,75 kg Heroin zum Verkauf unterlief dem Schöffengericht auch kein Feststellungsmangel: Soweit die Beschwerde in diesem Belang nicht (gleichfalls) nach Art einer Schuldberufung argumentiert, wurde der Vorwurf angeblich fehlender Feststellungen aufgrund der von der Verteidigung zur Verfügung gestellten Fotografien nicht näher substantiiert, sodaß die Rechtsrüge insoweit einer sachbezogenen Argumentation nicht zugänglich ist.

Ein gravierender Begründungsmangel des angefochtenen Urteils im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO liegt jedoch - wie bereits erwähnt - im Punkt der Annahme eines Suchtgiftverkaufes von 250 g Heroin an einen Unbekannten vor:

Das Recht der freien Beweiswürdigung geht nicht so weit, daß das Gericht ohne Begründung aus dem Tatsachensubstrat des konkreten Falles nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens ungeklärt gebliebene Umstände zum Nachteil des Angeklagten ergänzen dürfte. Eine Feststellung, die sich auf eine solche willkürliche Annahme des Gerichtes stützt, stellt sich als offenbar unzureichend begründet dar.

Das Schöffengericht hielt es hier (lediglich) für "unverständlich, daß sich der Angeklagte der für ihn äußerst riskanten Prozedur" der Entnahme des Heroin enthaltenden Benzinkanisters aus dem vor seinem Wohnhaus geparkten Wagen des Khalil A***, des Transportes dieses Kanisters in seine Wohnung und der Rückstellung in das genannte Versteck unterzogen hätte, wenn er nicht während des hinreichenden Zeitraums von 20 Minuten "aus dem geöffnet vorgefundenen Säckchen die auf 1000 g fehlende Menge, sohin 250 g Heroin, entnommen und an einen, wenngleich unbekannt gebliebenen weiteren Händler weitergegeben hat" (S 386, 387). Mit Recht rügt der Angeklagte im gegebenen Zusammenhang u.a. das Fehlen jedes Beweises für die Annahme, daß der verfahrensgegenständliche Kanister zur vermuteten Tatzeit die als verkauft konstatierten 250 g Heroin überhaupt enthielt. Die zwar - neben anderen Varianten - theoretisch mögliche, jedoch durch keinerlei konkrete Ergebnisse des Beweisverfahrens indizierte und daher rein abstrakte Annahme, daß sich der Angeklagte in den Abendstunden des 21.Juli 1984 - neben den 3,75 kg Heroin - auch im Besitz der auf 4 kg "fehlenden" Heroinmenge befand und sie am genannten Tag einem Unbekannten verkaufte, wurde im angefochtenen Urteil nicht zureichend begründet, weil die angeführten Erwägungen keinen logischen Zusammenhang mit der als erwiesen angenommenen Tatsache mehr erkennen lassen. Da sohin für den konstatierten Verkauf von 250 g Heroin in Wahrheit keine Gründe angegeben wurden, hatte der Oberste Gerichtshof der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten teilweise Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt a des Urteilssatzes wegen der Inverkehrsetzung von 250 g Heroin, in der rechtlichen Beurteilung als Verbrechen wider die Volksgesundheit nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG (aF) sowie demgemäß auch im Strafausspruch - nach Anhörung der Generalprokuratur - aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückzuverweisen (§ 285 e StPO).

Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde, teils nach dem § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils nach dem § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit dem § 285 a Z 2 StPO zurückzuweisen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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