OGH 11Os181/85

OGH11Os181/8514.1.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Jänner 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Regen als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl R*** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB und anderer Delikte über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengerichts vom 16.September 1985, GZ 36 Vr 1.563/85-48, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Strasser als Vertreters der Generalprokuratur und der Verteidigerin Dr. Zeh, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl R*** 1./ des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB, 2./ des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs 1 StGB und 3./ des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 16. April 1985 (zu 1./) Elke D*** durch mehrere Faustschläge in das Gesicht und Stoßen des Kopfes gegen die Wand vorsätzlich am Körper schwer verletzte (Bruch des Nasenbeines, verbunden mit massiven Weichteilquetschungen und Knochenprellungen im Bereich des Kopfes), (zu 2./) dadurch, daß er gegen den Polizeibeamten Karl R***, der im Begriff war, ihn festzunehmen und zum Streifenwagen zu eskortieren, mit den Fäusten losging, einen Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versuchte und (zu 3./) Franz W*** durch die vor Beamten der Bundespolizeidirektion Innsbruck vorgebrachte Anschuldigung, Elke D*** geschlagen und schwer verletzt zu haben, einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB, wissentlich falsch verdächtigte und dadurch der Gefahr behördlicher Verfolgung aussetzte.

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer ausdrücklich auf die Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welche sich lediglich gegen die Nichtannahme seiner Zurechnungsunfähigkeit zufolge Alkoholisierung (§ 11 StGB) wendet, ohne daß jedoch differenziert würde, ob er Zurechnungsunfähigkeit nur für die Begehung der beiden erstgenannten Delikte oder auch für jenes der Verleumdung reklamiert.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist nicht stichhältig.

Soweit der Angeklagte sachlich aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO (ersichtlich zwecks allfälliger Subsumtion seines Verhaltens unter den Tatbestand des § 287 Abs 1 StGB) das Unterbleiben einer Feststellung über den Blutalkoholgehalt zur Zeit der Taten - unter Einbeziehung eines gleichfalls nicht konstatierten Restalkoholgehaltes vom Vortag - rügt, übersieht er zunächst, daß eine solche Feststellung mangels aktenkundiger Vornahme einer Blutabnahme gar nicht möglich gewesen wäre. Im übrigen sind weder die Annahme noch der Ausschluß einer vollen Berauschung von der Feststellung einer bestimmten Blutalkoholkonzentration und auch nicht von der Konstatierung eines Alkoholkonsums bestimmten Ausmaßes abhängig. Es besteht kein (medizinischer oder forensischer) Erfahrungssatz, wonach jeder Mensch von einer bestimmten Blutalkoholkonzentration an als zurechnungsunfähig zu beurteilen wäre. Vielmehr kommt es in jedem Einzelfall darauf an, ob Umstände - wie etwa mangelnde Orientierung in Zeit und Raum, absolute Sinnlosigkeit oder auffallender Gegensatz des Täterverhaltens zu seinem sonstigen Charakter sowie echter Erinnerungsverlust - Anhaltspunkte für eine auf einem Rauschzustand beruhende tiefgreifende Störung des Bewußtseins bieten (Leukauf-Steininger 2 , RN 9 zu § 287 StGB; nv 11 Os 125/85 uam). Der Einwand von Feststellungsmängeln versagt daher. Das Erstgericht verneinte unter Berücksichtigung des eingeholten medizinischen Gutachtens und des Berichtes des Polizeiarztes (der Karl R*** weniger als zwei Stunden nach Begehung der beiden ersten Taten untersucht hatte) das Vorliegen einer die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Berauschung mängelfrei. Das Schöffengericht stellte hiezu auch fest, daß Karl R*** vor der ersten Tat ca. 7 "halbe Bier" und zwei bis drei namentlich nicht bekannte Tabletten, vermutlich Valium, Anxiolit, Leptilan oder Vitamin B-Tabletten, zu sich genommen hatte, von denen die drei erstgenannten Medikamente zwar die Wirkung des Alkohols verstärken, dennoch aber in concreto nicht zur Aufhebung der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten führten (S 183 f dA).

Wenn in den weiteren Beschwerdeausführungen der Vorwurf erhoben wird, das Erstgericht stelle nicht fest, welche Alkoholmengen der Angeklagte konsumiert und welche und wieviele Tabletten er zu sich genommen habe und ob es durch Medikamenteneinnahme zu einer Potenzierung der Alkoholwirkung gekommen sei, so ist dieses Vorbringen im Hinblick auf die zitierten Urteilsannahmen aktenwidrig; insoweit bringt der Beschwerdeführer den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund daher nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Schließlich waren der Beschwerde zuwider auch Erörterungen darüber, ob die wiederholt wechselnde Verantwortung des Angeklagten etwa auf mangelndes Erinnerungsvermögen zurückzuführen sei, zufolge des vom Erstgericht in freier Überzeugung (§ 258 Abs 2 StPO) seinen Feststellungen zugrunde gelegten medizinischen Gutachtens nicht indiziert. Durch die Bezugnahme auf dieses Sachverständigengutachten, die Verantwortung des Angeklagten und die Aussagen der Tatzeugen ist die Feststellung, daß der Beschwerdeführer keine Ausfälle seines Erinnerungsvermögens zeigte (S 192 dA), entgegen dem (insofern nicht spezifizierten, weil lediglich den Mangel "geeigneter Gründe" behauptenden) Beschwerdeeinwand ebenfalls mängelfrei begründet.

Somit war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich teils als nicht berechtigt, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt erweist, zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Karl R*** nach dem zweiten Strafsatz des § 297 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr.

Bei der Strafbemessung wertete es das mehrfach getrübte Vorleben, das Zusammentreffen von zwei Vergehen und einem Verbrechen sowie den raschen Rückfall als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber die verminderte Zurechnungsfähigkeit des Karl R*** sowie den Umstand, daß der Widerstand gegen die Staatsgewalt beim Versuch blieb, als mildernd.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe.

Die Berufung ist nicht begründet.

Das Erstgericht erfaßte die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und hielt dem Angeklagten die von ihm reklamierten weiteren Milderungsgründe nach Lage des Falles mit Recht nicht zugute. Weder wurden die Franz W*** verleumdenden (und zur Verhaftung führenden) Angaben bei der Vernehmung am 16. April 1985 entscheidend entkräftet (vgl. die Seiten 28, 47) noch stellen eine "gewisse Haltlosigkeit" oder der Umgang des Angeklagten "im Sandlermilieu" zu seinen Gunsten ausschlagende Umstände dar. Angesichts des schwer getrübten Vorlebens des Karl R*** erweist sich die vom Erstgericht verhängte Strafe nicht als überhöht. Auch der Berufung konnte sohin kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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