OGH 6Ob715/85

OGH6Ob715/8519.12.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Gerhard W***, technischer Direktor, Baden, Weilburgstraße 18/I/12, vertreten durch Dr. Franz Mayer, Rechtsanwalt in Baden, wider die beklagte Partei F***ßN*** & Co Gesellschaft m.b.H., Wien 4., Große Neugasse 13/2/9, vertreten durch Dr. Peter Kaupa, Rechtsanwalt in Baden, wegen S 50.000 s.A., infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21.Mai 1985, GZ 13 R 8/85-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilzwischenurteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 18.Oktober 1984, GZ 1 Cg 113/84-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.503,36 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 205,76 Umsatzsteuer und S 240,- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte von der Beklagten den Betrag von S 50.000 (S 40.000 als Schmerzengeld und S 10.000 als Abgeltung für eine Verunstaltung) und führte aus: Er habe am 17.12.1983 in der von der Beklagten betriebenen Tennishalle in Traiskirchen ein gemischtes Doppel gespielt. Die Längsseite des von ihm benützten Spielfeldes werde in einem Abstand von ca.3,5 m durch die Hallenwand begrenzt. Diese sei vom Boden bis zur Höhe von ca.2 m mit einer grünen Plane bedeckt gewesen. Im Verlaufe eines Ballwechsels habe der Kläger einen knapp an der äußeren Doppelseitenlinie, ca. 1,5 m vom Netz entfernt aufspringenden Ball erreichen wollen, wobei er infolge seiner Geschwindigkeit und der Schlagbewegung nicht mehr habe stoppen können, sodaß er mit dem Kopf gegen die durch die Plane verdeckte Wand gestürzt sei. Hiebei habe er eine 14 cm lange Platzwunde an der rechten Stirnhälfte und eine leichte Gehirnerschütterung erlitten. Er sei deswegen bis 21.12.1983 in stationärer Krankenhauspflege gewesen und habe sich bis 1.1.1984 im Krankenstand befunden. Nach dem Unfall habe sich herausgestellt, daß die an der Wand angebrachte Plane einen senkrecht stehenden, vom Boden ausgehenden und scharfkantigen Doppel-T-Träger verdeckt habe. An diesen sei der Kläger angestoßen. Die Beklagte hafte für die Unfallsfolgen wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, weil die Doppel-T-Träger eine Gefahrenquelle darstellten. Es wäre der Beklagten zumutbar gewesen, die Träger nicht durch eine Plane zu verdecken, sondern mit dämpfendem Material zu belegen, sodaß im Falle einer Kontaktierung Verletzungsfolgen ausgeschlossen gewesen wären.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein: Der Unfall sei auf das Eigenverschulden des Klägers zurückzuführen. Es sei ausschließlich ihm selbst zuzurechnen, daß er den extrem geschlagenen Ball seiner Gegnerin habe erlaufen und retournieren wollen, was ihm jedoch nicht gelungen sei, weil er aus eigenem Verschulden gestolpert sei. Nur auf Grund seiner extremen Bewegung sei er zu Sturz gekommen. Er habe auch anläßlich seiner Einvernahme am Gendarmerieposten Traiskirchen sein Eigenverschulden zugegeben und erklärt, gegen die Beklagte keine Forderungen zu stellen, daher in Kenntnis der Tragweite dieser Erklärung auf allfällige Forderungen verzichtet. Im übrigen handle es sich bei der Tennishalle der Beklagten um eine behördlich genehmigte Anlage. Damit sei klargestellt, daß diese Halle alle gesetzlich notwendigen Sicherungspflichten erfüllt habe. Auch gebe es keine allgemeine Gefährdungshaftung für den Betrieb von Sportanlagen. Durch die Sportausübung habe der Kläger eine gewisse Gefahr, die mit nahezu jeder Sportausübung verbunden sei, auf sich genommen. Auch ohne Traverse wäre es zur gleichen Verletzung des Klägers gekommen. Der geltend gemachte Schmerzengeldbetrag sei überhöht, eine Entschädigung für Verunstaltung komme beim Vorliegen geringfügiger Narben im Gesicht eines Mannes nicht in Betracht.

Das Erstgericht sprach mit Teilzwischenurteil aus, daß das Schmerzengeldbegehren dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht bestehe.

Es traf dabei im wesentlichen folgende Feststellungen:

Die Tennishalle der Beklagten ist samt Nebenräumen 53,6 m lang und 37,10 m breit; es handelt sich um eine Stahlrahmenkonstruktion, die Sporthalle selbst weist drei Spielplätze auf. Die Bezirkshauptmannschaft Baden hat mit Bescheid vom 21.1.1981 die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Tennishalle samt Nebeneinrichtungen erteilt. In der Verhandlungsschrift wurde festgehalten, daß sich die Anlage als zulässig erweise, sodaß die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung bei Einhaltung bestimmter Auflagen erteilt werden könne. Diese Auflagen betrafen nicht die Stahlrahmenkonstruktion. Bei den tragenden Elementen der Tennishalle handelt es sich um Stahlträger, von denen sich an der östlichen Breitseite sieben und an den beiden Längsseiten je acht befinden. Die Stahlträger reichen jeweils vom Hallenboden bis zur Dachkonstruktion. An der Außenseite der Stahlträger befinden sich die östliche Seitenwand sowie die beiden Längswände. Die Stahlträger an den Längswänden sind erheblich breiter als jene an der östlichen Seitenwand. Die sieben Stahlträger an der östlichen Breitseite haben eine doppelte T-Form und ragen ca.30 cm von der Seitenwand in das Halleninnere. Die östliche Breitseitenwand besteht aus einer Blechkonstruktion mit Wärmedämmungsmaterial innerhalb dieser Konstruktion. Bis in eine Höhe von ca.2 m sind die Wände und Träger an den beiden Längsseiten und an der östlichen Breitseite mit grünen Reklamevorhängen aus Plastik bedeckt, wobei sich der Plastikvorhang unmittelbar vor den der Halle zugewandten Teilen der Stahlträger befindet, sodaß er praktisch bei den Traversen aufliegt. Bei bewußtem Hinsehen ist ohne weiteres erkennbar, daß sich Teile der Stahlträger (Traversen) hinter diesem Vorhang befinden und bis zum Hallenboden reichen. Im oberen Teil besteht die Breitseitenwand aus Glas. Der Abstand der äußeren Seitenlinie des dritten Tennisplatzes von den Traversen beträgt 2,7 m. Der Unfall ereignete sich im Bereich der östlichen Seitenwand der Halle, an welche das dritte Spielfeld grenzt. Die Spielfelder entsprechen in ihren Maßen den Tennisregeln des ÖTV. Der Abstand der Grundlinie (Breitseite des Spielfeldes) zur Längswand der Halle (Traverseninnenseite) beträgt 6,4 m. Für die Internationale Tennismeisterschaft (Davis-Cup) oder andere offizielle Meisterschaften des internationalen Tennis-Verbandes darf der Auslauf hinter jeder Grundlinie nicht weniger als 6,4 m und an den beiden Seiten nicht weniger als 3,66 m betragen. In Österreich gibt es keine Bestimmung, die einen Mindestauslauf für irgendeine Veranstaltung fordert. Der Kläger hatte mit Unterbrechung schon jahrelang Tennis gespielt, er begann mit dem Tennisspielen wieder im Winter 1982/83. In der Halle der Beklagten spielte er erstmals im November 1983. Er hatte gemeinsam mit Mag.Ingrid T*** im November 1983 ein Spielabonnement in der Halle der Beklagten. Bis zum Unfall hatte er etwa 12 Mal in dieser Halle Einzelspiele gespielt. Er hatte dabei immer das dritte Spielfeld benützt, das der östlichen Breitseitenwand der Halle am nächsten liegt. "Anläßlich dieser Spiele sah er sich die Hallenkonstruktion nicht bewußt an, im Unterbewußtsein mag er registriert haben, daß es Stahlträger gibt." Der Kläger spielte auch nach dem Unfall noch einmal auf diesem Spielfeld. Am Unfallstag trug er Tennisschuhe, die er kurz vorher gekauft hatte und deren Sohle Profil aufwiesen. Am Unfallstag kam der Kläger im Zuge des Spieles - es handelte sich um ein Doppel - als Aufschläger an die Reihe. Mag.Ingrid T*** war Rückschlägerin. Entgegen der Annahme des Klägers konnte sie den von ihm aufgeschlagenen Ball noch erlaufen. Sie schlug den Ball in einem hohen "Cross" so in das Spielfeld des Klägers zurück, daß der Ball etwa 3 m vom Netz entfernt knapp innerhalb der rechten, äußeren Seitenlinie (Blickrichtung des Klägers) in der Spielplatzhälfte des Klägers aufsprang. Der Kläger wollte diesen Ball zurückschlagen. Zu diesem Zweck lief er von seinem Standplatz an seiner Grundlinie schräg nach rechts vorne, wobei zwischen seiner Laufrichtung und der Breitseitenwand ein Winkel von etwa 45 Grad gebildet wurde. Zu Beginn dieses Laufes befand sich der Kläger ca. 10,5 m von der "Unfalltraverse" und ca. 3,5 m von der rechten

Spielfeldecke - gebildet aus der rechten äußeren Seitenlinie und der Grundlinie des Klägers - entfernt. Der 51-jährige Kläger, der ein guter Läufer ist und immer mit "letztem Einsatz" spielt, schöpfte seine läuferischen Möglichkeiten voll aus, um den Ball zu erreichen. Im Zuge dieses Laufens "unter letztem Einsatz" kam der Kläger ca. 3,3 m schräg vor der "Unfalltraverse" ins Rutschen oder Stolpern und damit in eine Sturz- oder Stolperbewegung Richtung Traverse, wobei diese Sturzbewegung auf die schnelle Vorwärtsbewegung des Klägers zurückzuführen war. Das Ausrutschen bzw. Stolpern erfolgte knapp außerhalb der rechten äußeren Seitenlinie. Im Zuge der Sturzbewegung stieß der Kläger in einer Höhe von ca.74 cm über dem Boden mit dem Kopf sehr heftig gegen den Plastikvorhang und die dahinter liegende kantige Traverse. Hätte es dort keine Traverse gegeben, so wäre der Kläger mit dem Kopf gegen die hinter dem Vorhang befindliche Blechseitenwand gestoßen, wobei der Plastikvorhang sturzmindernd gewirkt hätte und die Anstoßfolgen geringer gewesen wären. Durch den Anstoß an die Traverse erlitt der Kläger eine 15 cm lange Platzwunde, die von der rechten äußeren Stirnseite über das rechte Schädeldach bis vor den Hinterkopf verlief. Der Kläger war wegen dieser Verletzung vom 17.12. bis 21.12.1983 in stationärer Behandlung des Krankenhauses Baden, anschließend befand er sich bis 2.1.1984 in ambulanter Behandlung des Krankenhauses und sodann in Behandlung eines praktischen Arztes. Anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme beim Gendarmerieposten Traiskirchen erklärte der Kläger am 19.1.1984, daß kein Fremdverschulden vorliege, da er von selbst in die Traverse gelaufen sei. Auf die Frage, ob er gegen Ing.F***ßN*** vorgehen würde, erklärte er, an F***ßN*** keine Forderungen zu stellen und aus dem Titel Fremdverschulden keine Ansprüche stellen zu wollen. Gegenüber Ing.F***ßN*** sagte der Kläger nach dem Unfall, daß am Unfall niemanden ein Verschulden treffe, weil er selber ausgerutscht sei. Er werde wegen dieses Unfalles die Tennishalle in Zukunft nicht meiden. Über Schadenersatzansprüche bzw. einen Verzicht des Klägers auf solche Ansprüche wurde zwischen dem Kläger und Ing.F***ßN*** nicht gesprochen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Verkehrssicherungspflicht im Bereich der Sportausübung habe den Zweck, die damit verbundene Selbstgefährdung nicht durch von Sportanlagen ausgehende, nicht zu erwartende und nicht erkennbare Gefahrenquellen zu erhöhen. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte eine Verkehrssicherungspflicht auf Grund des mit dem Kläger abgeschlossenen Platzmietvertrages getroffen, und zwar unabhängig davon, daß die Tennishalle in ihrer tatsächlichen Ausgestaltung die verwaltungsbehördliche Genehmigung erhalten habe. Denn dies entschuldige den Eigentümer nicht, wenn ihm auf Grund eigener besserer Kenntnisse, die hier erwartet werden könnten, im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht Maßnahmen zur Verhütung von Gefahren zumutbar seien. Es wäre nämlich ohne größeren Aufwand möglich gewesen, die scharfkantigen T-Träger etwa durch dämmendes Material zu "entschärfen", zumal wegen deren Nähe zum Spielfeldrand damit zu rechnen gewesen sei, daß ein stürzender Spieler mit ihnen in Kontakt komme. Die Unterlassung der Entschärfung dieser Gefahrenquelle habe daher eine Mithaftung der Beklagten für die Verletzung des Klägers zur Folge. Dem Kläger sei es als Verschulden anzurechnen, daß er die ihm oblegene Verpflichtung zu kontrollierter Spielweise, also auf genaue Beobachtung des vorhandenen Raumangebotes und Einhaltung einer den Verhältnissen angepaßten Geschwindigkeit seiner Bewegung nicht hinlänglich Bedacht genommen habe. Die Fahrlässigkeit beider Parteien sei als leicht einzustufen. Da Anhaltspunkte für das Überwiegen des einen oder anderen Verschuldens nicht gefunden werden könnten, sei eine Verschuldensteilung im Ausmaß 1:1 gerechtfertigt. Der von der Beklagten behauptete Verzicht des Klägers auf Schadenersatzforderungen liege nicht vor, weil dieser lediglich gegenüber einem Dritten erklärt habe, keine Ansprüche stellen zu wollen, die Annahme dieser Verzichtserklärung durch die Beklagte jedoch weder behauptet noch erwiesen worden sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, verwarf die Berufung der Beklagten, soweit sie Nichtigkeit geltend gemacht hatte, gab der Berufung der Beklagten im übrigen Folge, änderte das Teilzwischenurteil ab und wies in Form eines Teilurteiles das Schmerzengeldbegehren ab. Die Revision erklärte das Berufungsgericht für nicht zulässig.

Zur Berufung der Beklagten, soweit sie sich nicht auf Nichtigkeit stützte, führte das Berufungsgericht aus:

Eine Verkehrssicherungspflicht bestehe nur in jenem Umfang, in dem eine Gefahr für die Teilnehmer an dem durch die Anlage eröffneten Verkehr vorhersehbar sei. Die Verpflichtung finde ihre Grenze in der Zumutbarkeit. Sie dürfe nicht überspannt werden und nicht auf eine vom Verschulden unabhängige Haftung hinauslaufen. Grundvoraussetzung für das Vorliegen einer Verkehrssicherungspflicht sei die Herbeiführung einer gefährlichen Lage, deren Beseitigung nach dem Ingerenzprinzip geboten sei, im vorliegenden Falle also einer Anlage, auf der wegen der mit raschen Bewegungen verbundenen Sportausübung mit der Selbstgefährdung der Teilnehmer infolge gänzlichen oder teilweisen Verlustes der Kontrolle über ihren Körper gerechnet werden müßte. Denn unter diesen Voraussetzungen würde es zur sachgerechten Ausübung der Verkehrssicherungspflicht gehören, daraus entstehenden Gefahren durch Entfernung oder zumindest Entschärfung aller gefahrenerhöhenden Elemente in jenem Bereich vorzubeugen, in welchem bei gewÄhnlichem Ablauf der vorgesehenen Sportausübung damit gerechnet werden müsse, daß er von einem Teilnehmer an diesem Sport bei Aufwendung der auch ihm selbst obliegenden Sorgfalt erreicht werden könne. Aus der Verkehrssicherungspflicht würden alle Bereiche ausscheiden, in denen wegen ihrer räumlichen Entfernung zum Ort des sportlichen Geschehens nicht damit gerechnet werden müsse, daß er von einem Sportausübenden erreicht werden werde. Andernfalls würde die Verkehrssicherungspflicht überspannt und eine abstrakte Gefährdungshaftung begründet werden. Im vorliegenden Fall handle es sich um die allein entscheidende Frage, wo die Grenze zwischen dem Gefahrenbereich und dem außerhalb desselben liegenden Raumes zu ziehen sei, weil eine Verkleidung des scharfkantigen Trägers zur Vermeidung einer Risikoerhöhung nur dann notwendig gewesen wäre, wenn sich dieser im Gefahrenbereich selbst befunden hätte. Bei der Beurteilung des räumlichen Umfanges des Gefahrenbereiches müsse jedoch davon ausgegangen werden, daß der Sportausübende Art und Ort seiner Fortbewegung den vorhandenen Gegebenheiten grundsätzlich selbst anzupassen habe. Andernfalls würde man nämlich vom Hersteller der gefährlichen Anlage verlangen, daß er zur Vermeidung jeglichen Risikos auch wirtschaftlich unzumutbare Sicherungen gegen alle - auch nur im Extremfall denkbaren - Gefahren vornehmen müßte, was dem Sinn und Zweck der Verkehrssicherungspflicht widersprechen würde. Maßstab für diese Grenzziehung sei also der Grundsatz für jede Sportausübung, daß die Eigenverantwortung des Sportlers im Vordergrund stehe. Beim Tennissport müsse wegen der geringeren Eigengeschwindigkeit und insbesondere wegen des Fehlens technischer und deshalb weitaus schwieriger zu handhabender Geräte als Fortbewegungsmittel mit dem Stürzen (Ausrutschen, Stolpern) nicht von vornherein gerechnet werden. Denn nach allgemeiner Lebenserfahrung kämen Stürze beim Tennisspielen nur äußerst selten vor. Es dürfe deshalb vom Erhalter einer Tennisanlage nicht verlangt werden, daß er bei der Beurteilung des Gefahrenbereiches auch Sturzräume einbeziehe, weil diese keine typische Gefahr, der von ihm entgegenzuwirken wäre, darstelle. Daher richte sich das Ausmaß des Raumes, in dem atypische Gefahren vom Tennisspieler ferngehalten werden müßten, nach den Erfordernissen kontrollierter Sportausübung; Extremfälle eigener Unvorsichtigkeit müßten nicht einbezogen werden. Nach den Feststellungen betrage der Mindestabstand zwischen der Seitenlinie des Spielfeldes und dem daneben anschließenden freien Raum (seitlicher Auslauf) bei internationalen Tennismeisterschaften und anderen offiziellen Meisterschaften des internationalen Tennisverbandes 3,66 m, während es in Österreich keine Bestimmung über einen Mindestauslauf gebe. Nehme man diesen Wert als Richtschnur und gehe man davon aus, daß damit den Erfordernissen extremster Spielweise internationaler Spitzensportler entsprochen werde, gelange man unweigerlich zu dem Ergebnis, daß für Tennisanlagen, auf denen von den Benützern nur durchschnittliche, nicht aber extreme Spielweise zu erwarten sei, auch nur ein entsprechend geringerer Auslauf vorgesehen und nur in diesem auf Freiheit von atypischen Gefahrenquellen geachtet werden müsse. Da dieser Auslauf im vorliegenden Fall 2,70 m betrage und daher drei Viertel des für Extremfälle vorgesehenen Abstandes erreiche, würde durch das Verlangen nach Absicherung von Gefahrenquellen außerhalb dieses Raumes die Verkehrssicherungspflicht überspannt werden. Es sei deshalb im Gegensatz zu der vom Erstgericht vertretenen Ansicht davon auszugehen, daß das auf Zahlung eines Schmerzengeldes gerichtete Begehren des Klägers mangels Verschuldens der Beklagten nicht gerechtfertigt sei. Es sei daher mit der Abänderung des angefochtenen Teilzwischenurteiles in ein abweisliches Teilurteil vorzugehen gewesen. Über den restlichen Anspruch des Klägers sei vom Erstgericht nicht entschieden worden, weshalb auch dem Berufungsgericht darüber eine Entscheidung verwehrt sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Kläger hält die Revision zu Recht für zulässig, weil über die Verkehrssicherungspflicht bei Tennishallen und insbesondere darüber, ob die Richtlinien des internationalen Tennisverbandes hinsichtlich des seitlichen Auslaufes auch für Tennisanlagen, auf denen von den Benützern nur eine durchschnittliche Spielweise zu erwarten ist, maßgebend sind, keine Rechtsprechung vorliegt. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger meint einerseits, die von den jeweiligen Sportverbänden aufgestellten Richtlinien stellten lediglich Mindestanforderungen für die zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen dar, und andererseits, daß gerade ein Tennisspieler, der diesen Sport nur als Hobby betreibe, mehr Auslauf als der Spitzensportler brauche. Davon abgesehen stellten die kantigen T-Doppelträger eine Gefahrenquelle dar. Sie seien überdies ver- und zum Großteil abgedeckt gewesen. Die Verwendung von Dämmaterial hätte zweifellos zu einer Entschärfung beigetragen und sei durchaus zuzumuten gewesen. Eine diesbezügliche Sicherungspflicht sei daher nicht überspannt.

Diesen Ausführungen kann nicht zugestimmt werden.

Die Vorinstanzen sind in Übereinstimmung mit Lehre und Rechtsprechung davon ausgegangen, daß derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, alles vorzukehren hat, um Schädigungen zu hindern, soweit eine solche Gefahrenquelle für ihn bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennbar ist. Zutreffend haben die Vorinstanzen auch auf die Eigenverantwortlichkeit eines Sportlers, insbesondere durch Einhaltung einer Spielweise, die auf das vorhandene Raumangebot und die diesem angepaßte Geschwindigkeit Rücksicht nimmt, hingewiesen. Mit einer der Eigenverantwortlichkeit entsprechenden Spielweise des eine Tennishalle benützenden Sportlers darf derjenige, der eine solche Halle gewerblich zur Verfügung stellt, grundsätzlich rechnen. Er darf also schon bei der Beurteilung der Frage, ob durch bestimmte räumliche Verhältnisse eine Gefährdung eines Tennisspielers eintreten kann, eine den örtlichen Gegebenheiten angepaßte Spielweise einkalkulieren, wobei auch von Bedeutung ist, daß der Tennisspieler, der einen Ball erreichen will, in seinem Bewegungsablauf keinesfalls von seinem Gegner, in der Regel aber auch nicht von seinem Mitspieler beim Doppelspiel behindert wird. Es werden daher vom Betreiber einer Tennishalle nur diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen sein, die er bei verständiger und gewissenhafter Beurteilung als zur Abwehr von Gefährdungen eines der Eigenverantwortlichkeit genügenden Spielers erforderlich halten muß. Würde man die dem Tennisspieler zumutbare Eigenverantwortlichkeit und die dieser entsprechende Verhaltensweise bei der Frage, ob und in welchem Umfang vom Betreiber einer Tennishalle Sicherungsmaßnahmen zu treffen sind, außer Acht lassen, käme das der Forderung nahe, daß jede denkbare Gefährdung und nicht erst jene Gefährdung abzusichern wäre, die für einen Sachkundigen die Möglichkeit einer Körperverletzung nahelegt. Es ist daher zu fragen, ob einem gewissenhaften und sachkundigen Betreiber einer Tennishalle unter den festgestellten Verhältnissen eine Körperverletzung eines sich auf die Raumverhältnisse einstellenden Tennisspielers durch die vorhandenen T-Träger als möglich erscheinen mußte. Dabei spielen die vom Kläger ins Treffen geführten Richtlinien für internationale Tennismeisterschaften schon deshalb keine entscheidende Rolle, weil die Verletzung nicht bei einer solchen Meisterschaft erfolgte und solche Richtlinien jedenfalls nicht ausschließlich dem Schutz der körperlichen Sicherheit der Spieler dienen. Stellt man aber auf Letztere ab und geht man davon aus, daß es diesbezüglich keine Normen gibt, ist zumindest bei einem Seitenabstand von 2,7 m zwischen äußerer Seitenlinie des Spielfeldes und der Hallenwand (Träger) damit zu rechnen, daß kein Tennisspieler, der den Anforderungen der Eigenverantwortlichkeit genügt und die sich daraus ergebende Spielweise praktiziert, durch die in dieser Entfernung vorhandenen T-Träger, mögen sie auch bis zu einer Höhe von 2 m abgedeckt sein, verletzt werden könnte. Daraus folgt aber, daß eine Absicherung dieser Träger nicht zu fordern ist und die Unterlassung einer Absicherung nicht als Verschulden des Betreibers der Tennishalle angesehen werden kann, wobei es auf die Frage der Zumutbarkeit einer solchen Absicherung aus Kostengründen gar nicht ankommt. Liegt aber kein Verstoß der Beklagten gegen die Verkehrssicherungspflicht vor, dann kann der verletzte Tennisspieler vom Betreiber der Tennishalle auch einen allfälligen Schaden nicht ersetzt verlangen. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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