OGH 9Os187/85

OGH9Os187/8518.12.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Dezember 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hausmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michael S*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Michael S*** und die Berufung der Staatsanwaltschaft Linz gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 24.Juni 1985, GZ 24 Vr 3046/84-80, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten S*** wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Michael S*** auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 17.Mai 1967 geborene Christian Klaus F***, der am 2.September 1958 geborene Michael S*** und der am 18.Februar 1961 geborene Arno Friedrich Günther A*** (zu A 1) des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs. 1 StGB, Michael S*** und Arno A*** (zu A 2 und A 3) des Verbrechens des Zwanges zur Unzucht nach § 203 Abs. 1 StGB, Michael S*** und Christian F*** (zu B und D) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und Christian F*** (zu C) des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 1 und 4 StGB schuldig erkannt.

Darnach haben

A) Michael S***, Arno A*** und Christian F*** am 11. Dezember 1984 in Linz im einvernehmlichen Zusammenwirken die Berthilde I*** mit Gewalt gegen ihre Person, indem sie ihr Faustschläge und Ohrfeigen versetzten, ihr den Mund zuhielten, sie an den Haaren rissen, sie zu Boden warfen, dort festhielten und ihr die Kleider vom Körper rissen, widerstandsunfähig gemacht und in diesem Zustand

1) Michael S***, Arno A*** und Christian F*** zum außerehelichen Beischlaf mißbraucht,

2) Michael S*** zur Durchführung eines Analverkehrs und eines Mundverkehrs, sohin zur Unzucht, mißbraucht,

3) Arno A*** zur Durchführung eines Mundverkehrs, sohin zur Unzucht, mißbraucht,

B) Michael S*** am 11.Dezember 1984 in Linz die Berthilde

I*** durch Versetzen von Faustschlägen ins Gesicht, wodurch sie Schwellungen und Blutergüsse im Gesicht erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt,

C) Christian F*** am 11.Dezember 1984 in Linz eine fremde

bewegliche Sache, nämlich eine Brieftasche mit mindestens 9.000 S, der Berthilde I*** unter Ausnützung des unter A) beschriebenen Zustandes, der sie hlflos machte, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und

D) Christian F*** am 5.Dezember 1984 in Linz die nachstehenden

Personen vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar:

1) den Peter G*** durch Versetzen von Schlägen, wodurch dieser eine Hautabschürfung am linken Unterarm sowie eine Verletzung am rechten Mittelfinger erlitt,

2) den Herbert G*** durch Versetzen von Schlägen, wodurch dieser eine Kieferprellung erlitt, und

3) die Elvira M***, verehelichte G***, durch Versetzen eines Trittes in den Unterbauch, wodurch sie ein stumpfes Bauchtrauma erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Die allein vom Angeklagten S*** dagegen aus den Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde - die Angeklagten F*** und A*** verzichteten auf

Rechtsmittel - ist'teilweise offenbar unbegründet, teils entbehrt sie einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Da das Schöffengericht einvernehmliches Zusammenwirken der Angeklagten, also Mittäterschaft, annahm, ist es rechtlich bedeutungslos, ob der Beschwerdeführer die beiden übrigen Angeklagten aufforderte, die Kellnerin zu vergewaltigen; abgesehen davon findet - der Mängelrüge (Z 5) zuwider - die bekämpfte Konstatierung, wonach der Beschwerdeführer zu den beiden übrigen Angeklagten äußerte: "Jetzt machen wir durch, dann paßt alles, und dann haue ich sie nieder, sie kommt heute noch dran und wird geschustert" in der Verantwortung des Angeklagten A*** (vgl. Band I Seite 54 und Band II ON 79 S 68) - auf welche Verantwortung das Urteil Bezug nimmt: Band II Seite 96 - volle Deckung.

Keine entscheidende Tatsache betreffen bei der gegebenen Sachlage auch die als undeutlich gerügten schöffengerichtlichen Annahmen über die "exakte zeitliche Abfolge des Tatgeschehens". Können doch evidentermaßen voneinander unabhängige, teils auf Notzucht, teils auf Unzucht gerichtete Willensentschlüsse selbst bei einem zufolge seiner zeitlich knappen Aufeinanderfolge einheitlich wirkenden geschlechtlichen Angriff gefaßt werden

(vgl Leukauf-Steininger Komm 2 § 201 RN 25 und 26). Unzutreffend und zum Teil selbst mit der Aktenlage nicht im Einklang stehend ist die weitere Behauptung, der Beschwerdeführer habe sich zum Tathergang niemals zusammenhängend und in sich geschlossen geäußert, die tatrichterliche Schlußfolgerung, volle Berauschung scheide schon wegen einer derartigen Äußerung aus, sei also aktenwidrig. Denn bei all dem wird neglegiert, daß Prof.Dr. Jarosch an der in der Beschwerde zitierten Stelle seines Befundes bloß Angaben des Angeklagten während der Untersuchung wiedergibt (vgl Band I Seite 274 = Seite 36 des Gutachtens) und daß der Beschwerdeführer bei seinen früheren Aussagen - auf die sich das Erstgericht berief; vgl Band II Seite 96 - eine zusammenhängende Schilderung des Geschehensablaufes gab (vgl Band I Seite 59 ff und ON 5), er also - entgegen der Beschwerde - keineswegs "immer" darauf hingewiesen hatte, sich auf Grund seiner Alkoholisierung an nichts mehr erinnern zu können. Abgesehen hievon stützte das Schöffengericht die bekämpfte Annahme, dem Angeklagten S*** könnten die Voraussetzungen des § 287 StGB nicht zugebilligt werden, vor allem auf das für schlüssig befundene Gutachten des medizinischen Sachverständigen Prof.Dr.Jarosch (vgl abermals Bd II Seite 96) und führte es die Erinnerungsfähigkeit des Beschwerdeführers nur als ergänzendes Indiz ins Treffen. Da Unzucht im Sinne eines geschlechtlichen Mißbrauches schon dann vorläge, wenn der Beschwerdeführer sein Glied mit dem Mund beziehungsweise dem After des Mädchens in Berührung brachte (vgl Mayerhofer-Rieder StGB 2 § 203 Nr 5 ff) kommt der Frage, ob er mit dem Penis in die genannten beiden Körperteile eindrang, keine rechtliche Bedeutung zu; im übrigen hat die Zeugin I***, welcher das Erstgericht vollen Glauben schenkte (Band II Seite 96) - sowohl Oral- als auch Analverkehr, begangen durch den Beschwerdeführer, bekundet (vgl Bd I Seite 37, 289) und bezüglich des Analverkehrs in der Hauptverhandlung (vgl Bd II Seite 74) erklärt, der Beschwerdeführer sei "kaum" - also in geringem Maß doch - in sie anal eingedrungen. Schließlich hat der Angeklagte S*** selbst im Vorverfahren (vgl Bd I Seite 59 ff und ON 5) den Oralverkehr ausdrücklich zugestanden und in der Hauptverhandlung (Bd II Seite 67) als "möglich" bezeichnet und kann endlich angesichts der Bißverletzung an seinem Penis nicht bezweifelt werden, daß er sich mit diesem im Mund der Kellnerin befand. Daß unter diesen Umständen und angesichts der im § 270 Abs. 2 Z 5 StPO normierten gedrängten Begründungspflicht die Erklärung des Angeklagten F*** in der Hauptverhandlung, er habe von einem allfälligen Oral- und Analverkehr nichts bemerkt, keiner ausdrücklichen Würdigung bedurfte, muß nicht weiter erläutert werden. Angesichts des oben erwähnten Sachverständigengutachtens und der im Vorverfahren an den Tag gelegten Erinnerungsfähigkeit des Beschwerdeführers war es auch nicht erforderlich, auf seine in der Hauptverhandlung behaupteten großen Erinnerungslücken sowie darauf näher einzugehen, daß der Umfang des Alkoholkonsums im Tatzeitraum von seinen üblichen Trinkgewohnheiten abwich. Es kann also auch insoweit von Unvollständigkeit nicht die Rede sein. Wo aber Unvollständigkeiten im Zusammenhang mit der zeitlichen Abfolge der einzelnen Tathandlungen gelegen sein sollen, wird in der Beschwerde nicht weiter substantiiert und kann hierauf mangels sachlichen Substrates nicht weiter eingegangen werden. Daß endlich die in der Beschwerde vermißten Erörterungen der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten und des Mitverschuldens der Zeugin I*** keine entscheidenden Tatsachen im Sinne der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO betreffen sondern allenfalls für die Strafbemessung und damit für die Berufung von Belang sein können, ist evident und wird vom Rechtsmittelwerber selbst eingeräumt; die darauf bezüglichen Beschwerdeausführungen können mithin im Nichtigkeitsverfahren auf sich beruhen.

Der Rechtsrüge des Angeklagten (Z 9 lit a und 10) ist generell und zusammenfassend zu erwidern, daß sie teils erstinstanzliche Konstatierungen außer acht läßt, teils von gegenteiligen Tatsachenannahmen ausgeht, also insgesamt die geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgründe nicht zur prozeßordnngsgemäßen Darstellung bringt:

Mit seiner Behauptung, der als erwiesen angenommene Anal- beziehungsweise Oralverkehr habe keinesfalls auf einem eigenständigen Willensentschluß beruht sondern sei in unmittelbarem Zusammenhang mit der von ihm gesetzten Notzuchtshandlung begangen worden, setzt er sich in Widerspruch zur konträren, mit den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung im Einklang stehenden tatrichterlichen Feststellung, wonach die Unzuchtshandlungen auf neuen Willensentschlüssen basierten (Bd II Seite 97). Gleiches gilt für das Vergehen der Körperverletzung, das der Beschwerdeführer erst beging, nachdem ihn das Mädchen in den Penis gebissen hatte (vgl abermals Bd II Seite 97).

Mit seiner Behauptung hinwieder, das Erstgericht hätte ihm angesichts des festgestellten Blutalkoholwertes, seiner sonstigen Trinkgewohnheiten, des Umstandes, daß sein Tatverhalten zu seinem sonstigen Lebenswandel in auffallendem Widerspruch stehe und seiner Erinnerungslücken konzedieren müssen, daß er sich im Tatzeitpunkt in einem seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand befand, wendet er sich der Sache nach gegen die Beweiswürdigung des Schöffensenates, der auf Grund des von ihm für schlüssig befundenen Gutachtens des medizinischen Sachverständigen (Bd I ON 28 und Bd II Seite 79 ff), der im Vorverfahren an den Tag gelegten Erinnerungsfähigkeit des Beschwerdeführers und seiner Fähigkeit, Geschlechtsverkehr und Unzuchtshandlungen an Berthilde I*** vorzunehmen, in freier Beweiswürdigung

zu - unbekämpfbaren - Tatsachenschlüssen gelangt war, die einer Anwendbarkeit des § 287 StGB entgegenstehen.

Nach dem Gesagten war mithin die Nichtigkeitsbeschwerde als offenbar unbegründet nach § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach der Z 1 dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufungen der Staatsanwaltschaft (hinsichtlich sämtlicher Angeklagten) und die des Angeklagten S*** wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung abgesprochen werden. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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