OGH 1Ob671/85

OGH1Ob671/8511.12.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Hedwig A***, Zeitungsausträgerin, Salzburg, Bernhard-Stuartstraße 6, vertreten durch Dr.Reinhold Glaser, Rechtsanwalt in Salzburg, wider den Antragsgegner Friedrich A***, Angestellter, Salzburg, Innsbrucker Bundesstraße 22, vertreten durch Dr.Hartmut Ramsauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 14.August 1985, GZ.33 R 110/85-43, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 29.Dezember 1984, GZ.21 F 10/82-38, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird insoweit zurückgewiesen, als die Kostenentscheidung bekämpft wird. Im übrigen wird dem Revisionsrekurs teilweise Folge gegeben; Punkt 4 Abs.1 und Abs.2 des Beschlusses des Erstgerichtes wird dahin abgeändert, daß er zu lauten hat: "Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner für die Einräumung des unter Punkt 3 genannten Fruchtnießungsrechtes auf dessen Dauer, beginnend einen Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses, eine Ausgleichszahlung von S 2.000 monatlich, mindestens aber insgesamt einen Betrag von S 300.000 bei Exekution zu bezahlen. Bei nicht rechtzeitiger Bezahlung von drei aufeinanderfolgenden Raten tritt Terminsverlust ein."

Im übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben. Die Kosten des Rekursverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Begründung

Die am 16.10.1955 geschlossene Ehe der Streitteile wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 1.4.1982, 1 Cg 188/81-30, gemäß § 55 Abs.3 EheG geschieden. Es wurde ausgesprochen, daß das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe den Antragsgegner treffe. Die eheliche Gemeinschaft der Streitteile war am 3.4.1975 aufgehoben worden. Die seinerzeitige Ehewohnung befindet sich auf dem im gleichteiligen Eigentum der Streitteile stehenden, 1962 erworbenen Einfamilienhaus Salzburg, Bernhard-Stuartstraße 6 (EZ 897 KG Lepoldskron). Das Haus enthält fünf Zimmer, eine Küche und zwei Bäder. Der Antragsgegner ist verpflichtet, der Klägerin einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 3.750 zu bezahlen. Der Antragstellerin stehen auf Grund eines mit dem Antragsgegner geschlossenen Vergleiches Einnahmen von insgesamt S 2.800 monatlich aus der Vermietung zweier Dachzimmer samt Reinigung, Wäsche, Heizung und Strom zu. Sie hat aber sämtliche Betriebskosten des Hauses zu tragen. Diese betragen derzeit monatlich S 3.500.

Die Antragstellerin begehrt in ihrem am 23.4.1982 gestellten Antrag die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens derart, daß jeder Teil Hälfteeigentümer der EZ 897 KG Leopoldskron bleibe, zu ihrem Gunsten aber auf der Hälfte des Antragsgegners ein lebenslängliches Fruchtgenußrecht begründet und einverleibt werde. Sie wohne in der seinerzeitigen Ehewohnung und sei auf deren Benützung angewiesen.

Der Antragsgegner sprach sich dagegen aus; er wäre bereit, das Haus, das einen Verkehrswert von S 2 Mill. habe, zu verkaufen und den Erlös mit der Antragstellerin zu teilen, so daß sich beide eine Wohnung anschaffen könnten.

Die in der Tagsatzung vom 29.7.1983 angeordnete Schätzung des Hauses konnte nicht durchgeführt werden, da die Antragstellerin erklärte, das Gericht und den Sachverständigen das Haus nicht besichtigen zu lassen. Der Beschluß des Erstgerichtes vom 14.6.1984, ON 21, mit dem wegen der Weigerung der Antragstellerin, die Liegenschaft schätzen zu lassen, ihr Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens als zurückgezogen erachtet wurde, wurde mit Beschluß des Rekursgerichtes vom 9.8.1984, 33 R 474/84-27, aufgehoben. Noch vor der für den 3.10.1984 angesetzten nächsten Tagsatzung richtete die Antragstellerin am 1.10.1984 ein Schreiben an das Gericht, in dem sie bekanntgab, daß sie "das laufende Verfahren zurückziehe". Zu Beginn der Tagsatzung vom 3.10.1984 brachte sie aber vor, sie habe damit nur zum Ausdruck bringen wollen, daß sie einer von ihr nicht beantragten Schätzung nicht zustimme, sie möchte aber den Antrag auf Aufteilung aufrecht erhalten. Der Antragsgegner brachte hiezu vor, daß er mit der Aufteilung in der Weise einverstanden sei, daß die Liegenschaft verkauft und die Antragstellerin 60 % des Erlöses erhalte. Erst in der nächsten Tagsatzung vom 29.10.1984 erklärte er, daß er sich wegen der Rückziehung des Antrages durch die Antragstellerin nicht mehr in das Verfahren einlasse.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Streitteile je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 897 KG Leopoldskron bleiben, der Antragstellerin die eheliche Wohnung zugewiesen und ihr das lebenslängliche Recht der Fruchtnießung am Liegenschaftshälteanteil des Antragsgegners eingeräumt werden sowie der Antragsgegner schuldig sei, in die bücherliche Eintragung dieses Rechtes einzuwilligen; die Rechte und Pflichten der Streitteile bestimmten sich nach den §§ 511 ff.ABGB (Punkt 3). Die Antragstellerin wurde schuldig erkannt, für die Einräumung des Fruchtnießungsrechtes an den Antragsgegner eine Ausgleichszahlung von S 300.000 in wertgesicherten, pfandrechtlich sichergestellten monatlichen Raten a S 2.000 zu bezahlen (Punkt 4). Es stellte fest, die Antragstellerin verdiene als Zeitungsausträgerin monatlich S 5.461,52, der Antragsgegner als Zählerableser der Salzburger Stadtwerde S 16.312,94. Um Hausreparaturen durchführen zu können, habe die Antragstellerin 1983 einen Kredit von S 40.731 aufgenommen, der in monatlichen Raten von S 1.070 rückzuzahlen sei. Die gemeinsame Liegenschaft habe zumindest einen Wert von S 1,700.000. Beide Teile hätten zum Erwerb des Hauses gleichermaßen beigetragen. Nach den bei der Aufteilung zu berücksichtigenden Grundsätzen stehe der Antragstellerin als an der Ehescheidung unschuldigem Teil ein Wahlrecht für die Aufteilungsmodalitäten zu. Ihr Wunsch sei es, daß alles so bleibe wie bisher und der Antragsgegner gehindert werde, seinen Hausanteil zu veräußern oder den Bestand ihres Anteiles zu gefährden. Die Einräumung eines Fruchtgenußrechtes gegen eine Ausgleichszahlung sei daher die einzige Möglichkeit, um der Antragstellerin hinreichenden Schutz zu gewähren. Da die Übertragung eines Hälfteanteiles aus finanziellen Gründen nicht möglich sei, müsse in Kauf genommen werden, daß die Lebensbereiche der Streitteile nicht vollkommen getrennt werden könnten. Obgleich für die Antragstellerin nach der Ehescheidung unterhaltsrechtlich nach wie vor § 94 ABGB gelte, bedeute dies nicht, daß sie keinerlei Entgelt für die Einräumung des Fruchtgenußrechtes im Wege der Aufteilung zu leisten habe. Eine Ausgleichszahlung von S 300.000 erscheine im Hinblick auf den Mindestwert der Liegenschaftshälfte des Antragsgegners angemessen. Die schriftlich erfolgte Antragsrückziehung durch die Antragstellerin sei, da nur das in der mündlichen Verhandlung Vorgetragene Prozeßstoff werden könne, wirksam zu Beginn der Tagsatzung vom 3.10.1984 widerrufen worden. Beide Teile erhoben Rekurs. Der Antragsgegner beantragte, der Antragstellerin eine Ausgleichszahlung von S 800.000 aufzuerlegen, allenfalls ihm die der Antragstellerin gehörige Liegenschaftshälfte ins Eigentum gegen Auferlegung einer billigen Ausgleichszahlung zu übergeben, allfenfalls das Verfahren wegen Rückziehung des Antrages für nichtig zu erklären und durch Beschluß auszusprechen, daß die Zurücknahme des Antrages zur Kenntnis diene. Die Antragstellerin begehrte die Abänderung dahin, daß die Auferlegung einer Ausgleichszahlung zu entfallen habe.

Das Rekursgericht gab den Rekursen beider Teile nicht Folge. Es sprach aus, daß die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz gegenseitig aufgehoben werden. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte es für zulässig. Das Erstgericht habe gemäß § 273 ZPO zutreffend den Wert der Liegenschaft nach freier Überzeugung festgesetzt. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragstellerin gingen klar aus dem Akt hervor. Einer weiteren Erörterung, ob sie in der Lage sei, die festgesetzten Ausgleichszahlungen zu erbringen, habe es daher nicht bedurft. Die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens an einem zur Ehewohnung bestimmten Haus, das im Hälfteeigentum der Streitteile stehe, könne durch Einräumung eines Fruchtgenußrechtes an dem Hälfteanteil des Gegners gegen eine Ausgleichszahlung erfolgen. Der Wunsch des an der Auflösung der Ehe schuldlosen Teiles nach einer seinen Vorstellung und Interessen entsprechenden Auseinandersetzungsart solle anerkannt werden. Es widerspräche ganz und gar dem an den sittlichen Grundlagen der Rechtsordnung orientierten Gerechtigkeitsempfinden, dem an der Zerstörung der ehelichen Lebensgemeinschaft schuldlosen Teil zu der sich daraus ergebenden ungewollten Lastenfülle auch noch eine seinen Vorstellungen und Interessen widersprechende Auseinandersetzungsart aufzuzwingen. Der Wunsch der Antragstellerin auf Übernahme des Hauses sei also zu respektieren. Bei der Ermittlung der Ausgleichszahlung solle ein für beide Teile tragbares Ergebnis gefunden werden, durch das der ausgleichsberechtigte frühere Ehegatte angemessen, aber in einem dem zahlungspflichtigen Teil wirtschaftlich zumutbaren Weise abgefunden werde. Die Folgen der Ehescheidung sollten in wirtschaftlicher Hinsicht in einer für beide Ehegatten möglichst ausgeglichenen Weise geregelt werden, doch bestehe auf Grund der Aufteilung nach Billigkeit die Möglichkeit, daß der an der Ehescheidung unschuldige Teil in einem gewissen Ausmaß besser bedacht werde als der schuldige. Andererseits fordere der Grundsatz der Billigkeit vom Ausgleichspflichtigen, daß er seine Kräfte entsprechend anspanne, um eine angemessene Ausgleichszahlung leisten zu können. Deshalb sei als Ausgleichszahlung nicht etwa der Betrag festzusetzen, den der Zahlungspflichtige bequem aufbringen könne; die Zahlungsmodalitäten seien so festzulegen, daß der ausgleichspflichtige, an der Ehscheidung schuldlose Teil nicht in unzumutbare Bedrängnis komme und eine schmerzlich empfundene Einschränkung seines Lebensstandards auf sich nehmen müsse. Die vom Erstgericht festgesetzte Ausgleichszahlung sei, ausgehend von einem Wert des Hälfteanteiles von rund S 850.000, als angemessen zu betrachten. Ein Betrag von rund S 2.000 monatlich müßte bei der Vermietung von drei Zimmern erzieltbar sein, so da dies ungefähr dem Betrag entspreche, den der Antragsgegner aus der Vermietung seines Hausanteiles gewinnen könnte. Die einseitige Rückziehung eines einmal gestellten Aufteilungsantrages sei nicht möglich, weil auch der Gegner durch die Antragstellung einen Anspruch auf eine Sachentscheidung erworben habe. Das Erstgericht habe zwar eine Kostenentscheidung unterlassen, es erscheine aber gemäß § 234 AuStrG billig, die Kosten beider Instanzen gegeneinander aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Soweit der Antragsgegner die Kostenentscheidung des Rekursgerichtes bekämpft, ist sein Rechtsmittel unzulässig; durch die Vorschrift des § 232 AußStrG wurde kein Weg zur Anfechtung der Kostenentscheidung eröffnet (EFSlg.44.806, 42.489; SZ 54/149 uva). Im übrigen ist sein Revisionsrekurs teilweise berechtigt. Es entspricht einhelliger Rechtsprechung und Lehre, daß zugunsten eines geschiedenen Ehegatten, dessen Wohnbedürfnis anders nicht gesichert werden könne, auch ein dingliches Recht an der Ehewohnung, etwa ein Fruchtgenußrecht am Miteigentumsanteil des anderen Ehegatten, eingeräumt werden könne (EFSlg.43.788; JBl.1982,321; SZ 53/81; SZ 52/145; 1 Ob 547/85; Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu §§ 87, 88 EheG; Koziol-Welser 7 II 214). Daß ein Fruchtgenußrecht an einem ideellen Miteigentumsanteil begründet werden kann, ist allgemein anerkannt (EvBl.1957/401; SZ 25/233; SZ 23/287; Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 509). Das Fruchtgenußrecht erfaßt dann die dem Miteigentümer zustehenden Nutzungsrechte (MietSlg.28.046; 1 Ob 547/85; Petrasch aaO Rdz 1 zu § 521).

Der Hauptantrag des Rekurswerbers wendet sich auch nicht gegen die wegen des Wohnbedürfnisses der Antragstellerin, aber auch wegen des den Antragsgegner an der Zerrüttung der Ehe treffenden Verschuldens (SZ 55/45; EFSlg.41.375 ua) den Billigkeitsgrundsätzen des Aufteilungsverfahrens entsprechenden Begründung eines Fruchtgenußrechtes der Antragstellerin. Er hält nur die ihm zuerkennte Ausgleichszahlung von S 300.000 zu gering. Dabei übersieht er aber, daß die Vorinstanzen nicht eine Übertragung seines Miteigentumsanteiles an die Antragstellerin, sondern nur die Einräumung eines Fruchtgenußrechtes anordneten. Dieses bewirkt zwar eine Wertminderung seines Miteigentumsanteiles, die in diesem Fall aufzuerlegende Ausgleichszahlung wird aber immer geringer zu bemessen sein als im Fall der Übertragung von Miteigentumsanteilen (1 Ob 547/85). Das Rekursgericht führte aber selbst aus, daß der monatliche Betrag von S 2.000 etwa dem entspräche, was bei der Vermietung von drei Zimmern an Mietzins erzielbar wäre. Einen solchen Betrag könnte der Antragsgegner daher auch bei Vermietung des gesamten Hauses kraft seines Hälfteanteiles erhalten. Schon daraus folgt aber, daß bei einer längeren Inanspruchnahme des Fruchtnießungsrechtes als 12,5 Jahre, mit der wegen des Alters der am 17.10.1931 geborenen Antragstellerin durchaus gerechnet werden kann, dem Antragsgegner ein entsprechendes wirtschaftliches Äquivalent vorenthalten würde. Dem Antragsgegner ist daher neben der wertgesicherten Zuerkennnung einer Ausgleichszahlung von S 300.000, die auch in monatlichen Raten zu entrichten ist, wenn das Fruchtgenußrecht nur kurz in Anspruch genommen werden sollte, bei längerer Ausübung des Fruchtnießungsrechtes für die darin liegende längere Eigentumsbeschränkung eine monatlich zu leistende Ausgleichszahlung von wertgesichert S 2.000 zuzuerkennen. In seinen Ausführungen zum ersten Eventualantrag (Übertragung des Miteigentumsanteiles der Antragstellerin an ihn gegen Auferlegung einer billigen Ausgleichszahlung) bringt er mit der Behauptung, die Vorinstanzen hätten eine Erörterung unterlassen, ob die Antragstellerin in der Lage sei, die festgesetzte Ausgleichszahlung zu erbringen, den Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Gleichfalls eine nur allenfalls vorliegende Mangelhaftigkeit des Verfahrens der Vorinstanzen bringt der Rekurswerber zur Darstellung, wenn er behauptet, ihm wäre der Schriftsatz der Antragstellerin vom 1.10.1984 mit dem Auftrag zur Stellungnahme zuzusenden gewesen. Im übrigen hat der Antragsgegner in der Tagsatzung vom 3.10.1984 nicht etwa behauptet, das Verfahren sei durch wirksame Rückziehung des Antrages beendet, er hat seinerseits Aufteilungsvorschläge erstattet. Die Beurteilung der Vorinstanzen, die Antragstellerin habe ihren Antrag nicht wirksam zurückgenommen, ist unbedenklich. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 234 AußStrG. Da keiner der Streitteile mit seinem Standpunkt im Rekursverfahren endgültig durchdrang, entsprach es der Billigkeit die Kosten gegeneinander aufzuheben.

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