OGH 9Os186/85

OGH9Os186/8511.12.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Dezember 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hausmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ivo A und einen anderen wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Fall StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Ivo A sowie die Berufung des Angeklagten Ladislav B gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 7. August 1985, GZ. 20 s Vr 2086/85-69, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten Ivo A die Kosten des Verfahrens über seine Nichtigkeitsbeschwerde zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch einen Verfolgungsvorbehalt (§ 315 Abs. 2 StPO.) enthält - wurden der 26-jährige Schlosser Ivo A und der 36-jährige Koch Ladislav B, beide Flüchtlinge tschechoslowakischer Staatsangehörigkeit, auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen u.a. des gemeinsam in zwei Angriffen begangenen Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 (erster und zweiter Fall) StGB. (Pkt. I/1 und 2 des Urteilsspruches) schuldig erkannt.

Darnach haben sie in Wien im einverständlichen Zusammenwirken als Beteiligte fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannten abgenötigt bzw. weggenommen, und zwar

1. am 30.November 1981 dem Helmut C 300 S Bargeld mit Gewalt (zu ergänzen: gegen dessen Person) und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe, nämlich eines Springmessers, indem ihm Ladislav B das geöffnete Springmesser am Hals anhielt sowie ihn mit einer Hand am Hals ergriff und zum Niederlegen zwang;

2. am 16.Dezember 1981 der Elisabeth D eine Geldtasche mit 67.000 S Bargeld und fünf Schecks im Gesamtwert von 1.000 S mit Gewalt (zu ergänzen: gegen deren Person), indem Ladislav B sie erfaßte und zurückzog, wodurch sie zu Sturz kam und Ivo

A ihr die Geldtasche samt Inhalt entriß.

Nur gegen den Schuldspruch wegen Raubes an Helmut C (I/1) richtet sich die nominell auf § 345 Abs. 1 Z. 12 StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ivo A, in der dieser der Sache nach - wie sich aus dem auf Freispruch lautenden Beschwerdeantrag ergibt - allerdings einen Rechtsirrtum im Sinn der Z. 11 lit. a geltend macht.

Im Rückgriff auf angebliche Ergebnisse des Beweisverfahrens wendet der Beschwerdeführer ein, daß darnach sein und seines Komplizen Vorsatz sich nur auf die Begehung eines Einbruchsdiebstahls in das Haus der Eltern des Helmut C erstreckt habe, doch seien sie dabei durch den Genannten überrascht worden; er habe Helmut C weder bedroht noch davon gewußt, daß ihm Geld weggenommen würde; er habe den Angeklagten Ladislav B bei der Tat weder psychisch noch physisch unterstützt, sei abgewendet mehrere Meter vom Tatgeschehen entfernt gestanden, habe kein Wort gesprochen und - wie dem Wahrspruch selbst (gemeint anscheinend: der Niederschrift der Geschwornen) zu entnehmen wäre - sich passiv verhalten. Daraus könne ein einverständliches Zusammenwirken mit dem Haupttäter nicht abgeleitet werden. Damit wird die Rechtsrüge nicht prozeßordnungsgemäß zur Darstellung gebracht.

Rechtliche Beurteilung

Voraussetzung der gesetzmäßigen Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes ist nämlich, daß sich die behauptete unrichtige Gesetzesanwendung ausschließlich aus der Vergleichung der im Wahrspruch der Geschwornen insgesamt enthaltenen und damit festgestellten (vgl. § 351 zweiter Satz StPO.) Tatsachen mit dem vom Schwurgerichtshof zur Anwendung gebrachten Strafgesetz ergibt. Die Prüfung der Stichhältigkeit des Beschwerdevorbringens kann der Oberste Gerichtshof daher nur unter Bindung an die im Wahrspruch getroffenen Feststellungen, und zwar auch hinsichtlich der subjektiven Tatseite vornehmen; der behauptete Rechtsirrtum muß aus dem Wahrspruch selbst nachgewiesen werden, ein Zurückgreifen auf wirkliche oder vermeintliche Verfahrensergebnisse, die im Wahrspruch keine Berücksichtigung fanden, ist ausgeschlossen (SSt. 42/34 u. v.a.).

Im vorliegenden Fall haben die Geschwornen die anklagekonform an sie gerichtete - hier allein interessierende - Hauptfrage 1, ob der Angeklagte Ivo A bei der zum Nachteil des Helmut C

begangenen Tat mit Ladislav B einverständlich zusammengewirkt hat, bejaht und damit - wie eine zulässige Interpretation des Wahrspruches (SSt. 44/13) ergibt - (in Übereinstimmung mit der ihnen zur Qualifikation des Gesellschaftsraubes erteilten Rechtsbelehrung) zum Ausdruck gebracht, daß der Beschwerdeführer die Tat des Angeklagten Ladislav B unterstützend am Tatort anwesend war. Indem der Beschwerdeführer - unter Bezugnahme auf eine im veröffentlichten Rechtssatz mißverständliche und insofern vereinzelt gebliebene Entscheidung (EvBl. 1975/251; siehe dazu Mayerhofer-Rieder, StPO. 2 , Anm. zu E. 11 bei § 345 Abs. 1 Z. 12) und in unzulässiger Würdigung der in der Niederschrift der Geschwornen angeführten Erwägungen (Mayerhofer-Rieder, StPO. 2 , E. 10 f. zu § 331) - diese Konstatierung der Geschwornen in ihrer entscheidenden Aussage übergeht und sie durch Hereinnahme von angeblichen Verfahrensergebnissen ins Gegenteil zu kehren sucht, führt er den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht dem Gesetz gemäß aus, weshalb seine Beschwerde schon bei einer nichtöffentlichen Beratung gemäß §§ 285 d Abs. 1, 344 StPO. in Verbindung mit §§ 285 a Z. 2, 344 StPO. sofort zurückzuweisen war. Zur Entscheidung über die von beiden Angeklagten ergriffenen Berufungen sind die Akten in sinngemäßer Anwendung der §§ 285 b Abs. 6, 344 StPO. dem (hiefür an sich zuständigen) Oberlandesgericht Wien zuzuleiten.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten Ivo A gründet sich auf § 390 a StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte