OGH 4Ob161/85

OGH4Ob161/8510.12.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HONProf. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer Dipl.Ing. Otto Beer und Dr. Friedrich Neuwirth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kunibert R***, Kraftfahrzeugmechaniker, Spital/Pyhrn 426, vertreten durch Rudolf Kaltenböck, Amtsstellenleiter der Arbeiterkammer Liezen, gegen die beklagte Partei ÖSTERREICHISCHE A*** Ö*** Aktiengesellschaft in Wien 21., Brünnerstraße 72, vertreten durch Dr. Walter Brachtel, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 35.504,23 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 24.Juni 1985, GZ 1 Cg 17/85-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Liezen vom 22.März 1985, GZ Cr 17/85-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat bei der beklagten Partei in der Zeit vom 1.9.1980 bis 29.2.1984 den Lehrberuf eines Kraftfahrzeugmechanikers erlernt. Im Lehrvertrag wurde zur Erfüllung der gesetzlichen Behaltepflicht (§ 18 Abs 1 BAG) ein befristetes Arbeitsverhältnis in der Dauer von vier Monaten für die Zeit nach Beendigung der Lehrzeit, also vom 1.3. bis 30.6.1984, abgeschlossen. Der Kläger leistete vom 1.4. bis 30.11.1984 den ordentlichen Präsenzdienst beim Österreichischen Bundesheer. Nach dem Ende des Präsenzdienstes lehnte die beklagte Partei eine Weiterbeschäftigung des Klägers unter Hinweis auf den in der Zwischenzeit erfolgten Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses ab.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage von der beklagten Partei die Zahlung eines der Höhe nach außer Streit stehenden Betrages von S 35.504,23 brutto sA an Lohn für die Zeit vom 1.12.1984 bis 28.2.1985 (das ist die restliche Behaltezeit) sowie anteiligem Urlaubszuschuß, Weihnachtsremuneration und Urlaubsabfindung.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Die Behaltepflicht des § 18 BAG sowie die im § 14 Abs2 ArbPlSichG angeordente Hemmung der Behaltefrist durch den Präsenzdienst seien auf die Prozeßparteien nicht anwendbar, weil sie ein befristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen hätten, das ohne Rücksicht auf eine Fristenhemmung durch Zeitablauf ende. Durch den Abschluß des befristeten Arbeitsverhältnisses sei die alleinige gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer für die Dauer von vier Monaten nach Beendigung der Lehrzeit zu behalten, in eine vertragliche Verpflichtung übergegangen, welche beide Teile binde. Die vertragliche Bindungswirkung gehe über die gesetzliche Bestimmung hinaus.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Aus dem der gesetzlichen Behaltepflicht zugrundeliegenden, auf eine Vervollkommnung der Kenntnisse und die Ermöglichung, in angemessener Zeit einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden, gerichteten Normzweck ergebe sich, daß die Behaltepflicht nach dem § 14 Abs2 ArbPlSichG auch dann gehemmt werde, wenn die Parteien in Befolgung dieser gesetzlichen Pflicht ein befristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen haben. Diese Hemmung sei eine Fortlaufhemmung, sodaß der in die Zeit des Präsenzdienstes fallende Teil der Behaltezeit nach dem Ende des Präsenzdienstes weiterlaufe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und billigte im wesentlichen die Rechtsauffassung des Erstgerichts. Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.

Der Kläger hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin hält an ihrer Auffassung fest, durch die Vereinbarung eines befristeten Arbeitsverhältnisses sei die im § 18 Abs 1 BAG angeordnete "alleinige" Behaltepflicht des Arbeitgebers in eine vertragliche Pflicht übergegangen, welche beide Teile binde. Das Ende eines befristeten Arbeitsverhältnisses trete durch Zeitablauf ein, ohne daß eine Hemmung im Sinne des § 14 Abs2 ArbPlSichG eintrete. Diese Bestimmung finde auf das befristete Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Die Auffassung, die in der Bestimmung angeordnete Hemmung sei eine Fortlaufhemmung und keine Ablaufhemmung, könne nicht als eine gesicherte Rechtsmeinung gelten, zumal der Wortlaut des Gesetzes eher auf eine Ablaufhemmung hindeute. Diesen Auffassungen kann nicht zugestimmt werden. Nach dem § 18 Abs 1 Berufsausbildungsgesetz (BAG) ist der Lehrberechtigte verpflichtet, den Lehrling, dessen Lehrverhältnis mit ihm gemäß dem § 14 Abs 1 oder dem § 14 Abs2 lit e endet, im Betrieb vier Monate im erlernten Beruf weiterzuverwenden. Diese Bestimmung bewirkt nicht etwa einen Vertragsabschluß ex lege; sie normiert lediglich eine einseitige Verpflichtung des Lehrberechtigten zum Abschluß eines entsprechenden Arbeitsvertrages, deren Nichtbefolgung dem Lehrling einen Anspruch auf Erfüllung, gegebenenfalls auch auf Schadenersatz gibt (Arb.10.276 mwH). Diese gesetzliche Verpflichtung des Lehrberechtigten erstreckt sich auch auf das Recht des Lehrlings, in seinem erlernten Beruf weiterverwendet zu werden. Der Lehrling besitzt daher insoweit ein Recht auf Beschäftigung (Kinscher, Berufsausbildungsgesetz 2 , Anm.3 zu § 18 BAG; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht 181). Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, ist der Abschluß eines befristeten Arbeitsverhältnisses zur Erfüllung der gesetzlichen und allenfalls zutreffenden kollektivvertraglichen Behaltepflicht des Lehrberechtigten - auch schon im Lehrvertrag - zulässig. Setzt der Lehrling unmittelbar nach dem Ende des Lehrverhältnisses seine Tätigkeit im Betrieb des Lehrberechtigten ohne weitere vertragliche Vereinbarung fort, wird regelmäßig ein schlüssig (§ 863 ABGB) zustandegekommenes Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit anzunehmen sein (Arb.10.276 mwH).

Die Rechtsgrundlage der Weiterbeschäftigung ist daher in allen Fällen eine (ausdrückliche oder schlüssige) Vereinbarung. Daneben bestehen aber die gesetzlichen (gegebenenfalls auch die kollektivvertraglichen) Bestimmungen über die Behaltepflicht betreffend die Mindestdauer von vier Monaten und die Verpflichtung zur Weiterverwendung des Lehrlings im erlernten Beruf (Recht auf Beschäftigung) fort. Die vertragliche Vereinbarung vermag diese zwingenden gesetzlichen Bestimmungen nicht aufzuheben. Daraus folgt, daß auf die gesetzliche Behaltefrist des § 18 Abs 1 BAG die Bestimmung des § 14 Abs2 ArbPlSichG über die Hemmung dieser Frist durch den Präsenzdienst ohne Rücksicht auf die Vereinbarung eines befristeten Arbeitsverhältnisses anzuwenden ist. Der Lehrberechtigte ist zur Weiterverwendung des ausgelernten Lehrlings während der Behaltezeit verpflichtet, gleichgültig ob er mit dem Lehrling einen befristeten oder unbefristeten Arbeitsvertrag oder gar keinen Arbeitsvertrag abschließt. Der Ablauf der viermonatigen Frist des § 18 Abs 1 BAG wird sohin auch in jedem Fall durch den Präsenzdienst gehemmt. Wollte man der Auffassung der beklagten Partei beistimmen, hätte es der Lehrberechtigte in der Hand, durch den Abschluß eines befristeten Arbeitsverhältnisses für die Dauer der Behaltezeit die Fristenhemmung des § 14 Abs2 ArbPlSichG zu umgehen. Entgegen der Meinung der Revisionswerberin ist die in dieser Gesetzesstelle angeordnete Hemmung eine Fortlaufhemmung, sodaß die Frist nach Wegfall des Hemmungsgrundes weiterläuft. Die Untergerichte haben dies unter Bezugnahme auf die Entscheidung Arb 9794 richtig erkannt. Der Normzweck des § 18 Abs 1 BAG ist offenkundig darauf gerichtet, dem ausgelernten Lehrling eine Vervollkommnung seiner in der Lehrzeit erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen sowie das Aufsuchen eines Arbeitsplatzes innerhalb einer angemessenen Zeit zu ermöglichen, falls ihn der Lehrberechtigte nicht weiterhin als Arbeitnehmer behält. Dieser Normzweck kommt aber nur dann zum Tragen, wenn dem ausgelernten Lehrling die Behaltezeit von vier Monaten ohne Rücksicht auf die durch den Präsenzdienst erfolgte Unterbrechung der Behaltezeit unverkürzt zur Verfügung steht.

Daraus folgt für den vorliegenden Fall, daß die beklagte Partei verpflichtet war, den Kläger im Anschluß an dessen Präsenzdienst vom 1.12.1984 bis 28.2.1985 weiterzubeschäftigen. Da sie dies abgelehnt hat, stehen dem Kläger die für diesen Zeitraum geltend gemachten Entgeltansprüche zu.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40 und 50 ZPO begründet.

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