OGH 10Os139/85

OGH10Os139/8510.12.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Dezember 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Regen als Schriftführerin in der Strafsache gegen Silvester H*** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (mit Bezug auf § 298 Abs 1) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 12.September 1985, GZ. 18 Vr 263/84-45, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Rzeszut, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Witt zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Silvester H*** des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (mit Bezug auf § 298 Abs 1) StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er sich am 16.Jänner 1984 in Salzburg zumindest fahrlässig durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und im Rausch Handlungen begangen, die ihm außer diesem Zustand als das (wiederholte) Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB zugerechnet würden, indem er in zwei Fällen unter Benützung der Polizeinotrufnummer (einer Behörde bzw.) einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten durch anonyme telefonische Mitteilungen die jeweilige Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung - nämlich: des Verbrechens der versuchten vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel nach §§ 15, 173 Abs 1 StGB - wissentlich vortäuschte, und zwar durch die Behauptungen

1. "In genau 27 Minuten geht im Hotel E*** eine Bombe los, ist das klar?" und

2. "In 8 Minuten auf der Lehener Brücke eine Bombe, danke!".

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z 9 lit. a und lit. b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu.

In bezug auf die zweite Rauschtat bekämpft der Beschwerdeführer mit dem Einwand, das Erstgericht hätte den betreffenden Anruf bei unbefangener Würdigung von dessen Wortlaut und Art nicht im Weg einer Textergänzung als "falschen Bombenalarm" beurteilen dürfen, der Sache nach die Feststellung des Sinngehalts jener Mitteilung (Z 5), indessen zu Unrecht.

Deren Ausdeutung dahin, daß er solcherart zwar nicht ausdrücklich, jedenfalls aber sinngemäß ankündigte, die von ihm relevierte Bombe werde zur angegebenen Zeit an der bezeichneten Stelle (nicht nur deponiert sein, sondern) explodieren (US 5), steht nämlich sehr wohl mit den Denkgesetzen und mit allgemeiner Lebenserfahrung vollauf im Einklang. Indem der Beschwerdeführer eine andere, für ihn günstigere Wertung dieser Äußerung anstrebt, bekämpft er der Sache nach bloß unzulässig die schöffengerichtliche Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung.

Außerdem wäre aus dem angestrebten rein wörtlichen Verständnis der in Rede stehenden Äußerung für den Angeklagten (in Ansehung des verdeckten Delikts) gar nichts zu gewinnen, weil er auch in diesem Fall eine wissentliche Vortäuschung im Sinn des § 298 Abs 1 StGB begangen hätte, die sich dann eben auf eine andere strafbare Handlung bezogen hätte, und zwar zumindest auf das Vergehen der fahrlässigen Gemeingefährdung (§ 177 Abs 1 StGB); an der rechtlich zutreffenden Beurteilung des Grunddelikts durch das Erstgericht könnte sich dadurch nichts ändern. Die erörterte Behauptung eines Begründungsmangels betrifft daher zudem keine im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes entscheidende Tatsache. Verfehlt hinwieder ist die Rechtsansicht des Beschwerdeführers (Z 9 lit. a), auf der subjektiven Tatseite des § 298 Abs 1 StGB reiche ein bloß bedingter Tätervorsatz (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB), die Behörde zu einer den Gegenstand einer wissentlich falschen Anzeige betreffenden (überflüssigen) Ermittlungstätigkeit zu veranlassen, nicht aus.

Denn im Schutz der Rechtspflege gegen die mißbräuchliche Inanspruchnahme von Strafverfolgungsbehörden (§ 151 Abs 3 StGB) liegt zwar gewiß (vgl. Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 1, Pallin im WK, Rz 1, jeweils zu § 298) der Zweck der hier aktuellen Strafbestimmung (§ 298 StGB), doch hat letzterer im Gesetz nur insofern Niederschlag gefunden, als das freiwillige Bewirken des Unterbleibens behördlicher Ermittlungen (als Tatfolge) zur Straflosigkeit führt (Abs 2), nicht hingegen im Tatbestand selbst (Abs 1); gleichermaßen wie es auf der objektiven Tatseite (für die Deliktsvollendung) - arg "vortäuscht" im Gegensatz zu "Täuschung über" (§§ 108, 146 ua StGB) - nicht darauf ankommt, ob das Vortäuschen der strafbedrohten Handlung Erfolg hat oder nicht, ist es daher auch in subjektiver Hinsicht überhaupt ohne Belang, aus welchem Motiv und zu welchem Zweck dieses Vortäuschen unternommen wird (vgl. EB 448; Mayerhofer-Rieder, StGB 2 , Anm. 1 zu § 298; bezüglich der Deliktsvollendung aM Pallin aaO Rz 9, 10). Dadurch, daß das Schöffengericht mit der Annahme, der Angeklagte habe durch seine Anrufe in beiden Fällen die Polizei zu Einsätzen veranlassen "wollen" (US 6), auch die Möglichkeit eines insoweit bloß bedingten Vorsatzes seinerseits offenließ (US 8/9), ist dementsprechend bei der Unterstellung seiner Rauschtaten unter § 298 Abs 1 StGB schon deswegen kein Rechtsirrtum unterlaufen. Anzeigen allerdings, die derart absurd sind, daß nicht einmal die abstrakte Gefahr überflüssiger behördlicher Ermittlungen besteht, scheiden - unabhängig von einem dahingehenden Tätervorsatz - wegen absoluter Täuschungsuntauglichkeit (im Weg einer teleologischen Tatbestandsreduktion durch sinngemäße Anwendung des § 15 Abs 3 StGB) aus dem Strafbarkeitsbereich aus (vgl. Leukauf-Steininger aaO RN 6; im Ergebnis ebenso, jedoch von seiner Position bezüglich der Deliktsvollendung her folgerichtig in direkter Anwendung des § 15 Abs 3 StGB, Pallin aaO Rz 9; ähnlich bei absoluter Täuschungsuntauglichkeit von Urkunden EvBl. 1983/113, 1978/200 ua), weil bei abstrakten Gefährdungsdelikten (wie hier:

vgl. EB 448; Leukauf-Steininger aaO RN 6; Pallin aaO RZ 1), dann, wenn jede Möglichkeit einer konkreten Gefährdung des vom Tatbestand geschützten Rechtsgutes im Einzelfall (aus der "ex ante"-Sicht eines verständigen Beobachters) überhaupt ausgeschlossen ist (vgl. Jescheck 3 212), eine Strafwürdigkeit des an sich verpönten Verhaltens nach ähnlichen Kriterien zu verneinen ist, die den Gesetzgeber für die Fälle der absoluten Untauglichkeit eines (an sich strafbaren) Versuchs zur Anordnung der Straflosigkeit bewogen haben.

Das weitere Beschwerdevorbringen (Z 9 lit. a), für jeden vernunftbegabten Durchschnittsmenschen habe es klar sein müssen, daß falsche Warnungen über den Polizeinotruf wie in den hier zu beurteilenden Fällen lediglich ein Einschreiten der Exekutive in der Wohnung des Anrufers zur Folge haben würden, betrifft daher nicht, wie der Angeklagte vermeint, die Tatbestandsmäßigkeit seines Vorsatzes nach § 298 Abs 1 StGB, sondern vielmehr die Frage nach der Täuschungstauglichkeit seines Verhaltens in bezug auf dessen Eignung, tatsächlich behördliche Ermittlungen über das behauptete unmittelbare Bevorstehen von Bombenattentaten auszulösen. Insoweit aber geht die Rechtsrüge bereits darum fehl, weil auch die Überprüfung der Glaubwürdigkeit einer Anzeige bereits zu jenen Erhebungen zählt, die durch das Vortäuschen der Begehung einer strafbedrohten Handlung verursacht werden und dementsprechend zu einer überflüssigen Belastung der Strafverfolgungsbehörden führen (vgl. Pallin aaO Rz 10). Die Tauglichkeit einer Täuschungshandlung zur Veranlassung derartiger Ermittlungen reicht demnach zur Annahme eines in der betreffenden Vortäuschung gelegenen Verstoßes gegen den Schutzzweck des § 298 Abs 1 StGB durchaus hin.

Von einer mangelnden Strafwürdigkeit der Tat im Sinn des § 42 StGB schließlich /Z 9 lit. b) kann im vorliegenden Fall gleichfalls keine Rede sein. Vermag doch der Beschwerdeführer, dem auf Grund seines chronischen Alkoholmißbrauchs nach Art eines Quartaltrinkens (vgl. S 163) sowohl die Auswirkungen alkoholischer Getränke auf ihn als auch die sie verstärkende Wirkung der von ihm eingenommenen Schmerztabletten bekannt waren (US 4/5, 9), keine Umstände aufzuzeigen, derentwegen seine Schuld an der Herbeiführung seiner vollen Berauschung im Vergleich zu dem für das Vergehen nach § 287 Abs 1 StGB deliktstypischen Schuldgehalt deutlich unter der Norm läge. Eine Straflosigkeit des dem Angeklagten zur Last fallenden Tatverhaltens nach § 42 Abs 1 StGB kommt daher schon mangels einer nach Z 1 dieser Gesetzesstelle hiezu vorauszusetzenden bloß geringen Schuld des Täters nicht in Betracht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 287 Abs 1 StGB zu drei Monaten Freiheitsstrafe; dabei wertete es keinen Umstand als mildernd, die Wiederholung der (gemeint: Rausch-) Tat hingegen als erschwerend.

Auch der Berufung des Angeklagten, mit der er die Gewährung bedingter Strafnachsicht sowie allenfalls eine Strafherabsetzung anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Für die Annahme einer Tatbegehung aus Unbesonnenheit ist im Hinblick auf die Neigung des Berufungswerbers zum Alkoholmißbrauch kein Raum; ebensowenig kann davon gesprochen werden, daß er die noch nicht einmal zwei Jahre zurückliegende Tat schon vor längerer Zeit begangen oder ein reumütiges Geständnis abgelegt hätte; die Rauschtaten schließlich, mit denen er den Tatbestand des § 298 Abs 1 StGB sehr wohl zweimal verwirklicht hat, sodaß ihm die Wiederholung mit Recht als erschwerend angelastet wurde, sind keineswegs beim Versuch geblieben und haben mit Rücksicht auf den überflüssigen Erhebungsaufwand, den sie zur Folge hatten, durchaus einen (sei es auch nicht allzu schwerwiegenden) Schaden nach sich gezogen.

Die Dauer der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe ist dementsprechend nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) mit drei Monaten gewiß nicht zu hoch ausgemessen worden; einer bedingten Strafnachsicht aber konnte im Hinblick auf sein erheblich getrübtes Vorleben jedenfalls aus Gründen der Spezialprävention (§ 43 Abs 1 StGB) nicht nähergetreten werden. Der Berufung mußte daher gleichfalls ein Erfolg versagt bleiben.

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