OGH 11Os164/85

OGH11Os164/853.12.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Dezember 1985 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Huber als Schriftführer in der Strafsache gegen Erich M*** und andere wegen des Finanzvergehens der (gewerbsmäßigen) Hinterziehung von Eingangsabgaben nach den §§ 35 Abs. 2, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG und anderer strafbarer Handlungen aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 12.Juni 1985, GZ 7 Vr 984/83-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

  1. 1. Das Rechtsmittelverfahren wird unterbrochen.
  2. 2. Gemäß dem Art. 89 Abs. 2 B-VG wird beim Verfassungsgerichtshof der Antrag gestellt, den § 18 Abs. 1 und 2 Außenhandelsgesetz 1984, BGBl. 1984/184, in der Fassung des BGBl. 1985/11, zur Gänze, allenfalls nur die Wortgruppe des ersten Satzes des Abs. 1: "... und in den Fällen des § 17 Abs. 2 und 3 auf Einziehung ..." sowie die Wörter "Strafurteil" und "Beschluß" im dritten Satz des Abs. 1 einschließlich der Klammern um das dort zweimal verwendete Wort Bescheid als verfassungswidrig aufzuheben.

Text

Gründe:

I. Mit dem Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 12. Juni 1985, GZ 7 Vr 984/83-25, wurden die Angeklagten Erich M***, Ludwig F*** und Franz E*** des Finanzvergehens der (gewerbsmäßigen) Hinterziehung von Eingangsabgaben nach den §§ 35 Abs. 2, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG (A I und B), des Vergehens nach dem § 223 Abs. 2 StGB (A II und B), des Vergehens nach dem § 17 Abs. 1 Z 4, Abs. 2 AußHG (A III und B) sowie des Vergehens nach dem § 24 Abs. 1 lit. b DevG (C) schuldig erkannt.

Über die Angeklagten wurden unter Bedachtnahme auf die §§ 28 StGB und 22 FinStrG, nach dem § 35 Abs. 4 FinStrG in Verbindung mit dem § 38 Abs. 1 FinStrG, ferner nach dem § 24 Abs. 1 DevG "und § 18 AußHG sowie § 17 Abs. 2 lit. a FinStrG" bedingt nachgesehene Freiheitsstrafen sowie (unbedingte) Geldstrafen und Wertersatzstrafen (jeweils mit Ersatzfreiheitsstrafen für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit) verhängt.

Aus der Urteilsbegründung ergibt sich, daß das Gericht von einer Gesamthöhe der Wertersatzstrafen von 3,829.826,20 S ausging, sich dabei nur hinsichtlich eines (einer Teillieferung entsprechenden) Betrages von 494.735,30 S auf den § 17 Abs. 2 lit. a FinStrG (in der Fassung des Art. I des Bundesgesetzes vom 18.Oktober 1984, BGBl. 1984/532) stützte, im übrigen aber den § 18 AußHG als Grundlage für den bezüglichen Ausspruch heranzog, wobei wohl eine quotenmäßige Verteilung auf die einzelnen Angeklagten (und einen im Inland nicht verfolgten Mittäter), nicht aber eine Aufschlüsselung nach der Rechtsgrundlage vorgenommen wurde (Band I, Seite 134 d.A). II. Zur Entscheidung über die von den Angeklagten gegen dieses Urteil erhobenen Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wurden die Akten dem Obersten Gerichtshof vorgelegt. Alle Angeklagten wenden sich (neben anderen Beschwerdepunkten) gegen die Verhängung einer Wertersatzstrafe, zwei Rechtsmittelwerber legen auch ausführlich ihre Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 18 AußHG dar (ON 27 und 28 d.A). Die Generalprokuratur, der die Akten gemäß dem § 285 c StPO zur Stellungnahme zugeleitet wurden, regte die Antragstellung nach dem Art. 140 Abs. 1 B-VG an.

Rechtliche Beurteilung

III. Auch der Oberste Gerichtshof teilt die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 18 Abs. 1 und 2 AußHG, und zwar insbesondere aus folgenden Gründen:

1. Da - wie bereits dargelegt - das Schöffengericht den Ausspruch über die Verhängung von Wertersatzstrafen vor allem auf die Bestimmung des § 18 (zu ergänzen wohl: Abs. 1) AußHG stützte und in den ersten beiden Sätzen dieser Norm sowohl die Befugnis, die Waren, auf die sich die Zuwiderhandlungen (nach dem § 17 Abs. 1 AußHG) beziehen, einzuziehen (für verfallen zu erklären) als auch eine dem Wert der nicht erfaßten Waren entsprechende Wertersatzstrafe zu verhängen, enthalten ist, müßte der Oberste Gerichtshof bei seiner Rechtsmittelentscheidung diese Norm anwenden und damit auch die Folgen des Abs. 2 auslösen. Die Norm ist daher präjudiziell.

2. Der Gesetzgeber verwendet zwar für die Umschreibung der hier zu erörternden Sanktion das Wort "Einziehung", welche Bezeichnung auf den Charakter der Maßnahme als eines Sicherungsmittels (siehe § 26 StGB) hindeuten könnte. Tatsächlich handelt es sich aber wohl nach Zweck und Inhalt der Regelung um eine Nebenstrafe (wie etwa § 20 StGB), wofür auch spricht, daß die Norm für den Fall der Nichterfassung der Ware einen Wertersatz vorsieht. Diese Überlegung findet auch ihren Ausdruck in der Judikatur des Obersten Gerichtshofes, wonach beim Zusammentreffen eines Finanzvergehens mit der Zuwiderhandlung gegen Bestimmungen des AußHG der bezügliche Ausspruch sowohl auf den § 17 FinStrG als auch auf den § 18 AußHG gestützt werden kann (siehe hiezu auch Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze 2 , Seite 64, 66), wobei für den Bereich des Finanzstrafrechtes außer Zweifel steht, daß es sich beim Verfall um eine Strafe handelt (VfSlg. 9.901).

Daraus könnte weiter gefolgert werden, daß die Regelung des § 18 Abs. 1 AußHG ebenso wie die seinerzeitige, vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Bestimmung des § 17 VStG 1950 (BGBl. 1976/188) dem Gleichheitsgebot widerspricht, weil sie auf das Schicksal (allfälliger) beschränkter dinglicher Rechte (Pfandrechte, Retentionsrechte) am Verfallsgegenstand nicht eingeht und auch aus anderen Normen dieses Gesetzes nicht ableitbar ist, daß der Gesetzgeber bei dieser Regelung allfällige dingliche Rechte Dritter, die an der strafbaren Handlung kein (Mit-)Verschulden trifft, berücksichtigt wissen will (VfSlg. 7.758). Ob hier (im Anlaßverfahren) derartige Rechte behauptet werden oder nicht, ist für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Norm ohne Bedeutung.

3. In diesem Straffall ist aber der weitere Umstand signifikant, daß das Schöffengericht nur deshalb auf den § 18 AußHG zurückgreifen mußte, weil im Zuge des Strafverfahrens infolge der Aufhebung des § 17 Abs. 1 lit. a FinStrG in der Fassung der Finanzstrafgesetznovelle 1975, BGBl. 1975/335, durch den Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 9.901) zum Urteilszeitpunkt bereits die (für die Angeklagten günstigere) Nachfolgeregelung des § 17 Abs. 2 lit. a FinStrG (nF) anzuwenden war und in der Mehrzahl der Hinterziehungsfälle der strafbestimmende Wertbetrag weniger als 1/10 des Zollwertes betrug (siehe Berechnungen Seite 227 - 237 in ON 2 und Antrag der Staatsanwaltschaft Seite 110, jeweils I. Band). Es liegt aber nahe, daß einer mit einer bereits als verfassungswidrig erklärten Norm inhaltlich gleichartigen gesetzlichen Regelung der Verdacht anhaftet, selbst verfassungswidrig zu sein. Der Umstand, daß es sich im vorliegenden Fall nur um eine Ermessensbestimmung zu handeln scheint, kann wohl für die Frage der Gleichheitswidrigkeit der Norm nicht relevant sein, zumal ein solcher Ermessensspielraum nicht näher determiniert wäre. (Wie die Verweisung auf den § 17 VStG 1950 zu verstehen ist, kann hier dahingestellt bleiben, weil sich dieser Hinweis jedenfalls nur auf das verwaltungsbehördliche Verfahren bezieht.)

4. Bedenken in Richtung einer Gleichheitswidrigkeit könnte aber auch noch erwecken, daß im § 18 Abs. 1 AußHG (zweiter Satz) für den Fall der Nichterfassung der Ware zwar der Ausspruch einer Wertersatzgeldstrafe, nicht aber der einer Ersatzfreiheitsstrafe vorgesehen ist. Dies führt bei vergleichbaren Sachverhalten zu sachlich nicht begründbaren Unterschieden in der Sanktion, weil es gerade bei den zahlreichen Fällen (wie zum Teil auch hier), in denen eine Ahndung sowohl nach dem § 17 FinStrG als auch nach dem § 18 AußHG zulässig ist, vom Belieben des Entscheidungsträgers abhängen könnte, welche Norm er heranzieht und ob dementsprechend eine Ersatzfreiheitsstrafe rite zu verhängen ist oder nicht. Schon aus diesen Erwägungen sieht sich daher der zur Entscheidung über die Rechtsmittel der Angeklagten berufene Senat des Obersten Gerichshofes veranlaßt, die Aufhebung der im Spruch genannten Bestimmung als verfassungswidrig zu beantragen. Nur für den Fall, daß der Verfassungsgerichtshof eine inhaltliche Verzahnung der bekämpften Vorschrift nicht in einem Maße bejahen sollte, die die Aufhebung des § 18 AußHG in seiner Gesamtheit rechtfertigt, sollte den vom Obersten Gerichtshof (für den Bereich der gerichtlichen Kompetenz) vorgetragenen Bedenken zumindest dadurch Rechnung getragen werden, daß die im Eventualbegehren bezeichnete Teile der Norm als verfassungswidrig aufgehoben werden.

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