OGH 6Ob34/85

OGH6Ob34/8528.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Schobel, Dr.Riedler und Dr.Schlosser als Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 15.September 1983 verstorbenen Maria A, zuletzt Pensionistin in Deutsch-Haslau, Mühlweg 15, infolge Revisionsrekurses der erbserklärten Cousins und Cousinen der Verstorbenen a) Felix B, Angestellter, Wien 3.,

Neulinggasse 25/15, b) Gertrude C, im Haushalt, Wien 8., Florianigasse 16, c) Friedrich GÖTZ, Kaufmann, Zurndorf, Götzmühle und d) Erich GÖTZ, Manager, East Hathorn, 28 Mowbray Street, Victoria, Australien, alle vertreten durch Dr.Nikolaus Bilowitzki, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 26.Juni 1985, GZ 44 R 112, 113/85-112, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hainburg an der Donau vom 20.April 1985, GZ A 174/83-101, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die am 15.September 1983 gestorbene Erblasserin war ledig, hatte keine Kinder und wurde auch von keinem Angehörigen der zweiten Linie überlebt. Als gesetzliche Erben der dritten Linie waren ein Sohn und eine Tochter eines Onkels väterlicherseits sowie zwei Kinder einer Tante mütterlicherseits, zwei Kinder eines Onkels mütterlicherseits und ein in Rumänien lebender Sohn einer weiteren Tante mütterlicherseits berufen. Der in Rumänien lebende Vetter der Erblasserin entschlug sich des Erbrechtes, seine Entschlagungserklärung nahm das Gericht mit einem in Rechtskraft erwachsenen Beschluß entgegen. Die übrigen Vettern und Basen der Erblasserin gaben unbedingte Erbserklärungen ab, die vom Gericht angenommen worden sind. Sämtliche erbserklärten Erben sind volljährig.

Die Erblasserin war Alleineigentümerin mehrerer Liegenschaften mit einem teils in Niederösterreich, teils im Burgenland gelegenen landwirtschaftlich genutzten Gutsbestand von rund 52 ha Gesamtfläche. Nach der Äußerung der Niederösterreichischen Landes-Landwirtschaftskammer liegt die Ertragsfähigkeit des in den Nachlaß fallenden landwirtschaftlichen Betriebes in den Grenzen des § 1 Abs 1 Z.2 AnerbenG.

In der vor dem Gerichtskommissär am 15.Dezember 1983 abgehaltenen Tagsatzung zur Verlassenschaftsabhandlung erklärten die sechs erbserklärten Erben sie anerkennen, daß ein behauster landwirtschaftlicher Betrieb vorliege; sie brachten übereinstimmend vor, daß der Vetter väterlicherseits eine landwirtschaftliche Schule besucht habe und als Adjunkt und Verwalter eines Gutshofes landwirtschaftlich tätig gewesen sei. Dieser Vetter stellte auch den Antrag, den Erbhof ihm als Anerben zuzuweisen.

Mit der am 5.März 1984 beim Abhandlungsgericht eingelangten, anwaltlich verfaßter Eingabe aller sechs erbserklärten Erben bestritten diese die Erbhofeigenschaft der in die Verlassenschaft gefallenen Grundstücke, weil keine "behauste Hofstelle" vorhanden sei und die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen seit Jahrzehnten verpachtet gewesen seien. Der Vetter väterlicherseits erklärte sich mangels persönlicher und finanzieller Voraussetzungen außerstande, die in den Nachlaß gefallenen landwirtschaftlichen Liegenschaften selbst zu bewirtschaften. Auch die übrigen gesetzlichen Erben erklärten, ihnen fehle es an den persönlichen Voraussetzungen für einen Anerben, sie seien keine Landwirte. Die erbserklärten Erben beantragten unter ausdrücklicher Rückziehung ihrer Erklärung, die Verlassenschaft nach den Grundsätzen des Anerbengesetzes durchzuführen, den formellen beschlußmäßigen Ausspruch des Abhandlungsgerichtes, "daß die gegenständliche Verlassenschaft nicht nach den Grundsätzen des Anerbengesetzes, sondern nach den normalen Verlassenschaftsregeln des ABGB durchzuführen ist". Das Abhandlungsgericht holte ungeachtet dieser Eingabe das Gutachten eines Sachverständigen für Landwirtschaft zur Beurteilung der Erbhofeigenschaft des landwirtschaftlichen Betriebes ein und faßte hierauf den Beschluß (ON 49), mit dem es 1. feststellte, daß der in den Nachlaß fallende, mit seinen Bestandteilen näher umschriebene landwirtschaftliche Betrieb einen Erbhof im Sinne des § 1 AnerbenG bilde, und mit dem es 2. den Antrag der erbserklärten Erben, die Verlassenschaft nicht nach den Grundsätzen des Anerbengesetzes "durchzuführen", abwies.

Infolge Rekurses der vier erbserklärten Erben mütterlicherseits gegen beide Punkte des abhandlungsgerichtlichen Beschlusses, ON 49, änderte das Rekursgericht mit seiner Entscheidung vom 20.Juni 1984, ON 67, den erstinstanzlichen Beschluß dahin ab, daß er zu lauten habe: "Die Verlassenschaft nach Maria A ist nicht nach den Grundsätzen des Anerbengesetzes, sondern nach den Verlassenschaftsregeln des ABGB durchzuführen."

Am Tage der Zustellung der Rekursentscheidung ON 67 an seinen ausgewiesenen Vertreter erschien der Vetter väterlicherseits vor dem Gerichtskommissär und erklärte zu Protokoll, er sei bereit, den Erbhof der Erblasserin zu übernehmen, er erkläre, den Erbhof als Anerbe zu übernehmen, und verzichte auf einen Widerruf dieser Erklärung, er beantrage, ihm den Erbhof zuzuweisen. Seinen Revisionsrekurs gegen die abändernde Entscheidung des Rekursgerichtes (ON 67) wies der Oberste Gerichtshof mangels formeller Beschwer des Rechtsmittelwerbers zurück (6 Ob 21/84, ON 85).

Hierauf fällte das Abhandlungsgericht am 20.April 1985 einen dreigliedrigen Beschluß, mit dem es im Hinblick auf einen seinerzeit gemeinsam gestellten (ON 37), auf ausdrückliche gerichtliche Aufforderung zur Stellungnahme aber nur von den vier Erben der mütterlichen Verwandtschaft aufrecht erhaltenen (ON 98) Antrag auf Durchführung der Abhandlung im schriftlichen Wege, feststellte, daß die Voraussetzungen für die Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung im schriftlichen Wege nicht vorlägen (Punkt 1); ferner kündigte das Abhandlungsgericht an, daß die Akten nach Rechtskraft des Beschlusses dem Gerichtskommissär zur Fortführung der Abhandlung übermittelt würden (Punkt 2); letztlich sprach das Abhandlungsgericht aus, daß das Verlassenschaftsverfahren nach den Grundsätzen des Anerbengesetzes durchzuführen sei (Punkt 3). Dazu ging das Abhandlungsgericht davon aus, daß mangels besonderer gesetzlicher Regelungen, aus denen eine Unwiderruflichkeit sowohl der Erklärung eines nach Anerbenrecht zur Hofübernahme Berufenen, den Hof als Anerbe übernehmen zu wollen, sowie als auch der gegenteiligen Erklärung abzuleiten sei, ein Widerruf dieser Erklärungen bis zur Erlassung der Einantwortungsurkunde als zulässig anzusehen sei. Daher sei die nach Erlassung der Rekursentscheidung vom 20.Juni 1984 (ON 67) am 7. September 1984 vor dem Gerichtskommissär zu Protokoll gegebene Erklärung des Vetters väterlicherseits, er übernehme den Erbhof als Anerbe, beachtlich. Diese Erklärung stelle eine wesentliche Sachverhaltsänderung gegenüber den der Rekursentscheidung vom 20. Juni 1984 (ON 67) zugrundegelegten Tatsachen dar, sodaß die Rechtskraft der erwähnten Rekursentscheidung einer Berücksichtigung der neuen Annahmeerklärung des Anerben nicht entgegenstünde. Daß die in die Verlassenschaft fallenden Liegenschaften einen Erbhof darstellten, habe das Abhandlungsgericht bereits mit seinem Beschluß vom 12.April 1984 (ON 49) ausgesprochen und wiederhole dies nicht. Sowohl die vier Erben der mütterlichen Verwandtschaft als auch die Base väterlicherseits erhoben gegen den Ausspruch des Abhandlungsgerichtes, daß das Verlassenschaftsverfahren nach den Grundsätzen des Anerbengesetzes durchzuführen sei (ON 101, Punkt 3) Rekurs, die vier Erben der mütterlichen Verwandtschaft auch gegen die beiden anderen Punkte des abhandlungsgerichtlichen Beschlusses. Das Rekursgericht bestätigte den erstinstanzlichen Beschluß in sämtlichen Punkten.

Zur Beurteilung der neuen Erklärung des Vetters väterlicherseits, den in die Verlassenschaft fallenden landwirtschaftlichen Betrieb als einen Erbhof nach den anerbenrechtlichen Sondervorschriften übernehmen zu wollen, führte das Rekursgericht aus: Die mit seiner früheren Erklärung im Widerspruch stehende Erklärung des Vetters väterlicherseits, Anerbe sein zu wollen, sei eine wirksame und auch zulässige Verfahrenserklärung. Diese Erklärung verändere den der vorangegangenen Rekursentscheidung zugrundegelegten Sachverhalt, nach dem keine für die Hofübernahme in Betracht gekommene Person zur anerbenrechtlichen Hofübernahme bereit gewesen sei. Die mit dieser Sachlage begründete Entscheidung, die Erbteilungsvorschriften des Anerbengesetzes seien unanwendbar, binde nicht länger, seit der zur anerbenrechtlichen Hofübernahme Berufene in Änderung seiner bisherigen Haltung seine Bereitschaft zu dieser Übernahme erklärt habe. Ein bindendes Erbübereinkommen liege nicht vor und dürfte auch wegen der Unabdingbarkeit der anerbenrechtlichen Erbteilungsvorschriften vom Abhandlungsgericht nicht beachtet werden. Ob aber dem in die Verlassenschaft gefallenen unbeweglichen Vermögen die Eigenschaft eines Erbhofes im Sinne des § 1 AnerbenG zukomme, sei noch nicht bindend festgestellt, da der erstinstanzliche Beschluß vom 12.April 1984 (ON 49), der eine entsprechende Feststellung enthalten habe (Punkt 1) vom Rekursgericht abgeändert worden sei, ohne daß über diese Feststellung abgesprochen worden sei. Die Feststellung der Erbhofeigenschaft und die Bestimmung des Anerben werde in Anwendung der Vorschriften des Anerbengesetzes zu erfolgen haben. Zur weiteren Abhandlungspflege führte das Rekursgericht aus, der aktenkundige Abgang einer unter sämtlichen Erben (fort-)bestehenden Einigkeit schließe die Fortführung der Abhandlung auf schriftlichem Wege aus. Das mache die Fortführung der Abhandlungspflege durch den Gerichtskommissär unumgänglich.

Die vier Erben der mütterlichen Verwandschaft fechten die bestätigende Rekursentscheidung mit dem Abänderungsantrag an, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Durchführung der weiteren Verlassenschaftsabhandlung auf schriftlichem Wege festzustellen, die Ankündigung der Fortführung der Abhandlungspflege durch den Gerichtskommissär ersatzlos aufzuheben und auszusprechen, daß die Abhandlung nach den Grundsätzen der Verlassenschaftsregeln des ABGB fortzuführen sei.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 16 Abs 1 AußStrG ist die Anfechtung einer bestätigenden Rekursentscheidung nur wegen offenbarer Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder aus einem Nichtigkeitsgrund zulässig. Mangels schlüssiger Ausführung eines dieser Anfechtungsgründe ist der Revisionsrekurs unzulässig.

Das Gesetz trifft - nicht zuletzt wegen der haftungsrechtlichen Folgen - konkrete Anordnungen über Inhalt, Form und verfahrensrechtliche Behandlung von Erbserklärungen. Es kennt auch das Institut der Ausschlagung einer Erbschaft. Vergleichsweise ausdrückliche Regelungen fehlen in Ansehung der Antretung oder Ausschlagung des Rechtes zur anerbenrechtlichen Hofübernahme. Die Beurteilung der Vorinstanzen, eine dem Abhandlungsgericht gegenüber abgegebene Erklärung, nicht Anerbe sein zu wollen, schließe eine spätere, gegenteilige Erklärung einer zur anerbenrechtlichen Hofübernahme berufenen Person nicht aus, solange die Einantwortungsurkunde noch nicht erlassen (oder doch noch keine andere Person infolge der Entschlagungserklärung als Anerbe bestimmt) worden sei, kann mangels positiver gesetzlicher Regelung hierüber nicht offenbar gesetzwidrig sein.

Bei der Prüfung des Vorliegens einer Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen die bindende Wirkung rechtskräftiger Entscheidungen ist vorweg ohne strikte Verhaftung an den Wortlaut des Spruches der beiden in den Verdacht unzulässigen Widerspruches gezogenen Entscheidungen deren verfahrensrechtlich erheblicher Entscheidungsinhalt zu ermitteln. Dabei zeigt sich, daß jeweils die Rechtsfolgen der mit der Entscheidung entgegengenommenen Parteienerklärung zum Spruch erhoben wurden, der richterliche Entscheidungsvorgang aber in die Begründung verdrängt wurde. Der Sache nach nahm das Rekursgericht mit seiner Entscheidung vom 20.Juni 1984 (ON 67) die übereinstimmenden Erklärungen jedes einzelnen der sechs erbserklärten Erben, das in die Verlassenschaft fallende unbewegliche Vermögen (dem gleichzeitig die Erbhofeigenschaft abgesprochen wurde) nicht als Anerbe übernehmen zu wollen, entgegen, weil es derartige Entschlagungen grundsätzlich für zulässig und im konkreten Fall auch als wirksam erkannte. Daß damit die anerbenrechtlichen Erbteilungsvorschriften in materiellrechtlicher und verfahrensrechtlicher Hinsicht faktisch unanwendbar wurden, ist eine sich aus der Entschlagung sämtlicher zur anerbenrechtlichen Hofübernahme berufenen Personen ergebende rechtliche Folge. Der verfahrensrechtliche Inhalt des vom Rekursgericht nun bestätigten Ausspruches nach Punkt 3 des erstinstanzlichen Beschlusses vom 20. April 1985 (ON 101) liegt darin, daß die nunmehr abgegebene Annahmeerklärung des Vetters väterlicherseits, ungeachtet der früheren, vom Gericht bereits entgegengenommenen entgegengesetzten Erklärung der Ausschlagung nicht zurückgewiesen, sondern der weiteren Abhandlungspflege materiell und formell zugrundegelegt werde. Die Entscheidung über die Annahme einer mit einer früheren Parteienerklärung im inhaltlichen Widerspruch stehenden Erklärung mag (im Fall der Unabänderlichkeit der einmal abgegebenen Erklärung) materiell und formell unrichtig sein, ein Verfahrensfehler vom Gewicht einer Nichtigkeit kann aber mangels spezieller, diese Rechtsfolge androhender Verfahrensvorschrift und mangels Identität des Entscheidungsgegenstandes zwischen der Annahme der ersten und der Annahme der zweiten Parteienerklärung auch nicht in der Form eines Verstoßes gegen § 18 AußStrG angenommen werden. Daß die materiellrechtliche Beurteilung nicht offenbar gesetzwidrig sein kann, wurde bereits oben dargelegt.

Unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeit bleibt nur noch zu prüfen, ob die Vorinstanzen mit ihrer Entscheidung über eine etwa bestehende vertragliche Bindung der sechs erbserklärten Erben zur übereinstimmenden Ausschlagung des Rechtes zur anerbenrechtlichen Hofübernahme abgesprochen und dabei etwa die Grenzen der außerstreitigen Gerichtsbarkeit überschritten hätten. Führt man den Entscheidungsinahlt im oben dargelegten Sinn auf seinen wahren Kern einer gerichtlichen Annahme der Erklärung des Vetters väterlicherseits zurück, das Recht auf anerbenrechtliche Hofübernahme anzutreten, bestehen die aufgezeigten Bedenken einer Überschreitung der Grenzen der außerstreitigen Gerichtsbarkeit nicht. Darüber, ob der gemeinsamen Erklärung und Antragstellung aller sechs erbserklärten Erben (ON 37) eine in wechselseitiger Bindungsabsicht eingegangene Absprache zugrunde lag und welche Beachtlichkeit einer solchen Erbenvereinbarung gegenüber dem zwingenden Charakter der anerbenrechtlichen Erbteilungsvorschriften - im Falle des Vorliegens eines Erbhofes und des Vorhandenseins eines zur sondergesetzlichen Hofübernahme bereiten Anerben - zuzubilligen wäre, wurde mit der angefochtenen Rekursentscheidung nicht erkannt und war darüber auch nicht abzusprechen.

Die Bestätigung der Punkte 1 und 2 des erstgerichtlichen Beschlusses stellt sich nach den Ausführungen der Revisionsrekurswerber nur als Folge einer als unrichtig bekämpften Beurteilung zu Punkt 3 des erstinstanzlichen Beschlusses als fehlerhaft dar. Ein nach § 16 Abs 1 AußStrG beachtlicher Anfechtungsgrund wird damit nicht ausgeführt.

Der Revisionsrekurs war aus diesen Erwägungen zurückzuweisen.

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