OGH 7Ob662/85

OGH7Ob662/8528.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 4. September 1983 verstorbenen Gabriele A, infolge Revisionsrekurses der Stadt Wien, vertreten durch die Magistratsdirektion der Stadt Wien, Wien 8., Rathaus, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 30. August 1985, GZ 47 R 252/85-33, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 20. März 1985, GZ 1 A 592/83-28, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß und der Beschluß des Erstgerichtes werden dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes vom 20. März 1985, 1 A 592/83-28, in seinem Punkt 4. wie folgt zu lauten hat:

"4.) Der realisierte Nachlaß im Betrag von S 47.974,27 wird

kridamäßig verteilt. Daraus werden bezahlt

A) die Massekosten

a) Gebühr des Gerichtskommissärs S 3.452,--

b) Belohnung des Verlassenschafts-

kurators S 1.800,--

c) Einschaltungskosten der Wiener

Zeitung S 2.658,--

je zur Gänze, und mit den sohin verbleibenden S 40.064,27

B) die Forderungen erster Klasse der KO

a) des erbl. Sohnes Ing. Karl B, Wien 19.,

Krottenbachstraße 94-96/2/11, an bezahlten Begräbniskosten samt Nebenspesen von S 40.987,40 mit einem Teilbetrag von S 17.000,--

b) der Stadt Wien, Magistratsabteilung 17, an rückständigen Pflegegebühren von S 66.832,99 mit einem Teilbetrag von S 23.064,27."

Die Neufassung der Auszahlungsanordnung Punkt 6 c) des Beschlusses ON 28 wird dem Erstgericht überlassen.

Text

Begründung

Die am 7. August 1896 geborene Gabriele A ist am 4. September 1983 im Pflegeheim der Stadt Wien in St. Andrä an der Traisen gestorben. Ihr Sohn Karl B, geboren am 9. Mai 1918, hat keine Erbserklärung abgegeben. Ein Edikt zur Einberufung der unbekannten Erben und der Verlassenschaftsgläubiger verlief ergebnislos.

Mit Beschluß vom 20. März 1985, ON 28, legte das Erstgericht das Inventar mit Aktiven von S 47.782,08 und Passiven von S 670.007,15 und sohin eine Nachlaßüberschuldung von S 622.225,07 dem Abhandlungsverfahren zugrunde. Den realisierten Nachlaß von

S 47.974,27 verteilte das Erstgericht kridamäßig wie folgt:

4.) A) Die Massekosten, und zwar

a) Gebühr des Gerichtskommissärs S 3.452,--

b) Belohnung des Verlassenschafts-

kurators S 1.800,--

c) Einschaltungskosten der Wiener

Zeitung S 2.658,--

wurden voll befriedigt.

B) Der verbleibende Rest von S 40.064,27 wurde Karl B für

seine Forderung an bezahlten Begräbniskosten samt Nebenspesen von S 40.978,40 als Gläubiger in der ersten Klasse der Konkursordnung zugewiesen.

Die Stadt Wien, die für den Aufenthalt der Verstorbenen im Pflegeheim St. Andrä an der Traisen einen Pflegeentgeltrückstand von S 66.832,99 angemeldet hatte (ON 5), erhob gegen diesen Beschluß Rekurs. Sie vertrat den Standpunkt, daß Krankheits- und Begräbniskosten auch nach dem Inkrafttreten des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes (IRÄG) gleichrangig zu befriedigen seien. Die verrechneten Begräbniskosten seien nicht angemessen, da sich der Begräbnisaufwand vor allem am Vermögensstand des Erblassers zu orientieren habe, die Verstorbene aber Ausgleichsrentnerin gewesen sei. Die Magistratsabteilung 17 anerkenne gleichwohl Begräbniskosten bis S 20.000,-- (abzüglich Sterbegeld) als bevorrechtet.

Die zweite Instanz gab dem Rekurs im Umfang der Anfechtung Folge, hob den Beschluß des Erstgerichtes in seinen Punkten 4 B) (Zuweisung eines Betrages von S 40.064,27 an Karl B) und

6) c) (Auszahlungsanordnung) auf und trug dem Erstgericht insoweit eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Durch § 73 AußStrG sei klargestellt, daß die Begräbniskostenforderung und jene für die Krankenpflege bevorrechtet seien. Die Begräbniskostenforderung gehe jedoch dem Ansprucn auf Entgelt für die während der Krankheit des Erblassers geleistete Krankenpflege vor. Das Erstgericht habe sich bei seiner Entscheidung aber nicht mit einem mit Karl B am 13. September 1984, ON 21, aufgenommenen Protokoll auseinandergesetzt, wonach ein Betrag von

S 23.978,40 zur Befriedigung anderer Gläubiger zu verwenden sei und worin eine Einschränkung der geltend gemachten Begräbniskostenforderung erblickt werden könnte. Es werde deshalb zu klären sein, ob der Sohn der Verstorbenen seine Begräbniskostenforderung tatsächlich auf den von der Magistratsabteilung 17 anerkannten Betrag von S 17.000,-- habe einschränken wollen. Dem Akt könne nicht entnommen werden, weshalb die Durchführung einer Exhumierung - wie in der Rechnung der Wiener Städtischen Bestattung ausgewiesen - notwendig gewesen sei. Gegen die Höhe der übrigen Begräbniskosten bestünden keine Bedenken. Das Erstgericht werde noch zu erheben haben, ob und in welcher Höhe der Sozialversicherungsträger ein Sterbegeld geleistet habe; eine derartige Leistung wäre auf die Begräbniskostenforderung in Anrechnung zu bringen.

In dem gegen diesen Beschluß erhobenen Revisionsrekurs wiederholt die Stadt Wien ihre bereits im Rekurs gegen die Entscheidung des Erstgerichtes zum Ausdruck gebrachte Ansicht, die vom Sohn der Verstorbenen aufgewendeten Begräbniskosten seien dem Vermögensstand der Verstorbenen nicht angemessen und die Begräbniskosten hätten keinen Vorrang vor den Krankheitskosten. Beide Forderungen seien deshalb in gleicher Weise quotenmäßig zu befriedigen. Die Stadt Wien erkläre sich jedoch weiterhin mit einer Berücksichtigung der Bestattungskosten in Höhe von S 20.000,-- (abzüglich des Bestattungskostenbeitrages) einverstanden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung gehörten nach altem Konkursrecht, also vor dem Inkrafttreten des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1982, sowohl die Kosten eines iS des § 549 ABGB angemessenen Begräbnisses (gemäß § 51 Abs 1 Z 1 KO) als auch die rückständigen Pflegegebühren einer öffentlichen Heil- und Pflegeanstalt (nach § 47 KAG) in die erste Klasse der Konkursforderungen (SZ 34/98, SZ 48/118; der vom Rekursgericht zur Stützung der gegenteiligen Ansicht herangezogene Hinweis auf Welser in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 549, ist verfehlt, da Welser aaO ausdrücklich die in der Entscheidung SZ 48/118 vertretene Rechtsmeinung teilt).

Nach dem neuen Insolvenzrecht sind gemäß § 46 Abs 1 Z 7 KO zwar

die Kosten einer einfachen Bestattung des Gemeinschuldners nunmehr

Masseforderungen. An die Stelle der Verweisung in § 47 KAG auf den

bisherigen § 51 KO ist gemäß Art. XI § 8 Abs 2 IRÄG die Verweisung

auf die neue klassenlose Konkursforderung (§ 50 KO) getreten.

Die Übergangsregelung des Art. XI § 2 Abs 2 Z 1 lit a und h

IRÄG ordnet allerdings an, daß unter anderem die bisher geltenden

§§ 50 bis 53 KO und überdies die bisher geltenden Bestimmungen besonderer Gesetze, mit denen Forderungen iS der §§ 51 oder 52 KO in die erste oder zweite Klasse der Konkursforderungen eingereiht werden, weiterhin anzuwenden sind, wenn "das Verfahren (Konkurs, Anschlußkonkurs, Ausgleichsverfahren, Vorverfahren)" im Jahre 1983 eröffnet wird. Eine gleichartige ausdrückliche Übergangsbestimmung für die kridamäßige Verteilung des Nachlasses enthält das Insolvenzrechtsänderungsgesetz nicht. In der Entscheidung 7 Ob 592/84 ist jedoch der erkennende Senat zum Ergebnis gekommen und hält auch daran fest, daß die genannte Übergangsvorschrift analog auch auf die kridamäßige Verteilung eines überschuldeten Nachlasses bei Todesfällen im Jahre 1983 anzuwenden ist. Da das vorliegende Verlassenschaftsverfahren 1983 eingeleitet wurde, ist demnach von der Gleichrangigkeit der Begräbniskosten und des Pflegeentgeltrückstandes auszugehen. Es kann deshalb auch ungeprüft bleiben, ob sich eine derartige Gleichstellung im Sinne der Ausführungen im Revisionsrekurs schon aus § 73 Abs 1 AußStrG ergibt (vgl. hiezu Köhler, NZ 1982, 181 f., sowie 7 Ob 592/84). Der Rechtsmittelwerberin ist darin beizupflichten, daß sich der Umfang der zu ersetzenden Begräbniskosten vor allem nach dem Stand und dem Vermögen des Verstorbenen richtet (JBl 1965, 423; ZVR 1970, 54).

Bei Gleichrangigkeit der Krankheits- und Leichenkosten könnten allerdings die vom Sohn der Verstorbenen getragenen Begräbniskosten mit Rücksicht auf die Höhe der vorhandenen Aktiven und der geltend gemachten Pflegegebühren selbst dann, wenn vom tatsächlichen Aufwand ausgegangen wird, nur mit einem Teilbetrag von ca. S 15.000 zum Zuge kommen. Die Stadt Wien, Magistratsabteilung 17, hat jedoch, worauf bereits vom Rekursgericht hingewiesen wurde, nach dem Inhalt des Protokolls vom 13. September 1984, ON 21, einer "bevorrechteten Befriedigung der Begräbniskosten" mit einem Betrag von S 17.000 zugestimmt. Karl B hat sein Einverständnis zu einer derartigen Regelung dadurch schlüssig erklärt, daß er, wiewohl er aus dem Vermögen der Verstorbenen die Begräbniskosten bereits beglichen hatte, sich nach dem Inhalt desselben Protokolles verpflichtete, den S 17.000,-- übersteigenden Betrag, das sind S 23.978,40, zurückzuzahlen, und dieser Verpflichtung auch nachgekommen ist (vgl. das Inventar vom 24. Jänner 1985, ON 27 a). Da sohin zwischen den Beteiligten Einverständnis darüber besteht, in welcher Höhe ihre Forderungen aus den vorhandenen Aktiva beglichen werden, waren unbeschadet der vorstehenden rechtlichen Erwägungen die Zuweisungen diesem Einverständnis entsprechend vorzunehmen.

Eine Aufhebung des Beschlusses des Erstgerichtes zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung ist daher entbehrlich. Es war deshalb dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der angefochtene Beschluß sowie der Beschluß des Erstgerichtes spruchgemäß abzuändern.

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