OGH 13Ns23/85

OGH13Ns23/8528.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.November 1985 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Huber als Schriftführers in der Strafsache gegen Dr. Karl P*** wegen des Verbrechens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 und 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Beschuldigten gestellten Anträge auf Ablehnung des Oberlandesgerichtes Graz, des Landesgerichtes Graz und auf Delegierung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Anträgen auf Ablehnung des Oberlandesgerichtes Graz und auf Delegieriung wird nicht Folge gegeben.

Zur Entscheidung über die Ablehnung der Richter des Landesgerichtes für Strafsachen Graz werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Der (suspendierte) Richter des Bezirksgerichts Voitsberg Dr. Karl P***, gegen den beim Landesgericht für Strafsachen Graz ein Strafverfahren (17 Vr 2152/85) anhängig ist, begründet die Ablehnung dieses Gerichts und des Oberlandesgerichts Graz sowie seinen eventualiter gestellten Antrag auf Delegierung eines Gerichtshofs erster Instanz im Sprengel des Oberlandesgerichts Wien, Linz oder sonst außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz mit der gegen ihn in den Medien geführten Kampagne, wonach "P*** noch unter B*** (dem früheren Bundesminister für Justiz) gegen den massiven Widerstand der steirischen Richter ernannt" (gemeint in den richterlichen Dienst genommen) wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der Präsident und weitere 29 Richter des Oberlandesgerichts Graz verneinten eine Befangenheit in der Strafsache gegen Dr. P***. Die für die Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs (§ 74 Abs. 2, dritter Fall, StPO) maßgebende Ablehnung des (gesamten) Oberlandesgerichts Graz ist nicht berechtigt. Die ganz allgemein gehaltene, als Ablehnungsgrund geltend gemachte Passage in den Medien, die dort als Äußerung des Vizepräsidenten der Richtervereinigung Dr. W*** (Richter des Oberlandesgerichts Wien), wiedergegeben wird, besagt nichts darüber, inwieweit auch einzelne Richter des Oberlandesgerichts Graz die Bedenken gegen die Ernennung P*** zum Richter geteilt hätten. Abgesehen davon steht die Meinung, eine Person sei für den Richterdienst ungeeignet, der korrekten und vorurteilsfreien Prüfung eines gegen dieselbe Person erhobenen Vorwurfs begangener Straftaten nicht im mindesten entgegen. Konkret ausreichende Gründe, welche angesichts der Verneinung der Befangenheit durch 30 Richter die Objektivität und die pflichtgemäße Amtsausübung sämtlicher Richter des Gerichtshofs zweiter Instanz in Frage stellen könnten, sind nicht zu finden. Damit spricht nichts gegen die Fähigkeit und den Willen der sachlich zuständigen Richter des Oberlandesgerichts Graz, an die Sache unvoreingenommen und unparteilich heranzutreten oder von einer allenfalls vorgebildeten Meinung auf Grund der Verfahrensergebnisse abzugehen (EvBl 1975/142).

Damit war der unbegründeten Ablehnung (§ 74 Abs. 2 StPO), soweit sie sich auf das Oberlandesgericht Graz bezieht, ein Erfolg zu versagen.

Rücksichten der öffentlichen Sicherheit oder Zweckmäßigkeitsgründe, welche eine Delegierung (§§ 62, 63 StPO) rechtfertigen würden, sind im Antrag nicht genannt und im Akt nicht zu finden. Abgesehen davon ist eine Delegierung wegen Befangenheit nicht zulässig (LSK 1975/239). Es war daher auch diesem Antrag nicht Folge zu geben.

Über die Ablehnung der Richter des Landesgerichts für Strafsachen Graz wird (nunmehr) das Oberlandesgericht Graz zu befinden haben.

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