Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, den Klägern die mit S 3.875,70 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 308,70 Umsatzsteuer und 480,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind Angestellte der beklagten Partei, die gemäß § 23 a des Kollektivvertrages für Angestellte der Erdälindustrie (im folgenden kurz: Kollektivvertrag = KV) Arbeitnehmern, die infolge Fehlens von Verkehrsmitteln gezwungen sind, zu Fuß, mit dem Fahrrad oder Kraftfahrzeug die Arbeitsstätte zu erreichen, für jeden zurückgelegten Kilometer zur und von der Arbeitsstätte ein Kilometergeld von S 1,85 zu bezahlen hat, wenn die Arbeitsstätte vom Wohnort mehr als 5 Kilometer entfernt ist.
Die beklagte Partei legt diese Bestimmung - in Anlehnung an die für einen (hier nicht betroffenen) Teilbereich des Unternehmens (Urlaubshaus Semmering) bestehende Betriebsvereinbarung - ohne Widerspruch der Kläger dahin aus, daß als 'Fehlen von Verkehrsmitteln' auch zu verstehen ist, wenn bei deren Benützung das zumutbare Ausmaß einer Wartezeit von mehr als einer Stunde überschritten würde. Diese Ansicht brachte die beklagte Partei auch intern in einer Art Dienstanweisung ('Information', Beilage ./6) an alle Direktionsbereiche zum Ausdruck.
Die Kläger wohnen jeweils mehr als 5 Kilometer von ihrer Arbeitsstätte im Zentraltanklager Lobau entfernt. Die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Kilometergeld treffen bei ihnen insoweit zu, als sie wegen des wechselnden Schichtdienstes teilweise nur für eine der beiden Fahrtstrecken (zur Arbeitsstätte oder von der Arbeitsstätte) ein öffentliches Verkehrsmittel benützen könnten, bei der anderen Fahrtstrecke aber nicht, und daher auf die Benützung eines privaten Kraftfahrzeuges angewiesen sind. In diesem Fall legen sie beide Teilstrecken (mindestens bis dorthin, wo für beide Richtungen ein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung steht) mit dem Kraftfahrzeug zurück, das sie sonst bei der zweiten Fahrt nicht mehr zur Verfügung hätten.
Die beklagte Partei steht auf dem Standpunkt, daß den von dieser Situation betroffenen Arbeitnehmern nach dem Wortlaute des Kollektivvertrages das Kilometergeld nur für jene Strecke (Fahrt zur Arbeitsstätte oder Heimfahrt von dort) gebührt, die sie nicht mit dem öffentlichen Verkehrsmittel zurücklegen können. Die Kläger vertreten den gegenteiligen Standpunkt und begehren mit den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen die - der Höhe nach außer Streit stehenden - Differenzbeträge, die sich im Laufe der Zeit dadurch ergeben haben, daß die beklagte Partei jeweils nur für jene Fahrtstrecke (Einzelstrecke) Kilometergeld bezahlte, für die nach der konkreten Fahrplangestaltung unter Berücksichtigung der Unzumutbarkeit einer Wartezeit von mehr als einer Stunde ein öffentliches Verkehrsmittel nicht zur Verfügung stand. Die Kläger begehrten danach Zahlung von S 6.360,49, S 7.962,50, S 7.050,-- und S 4.759,44 jeweils netto sA und brachten vor, daß über die Vergütung sowohl der Anreise als auch der Rückreise zwischen der Betriebsleitung und dem Betriebsrat eine Vereinbarung zustandegekommen sei. Die beklagte Partei habe die sich daraus ergebenden Beträge in der Zeit vom 1.1. bis 30.4.1982 an die betroffenen Arbeitgeber angewiesen.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klagebegehren und wendete ein, daß über die Bestimmung des § 23 a KV hinaus keine (Betriebs-)Vereinbarung über eine Ausweitung der Kilometergeldzahlungen auf jeweils zwei Einzelfahrten pro Tag getroffen worden sei. Vereinzelte höhere Zahlungen seien irrtümlich geleistet worden. Wenn überhaupt, gebührten den Klägern nur Bruttobezüge.
Das Erstgericht stellte außer dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest, daß zwischen der beklagten Partei und deren Zentralbetriebsrat (außer einer zeitlichen Verschiebung des Wirksamkeitsbeginnes des § 23 a KV) keine sonstigen Vereinbarungen getroffen wurden; insbesondere sei weder vereinbart worden, daß - wie zwar einseitig zugestanden - Kilometergeld auch für Fahrten mit langer Wartezeit zu bezahlen sei, noch sei die Regelung des Kollektivvertrages auf jene Fahrten ausgedehnt worden, für die als Einzelfahrten öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung standen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und die von beiden Parteien gestellten Zwischenanträge auf Feststellung - insoweit rechtskräftig - zurück.
Es war der Ansicht, daß mangels zusätzlicher Vereinbarungen auf den Kollektivvertrag zurückgegriffen werden müsse, nach dessen § 23 a ein Anspruch auf Kilometergeld nur für Strecken bestehe, die infolge Fehlens von Verkehrsmitteln zu Fuß, mit dem Fahrrad oder Kraftfahrzeug zurückgelegt würden. Es komme nur auf die faktische Möglichkeit an, mit oder ohne öffentliches Verkehrsmittel zur oder von der Arbeitsstätte zu gelangen. Der Kollektivvertrag stelle nicht auf eine möglichst praktische oder zeitsparende Läsung, sondern nur auf das Fehlen oder Vorhandensein eines öffentlichen Verkehrsmittels ab. § 23 a KV beziehe sich auf die jeweilige Einzelfahrt zur oder von der Arbeitsstätte.
Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG von neuem, traf dieselben Feststellungen wie das Erstgericht und gab der Berufung der Kläger insoweit Folge, als es die begehrten Beträge brutto zusprach. Das Mehrbegehren der Kläger, diese Beträge als Nettobeträge zuzusprechen, wies die zweite Instanz unbekämpft ab.
§ 23 a KV habe den Sinn, die Mehrauslagen abzugelten, die dem Arbeitnehmer dadurch entstünden, daß er den täglichen Weg zwischen dem Wohnort und der Arbeitsstätte nicht mit einem Massenbeförderungsmittel zurücklegen könne. § 23 a KV erwähne zwar die Zurücklegung der Wegstrecke zu Fuß oder per Fahrrad, doch sei die Bestimmung auf diese Fälle nur sekundär zugeschnitten. Stehe ein Massenbeförderungsmittel nur für eine der beiden vom Arbeitnehmer zurückzulegenden Wegstrecken zur Verfügung, so wäre er nach der Auslegung des § 23 a KV durch die beklagte Partei gezwungen, sein Fahrzeug von einem Angehärigen oder Bekannten vom Wohnort auf eigene Kosten zur Arbeitsstätte bringen zu lassen. Eine solche Auslegung des Kollektivvertrages sei auch dann sinnlos, wenn ein öffentliches Verkehrsmittel entweder auf der Hinfahrt oder auf der Rückfahrt für einen Teil der Wegstrecke nicht zur Verfügung stehe. Der Dienstnehmer, der am Morgen einen Teil seiner Wegstrecke mit dem PKW zurücklegen müsse und diesen beim Bahnhof (bei der Autobushaltestelle) abstelle, müßte nach seiner Heimkehr mit dem öffentlichen Verkehrsmittel zu Fuß zum nächsten Bahnhof (Autobushaltestelle) gehen, um dort seinen PKW für die Fahrt am nächsten Morgen abzuholen, ohne daß er für die Fahrt von dort zu seinem Wohnort Anspruch auf Kilometergeld hätte.
Schon die wörtliche Auslegung des § 23 a KV führe zur Unhaltbarkeit des Rechtsstandpunktes der beklagten Partei. § 23 a KV bestimme nämlich, daß Arbeitnehmer, die infolge Fehlens von Verkehrsmitteln gezwungen seien, die Arbeitsplätze (mit dem Kraftfahrzeug) zu erreichen, für jeden zurückgelegten Kilometer zur und von der Arbeitsstätte Anspruch auf Kilometergeld hätten. Der Wortlaut des Kollektivvertrages rechtfertige also die doppelte Auszahlung (für Hin- und Rückfahrt) in jedem Fall, in dem die Arbeitsstätte (oder umgekehrt wohl auch der Wohnort) mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf einem Weg nicht erreicht werden könne.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.
Da eine die vorliegende Streitfrage regelnde Betriebsvereinbarung (§ 29 ArbVG) nicht vorliegt, haben die Vorinstanzen zutreffend geprüft, ob sich der von den Klägern erhobene Anspruch schon aus der Auslegung des § 23 a KV ergibt.
Dies hat die zweite Instanz mit Recht bejaht.
Die zum normativen Teil eines Kollektivvertrages gehörenden Bestimmungen sind nach den Grundsätzen der §§ 6, 7 ABGB, also nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und nach der erkennbaren Absicht des Normgebers auszulegen (Arb. 9281, 9452, 9692 ua.; zuletzt 4 Ob 60/78). Hiebei darf den Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden, daß sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen (4 Ob 3/83; 4 Ob 27/85), sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen (Arb. 9661; 4 Ob 104/84) und eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (4 Ob 2/77). Schon aus dem Wortlaut des § 23 a KV geht hervor, daß Arbeitnehmer, die infolge Fehlens von Verkehrsmitteln gezwungen sind, mit dem Kraftfahrzeug die Arbeitsstätte zu erreichen, .... für jeden zurückgelegten Kilometer zur und von der Arbeitsstätte ein Kilometergeld von S 1,85 erhalten. Versteht man den Begriff des 'Fehlens von Verkehrsmitteln' im Sinne einer vernünftigen, zweckentsprechenden Regelung - so wie es auch die beklagte Partei in der 'Information' Beilage ./6 getan hat - nicht als Fehlen einer Verkehrslinie auf der in Frage kommenden Wegstrecke schlechthin, sondern als Fehlen ensprechender fahrplanmäßiger Verbindungen, die dem Arbeitnehmer ein Erreichen der Betriebsstätte mit noch zumutbaren Wartezeiten ermöglichen, so ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 23 a KV, daß dann, wenn in diesem Sinn ein Verkehrsmittel für die Fahrt zur Arbeitsstätte nicht zur Verfügung steht, Kilometergeld für jeden zurückgelegten Kilometer zur und von der Arbeitsstätte gebührt. Die beklagte Partei kann sich auch nicht darauf berufen, daß schon die Auslegung, die sie selbst in der zitierten 'Information' den Begriff 'Fehlen von Verkehrsmitteln' gegeben hat, nur auf einer Kulanz beruhe (und daher nicht noch erweitert werden dürfe), weil der Begriff des 'Fehlens von Verkehrsmitteln' auch ohne die von der beklagten Partei (einseitig) vorgenommene Auslegung nicht anders verstanden werden könnte. Es käme sonst zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung zwischen jenen Arbeitnehmern, von deren Wohnort aus überhaupt keine Verkehrslinie zur Arbeitsstätte führt (und denen daher das Kilometergeld gebührte) und jenen, die zwar an einer solchen Verkehrslinie wohnen, aber mangels entsprechender Fahrplangestaltung das Verkehrsmittel für die Fahrt zur und von der Arbeitsstätte nicht benützen könnten (und trotzdem keinen Kilometergeldanspruch hätten). Wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausführte, ist es der erkennbare Zweck der Bestimmung des § 23 a KV, den Arbeitnehmern jene Mehrauslagen abzugelten, die ihnen für den täglichen Weg zwischen Wohnort und Arbeitsstätte (und zurück) dadurch entstehen, daß sie diese Wege nicht mit einem Massenverkehrsmittel mit geeigneter Fahrplangestaltung zurücklegen können, weswegen sie in der Regel ihr privates Kraftfahrzeug zur Fahrt in die Arbeit benützen werden. Die im Kollektivvertrag daneben noch erwähnte Möglichkeit, diesen Weg zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen, kann bei größeren Entfernungen - bis zu einer Distanz von fünf Kilometern besteht ohnehin kein Anspruch - als zumeist unpraktisch und - wenn der Arbeitnehmer sich nicht selbst für diese Fortbewegungsart entscheidet - wohl in der Regel auch als unzumutbar außer Betracht bleiben. Der Arbeitnehmer ist daher schon dann zu einer Benützung seines privaten Kraftfahrzeuges gezwungen, wenn eine tägliche Verbindung mit einem Massenverkehrsmittel nur auf einem der beiden Wege (zur Arbeit oder von der Arbeitsstätte) fehlt. Von dieser Situation betroffene Arbeitnehmer haben gleich hohe Mehrauslagen für die Benützung des privaten Kraftwagens wie jene, denen in beiden Richtungen ein geeignetes öffentliches Verkehrsmittel fehlt, weil ja der PKW zum Wohnort zurückgebracht werden muß, damit er am nächsten Arbeitstag wieder zur Verfügung steht. Nach dem Normzweck des § 230 KV gilt daher das, was dort für das Erreichen der Arbeitsstätte ohnehin ausdrücklich gesagt wird, bei vernünftigem und zweckentsprechendem Verständnis der Norm auch für das Erreichen der Wohnung nach Beendigung der Arbeit. Fehlt nur auf einem der beiden Wege ein Verkehrsmittel (im Sinne der unbestrittenen Auslegung dieses Begriffes laut Beilage ./6), so gebührt Arbeitnehmern, wenn die Arbeitsstätte von ihrem Wohnort mehr als fünf Kilometer entfernt ist, für jeden zurückgelegten Kilometer zur und von der Arbeitsstätte ein Kilometergeld von S 1,85. Analoges gilt dort, wo ein Verkehrsmittel (in einer Richtung) nur für Teilstrecken fehlt.
Den Klägern gebührt daher das der Höhe nach unbestrittene restliche Kilometergeld.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Der Streitgenossenzuschlag gebührt auch dann, wenn der Gesamtstreitwert die Summe der Streitwerte mehrerer verbundenen Klagen darstellt.
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