OGH 4Ob153/84

OGH4Ob153/8426.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte Prof. Dr. Friedl und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer Dr. Stefan Seper und Dr. Willibald Aistleitner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Helmut B*****, vertreten durch Dr. Herbert Troyer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Gottfried B*****, vertreten durch Dr. Günther Pullmann, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 167.057,98 S brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 10. September 1984, GZ 31 Cg 42/84-34, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichts St. Johann in Pongau vom 30. Jänner 1984, GZ Cr 51/81-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war bei der beklagten Partei seit 2. 11. 1978 als technischer Betriebsleiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis sollte vereinbarungsgemäß mit Ende September 1981 enden. Am 25. 3. 1981 wurde der Kläger fristlos entlassen.

Mit der Behauptung, dass diese Entlassung ohne rechtfertigenden Grund ausgesprochen worden sei, verlangt der Kläger von der beklagten Partei aus dem Titel der Kündigungsentschädigung (einschließlich der anteiligen Sonderzahlungen) und der Urlaubsentschädigung den - der Höhe nach unbestrittenen - Betrag von 167.057,98 S brutto sA.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe den Kläger entlassen, weil er ihre Anordnungen nicht befolgt und sich als unfähig erwiesen habe. Er sei für den Ablauf der Produktion in der Gießerei und in der Dreherei und damit auch für die laufenden Instandhaltungen und die Überwachung der technischen Sicherheitsvorschriften verantwortlich gewesen. Dabei sei er mehrfach darauf hingewiesen worden, dass für die Schleudergießmaschine aus Sicherheitsgründen nur Schrauben und Bolzen aus hochwertigem Stahl der Qualität MA 4 verwendet werden dürften. Als Diplomingenieur und geprüfter Gießereimeister habe der Kläger das nicht nur wissen, sondern sich auch darüber klar sein müssen, dass bei Verwendung ungeeigneten Materials Lebensgefahr für die Mitarbeiter bestanden hätte. Trotzdem habe er zum Ersatz der bis dahin verwendeten Schrauben von ausreichender Qualität durch selbst angefertigte Verschlussbolzen anstelle der erforderlichen Stahlqualität MA 4 einen Rundstahl, schwarz, ohne Qualitätsangabe bestellt und verarbeiten lassen.

Demgegenüber behauptet der Kläger, dass ihm eine Anweisung, zur Anfertigung von Bolzen nur eine bestimmte Stahlqualität zu kaufen, nicht erteilt worden sei. Die Bolzen aus dem von ihm bestellten Material seien um Weihnachten 1980 hergestellt worden; 90 % hievon stünden bereits in Verwendung und seien in Ordnung. Die beklagte Partei habe die Materialrechnung abgezeichnet und damit die Art des eingekauften Stahls gekannt.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Seine umfangreichen Sachverhaltsfeststellungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Der Kläger, der im Betrieb der beklagten Partei für alle technischen Belange zuständig war, ist Diplomingenieur sowie Metall- und Eisengießermeister; er hatte Erfahrung im Kokillenguss, nicht aber im Schleuderguss.

Im Betrieb der beklagten Partei befindet sich ua eine Waagrecht-Schleudergießmaschine einfacher Bauart, bei welcher eine Kokille - das ist ein als Gussform verwendeter zylindrischer Hohlkörper, der auf beiden Seiten durch abmontierbare Deckel verschlossen ist - um eine waagrechte Drehachse rotiert. Einer der beiden Deckel ist vollkommen geschlossen, der andere, auf der Eingießseite befindliche Deckel weist in der Mitte eine kreisrunde Öffnung auf, durch welche die Gießrinne eingeschoben wird. Der Deckel verschließt die Kokille, um das Ausfließen des flüssigen Metalls zu verhindern; er muss daher vollkommen plan auf der Kokille aufliegen und festgeklemmt sein. Beim Gießvorgang wird das flüssige Metall durch die Gießrinne in die in Drehung befindliche Kokille eingegossen, wo es auf die Kokilleninnenwand auftrifft; es wird durch die Fliehkraft gleichmäßig innen auf den gesamten Umfang des Hohlkörpers verteilt, erstarrt infolge Abkühlung und kann dann nach dem Abmontieren des vorderen Deckels aus der Kokille herausgenommen werden. Mit dieser Maschine werden Rohre, Ringe, Buchsen udgl gegossen.

Der Deckel wird so montiert, dass er an der Unterseite der Kokille aufgesetzt und aufrecht in die Kokille hineingeklappt wird. Dann werden Schrauben mit einem Hammer in radiale Bohrungen am Kokillenrand eingeschlagen, wodurch der Deckel an die stirnseitige Ringfläche gepresst und die Kokille damit abgedichtet wird. Infolge der Anordnung der Bohrungen müssen sich die Schrauben oder Bolzen beim Einschlagen etwas verformen. Diese Verformung ist also eine Voraussetzung für das Funktionieren der Deckelbefestigung, welche sich durch die beiderseitige Abstützung bzw Kraftwirkung des Schraubenschaftes und des Schraubenkopfes einerseits im Deckel und andererseits in der radialen Kokillenbohrung ergibt. Die Berührungsfläche zwischen Schraube und Deckel sowie zwischen Schraube und Kokille ist sehr klein. Es ist von größter Bedeutung, wie die Krafteinleitung auf die Schraube erfolgt. Bei verminderter Werkstoffqualität kann die Beanspruchung über die zulässige Streckgrenze gehen, so dass ein Bruch der Schraube möglich wäre.

Beim Gießvorgang befinden sich der Gießer und eine Hilfsperson an der Gießpfanne, der Kranführer und ein Steuermann in einer Entfernung von 1,3 bis 3,5 m zur Kokille. Die Eingießphase ist im Hinblick auf eine Personengefährdung kritisch, weil viel flüssiges Metall vorhanden ist, welches aus der Kokille austreten kann. Das flüssige Metall übt eine achsiale Kraft auf den Deckel aus, so dass bei einem Bruch aller Schrauben der Deckel mit großer Wucht auf die an der Kokille beschäftigten Personen weggeschleudert werden könnte. Eine andere Gefährdung kann sich dadurch ergeben, dass flüssige Metallteilchen durch die Fliehkraft nach außen geschleudert werden; beim Bruch einer Schraube oder eines Bolzens könnte dies zum Bespritzen der unmittelbar an der Maschine beschäftigten Personen mit Metallteilchen führen, insbesondere dann, wenn diese Personen nicht die vorgesehene Schutzkleidung tragen. Sollte bei einem Bruch der Schrauben oder der Bolzen der Vorderdeckel zur Gänze abgeschleudert werden, würde sich das ausfließende Metall auf die Standplätze aller Beschäftigten ergießen.

Die gegenständliche Schleudergießmaschine steht seit 1976 in Betrieb; sie ist eine Konstruktion der beklagten Partei. Technisch richtig wäre es, anstelle der Schrauben oder Bolzen Keile als Festklemmelemente zu verwenden. Die Verwendung von Schrauben oder Bolzen bei der Konstruktion der Deckelfestklemmung ist, technisch gesehen, missbräuchlich und abzulehnen.

Die Werkstoffqualität MA 4, inzwischen ersetzt durch die Normbezeichnung Ck 45, ist in der Qualität etwa dem Werkstoff der Schrauben von der Qualität 8.8 gleichzusetzen. Für die einzelnen Werkstoffqualitäten sind vom Stahlhersteller gewisse Zugfestigkeitswerte zu gewährleisten. Der vom Kläger bestellte Rundstahl schwarz fällt unter die Qualität St 00 M. Er hat keine garantierte Mindestzugfestigkeit oder Streckgrenze (das ist jene Belastung, bei der sich der Stahl zu verformen beginnt). Da die Höhe seiner minimalen Zugfestigkeit somit rein zufällig ist, kann er nur für untergeordnete Bauteile, welche nicht berechnet werden, verwendet werden; für alle Zwecke, die einen Berechnungsnachweis erfordern, ist seine Verwendung hingegen untersagt. In den Berechnungsnachweisen ist nämlich für die Festigkeitsberechnung eine Mindestfestigkeit anzunehmen; für die Werkstoffqualität St 00 wird dagegen nur die höchste Zugfestigkeit garantiert. Ein weicherer Stahl wird sich bei gleicher Krafteinwirkung mehr verformen und auch früher brechen. Dass bisher keine Bolzen, die 1981 erzeugt wurden, beim Betrieb gebrochen sind, lässt darauf schließen, dass entweder keine extremen Belastungen vorgekommen sind oder die Streckgrenze der tatsächlich verwendeten Bolzen im oberen Bereich gelegen war. Im ungünstigsten Fall wäre ein Bruch der Bolzen von der Werkstoffqualität St 00 M möglich gewesen, welcher ein Abheben des Deckels hätte bewirken können.

Aufgrund seiner technischen Studien mussten beim Kläger das Wissen um die zu beachtende Werkstoffqualität und die Fähigkeit, Festigkeitsprobleme zu erkennen, zu analysieren und zu berechnen oder abzuschätzen, vorausgesetzt werden. Die Auswirkungen der auf die Schrauben oder Bolzen wirkenden Kräfte sind durch die Verformung dieser Schrauben oder Bolzen sehr augenscheinlich; eine Verformung dieses Bauteils in ungewollter Weise zeigt auch dem technisch nicht sehr Kundigen, dass eine für den Bauteil zu große Beanspruchung eingewirkt hat. Der Kläger hätte auch die Gefährlichkeit der Konstruktion an sich, mit welcher der Deckel festgeklemmt wurde, erkennen müssen.

Nachdem ursprünglich, also 1976, an der Schleudergussmaschine Bolzen verwendet worden waren, die durch ihre besondere Form die Funktion eines Keils ausgeübt und sich kaum verformt hatten, verwendete die beklagte Partei später Schrauben. Ende 1980 oder Anfang 1981, als diese Schrauben, welche die beklagte Partei üblicherweise von einem Eisenunternehmen in Bischofshofen bezogen hatte, ausgingen und auch bei der Lieferantin nicht vorrätig waren, ließ der Kläger - welcher von der beklagten Partei schon seit längerer Zeit gedrängt worden war, die Schrauben durch selbst erzeugte Bolzen zu ersetzen - aus dem im Betrieb vorhandenen Material Bolzen herstellen. Am 29. 1. 1981 bestellte er 12 m Rundmaterial, schwarz, Durchmesser 20. Dieser Rundstahl wurde am 2. 2. 1981 geliefert. Die Rechnung vom 4. 2. 1981 wurde vom Inhaber des beklagten Unternehmens, Gottfried B*****, entweder am 17. 3. 1981 oder kurz zuvor kontrolliert, wobei ihm jedoch die Artikelbezeichnung entging.

Als die Schleudergussmaschine vor Weihnachten 1980 umgebaut wurde - wobei Wellen verlängert und Räder gebaut wurden -, wies Gottfried B***** den Kläger an, für die Herstellung dieser Teile Stahl der Qualität MA 4 zu verwenden. Eine Anweisung der beklagten Partei, auch für die Herstellung der Bolzen diese Stahlqualität zu verwenden, ist nicht erwiesen.

Im Februar oder März 1981 gab der Kläger einem Arbeiter den Auftrag, aus dem von ihm bestellten Rundstahl Bolzen zu drehen. Der Gießereifacharbeiter Johann S***** sagte zum Kläger, er könne mit diesen Bolzen „abfahren“, weil er die Erfahrung gemacht habe, dass sie sich gleich bei der ersten Verwendung verbiegen. Bei schwereren Buchsen wurden dann Schrauben verwendet, die gegenständlichen Bolzen dagegen nur vereinzelt. S***** drückte dem Kläger auch verbogene Bolzen in die Hand; dem Inhaber der beklagten Partei sagte er aber nichts davon. Im März 1981 wurde S***** von dem Facharbeiter Wolfgang B***** vertreten. Dieser ließ die von einem anderen Arbeiter zur Befestigung des Deckels der Schleudergussmaschine eingeschlagenen Bolzen wieder entfernen, weil er sah, dass sie sich sogleich verbogen hatten. An ihrer Stelle verwendete er Schrauben, wie sie sonst immer verwendet worden waren.

Als sich Gottfried B***** am 23. 3. 1981 wieder einmal in der Gießerei umschaute, fiel ihm auf, dass wieder Schrauben verwendet wurden. Als er Wolfgang B***** deshalb zur Rede stellte, teilte ihm dieser mit, dass die vorhandenen Bolzen nichts wert seien, weil sie sich viel schneller und leichter verbiegen. Gottfried B***** ließ sich solche Bolzen zeigen und sah sodann die Bestell- und Lieferpapiere an; dabei stellte er fest, dass Stahl ohne Qualitätsangabe ausgeliefert und zur Bolzenherstellung verwendet worden war. Der Kläger hatte an diesem Tag (23. 3. 1981) dienstfrei. Am folgenden Tag rief er im Betrieb an, weil er einen Verkehrsunfall gehabt hatte; Gottfried B***** gab ihm diesen Tag frei. Am 25. 3. 1981 sprach Gottfried B***** sodann die Entlassung des Klägers aus, wobei er als Entlassungsgrund angab, dass der Kläger billiges Material für die Fertigung der Bolzen verwendet habe.

Noch Ende Jänner 1981, als die Auflösung des Arbeitsverhältnisses per Ende September 1981 vereinbart wurde, hatte Gottfried B***** zum Kläger gesagt, dass er dessen fachliche Qualifikation nicht in Frage stelle, aber seine Eigenschaft als Betriebsleiter nicht ausreichend finde.

Rechtlich meinte das Erstgericht, dass die Entlassung des Klägers ohne unnötigen Aufschub und daher rechtzeitig ausgesprochen worden sei. Der Entlassungsgrund des § 27 Z 2 AngG welcher eine dauernde Dienstunfähigkeit voraussetze, sei nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens nicht gegeben. Ebensowenig könne von einer beharrlichen Weigerung des Klägers, einer durch den Gegenstand der Dienstleistung gerechtfertigten Anordnung der beklagten Partei nachzukommen, gesprochen werden, weil eine Anordnung der beklagten Partei, für die Herstellung von Bolzen nur Stahl der Qualität MA 4 zu verwenden, nicht erwiesen sei und es im Übrigen auch an der notwendigen Mahnung oder Verwarnung des Klägers gefehlt habe. Der Kläger habe zwar grob fahrlässig gehandelt, weil er aufgrund seiner Ausbildung auch ohne ausdrückliche Anordnung der beklagten Partei habe erkennen müssen, dass die Verwendung minderwertigen Stahls zur Fertigung der Bolzen zu einer Gefährdung der in der Gießerei beschäftigten Personen führen konnte; Gottfried B***** hätte ihn aber vorerst verwarnen müssen und nicht sogleich mit der fristlosen Entlassung vorgehen dürfen.

Die Berufung der beklagten Partei blieb erfolglos. Das Berufungsgericht führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem durch und kam dabei zu den gleichen Tatsachenfeststellungen wie das Ersturteil. Davon ausgehend, billigte es auch die rechtliche Beurteilung dieses Sachverhalts durch das Prozessgericht erster Instanz. Dass die Entlassung des Klägers weder auf § 27 Z 2 noch auf § 27 Z 4 AngG gestützt werden könne, habe das Erstgericht richtig erkannt. Der Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit (§ 27 Z 1 AngG) könne zwar auch durch fahrlässige Handlungen verwirklicht werden; er sei aber von der Rechtsprechung immer nur bei einem Bruch des geschäftlichen und dienstlichen Vertrauens des Arbeitgebers angenommen worden und nicht schon bei einer technisch-fachlichen Fehlentscheidung. Für die ihm aus Nachlässigkeit unterlaufene Fehlleistung hätte der Kläger beim Eintritt eines Schadens allenfalls im Rahmen des Dienstnehmer-Haftpflichtgesetzes unter Berücksichtigung der von der beklagten Partei zu vertretenden, technisch abzulehnenden Konstruktion der Deckelfestklemmung einstehen müssen; der beklagten Partei wäre es aber durchaus zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis bis zum vereinbarten Endtermin (30. 9. 1981) fortzusetzen. Die von der beklagten Partei hilfsweise angestrebte Culpakompensation nach § 32 AngG komme hier nicht in Betracht, weil ein Sachverhalt, der keinen tauglichen Entlassungsgrund bildet, hiefür nicht herangezogen werden könne.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird seinem ganzen Umfang nach von der beklagten Partei mit Revision aus den Gründen des § 503 Abs 1 Z 2 bis 4 ZPO bekämpft. Die beklagte Partei beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben (richtig: abzuändern) und das Zahlungsbegehren des Klägers abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Nach dem Inhalt der Berufungsschrift hat die beklagte Partei den Zeugen Karl W***** nur zum Beweis der von ihr in zweiter Instanz neu behaupteten weiteren Pflichtverletzungen des Klägers angeboten (hiezu su); auch dem Protokoll über die mündliche Berufungsverhandlung ist kein Vorbringen der beklagten Partei zu entnehmen, wonach dieser Zeuge auch die Anordnung der beklagten Partei bestätigen könne, für die Anfertigung der Verschlussbolzen nur hochwertigen Stahl zu verwenden.

Die Rechtsrüge der beklagten Partei erweist sich hingegen insofern als begründet, als das angefochtene Urteil an Feststellungsmängeln leidet, die eine abschließende rechtliche Beurteilung derzeit noch nicht zulassen:

Richtig ist, dass der Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit (§ 27 Z 1 AngG) im Einzelfall auch durch fahrlässiges Verhalten des Angestellten verwirklicht werden kann (Arb 9238 = SozM I Ad 1109 mwN; Arb 10.001, 10.072, 10.212 uva; Kuderna, Entlassungsrecht 63, 88 f; Martinek-Schwarz, AngG6, 604 ff § 27 Anm 12). Dass der Kläger hier insofern eine Fahrlässigkeit zu verantworten hat, als er aufgrund seiner Ausbildung und seines technischen Fachwissens die mit der Verwendung qualitativ minderwertigen Stahls zur Anfertigung der Verschlussbolzen verbundene Gefahr auch ohne ausdrückliche Belehrung durch seine Arbeitgeberin zu erkennen vermochte, haben schon die Vorinstanzen richtig erkannt; auch der Kläger selbst räumt in seiner Revisionsbeantwortung ausdrücklich ein, dass ihm bei der Bestellung des zur Bolzenerzeugung notwendigen Stahls eine Nachlässigkeit unterlaufen ist. Gleich den Vorinstanzen ist aber auch der erkennende Senat der Meinung, dass diese Fehlleistung des Klägers für sich allein die sofortige Auflösung seines Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen konnte: Im vorliegenden Fall darf nämlich nicht übersehen werden, dass jede Inbetriebnahme der gegenständlichen Schleudergussmaschine mit einer erheblichen Gefährdung der dort beschäftigten Arbeiter verbunden war, weil das Festklemmen des Deckels mit Schrauben oder Bolzen, welche sich konstruktionsbedingt schon beim Einschlagen mehr oder weniger verformen mussten, wegen der damit verbundenen erhöhten Bruchgefahr aus technischer Sicht abzulehnen war. Diese mit dem Betrieb der Maschine notwendig verbundene Gefahr eines Schrauben- oder Bolzenbruchs ist durch die Verwendung von Befestigungsbolzen aus minderwertigem Stahl, objektiv gesehen, gewiss vergrößert worden. Das von den Vorinstanzen festgestellte, einmalige Fehlverhalten des Klägers wiegt aber bei Anlegung eines objektiven Maßstabs nicht so schwer, dass der beklagten Partei die Forsetzung des Arbeitsverhältnisses für die restliche Vertragsdauer unzumutbar gewesen wäre.

Damit gewinnt aber das Berufungsvorbringen der beklagten Partei, wonach der Kläger auch schon in der Vergangenheit (ua) „Werkskräne und Hebezeuge nicht regelmäßig auf die Sicherheitsvorschriften hin überprüft und … den Elektroschmelz offenbar nicht auf seine sachgemäße Füllung kontrolliert“ habe, entscheidungswesentliche Bedeutung: Das Berufungsgericht ist auf diese Behauptungen deshalb nicht weiter eingegangen, weil der als Entlassungsgrund herangezogene Vorfall auch im Zusammenhang mit solchen früheren Pflichtverletzungen des Klägers die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen könne. Diese Auffassung ist verfehlt: Wie der Oberste Gerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat (Arb 5440; Arb 6955 = JBl 1959, 324; Arb 7687 = SozM IV Ad 517; SozM IC A 347; RdA 1978, 361), ist gerade beim Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit nicht nur der letzte zur Auflösung führende Vorfall, sondern das Gesamtverhalten des Arbeitnehmers innerhalb eines längeren Zeitraums zu berücksichtigen. Sollte sich nun herausstellen, dass der Kläger auch schon in anderen Fällen Sicherheitsvorschriften missachtet und zur Abwendung von Gefahren vorgeschriebene Kontrollen vernachlässigt hat, dann könnte dies auch die hier beanstandete Verwendung minderwertigen Stahls zur Herstellung von Befestigungsbolzen in einem anderen, für den Kläger wesentlich ungünstigeren Licht erscheinen lassen. Ob das Gesamtverhalten des Klägers die Annahme rechtfertigt, dass der beklagten Partei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer nicht mehr zumutbar war, wird deshalb erst dann verlässlich beurteilt werden können, wenn Zeitpunkt, Art und nähere Umstände allfälliger früherer, mit der Einhaltung von Sicherheitsvorschriften zusammenhängender Pflichtverletzungen des Klägers feststehen. Das Berufungsgericht wird deshalb in Erfüllung seiner Pflicht zur materiellen Prozessleitung auf ein ergänzendes Sach- und Beweisvorbringen der Parteien in dieser Richtung hinzuwirken und nach Aufnahme der ihm notwendig erscheinenden Beweise die entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen zu treffen haben; erst dann wird es verlässlich beurteilen können, ob die Entlassung des Klägers wegen Vertrauensunwürdigkeit gerechtfertigt war.

Aus diesen Erwägungen war der Revision der beklagten Partei Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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