OGH 12Os150/85-14

OGH12Os150/85-1421.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.November 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zimmermann als Schriftführer in der Strafsache gegen Dieter Josef A und einen anderen wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 2, 129 Z. 1 und 2, 15 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Georg B sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten Dieter Josef A gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 8. August 1985, GZ. 17 Vr 559/85-37, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Tschulik, des Angeklagten A und der Verteidiger Dr. Zanger und Dr. Barki jedoch in Abwesenheit des Angeklagten B zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Georg B wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches ansonsten unberührt bleibt, im übrigen auch gemäß § 290 Abs. 1 StPO. im Schuldspruch sowohl des Angeklagten Georg B als auch des Angeklagten Dieter Josef A wegen Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB. (Punkt B/ des Urteilssatzes), sowie demgemäß auch in dem beide Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Dieter Josef A und Georg B werden von der Anklage,

sie haben in Salzburg Urkunden über die sie nicht allein verfügen durften, nämlich einen Führerschein, einen Personalausweis und eine American-Expreß-Karte des Georg C unterdrückt, wobei sie mit dem Vorsatz gehandelt haben, zu verhindern, daß diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, und hiedurch das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB. begangen, gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.

Für das ihnen laut dem aufrecht bleibenden Punkt A/ des Schuldspruchs weiterhin zur Last fallende Verbrechen des teils versuchten, teils vollendeten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 2, 129 Z. 1 und 2, 15 StGB., bei Georg B zum Teil auch nach dem dritten Fall des § 12 StGB., werden Dieter Josef A und Georg B nach §§ 128 Abs. 2, 28 StGB. zu Freiheitsstrafen in der Dauer von je 3 Jahren verurteilt.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Georg B verworfen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Dieter Josef A und Georg B sowie die Staatsanwaltschaft auf die

vorstehende Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO. fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Dieter Josef A und Georg B (zu A/) des Verbrechens des teils

versuchten, teils vollendeten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 2, 129 Z. 1 und 2, 15 StGB., Georg B zum Teil als Beteiligter gemäß dem dritten Fall des § 12 StGB., sowie (zu B/) des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt. Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte B in den Punkten A/III/1 und B/ des Schuldspruchs mit einer auf die Z. 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; gegen den Strafausspruch haben sowohl dieser Angeklagte als auch der Angeklagte A und die Staatsanwaltschaft Berufung ergriffen. Zu Punkt A/III/1 wurde Georg B schuldig erkannt, am 13. August 1984 in Salzburg Verfügungsberechtigten der Firma D zwei Damenhosen und drei Herrenthermohosen im Wert von 1.285 S mit Bereicherungsvorsatz weggenommen zu haben. Die dagegen aus der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. erhobene, eine mangelnde Begründung dieses Schuldspruchs relevierende Rüge geht fehl. Das Schöffengericht gründete seine Überzeugung von der Täterschaft des Beschwerdeführers auf die insgesamt als glaubwürdig erachteten Angaben des Mitangeklagten A (im Vorverfahren), denenzufolge B dem Genannten von diesem Einbruchsdiebstahl erzählt, somit seine Täterschaft eingestanden hat, worauf beide beschlossen, neuerlich in die Geschäftsräume der Firma D einzubrechen (vgl. S. 97 a, 211, 321, 325 d.A.). Daß der (leugnenden) Verantwortung des Beschwerdeführers nicht nur in Ansehung des Urteilsfaktums A/III/3, sondern generell keine Glaubwürdigkeit zukommt, konnten die Tatrichter überdies auch auf Grund der Aussage des Zeugen Rudolf E folgern, wonach B nicht, wie er behauptet, erst eine Woche vor seiner Verhaftung, sondern bereits seit Mitte Jänner 1985 im Besitz eines Schlüssels für das Gebäude der Firma D gewesen ist (vgl. S. 323, 325 d.A.). Die Bekundung des Zeugen Hermann F, er habe dem Angeklagten B (angeblich schon im Jänner oder Feber 1984) von einem früheren Einbruchsdiebstahl bei der Firma D erzählt (S. 311 d.A.), bedurfte hingegen keiner Erörterung in den Urteilsgründen, weil daraus für die Beantwortung der Frage, ob B diese Tat dem Mitangeklagten A gegenüber zugegeben oder nur eine Information des Zeugen F über einen diebischen Angriff eines unbekannten Dritten weitergegeben hat, nichts hätte gewonnen werden können.

Laut Punkt B/ des Schuldspruchs haben die Angeklagten A und B (zwischen Ende Dezember 1984 und 16.Feber 1985) in Salzburg Urkunden, über die sie nicht allein verfügen durften, nämlich einen Führerschein, einen Personalausweis und eine American-Expreß-Karte des Georg C, mit dem Vorsatz

unterdrückt, zu verhindern, daß diese Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden. Diesbezüglich wendet der Angeklagte B aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. ein, daß in Ansehung der American-Expreß-Karte der Tatbestand der Urkundenunterdrückung deshalb nicht erfüllt sein könne, weil der Berechtigte Georg C im Tatzeitpunkt bereits verstorben gewesen und daher ein Gebrauch dieser Urkunden im Rechtsverkehr nicht mehr möglich gewesen sei, zumal den Erben des Verstorbenen auf Grund der vertraglichen Vereinbarungen eine Verfügungsberechtigung über die Kreditkarte nicht zustehe.

Rechtliche Beurteilung

Diesem Einwand kommt Berechtigung zu. Darüber hinaus zeigt sich, daß der Schuldspruch wegen § 229 Abs. 1 StGB. unter den gegebenen Umständen auch in Ansehung des Führerscheines und des Personalausweises, mithin zur Gänze verfehlt ist.

Zwar verliert eine Urkunde die Urkundeneigenschaft (im Sinn des § 74 Z. 7 StGB.) nicht dadurch, daß sie, sei es durch Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer, sei es durch Tod des Berechtigten, ungültig wird (vgl. Kienapfel im Wr. Kommentar § 223 Rz. 81). Das bedeutet aber nicht, daß eine ungültig gewordene Urkunde stets auch Gegenstand einer Urkundenunterdrückung gemäß § 229 StGB. ist. Als Tatobjekt dieses Delikts kommt nämlich nur eine solche Urkunde in Betracht, die im Zeitpunkt ihres Unterdrückens - objektiv gesehen - die Eignung aufweist, im Rechtsverkehr rechtmäßig zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht zu werden, mit anderen Worten: die für ihren Errichtungszweck recte noch verwendbar ist (vgl. EvBl. 1981/107; EvBl. 1982/191). Denn nach der ratio der in Rede stehenden Strafbestimmung wird das Vertrauen der Allgemeinheit auf den Bestand der Beweisfunktion von Urkunden nur geschützt, falls und so lange an ihnen überhaupt ein rechtlich anerkanntes fremdes Beweisführungsinteresse besteht (vgl. Kienapfel a. a.O. Vorbem. § 223 Rz. 25, § 229 Rz. 5). Ist ein rechtlich anerkanntes Beweisführungsinteresse nicht mehr gegeben, weil die Urkunde (wie vorliegend) infolge des Todes des Berechtigten ungültig geworden ist und deshalb niemand mehr die der Urkunde innewohnende Beweisfunktion rechtmäßig realisieren kann, dann ist das Bedürfnis nach strafrechtlichem Bestandschutz in Ansehung einer solchen Urkunde weggefallen; sie kann daher nicht (mehr) Objekt einer Urkundenunterdrückung gemäß § 229 StGB. sein.

Im vorliegenden Fall ist die Beweisfunktion der (auf den Namen des Berechtigten lautenden) American-Expreß-Karte mit dem Tod dieses Berechtigten (Georg C) erloschen; mangels Wertpapiereigenschaft einer derartigen Kreditkarte ist deren rechtmäßiger Gebrauch durch andere, etwa die Erben des Berechtigten, ausgeschlossen. Führerschein und Personalausweis hinwieder sind persönliche Ausweispapiere; sie können bestimmungsgemäß daher nur vom Berechtigten im Rechtsverkehr gebraucht werden. Ein rechtmäßiger Gebrauch derartiger Ausweispapiere durch Dritte kommt gemeiniglich nicht in Betracht. Auch sie scheiden daher im Hinblick auf den Tod des Berechtigten als Objekt der Urkundenunterdrückung aus. Punkt B/ des Schuldspruchs ist demnach nicht nur im Umfang der Anfechtung durch den Angeklagten B, sondern in seinem ganzen, die Angeklagten A und B betreffenden Inhalt mit dem Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. behaftet, sodaß insoweit nicht nur der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B teilweise Folge zu geben, sondern darüber hinaus zu Gunsten beider Angeklagten gemäß § 290 Abs. 1 StPO. vorzugehen war. Es war somit der Schuldspruch Punkt B/ des Urteilssatzes und demgemäß auch der Strafausspruch aufzuheben und in der Sache selbst gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. ein Freispruch beider Angeklagten von der Anklage wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung zu fällen. Bei der im Hinblick auf die Teilaufhebung des Urteils erforderlichen Neubemessung der Strafen konnten die vom Erstgericht zutreffend festgestellten Strafzumessungsgründe übernommen werden. Lediglich das bei beiden Angeklagten als Erschwerungsgrund angenommene Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen fällt weg. Die Aufhebung des Schuldspruches wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung fällt bei der Vielzahl und der Schwere der den Angeklagten zur Last fallenden Diebstähle nicht ins Gewicht. Die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von je drei Jahren entspricht dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schuld der mehrfach einschlägig vorbestraften Angeklagten, zumal sich die zuletzt über sie verhängten strengen Freiheitsstrafen offensichtlich als wirkungslos erwiesen haben. Weder die Angeklagten noch die Staatsanwaltschaft vermögen in ihren Berufungen stichhältige Argumente vorzubringen, die eine geringere oder strengere Strafe (auch in der Relation zueinander) rechtfertigen könnten. Über beide Angeklagten war somit eine Freiheitsstrafe in der Dauer von je drei Jahren zu verhängen.

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte