Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 2.700,15 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 223,65 Umsatzsteuer und S 240,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 1314 KG St.Gallenkirch, bestehend aus dem Baugrundstück 1472. Dieses Grundstück wurde mit Beschluß vom 11.5.1959 von der EZ 796 abgeschrieben.
Die Beklagten sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 1524 KG St.Gallenkirch, bestehend aus den Baugrundstücken 1480, 1178 und dem Grundstück 1367, sowie der Liegenschaft EZ 796 derselben KG, bestehend aus dem Baugrundstück 399, den Grundstücken 1370, 1371, 1372, 1373 und dem Baugrundstück 400.
Die Liegenschaft EZ 1524 stand zunächst im Eigentum der Eltern des Zweitbeklagten, nämlich Franz Josef B und Paulina B, je zur Hälfte (Kaufverträge vom 13.6.1922 und 13.1.1931) und ging dann im Erbwege auf Franz Josef B, den Zweitbeklagten und dessen Geschwister Berta und Franz B über.
Diese drei Letztgenannten waren auf Grund der Einantwortungsurkunde vom 2.9.1969 Eigentümer zu je einem Drittel. Seit 1972 steht die Liegenschaft je zur Hälfte im Eigentum der Beklagten. Die Liegenschaft EZ 796 stand seit 1927 im Miteigentum mehrerer Personen. Mit Kaufvertrag vom 21.1.1943 wurde Josefa C Eigentümerin dieser Liegenschaft. Sie veräußerte diese Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 3.7.1964 (im Ersturteil entgegen dem Buchstandsbericht ON 3 des Aktes und der Aussage des Zweitbeklagten AS 102 offenbar irrig: 3.7.1963) je zur Hälfte an die Beklagten. Der Zweitbeklagte ist außerdem auf Grund der Einantwortungsurkunde vom 2.9.1969 Miteigentümer zu einem Drittel der Liegenschaften EZ 1214 und EZ 1039 je KG St.Gallenkirch. Die EZ 1214 (bestehend unter anderem aus dem Baugrundstück 395 sowie den Grundstücken 1364 und 1365) stand im Eigentum der Eltern des Zweitbeklagten, Franz Josef B und Paulina B, und ging dann im Erbwege auf Franz Josef B, den Zweitbeklagten und dessen Geschwister Berta und Franz über. Die EZ 1039 (bestehend unter anderem aus dem Baugrundstück 396 sowie den Grundstücken 1340/1, 1340/2 und 1341) stand im Eigentum der Mutter des Zweitbeklagten, Paulina B, und ging im Erbwege auf den Zweitbeklagten, dessen Vater und die beiden Geschwister des Zweitbeklagten zu je einem Viertel über.
Die Kläger beantragten, 1.festzustellen, 'daß den Beklagten kein Dienstbarkeitsrecht des Gehens und Fahrens mit Schubkarren über Bp.1472 KG St.Gallenkirch' zustehe, und 2.die Beklagten schuldig zu erkennen, 'das Begehen und Befahren der Bp.1472 mit Schubkarren zu unterlassen'. Zur Begründung brachten sie vor: Die Beklagten behaupteten zu Unrecht das Bestehen des Rechtes, über den Vorplatz des Hauses St.Gallenkirch 208 a (Baugrundstück 1472) zu gehen und mit Schubkarren zu fahren. Die Kläger hätten mit Kaufvertrag vom 22.1.1959 diese Liegenschaft von Josefa C erworben. Im Kaufvertrag sei ausdrücklich die lastenfreie Übergabe zugesichert worden. Als Rechtsnachfolger der Verkäuferin seien auch die Beklagten an diese vertragliche Verpflichtung gebunden. Ausdrücklich bestritten werde, daß die Beklagten ein solches Recht bereits seit mehr als 30 Jahren ausübten. Selbst wenn tatsächlich eine Ersitzung vorläge, sei die Ausübung dieses Rechtes wegen offensichtlichen Wegfalles des Nutzens erloschen. Die Beklagten hätten im Jahre 1981
einen 3 m breiten, an die südwestliche Grenze des Grundstückes 1472 anschließenden Grundstreifen erworben. Aus dem angeblichen Verlauf des Fußweges entlang der Wasserleitung laut Wasserbuch ergebe sich, daß dieser Fußweg nirgends das Grundstück 1373 bzw. das daraus gebildete Baugrundstück 1472 berührt habe. Zudem hätten anläßlich der Bauverhandlung zur Errichtung des Wohnhauses der Kläger die Beklagten weder schriftlich noch mündlich Einwendungen erhoben und sei insbesondere nicht über die Dienstbarkeit des Fußsteiges gesprochen worden, was 'zwingend' erfolgt wäre, wenn ein Fußsteig tatsächlich vorhanden gewesen wäre. Das Vorgehen der Beklagten stelle zudem eine schikanäse Rechtsausübung dar, weil die Beklagten über einen Zugang über ihren Grund verfügten. Ein allfälliges Recht wäre durch den gutgläubigen Erwerb der Liegenschaft durch die Kläger erloschen.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein:
Sie und ihre Rechtsvorgänger im Eigentum des Grundstückes 1367 sowie des Baugrundstückes 1480 seien schon vor mehr als 30 Jahren von diesen Grundstücken über das Grundstück 1367, dann über das Grundstück 1373 gegangen und mit Schubkarren gefahren und hätten anschließend das Recht auch über das Baugrundstück 1472 ausgeübt. Der Zweitbeklagte sei im übrigen auch Miteigentümer der unter der Montafonerstraße liegenden Grundstücke 1339, 1340/1, 1340/2 und der Baugrundstücke 395 und 396. Als Miteigentümer dieser Liegenschaft hätten der Zweitbeklagte und auch seine Rechtsvorgänger seit mehr als 30 Jahren dieses behauptete Recht ausgeübt. Selbst wenn die beiden Beklagten als Rechtsnachfolger von Josefa C an die Verpflichtung im Kaufvertrag gebunden wären, würde diese Bindung nur für die Beklagten als Eigentümer des Grundstückes 1373, nicht jedoch als Miteigentümer der Liegenschaften Einlagezahlen 1524, 1214 und 1039 je St.Gallenkirch bestehen. Die Dienstbarkeit sei immer ausgeübt worden und auch offenkundig gewesen, da nicht nur die Beklagten, sondern auch Leute aus der Gemeinde diesen Weg benützt hätten. Auch den Klägern sei die Dienstbarkeit bekannt gewesen. Anläßlich des Baues einer Garage im Jahre 1980 sei der Weg verlegt worden. Die Eintragung im Wasserbuch gäbe den Verlauf der Wasserleitung und damit des Weges nicht richtig wieder. Die Nützlichkeit der Dienstbarkeit für die Beklagten sei nicht weggefallen, da die Beklagten durch diese Dienstbarkeit die Grundstücke 1364 und 1365 schneller erreichen könnten. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich der Erstbeklagten statt und wies das Klagebegehren hinsichtlich des Zweitbeklagten ab. Es legte seiner Entscheidung außer dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt folgende Feststellungen zugrunde:
Der Vorplatz des Hauses St.Gallenkirch Nr.208 a (auf dem Baugrundstück 1472) liegt südästlich der bergwärts verlaufenden geteerten Gemeindestraße (Grundstück 4689). An diesen Vorplatz anschließend befindet sich die Garage der Kläger. Die Länge des Vorplatzes beträgt ca.10 m, die Tiefe zu Beginn ca.4 m und verjüngt sich bergwärts gesehen auf ca.2 m. Der Vorplatz ist teilweise geschottert, teilweise begrünt. Südlich ist der Platz durch eine Stützmauer gegen die darunter liegende Wiese abgegrenzt. Auf dieser Wiese sind im Abstand von ca.3 m (auf dem Grundstück 1359) drei Holzpfosten bzw. Grenzsteine sichtbar. Die Wiese auf dem Grundstück 1359 weist in diesem Bereich eine leichte Senkung (ost-westlich) auf. Auf Höhe der Garage verjüngt sich der Vorplatz zu einem Durchgang von ca.3 m Breite. Linksseitig (Richtung Osten gesehen) befindet sich die Garagenmauer, rechtsseitig ist der Vorplatz durch einen ca.4 m langen, aus Latten bzw. Holzpfosten gebildeten Zaun begrenzt. Zwischen dem Gartenzaun und dessen Fortsetzung zum Eingang des Hauses 208 a ist eine §ffnung von ca.80 cm Breite vorhanden. Folgt man durch diese §ffnung dem nunmehr in Natur sichtbaren Fußweg zum Haus der Beklagten Nr.207 (Baugrundstück 1480), so handelt es sich um eine ca.50 cm breite, als niedergetretene Grasnarbe sich darstellende Spur. Spuren von Rädern waren im Zeitpunkt des Augenscheines nicht vorhanden. Närdlich der Gemeindestraße verläuft der oben beschriebene Weg in der Natur sichtbar als niedergetretene Grasnarbe weiter hangwärts. Im übrigen verwies das Erstgericht hinsichtlich des Verlaufes des Fußweges insbesondere im strittigen Bereich auf die im Akt erliegenden Lichtbilder. Bereits seit unvordenklichen Zeiten, zumindest aber seit mehr als 40 Jahren verlief dieser heute noch sichtbare Fußweg von der Montafonerstraße (Grundstück 4788/1) bergwärts über die Grundstücke 1367, 1373, 1370, 1365, 1364 und 1419, wobei er sich stets als mehr oder minder sichtbarer Weg (festgetretene Grasnarbe) darstellte. Ursprünglich verlief dieser Fußweg entlang eines offenen Wassergerinnes, und zwar im bergseitigen Bereich des Gemeindeweges (Grundstück 4689)
talauswärts (= westlich) des Gerinnes, querte dann den Gemeindeweg
und führte schließlich taleinwärts (= ästlich) des Gerinnes über die Grundstücke 1373, 1367 bis zur sogenannten Waschküche auf dem Baugrundstück 1178, wo das Wasser gefaßt wurde. Zu Beginn der Fünfzigerjahre wurde das Wasser an der Quelle gefaßt und verlor das Gerinne damit seine Bedeutung. Teilweise wurde es von den jeweiligen Grundeigentümern zugeschüttet, teilweise ist es von selbst verwachsen. Es ist allerdings heute noch in der Natur stellenweise sichtbar. Sowohl das Wassergerinne als auch der daneben verlaufende Fußweg berührten dabei immer den Teil des Grundstückes 1373, nunmehr Baugrundstück 1472, welcher den Vorplatz des Hauses bzw. der Garage der Kläger auf dem Baugrundstück 1472 darstellt. Der ungefähre Verlauf des Fußweges wurde auf Grund der Beweisergebnisse (Ortsaugenschein) vom 9.6.1983 in den Mappenplan eingezeichnet. Dieser Fußweg wurde von Mitgliedern der Gemeinde, aber auch von Fremden begangen. Seine Benützung und damit seine Bedeutung gingen durch den Ausbau des Wege- und Straßennetzes sowie die Zunahme des Kraftfahrzeugverkehres in den letzten Jahren zurück. Im unteren Bereich (Montafonerstraße-Gemeindestraße) war der Weg bereits immer weniger begangen als in seinem oberen Bereich. Die Kläger erwarben das Baugrundstück 1472, welches aus dem Grundstück 1373 gebildet wurde, im Jahre 1958 von Josefa C. Im Zeitpunkt des Erwerbes der Liegenschaft war der Fußweg in der Natur sichtbar, auch im Bereich des sich als Wiese darstellenden Grundstückes 1373. Der Erstkläger, welcher in der Zeit von 1945 bis 1954 Briefträger in St.Gallenkirch war, benützte selbst diesen Fußweg. Der Bau der Kläger war im Jahre 1959 fertiggestellt. Bereits nach der Fertigstellung des Baues der Beklagten auf dem Baugrundstück 1480
1957/58 war der strittige Fußweg im Bereiche der Grundstücke 1373 und 1367, schließlich spätestens 1960/61 derart verlegt, daß er nicht mehr zur Waschküche Baugrundstück 1178 führte, sondern nordästlich des Hauses der Beklagten vo(bei zum Grundstück 4788/1 hin verlief. Der Vorplatz der Liegenschaft der Kläger wurde geschottert und dort schließlich im Jahre 1980 eine Garage errichtet, wodurch der Fußweg geringfügig weiter talwärts zur Grundgrenze des Grundstückes 1359 verlegt wurde, sodaß er schließlich den oben angeführten Verlauf erhielt. Bei der Bauverhandlung zur Erstellung der Garage als Anbau an das bestehende Wohnhaus der Kläger wies der Zweitbeklagte darauf hin, daß die Benützung des derzeitigen Weges durch die Ausführung des Bauvorhabens jederzeit gewährleistet sein müsse. Der Vater des Zweitbeklagten, Franz Josef B, bewirtschaftete seit dem Jahre 1904 die 'Heimat' (landwirtschaftliches Anwesen), welche sich aus dem Grundstück 1339, dem Baugrundstück 395 sowie den Grundstücken 1367, 1364 und 1365 zusammensetzte. Zur Bewirtschaftung der Grundstücke 1364 und 1365 sowie der von Franz Josef B bereits seit 1947 bewirtschafteten, ursprünglich im Eigentum der Josefa C gestandenen Grundstücke 1373 und 1372 samt Wohnhaus wurde von ihm, aber auch den übrigen Familienangehörigen der streitgegenständliche Fußweg benutzt. Er wurde zum Heuen und Anrichten, zum Melken der im hangwärts gelegenen Stall untergebrachten Ziegen begangen und auch mit Schubkarren oder zweirädrigen Gummiwagen befahren. Mit den Fahrzeugen wurden Reuter, Hebel und sonstiges landwirtschaftliches Gerät transportiert. Die Landwirtschaft wird nunmehr, vor allem vom Bruder des Zweitbeklagten Franz B geführt. Der Zweitbeklagte ist seit 1957 als Maurer beschäftigt und nur nebenbei in der Landwirtschaft tätig. Er besitzt kein eigenes Vieh. Das Heuen der im Miteigentum stehenden Liegenschaften, so auch der Grundstücke 1364 und 1365, erfolgt durch den Zweitbeklagten und seinen Bruder gemeinsam. Die Landwirtschaft wird von Franz B soweit möglich 'mit dem Äbi' bewirtschaftet.
Seit dem Jahre 1959 haben Mitglieder der Familie B den Fußweg begangen. Dies war auch den Klägern bekannt. Weder die Beklagten noch ein anderer wurde von den Klägern aufgefordert, das Begehen oder Befahren des Fußweges zu unterlassen. Auch der Briefträger der Gemeinde St.Gallenkirch sowie Anrainer benützen den Fußweg noch gelegentlich. Seit wann und in welchem Umfang die Erstbeklagte den Fußweg beging und noch begeht, konnte nicht festgestellt werden. Im Jahre 1980/81 erwarb der Zweitbeklagte einen Grundstreifen in der Breite von 3 m auf dem Grundstück 1359 entlang der nordästlichen Grundgrenze zu den Grundstücken 1472 bzw. 1373, um eine Verbindung zwischen dem Gemeindeweg (Grundstück 4689) und dem Grundstück 1373 zu besitzen. Das Grundstück 1359 weist in diesem Bereich eine leichte Senkung auf.
In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht den Erwerb einer persönlichen Dienstbarkeit durch die beiden Beklagten, erachtete aber, daß dem Zweitbeklagten zufolge seiner Stellung als Miteigentümer der Liegenschaften EZ 1214 und EZ 1039 das behauptete Dienstbarkeitsrecht zustehe. Der nach den Feststellungen über die Liegenschaft der Kläger führende Weg sei nämlich von den Rechtsvorgängern des Zweitbeklagten im Eigentum der Liegenschaften EZ 1214 und 1039 zur besseren Bewirtschaftung der hangwärts gelegenen Grundstücke 1364 und 1365 begangen worden, da dieser Weg die kürzeste Verbindung darstelle. Diese Dienstbarkeit sei seit mindestens 30 Jahren ausgeübt worden. Somit stehe dem Zweitbeklagten die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit einem Schubkarren über die Liegenschaft der Kläger zu.
Die gegen dieses Urteil erhobenen Berufungen der klagenden Parteien und der erstbeklagten Partei blieben erfolglos.
Das Berufungsgericht, das aussprach, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000, nicht aber S 300.000 übersteigt und die Revision zulässig sei, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte zur Berufung der Erstbeklagten aus:
Aus dem Buchstandsbericht ergebe sich zwar, daß die Baugrundstücke 1178 und 1480 sowie das Grundstück 1367 ursprünglich Bestandteil der EZ 1214 KG St.Gallenkirch gewesen seien, zu der heute noch die Baugrundstücke 395, 1297 sowie die Grundstücke 1314, 1338, 1339, 1364, 1365 und 2212/3 gehärten. Die Übertragung der EZ 1524 aus der EZ 1214 sei laut Buchstandsbericht offensichtlich im Jahre 1972 erfolgt. Das Erstgericht sei aber aus rechtlichen Gründen nicht gehalten gewesen, diese von der Berufungswerberin vermißten Feststellungen zu treffen. Das Berufungsgericht sei gleich dem Erstgerichte der Auffassung, daß nicht die gesamte Liegenschaft EZ 1214 KG St.Gallenkirch als herrschendes Grundstück zu betrachten sei, sondern lediglich die oberhalb der Montafonerstraße bzw. des Weges gelegenen Grundstücke 1364 und 1365. Die Grunddienstbarkeit sei nach § 473 ABGB zur vorteilhafteren oder bequemeren Nutzung des herrschenden Grundstückes bestimmt. Gehe man von diesem Grundsatz aus, so zeige sich, daß die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes über das Grundstück 1472 überhaupt nur dann sinnvoll und zweckmäßig sein könne, wenn man diesen Weg zur besseren Bewirtschaftung der Grundstücke 1364 und 1365 benütze, und zwar ausgehend vom Haus Nr.395, welches unterhalb der Montafonerstraße liege und von den Rechtsvorgängern des Zweitbeklagten bewohnt worden sei. Dort sei die Landwirtschaft betrieben worden und von dort aus sei man auf kürzestem Weg zu den Grundstücken 1364 und 1365 über das nunmehr im Eigentum der Kläger stehende Grundstück gelangt.
Grundsätzlich seien Grunddienstbarkeiten unteilbar. Sie könnten an Bruchteilen des dienenden Grundstückes oder für Bruchteile des herrschenden Grundstückes nicht erworben, auch hinsichtlich solcher Teile nicht verloren werden und bestünden nach körperlicher Teilung des herrschenden oder dienenden Grundstückes für alle Teile fort. Jedoch kämen als herrschendes oder als dienendes Grundstück hier nicht immer die ganzen Grundbuchskörper in Betracht. Eine Grunddienstbarkeit könne also wohl an einem körperlichen, nicht aber an einem ideellen Teil einer Liegenschaft bestehen. Wenn man von diesen Grundsätzen ausgehe, dann ergäbe sich geradezu zwingend, daß lediglich die Grundstücke 1364 und 1365 als Teil der EZ 1214 KG St.Gallenkirch als 'herrschendes Grundstück' zu betrachten seien, weil die Dienstbarkeit zur vorteilhafteren oder bequemeren Benutzung nur dieses Teiles der Liegenschaft EZ 1214 bestimmt sei. Es sei keineswegs ersichtlich und sei von den Beklagten auch nicht behauptet worden, daß das Geh- und Fahrrecht über die Liegenschaft der Kläger auch zur besseren Bewirtschaftung und vorteilhafteren Nutzung der übrigen Teile der Liegenschaft EZ 1214 erforderlich gewesen sei, insbesondere nicht hinsichtlich der Liegenschaft EZ 1524, welche aus der EZ 1214 übertragen worden sei. Nachdem aber die Erstbeklagte an der Liegenschaft EZ 1214, zu der die Grundstücke 1364 und 1365 gehärten, kein Miteigentum habe, jedoch nur dieser Teil der EZ 1214 das herrschende Grundstück dargestellt habe und darstelle, sei das Erstgericht zu Recht zum Schluß gekommen, daß der Erstbeklagten ein Geh- und Fahrrecht über das Grundstück der Kläger nicht zustehe. Soweit die Erstbeklagte in ihrer Berufung darauf hinweise, daß sie sich nie auf ein eigenes Recht berufen habe, sei dem entgegenzuhalten, daß sie ebenso wie der Zweitbeklagte auch im vorliegenden Verfahren das Klagebegehren bestritten und sich in den Streit eingelassen habe. Sie habe nie behauptet oder vorgebracht, daß sie den gegenständlichen Weg nicht in Ausübung eines Dienstbarkeitsrechtes, sondern in Ausübung eines vom Zweitbeklagten abgeleiteten Rechtes benütze.
Die Revision sei für zulässig zu erklären gewesen, weil, soweit überblickbar, zu dem von der Lehre vertretenen und vom Berufungsgericht angenommenen Standpunkt, daß auch nur körperliche Teile eines Grundbuchskörpers herrschendes oder dienendes Gut sein könnten, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorhanden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Revision der Erstbeklagten ist nicht berechtigt.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Erstbeklagte - ebenso wie in der Berufung - sowohl in der Rechtsmittelerklärung als auch im Rechtsmittelantrag offenbar irrtümlicherweise das Urteil insoweit als bekämpft bezeichnet und abgeändert haben will, als es die Stattgebung gegen die 'Zweitbeklagte' betreffe. Stattgegeben wurde dem Begehren aber nur hinsichtlich der Erstbeklagten. Es muß also das Urteil insoweit als bekämpft angesehen werden, als damit dem Klagebegehren gegenüber der Erstbeklagten stattgegeben wurde und der Rechtsmittelantrag ist dahin zu verstehen, daß die Abänderung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens hinsichtlich der Erstbeklagten begehrt wird.
Die Erstbeklagte bekämpft die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß nicht die gesamte Liegenschaft EZ 1214 KG St.Gallenkirch als herrschendes Grundstück zu betrachten sei, sondern lediglich die oberhalb der Montafonerstraße bzw. des Weges gelegenen Grundstücke 1364 und 1365. Sie meint, die Grundstücke 1178, 1480 und 1367, die heute die EZ 1524 bildeten, hätten bis zum Jahre 1972 gemeinsam mit den Grundstücken 395 und 1267, sowie 1314, 1338, 1339, 1364, 1365 und 2212/3 zur EZ 1214 gehört. In der Regel würden Dienstbarkeiten für einen ganzen Grundbuchskörper erworben. Wenn Dienstbarkeiten auf räumliche Grenzen beschränkt sein sollten, müßte dies gemäß § 12 Abs 2 GBG genau bezeichnet werden. Da die genannten Grundstücke eine wirtschaftliche Einheit gebildet hätten, sei nicht genau erkennbar gewesen,daß nur bestimmte Grundstücke, und zwar ausschließlich diese herrschendes Gut gewesen seien; dies wäre aber notwendig gewesen, weil in Vorarlberg die strittige Dienstbarkeit gemäß Art.I des Gesetzes RGBl. Nr.33/1905 nicht einverleibungsfähig gewesen sei. Dienstbarkeiten könnten auch nicht für Bruchteile eines herrschenden Grundstückes erworben und auch nicht hinsichtlich solcher Teile verloren werden, sondern bestünden nach körperlicher Teilung des herrschenden Grundstückes für alle Teile fort.
Soweit die Erstbeklagte mit diesen letzteren Ausführungen über Erwerb und Verlust von Grunddienstbarkeiten an Bruchteilen oder für Bruchteile von Grundstücken ideelle Teile solcher Grundstücke im Auge hat, gehen diese Ausführungen ins Leere, weil das Berufungsgericht ohnehin die von der Erstbeklagten wiedergegebene Auffassung vertreten hat und überdies sich im vorliegenden Fall die Frage des Erwerbes oder des Erlöschens einer Grunddienstbarkeit an einem ideellen Teil oder für einen ideellen Teil einer Liegenschaft nach den Feststellungen gar nicht stellt.
Soweit die Ausführungen der Erstbeklagten über Erwerb und Verlust von Grunddientbarkeiten an Bruchteilen oder für Bruchteile von Grundstücken auch zum Ausdruck bringen sollten, daß dies hinsichtlich realer Teile von Grundstücken nicht möglich sei, kann ihnen nicht zugestimmt werden.
Daß die Möglichkeit besteht, eine Grunddienstbarkeit im Grundbuch mit der genauen Beschränkung auf bestimmte räumliche Grenzen des herrschenden Grundstückes einzutragen, ist im § 12 Abs 2 GBG, welche Bestimmung nicht nur für dienende, sondern auch für herrschende Grundstücke gilt, vorgesehen (vgl.JBl 1957,591; EvBl 1966/212, S.261). § 844 letzter Satz ABGB, wonach bei Teilung des herrschenden Grundstückes die Dienstbarkeit hinsichtlich der übrigen Teile erlischt, wenn die Ausübung der Dienstbarkeit nur einzelnen Teilen des herrschenden Grundstückes zugute gekommen ist (vgl.dazu Ehrenzweig 2 I/2, 313 f.; Gamerith in Rummel, ABGB, Rdz 11 zu § 844; Klang im Klang-Kommentar 2 II,567, derselbe, aaO III, 1136; derselbe, Bemerkungen zu den sachenrechtlichen Bestimmungen der Zivilnovellen, 90 ff.; 6 Ob 42/62; 1 Ob 155/72; 8 Ob 540/76 u.a.), setzt ebenfalls voraus, daß die Dienstbarkeit nur für einen Teil des herrschenden Grundstückes bestimmt sein kann. Keine der beiden Bestimmungen stellt auf die Art der Erwerbung einer solchen beschränkten Dienstbarkeit ab, sodaß kein Grund besteht, bei der Erwerbung einer Dienstbarkeit durch Ersitzung auszuschließen, daß sie nur einem realen Grundstücksteil zugute kommen soll, zumal auch bei dieser Erwerbsart eine solche Beschränkung auf einen Grundstücksteil deutlich werden kann. Ob man in den Fällen, in welchen eine Dienstbarkeit bloß ihrer Ausübung nach zugunsten eines realen Teiles eines Grundbuchskörpers beschränkt wird, davon sprechen soll, daß dieser reale Teil das herrschende Grundstück sei, kann auf sich beruhen. Entscheidend ist im vorliegenden Fall nur, ob es möglich ist, daß eine Grunddienstbarkeit nur einem realen Teil eines Grundbuchskörpers zum Vorteil gereicht, also nur in diesem beschränkten Umfang erworben wird und dann im Falle der Teilung des Grundstückes des Berechtigten kraft Gesetzes für die übrigen Teile des Grundstückes erlischt. Daß diese Frage zu bejahen ist, ergibt sich aus den genannten Regelungen der §§ 844 letzter Satz ABGB, 12 Abs 2 GBG.
Hinsichtlich der grundsätzlichen Frage, ob die Beschränkung einer Grunddienstbarkeit (insbesondere bei Erwerb derselben durch Ersitzung) auf einen realen Teil eines Grundbuchskörpers möglich ist und in einem solchen Fall bei Teilung des Grundbuchskörpers die Grunddienstbarkeit hinsichtlich der übrigen Teile erlischt, vermag die Erstbeklagte keinen Rechtsirrtum des Berufungsgerichtes aufzuzeigen. Soweit sie aber nicht diese grundsätzliche Frage, sondern die Frage behandelt, ob im konkreten zu entscheidenden Rechtsstreit nach den gegebenen Umständen die Beschränkung der Grunddienstbarkeit auf räumliche Grenzen deutlich und genau erkennbar war, betrifft dies keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO, weil diese Frage wegen der Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalles nicht für eine gräßere Anzahl von Rechtsstreitigkeiten von Bedeutung sein kann. Da auch bei der zugelassenen Revision gemäß § 503 Abs 2 ZPO die Prüfung auf Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung beschränkt ist (Petrasch in ÖJZ 1985,300; JBl 1985,238 u.a.), war auf die diesbezüglichen Ausführungen nicht weiter einzugehen.
Aus diesen Erwägungen war der Revision der Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)