OGH 5Ob318/85

OGH5Ob318/8512.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler, Dr.Vogel, Dr.Jensik und Dr.Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Theodor A, Rechtsanwalt, Wiesingerstraße 6, 1010 Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der B Gesellschaft mbH, wider die beklagte Partei REPUBLIK Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen 109.475,80 S s.A. infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 12. Juli 1985, GZ.13 R 131/85-17, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 21.Februar 1985, GZ.12 Cg 280/84- 12, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt

und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

In Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Berufungsgerichtes wird das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 109.475,80 S samt 4 % Zinsen aus 95.175,80 S vom 1.11.1982 bis 27.6.1984 und aus 109.475,80 S seit 28.6.1984 zu bezahlen, abgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen bei Exekution in die Konkursmasse an Prozeßkosten aller Instanzen den Betrag von 21.466,50 S (darin 76,-- S an Barauslagen) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 15.10.1980 übertrug die Bundesgebäudeverwaltung I Wien namens der Republik Österreich der B Gesellschaft mbH auf Grund deren Anbotes vom 17.9.1980 die Ausführung der Starkstromarbeiten im Landesgericht Wien II Hernalser Gürtel zu den im Anbot angegebenen Einheitspreisen bis zum Höchstbetrag von 594.000,-- S (Beilage 1). Am 5.7.1982 wurde über das Vermögen der B Gesellschaft mbH zu S 172/82 des Handelsgerichtes Wien das noch immer anhängige Konkursverfahren eräffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Aus der vom Masseverwalter gelegten Schlußrechnung vom 10.8.1982 über diese Starkstromarbeiten ergibt sich nach Abzug der bereits vor Konkurseräffnung geleisteten Teilzahlungen eine Forderung des Klägers von 109.475,80 S samt Zinsen. Das Finanzamt für Körperschaften in Wien hatte zur Steuernummer 140/9557 gegen die nunmehrige Gemeinschuldnerin eine diesen Betrag übersteigende Abgabenforderung, und zwar auch schon 6 Monate vor Konkurseräffnung; diese Forderung wurde im Konkurs in der zweiten Klasse angemeldet und mit 216.092,33 S festgestellt. Mit ihren Schreiben vom 15.2.1983 und vom 23.7.1984 erklärte die Bundesgebäudeverwaltung I Wien namens der Beklagten, die Abgabenforderung gegen ihre Schuld aus der genannten Schlußrechnung aufzurechnen.

Mit der am 3.8.1984 vorerst beim Handelsgericht Wien eingebrachten Klage begehrte der Kläger nach Klagsausdehnung hinsichtlich des zwischenweilig fällig gewordenen Haftrücklasses von 14.300,-- S von der Beklagten die Bezahlung von 109.475,80 S samt Anhang. Er sei zumindest schlüssig gemäß § 21 KO in den Werkvertrag eingetreten und habe auf Rechnung der Masse durch die C GesmbH noch nach Konkurseröffnung Fertigstellungsarbeiten durchführen lassen, und zwar die Erstellung der Abrechnungspläne, Durchführung der für die Abrechnung notwendigen Kollaudierungen, die Erstellung der Kollaudierungslisten und die Fertigstellung der Schlußrechnung in Absprache mit der Bundesgebäudeverwaltung. Diese Arbeiten seien von der Bundesgebäudeverwaltung ausdrücklich verlangt worden. Es seien daher nicht sämtliche Arbeiten von der Gemeinschuldnerin noch vor der Konkurseräffnung erbracht worden. Ihm seien für diese Tätigkeiten der C GesmbH 35.400,-- S in Rechnung gestellt worden. Die von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung sei unzulässig, weil die Forderung der Konkursmasse und somit die Schuld der Beklagten erst nach Beginn der Konkurswirkungen entstanden sei. Durch seinen Eintritt gemäß § 21 KO in den Vertrag seien die daraus entstehenden wechselseitigen Verbindlichkeiten und Rechte Masseforderungen geworden. Es bestehe zwar Aufrechenbarkeit der daraus entstandenen Masseforderung gegen die Forderung der Masse aus diesem Geschäft, nicht aber Aufrechenbarkeit zwischen dieser Forderung der Masse und einer Konkursforderung. Die Beklagte könne mit ihrer Konkursforderung daher nicht gegen die sich aus der Schlußrechnung ergebende Forderung der Masse aufrechnen, sie habe vielmehr den sich aus der Schlußrechnung ergebenden Betrag zu zahlen. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sämtliche der Klageforderung zugrunde liegenden Arbeiten seien von der späteren Gemeinschuldnerin noch vor der Konkurseräffnung erbracht worden. Da der Auftrag schon 1980 vergeben worden sei, sei die nunmehr geltend gemachte Forderung schon damals und somit lange vor der Konkurseräffnung zum Entstehen gekommen. Die vorgenommene Aufrechnung mit der Konkursforderung sei daher gemäß §§ 19 und 20 KO sowie § 1438 ABGB zulässig, sodaß die eingeklagte Forderung durch Aufrechnung erloschen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch im wesentlichen folgende Feststellungen:

Der Masseverwalter ist in den genannten Werkvertrag eingetreten und hat auf Rechnung der Masse noch nach Konkurseräffnung 'diverse Fertigstellungsarbeiten' durchführen lassen. Seit der Eräffnung des Konkurses sind keinerlei Abgabenschulden der Gemeinschuldnerin entstanden. Der Beklagten steht für die Zeit nach Konkurseräffnung keine Steuerforderung gegen die Gemeinschuldnerin zu. Die Bundesgebäudeverwaltung I Wien überwies am 2.11.1982 den Betrag von 95.175,80 S an das Finanzamt für Körperschaften auf das Konto der Gemeinschuldnerin und am 23.7.1984 weitere 14.300,-- S. Nach Abzug des Betrages von 109.475,80 S haftet seit 19.2.1985 auf dem Steuerkonto der Gemeinschuldnerin noch ein Betrag von 192.720,92 S unberichtigt aus.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, mit ihrer Konkursforderung zweiter Klasse gegen die Forderung der Masse aus der Schlußrechnung aufzurechnen. Die Bestimmungen der §§ 19 und 20 KO sowie des § 1438 ABGB könnten auf den vorliegenden Sachverhalt nicht angewendet werden, insbesondere, weil § 46 Abs 1 Z 3 KO die lex specialis darstelle. Würde man die Kompensation einer Forderung zweiter Klasse gegen eine Forderung der Masse zulassen, so wäre dies ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes zurück. In rechtlicher Hinsicht führte es im wesentlichen folgendes aus:

Gemäß § 19 Abs 1 KO brauchten Forderungen, die zur Zeit der Konkurseräffnung bereits aufrechenbar gewesen seien, im Konkurs nicht geltend gemacht zu werden. Konkursgläubiger, die aufrechenbare Forderungen haben, würden von ihrer Verbindlichkeit gegenüber der Konkursmasse um den vollen Betrag und nicht bloß um die Konkursquote befreit. Die Aufrechnung sei an keine besondere Frist gebunden, sondern könne während des Konkursverfahrens gerichtlich oder außergerichtlich gegenüber dem Masseverwalter erklärt werden, selbst wenn die Forderung im Konkurs vorbehaltlos angemeldet worden wäre (vgl.Bartsch-Pollak, KO 3 I,111; Petschek-Reimer-Schiemer, Österreichisches Insolvenzrecht 478). Nach § 19 Abs 2 KO werde die Aufrechnung nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Forderung des Gläubigers oder des Gemeinschuldners zur Zeit der Konkurseräffnung noch bedingt oder betagt oder daß die Forderung des Gläubigers nicht auf eine Geldforderung gerichtet gewesen sei. Das materielle Konkursrecht erweitere die Aufrechenbarkeit in Ansehung der Fälligkeit und Gleichartigkeit, schränke sie aber hinsichtlich des Zeitpunktes der Aufrechenbarkeit ein, weil die Forderungen einander schon im Zeitpunkt der Konkurseräffnung aufrechenbar gegenübergestanden sein müßten (vgl.SZ 56/128). Gemäß § 20 Abs 1 KO sei die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Konkursgläubiger erst nach der Konkurseräffnung Schuldner der Konkursmasse geworden oder wenn die Forderung gegen den Gemeinschuldner erst nach der Konkurseräffnung erworben worden sei. Diese Bestimmung sei eine Folge des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Konkursgläubiger, welcher es notwendig mache, daß nach der Konkurseräffnung weder eine neue Konkursforderung entstehen noch eine bestehende durch spätere Rechtshandlungen irgendeiner Person eine Vorzugsstellung vor anderen Forderungen erlangen dürfe; es müsse daher nach der Konkurseräffnung auch die Entstehung der Aufrechenbarkeit, durch die der Gläubiger eine Vorzugsstellung erlangen würde, ausgeschlossen sein; es solle insbesondere der Erwerb von deckenden Gegenforderungen nach der Konkurseräffnung verhindert werden. Die Aufrechenbarkeit sei insbesondere für Fälle ausgeschlossen, in denen die Gegenforderung erst nach der Konkurseräffnung entstanden oder die Forderung gegen den Gemeinschuldner erst nach der Konkurseräffnung an den Schuldner übergegangen sei (vgl.Bartsch-Pollak KO 3 I 116 und 117;

Petschek-Reimer-Schiemer, Österreichisches Insolvenzrecht 477;

EvBl 1977/153). Im vorliegenden Fall sei nicht strittig, daß der Beklagten eine den sich aus der Schlußrechnung ergebenden Klagebetrag übersteigende Konkursforderung schon seit mehr als 6 Monaten vor der Konkurseräffnung zustehe und es sich bei beiden Forderungen um Geldforderungen handle. Da die Abgabenforderung der Beklagten gegenüber der Gemeinschuldnerin, die Forderung aus der Schlußrechnung aber der Gemeinschuldnerin gegen die Beklagte zustehe, sei auch die Gegenseitigkeit gegeben, sodaß die allgemeinen Voraussetzungen für eine Aufrechnung nach § 1438 ABGB gegeben seien. Der Umstand, daß es sich bei der Forderung der Beklagten um eine Abgabenforderung handle, vermäge an der Gegenseitigkeit nichts zu ändern und hindere die Aufrechnung mit dieser - ihrem Bestand und ihrer das Klagebegehren übersteigenden Höhe nach nicht strittigen - Forderung keineswegs. Entscheidend für die Zulässigkeit der Aufrechnung sei daher nur, ob die Schuld der Beklagten aus dem Werkvertrqg erst nach der Konkurseräffnung entstanden sei, die beklagte Partei also erst nach der Konkurseräffnung Schuldner der Konkursmasse geworden sei. Der Oberste Gerichtshof habe in seiner einen ähnlichen Fall betreffenden Entscheidung vom 24.5.1962, 5 Ob 101/62 (vgl.MGA KO 6 § 19/6) ausgeführt, daß der Anspruch auf Werklohn nicht erst mit der Auslieferung der Werkstücke, sondern vielmehr schon mit dem Abschluß des Werkvertrages existent geworden sei, weil ein Werkvertrag dann vorliege, wenn jemand die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernehme und § 1170 ABGB nicht den Zeitpunkt des Entstehens des Entgeltanspruches, sondern den der Fälligkeit regle. Trete der Masseverwalter in ein schwebendes Geschäft ein, so sei man nicht erst nach Konkurseräffnung Schuldner der Konkursmasse geworden (vgl.Bartsch-Pollak, KO 3 I 117). Der Oberste Gerichtshof habe damit die Aufrechenbarkeit mit einer Abgabenforderung gegen die Forderung aus diesem Werkvertrag bejaht. Nach der gegenteiligen, von Petschek-Reimer-Schiemer (Österreichisches Insolvenzrecht 479 f.) vertretenen Auffassung sei die Aufrechenbarkeit zwischen der durch den Eintritt nach § 21 KO entstandenen Forderung der Masse und einer Konkursforderung nicht gegeben, weil deren Inhaber sonst einem Massegläubiger gleichgestellt und die Entscheidungsfreiheit des Masseverwalters nach § 21 KO durch die Gefahr der Aufrechenbarkeit erheblich eingeschränkt wäre. Dieser Ansicht müsse aber insbesondere entgegengehalten werden, daß der Vertrag als Grundlage der Forderung bereits vor Konkurseräffnung geschlossen worden sei und es unverständlich wäre, wegen einer nur geringen Teilleistung des eintretenden Masseverwalters die gesamte Schuld für das erbrachte Werk als erst nach der Konkurseräffnung entstanden anzusehen, obwohl der weitaus überwiegende Teil der gesamten Leistung im Rahmen des Werkvertrages noch vom Gemeinschuldner selbst vor der Konkurseräffnung erbracht worden sei. Umgekehrt könne die gegenteilige Ansicht, die gesamte Werklohnforderung sei schon vor Konkurseräffnung entstanden, wenn nur der Vertrag vorher geschlossen worden sei, jene Fälle nicht befriedigend läsen, in welchen der überwiegende Teil der Werkleistungen erst vom eintretenden Masseverwalter erbracht werde. Das Berufungsgericht sei daher der Auffassung, daß eine Schuld gegenüber der Konkursmasse nur insoweit als nach der Konkurseräffnung entstanden anzusehen sei, als sie auf nach diesem Zeitpunkt von dieser selbst erbrachten Leistungen beruhe, hingegen in jenem Umfang, in welchem sie sich auf vom Gemeinschuldner schon vorher erbrachte Leistungen gründe, schon vor der Konkurseräffnung entstanden sei, sodaß (nur) in diesem Umfang gegen sie mit einer Konkursforderung aufgerechnet werden könne (vgl. die Regelung für vom Gläubiger teilweise vor Konkurseräffnung erbrachte Leistungen im § 21 Abs 4 KO und hiezu Bartsch-Pollak KO 3 I 281 f). Im vorliegenden Fall komme es also darauf an, inwieweit der Kläger nach der Konkurseräffnung noch Leistungen zur Erfüllung des Werkvertrages erbracht habe, weil nur dann beurteilt werden könne, ob und in welchem Umfang die Forderung aus der Schlußrechnung erst nach der Konkurseräffnung entstanden sei, sodaß gegen sie mit der Abgabenforderung der Beklagten gemäß § 20 Abs 1 KO nicht aufgerechnet werden könne, während im übrigen eine Aufrechnung möglich sei. Über diesen Punkt, in dem die Behauptungen der Parteien erheblich auseinandergingen, seien die Feststellungen des Erstgerichtes unzulänglich, unklar und auch nicht näher begründet, weil nicht ausgeführt worden sei, was unter 'diversen Fertigstellungsarbeiten' zu verstehen sei und worauf sich diese Feststellung gründe. Es seien daher auf unrichtiger rechtlicher Beurteilung beruhende Feststellungsmängel gegeben, die gemäß § 496 Abs 1 Z 3 ZPO die Aufhebung des Urteils und Rückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht notwendig machten, zumal durch eine Aufnahme sämtlicher hiezu erforderlichen Beweise vor dem Berufungsgericht ein erheblicher Mehraufwand an Kosten entstehen würde. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren zu erörtern und nach ergänzender Beweisaufnahme festzustellen haben, ob und konkret welche im Rahmen des Werkvertrages vom Unternehmer zu erbringende Leistungen nach Konkurseräffnung über Veranlassung des Klägers durchgeführt worden seien, und welcher verhältnismäßige Anteil des durch die früheren Teilleistungen noch nicht gedeckten Werklohnes auf solche erst nach der Konkurseräffnung erbrachte Leistungen entfalle.

Den Rechtskraftvorbehalt gründete das Berufungsgericht darauf, daß zur wesentlichen Frage des Zeitpunktes des Entstehens der Forderung der Konkursmasse und der Aufrechenbarkeit gegen diese Forderung die Meinungen in der Literatur auseinandergingen und eine Rechtsprechung des Höchstgerichtes aus jüngerer Zeit nicht vorliege. Gegen diesen unter Rechtskraftvorbehalt ergangenen Aufhebungsbeschluß richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und in der Sache selbst im Sinne der Bestätigung des erstgerichtlichen Urteiles zu erkennen.

Die Beklagte beantragte in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, er ist aber auch berechtigt, allerdings im Sinne einer gegen den Rekurswerber sich auswirkenden Sachentscheidung. Der Kläger wiederholt in seinem Rekurs den Standpunkt, die Beklagte könne mit ihrer Konkursforderung nicht gegen die sich aus der Schlußrechnung ergebende Werklohnforderung der Masse aufrechnen. Der Masseverwalter habe die Pflicht, die gemeinsamen Interessen sämtlicher Konkursbeteiligten zu wahren und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung gemäß § 21 KO zu entscheiden, ob er in einen zweiseitigen Vertrag eintrete und der Gläubiger dadurch begünstigt werde, daß er gemäß § 46 Abs 1 Z 3 KO (idF vor dem IRÄG) Massegläubiger werde, oder ob er vom Vertrag zurücktrete und der Gläubiger seine Schadenersatzansprüche als Konkursforderung anzumelden habe. Bis zu dieser Erklärung des Masseverwalters befinde sich der Vertrag in einer Art Schwebelage. Der Anspruch der Masse auf Zahlung des Klagsbetrages sei somit erst durch seinen Eintritt als Masseverwalter gemäß § 21 Abs 1 KO in den gegenständlichen Werkvertrag entstanden und durch die Legung der entsprechenden Schlußrechnung fällig geworden, und zwar unabhängig von dem Zeitpunkt der Erbringung der Leistungen. Da die Bestimmungen der §§ 21 und 46 KO somit leges speciales gegenüber jenen der §§ 19 und 20 KO darstellten, seien die letztgenannten Vorschriften hier nicht anzuwenden, weshalb eine Aufrechnung unzulässig sei. Dem kann nicht gefolgt werden.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte erklärt, die der Konkursmasse gegen sie zustehende Forderung aus dem Werkvertrag zur Tilgung ihrer Konkursforderung, nämlich der Abgabenschuld des Gemeinschuldners im Aufrechnungsweg zu verwenden. Wie im Konkurs und Ausgleich wegen des Erfordernisses der Gleichbehandlung der Gläubiger Forderungen zu behandeln sind, denen aufrechenbare Gegenforderungen entgegenstehen, wird in den §§ 19 und 20 KO und AO geregelt (vgl.Bartsch-Heil, Grundriß des Insolvenzrechtes 4

Rdz 72). Besitzt ein Gemein-(Ausgleichs-)Schuldner schon bei Eräffnung des Verfahrens eine Gegenforderung an den Gläubiger, eine sogenannte Passivforderung, so hat dieser eine Deckung, ähnlich einem Absonderungsberechtigten. Da es in einem solchen Fall nicht vertretbar wäre, vom Gläubiger Vollzahlung zu verlangen, seine Forderung gegen die Masse (Aktivforderung) aber im Insolvenzverfahren zu kürzen, kann dieser Gläubiger während des Verfahrens die Aufrechnung vornehmen, falls sie im Zeitpunkt der Eräffnung des Insolvenzverfahrens zulässig ist (Wegan, Österreichisches Insolvenzrecht 35 f; Bartsch-Heil, aaO Rdz 85 und 225; Holzhammer, Österreichisches Insolvenzrecht 2 19; SZ 53/92; SZ 56/128). Aus dem Erfordernis des Eintrittes der Aufrechenbarkeit schon vor der Eräffnung des Insolvenzverfahrens ergibt sich gemäß § 20 Abs 1 Satz 1 KO und AO die Unzulässigkeit der Aufrechnung dann, wenn ein Konkurs-(Ausgleichs-)Gläubiger erst nach Eräffnung des Insolvenzverfahrens Schuldner der Konkursmasse (des Ausgleichsschuldners) geworden ist (Gschnitzer in Klang 2 VI 506; Wegan, aaO, 38; Holzhammer, aaO 19, Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 9 zu § 1441; SZ 49/137; SZ 53/92; SZ 56/128). Das Berufungsgericht hat somit zutreffend erkannt, daß die Zulässigkeit der Aufrechnung der Beklagten mit ihrer Abgabenforderung gegen die dem Kläger zustehende Werklohnforderung davon abhängt, ob die Passivforderung (Werklohnforderung) vor oder nach bzw. gleichzeitig mit der Eräffnung des Konkursverfahrens entstanden ist. Wurde die Beklagte erst nach oder gleichzeitig mit der Konkurseräffnung Schuldner der Masse, so ist die Aufrechnung unzulässig, war die Schuld an die Masse bereits vor Konkurseräffnung bedingt oder betagt entstanden, so war sie zulässig.

Mit der vorliegenden Klage macht der Masseverwalter den restlichen Werklohn aus dem vor Konkurseräffnung abgeschlossenen Werkvertrag geltend. Lehre und Rechtsprechung vertreten übereinstimmend die Ansicht, daß § 1170 ABGB - wie sich schon aus der Überschrift zu dieser Bestimmung ergibt - sich nur mit der Fälligkeit des Werklohns (und des Auslagenersatzes) befaßt (Krejci in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 1170; 5 Ob 200/69; 1 Ob 225/70;

5 Ob 688/76; 7 Ob 685/76 ua), aber nichts über den Zeitpunkt des Entstehens des Entgeltanspruches aussagt. Aus § 1168 ABGB ergibt sich, daß der leistungsbereite Werkunternehmer den Entgeltanspruch auch ohne Werkerstellung behält, sofern diese durch Umstände verhindert wurde, die auf Seite des Bestellers liegen (Adler, Häller in Klang 2 V 403; Krejci, aaO, Rdz 4 und 13 zu § 1168). Der Anspruch auf Werklohn ist daher schon mit Abschluß des Werkvertrages existent geworden (5 Ob 200/69; 1 Ob 225/70; 5 Ob 66/71;

7 Ob 685/76). Daraus ergibt sich, daß dann, wenn vom nachmaligen Gemeinschuldner ein vor Konkurseräffnung bestelltes Werk erst nach Konkurseräffnung hergestellt oder fertiggestellt wird, der Werklohnanspruch des Gemeinschuldners doch schon vor Konkurseräffnung entstanden ist. Der Besteller kann daher gegenüber der Werklohnforderung aufrechnen (vgl.dazu auch Mentzel-Kuhn-Uhlenbruck, Konkursordnung 9, RdNr.7 zu § 55 KO).

Daß die Werklohnforderung im Zeitpunkt der Konkurseräffnung noch nicht fällig oder im Hinblick darauf doch nur bedingt war, daß bei Verhinderung der Ausführung des Werkes durch Umstände, die in der Sphäre des Unternehmers liegen, der Unternehmer seinen Entgeltanspruch verliert (vgl.Koziol-Welser, Grundriß 7 I 355), steht der Aufrechenbarkeit nicht entgegen, weil das Konkursprivatrecht die Aufrechnung hinsichtlich betagter und bedingter Forderungen erweitert (Wegan, aaO, 36 f; Bartsch-Heil, aaO, Rdz 85 und 225, Holzhammer, aaO, 18 f; Rummel, aaO, Rdz 9 zu § 1439). Eine Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, daß der Werklohnanspruch des nachmaligen Gemeinschuldners vor Konkurseräffnung entstanden ist und der Werklohn - wie es im Bauwesen auch allgemein üblich ist - in Phasen, nämlich während der Bauausführung durch eine Abschlagszahlung und nach Fertigstellung und Übergabe des Bauwerkes entsprechend einer endgültigen Schlußrechnung durch eine Schlußzahlung geleistet werden sollte (vgl.3 Ob 616/82; 2 Ob 503/85). Da der Masseverwalter in den Werkvertrag eingetreten ist und er Schlußrechnung legen ließ, ist der bereits vor Konkurseräffnung entstandene Werklohnanspruch des Gemeinschuldners zwischenweilig auch fällig geworden. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers handelte es sich bei den erst nach Konkurseräffnung durchgeführten 'Fertigstellungsarbeiten' um die Erstellung der Abrechnungspläne, Durchführung der für die Abrechnung notwendigen Kollaudierungen, Erstellung der Kollaudierungslisten und die Fertigstellung der Schlußrechnung. Daß von dem vom Masseverwalter für diese Arbeiten herangezogenen Unternehmen auch Leistungen erbracht worden wären, die nicht von dem mit der Bundesgebäudeverwaltung am 15.10.1980 abgeschlossenen Werkvertrag umfaßt gewesen wären, hat der Kläger selbst nicht behauptet. Daß die nach Konkurseräffnung noch erbrachten 'Fertigstellungsarbeiten' von der Bundesgebäudeverwaltung ausdrücklich verlangt worden sind, ist rechtlich unerheblich, weil im Rahmen der Schlußrechnung alle offen gebliebenen und aufgeschobenen Forderungen und Ansprüche endgültig abzuklären und zur Darstellung zu bringen sind, was aber ein einvernehmliches Zusammenwirken beider Vertragsteile erforderlich macht. Unter den gegebenen Umständen kann daher keine Rede davon sein, daß die Werklohnforderung der Gemeinschuldnerin erst durch den Eintritt des Masseverwalters in den Werkvertrag entstanden wäre. Die Beklagte war daher berechtigt, mit ihrer bereits 6 Monate vor Konkurseräffnung entstandenen Abgabenforderung gegen die erst nach Konkurseräffnung zur Gänze fällig gewordene Werklohnforderung der Gemeinschuldnerin aufzurechnen. Da der Aufrechnung die Anmeldung der Abgabenforderung im Konkurs - wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Lehre zutreffend erkannte - nicht entgegensteht, ist die betragsmäßig hinter der Abgabenforderung zurückbleibende Werklohnforderung infolge der beiden von der Beklagten vorgenommenen Aufrechnungen erloschen, weshalb dem Klagebegehren keine Berechtigung zukommt.

Wenngleich im Rekursverfahren von der Beklagten keine Sachentscheidung im Sinne der Abänderung des Aufhebungsbeschlusses durch Abweisung des Klagebegehrens beantragt wurde, so kann der Oberste Gerichtshof gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO im Hinblick darauf, daß die Spruchreife von Amts wegen wahrzunehmen ist, doch sofort selbst in der Sache über die Berufung erkennen, weil bei Spruchreife die Entscheidungbefugnis des Berufungsgerichtes über die Berufung auf den Obersten Gerichtshof übergegangen ist und er daher über die noch nicht erledigten Berufungsanträge zu entscheiden hat (Fasching, Lehrbuch, Rdz 1823).

Es mußte daher der angefochtene Beschluß des Berufungsgerichtes aufgehoben und über die Berufung selbst entschieden werden, und zwar durch Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens.

Die Entscheidung über die Prozeßkosten und die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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