OGH 7Ob690/84

OGH7Ob690/847.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Viktor A. S*****, wider die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Alfred Puchner und Dr. Manfred Puchner, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen 58.000,94 S samt Nebengebühren, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 5. Juni 1984, GZ 1 R 125/84‑14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 12. Februar 1984, GZ 3 Cg 1511/83‑9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00690.840.1107.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuen Entscheidung allenfalls nach Ergänzung des Berufungsverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.

 

Begründung:

Der Kläger ist im Kartellregister beim Oberlandesgericht Wien zu K 85 als Kartellbevollmächtigter des Kartells „Marktregelungsvertrag Ski“ eingetragen und gemäß § 13 Abs 2 f des Marktregelungsvertrags (MRV‑Ski) zur Einhebung der Busgelder und Kostenbeträge ermächtigt, die der Vorstand des Kartells nach dem Kartellvertrag bei Vertragsverstößen verhängen kann. Aufgrund eines solchen Vorstandsbeschlusses begehrt der Kläger die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung des Klagsbetrags mit der Behauptung zweier Verstöße gegen die Vertragsbestimmungen durch Gewährung eines unerlaubten Rabatts im einen und eine unerlaubte Zugabe im anderen Fall.

Der Erstrichter gab aufgrund seiner im Sinne der Klagsbehauptungen getroffenen Tatsachenfeststellungen dem Klagebegehren im Wesentlichen statt.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne der Abweisung des Klagsbegehrens ab. Es griff von Amts wegen die Frage der Aktivlegitimation des Kartellbevollmächtigten auf und verneinte sie. Nach § 9 Abs 2 KartG habe der Kartellbevollmächtigte die Kartellmitglieder bloß gegenüber den mit der Anwendung dieses Bundesgesetzes betrauten Behörden zu vertreten. Weiter reiche die Vollmacht des Kartellbevollmächtigten von Gesetzes wegen nicht. In diesem Sinn habe der Oberste Gerichtshof in einem ebenfalls den Marktregelungsvertrag Ski betreffenden Rechtsfall (4 Ob 342/81; inzwischen ua veröffentlicht in SZ 54/76) die Aktivlegitimation des Kartellbevollmächtigten zur Geltendmachung von Wettbewerbsverstößen Dritter selbst unter Bedachtnahme auf § 13 Abs 2 lit d des Marktregelungsvertrags Ski verneint. Dasselbe habe nach Ansicht des Berufungsgerichts für den vorliegenden Fall zu gelten, zumal nach § 13 Abs 2 lit f MRV Ski dem Kartellbevollmächtigten zwar unter anderem auch die Einhebung der Kostenbeiträge, der Bußgelder und Ersatzleistungen zustehe, weil damit aber nicht gesagt sei, dass er die Verfolgung dieser Ansprüche im eigenen Namen und nicht bloß im Namen der Kartellmitglieder besorgen dürfe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist berechtigt.

Der Mangel der Sachlegitimation, hier der aktiven Klagslegitimation des Revisionswerbers, ist nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts als Fehlen der materiellen Berechtigung des Klagebegehrens im Rahmen der allseitigen rechtlichen Prüfung (SZ 54/49 uva) von Amts wegen wahrzunehmen, allerdings nur dann, wenn entweder schon die Klagsbehauptungen in dieser Richtung unschlüssig sind oder vom Beklagten entsprechende Tatsachenbehauptungen vorgebracht werden (JBl 1978, 429, SZ 51/57 uva). Da die Übertragung des bloßen Prozessführungsrechts dem österreichischen Recht fremd ist, reicht die Genehmigung der Prozessführung eines nicht Berechtigten durch den materiell Berechtigten ohne Bestehen irgendwelcher sonstiger, materiellrechtlicher Beziehungen zur Begründung der Klagslegitimation nicht aus (SZ 42/105, 47/46, 55/137 uva). Eine Zession des Anspruchs verschafft hingegen die materiellrechtliche Dispositionsbefugnis und genügt für die Sachlegitimation selbst bei einer bloßen Inkassozession (SZ 42/105, EvBl 1980/140 ua), weil auch durch eine solche Zession der Zessionarsgläubiger der zur Einziehung abgetretenen Forderung wird ( Ertl in Rummel , ABGB, Rz 5 zu § 1392 mwN).

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt in diesem Sinn dem § 13 Abs 2 lit f MRV Ski, auf den sich der Revisionswerber schon in der Klage berufen hat, entscheidende Bedeutung zu. Nach dieser Vertragsbestimmung, die infolge seines Beitritts auch für den Beklagten gilt, ist der Kartellbevollmächtigte zur Einhebung der Bußgelder und Kostenbeiträge – zu denen die Klagsforderung unbestrittenermaßen gehört – ermächtigt. Der MRV‑Ski hat dem Kartellbevollmächtigten damit nicht bloß ein Prozessführungsrecht übertragen, sondern das Recht zur Einhebung der geschuldeten Leistung, als den entscheidenden Inhalt einer Inkassozession ( Ertl  aaO, Koziol‑Welser , Grundriss I 267; BankArch, 1974, 248, EvBl 1963/5, SZ 45/82 ua). Bei einer solchen Inkassozession steht dem Zessionar auch die prozessuale Verfügungsgewalt über den zedierten Anspruch zu (SZ 45/82, 7 Ob 146/75 ua). Die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung des 4. Senats zur Klagslegitimation im Wettbewerbsrecht (SZ 54/76) steht dem nicht entgegen, weil es sich dort nicht um die Inkassozession eines Geldanspruchs gehandelt hat, sondern um die besondere Klagslegitimation nach § 14 UWG, die auch durch § 13 (dort Abs 2 lit d) MRV‑Ski nicht beeinflusst wird.

Das Klagevorbringen war somit in Bezug auf die Sachlegitimation des Klägers nicht unschlüssig. Da die beklagte Partei ein gegenteiliges Vorbringen nicht erstattet hat, ist die Sachlegitimation des Revisionswerbers zu bejahen, ohne dass auf die weitere, vom Berufungsgericht verneinte Frage eingegangen werden müsste, ob dem Kartellbevollmächtigten nicht schon aus dem Gesetz eine Klagslegitimation im eigenen Namen zusteht.

Da das Berufungsgericht infolge seiner vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht auf die übrigen Berufungsgründe nicht eingegangen ist, war wie im Spruch zu entscheiden.

Der Kostenausspruch beruht auf dem § 52 ZPO.

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