OGH 7Ob37/85

OGH7Ob37/857.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Monika A, Angestellte, Wien 19., Peter Jordanstraße 51 C 3, vertreten durch Dr.Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B, Internationale Unfall- und Schadenversicherung Aktiengesellschaft, Wien 1., Tegetthoffstraße 7, vertreten durch Dr.Johann Subarsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung und 3.167,36 S s.A. (Gesamtstreitwert 38.167,36 S) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 30.Mai 1985, GZ.4 R 96/85-10, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 2. April 1985, GZ.21 Cg 908/84-7, abgeändert wurde, folgenden Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin hat bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen. Sie begehrte in diesem Verfahren ursprünglich die Deckung aus der Rechtsschutzversicherung für einen Schadensfall vom 28.3.1984, wobei sie behauptete, es werde ihr eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs.5 StVO zur Last gelegt, doch habe sie diese Übertretung nicht begangen. Die Beklagte verweigere Versicherungsschutz unter anderem unter Berufung auf Punkt A) lit b) der C 1965/82, denenzufolge Versicherungsschutz nur dann zu gewähren sei, wenn mittels Bescheides eine Freiheitsstrafe oder eine oder mehrere Geldstrafen von zusammen mehr als 0,5 % der Versicherungssumme festgesetzt werden würden oder wenn das Verwaltungsstrafverfahren vor Erlassung des Strafbescheides eingestellt werden sollte. Dem Versicherungsvertrag lägen jedoch nicht die C in der genannten Fassung, sondern in der Fassung 1965 zugrunde.

Nachdem die Beklagte das Klagebegehren aus mehreren Gründen, unter anderem auch mit dem Einwand, die C 1965/82 seien anzuwenden, bestritten und den Streitwert bemängelt hatte, brachte die Klägerin in der Streitverhandlung vom 15.3.1985 (ON 6) vor, das Verwaltungsstrafverfahren sei inzwischen eingestellt worden, ihr seien Kosten in der Höhe von 3.167,36 S erwachsen. Dieser Betrag übersteige 0,5 % der Versicherungssumme. Das Klagebegehren wurde nunmehr dahin abgeändert, daß die Zahlung von 3.167,36 S sowie die Feststellung begehrt wurde, daß dem Versicherungsvertrag nur die Rechtsschutzbedingungen ARB 1965 und C 1965 zugrundeliegen, nicht jedoch die Rechtsschutzbedingungen ARB 1965/82 und C 1965/82. Die Rechtsschutzbedingungen C 1965 beinhalten, im Gegensatz zu den C 1965/82, nicht die oben dargestellte Einschränkung der Leistungspflicht des Versicherers.

Die Beklagte hat sich gegen die Klagsänderung ausgesprochen. Das Erstgericht hat die Klagsänderung nicht zugelassen, den Streitwert mit 5.000 S festgesetzt und die Rechtssache an das Bezirksgericht für Handelssachen Wien überwiesen.

Das Rekursgericht hat die Klagsänderung zugelassen und die übrigen Teile des erstgerichtlichen Beschlusses aufgehoben. Es führte in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen aus, die Streitwertbemängelung durch den Beklagten habe lediglich für die Bemessung der Anwaltskosten Bedeutung. Nach § 60 JN könne nur das Gericht von Amts wegen den Streitwert dann herabsetzen, wenn durch seine überhöhte Bemessung offensichtlich die Zuständigkeit des Gerichtshofes herbeigeführt werden sollte. Nehme jedoch der Kläger vor einer Herabsetzungsentscheidung des Gerichtes eine Klagsänderung vor, durch die es zur Zuständigkeit des Gerichtes komme, könne eine Herabsetzung des Streitwertes des seinerzeitigen, aber nicht mehr aufrechten Begehrens nicht mehr vorgenommen werden. Eine solche Klagsänderung habe der Kläger hier vorgenommen. Zwar liege das nunmehrige Leistungsbegehren unter der Gerichtshofgrenze, doch sei dieses zulässigerweise mit einem Feststellungsbegehren verbunden worden, das auf Grund seiner Bewertung über der Gerichtshofgrenze liege. Es sei daher nur zu prüfen, ob die Änderung des Klagebegehrens auf das nunmehrige Feststellungsbegehren im Sinne des § 235 Abs.3 ZPO zugelassen werden müsse. Dies sei deshalb zu bejahen, weil Klagsänderungen tunlichst zuzulassen seien, vor allem dann, wenn der Verfahrensaufwand hiedurch nicht wesentlich erschwert werde und das geänderte Begehren die erschäpfende Bereinigung des streitigen Verhältnisses zwischen den Parteien zum Ziele habe. Das Rekursgericht hat ausgesprochen, daß der Wert des von der Abänderung betroffenen Beschwerdegegenstandes 15.000 S übersteigt und den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zugelassen.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Beklagten gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist nicht gerechtfertigt.

Richtig hat das Rekursgericht erkannt, daß gemäß § 60 Abs.1 JN eine Herabsetzung des Streitwertes lediglich von Amts wegen durch das Gericht erfolgen kann. Nur eine diesbezügliche Entscheidung des Gerichtes könnte Einfluß auf die Zuständigkeit haben, nicht aber eine Entscheidung im Rahmen des § 7 RATG. Voraussetzung für eine Entscheidung des Gerichtes auf Herabsetzung des Streitwertes ist aber, daß das diesbezügliche Begehren nach wie vor aufrecht ist. Läßt der Kläger ein bestimmtes Begehren fallen oder ersetzt er es durch ein anderes, kann eine Bewertung des bisherigen Begehrens begrifflich nicht mehr erfolgen.

Daß hier eine Änderung des bisherigen Begehrens auf Gewährung der Deckung aus der Rechtsschutzversicherung in ein Begehren auf Leistung jenes Betrages, der nach Ansicht des Klägers vom Rechtsschutzversicherer zu zahlen wäre, grundsätzlich gemäß § 235 Abs.3 ZPO zuzulassen wäre, kann auch die Beklagte nicht ernstlich bestreiten. Die Feststellung der vom Kläger seinem Anwalt zu zahlenden Kosten wird wohl ohne Größeren Aufwand möglich sein. Im übrigen kann die rechtliche Beurteilung dieses Begehrens keinen Größeren Verfahrensaufwand erfordern, als die Beurteilung des ursprünglichen Begehrens.

Gemäß § 49 Abs.1 Z 1 JN würde allerdings das nunmehrige Zahlungsbegehren nicht vom Gerichtshof zu entscheiden sein. Nach der nunmehrigen Fassung des § 227 Abs.2 ZPO können jedoch Ansprüche, die den im § 49 Abs.1 Z 1 JN bezeichneten Betrag nicht übersteigen, mit solchen Ansprüchen verbunden werden, die ihn übersteigen. In diesem Fall richtet sich die Zuständigkeit nach dem höheren Betrag. Die Klägerin verbindet nunmehr ihr Zahlungsbegehren mit einem neuen Feststellungsbegehren, das sie mit 35.000 S bewertet hat. Daß diese Bewertung zu hoch gegriffen wäre, wurde auch vom Erstgericht nicht angenommen. Ist daher die Klagsänderung nicht nur bezüglich des nunmehrigen Leistungsbegehrens, sondern auch bezüglich des neuen Feststellungsbegehrens zuzulassen, so ist das angerufene Erstgericht zur Entscheidung zuständig.

Zwischen den Streitteilen besteht ein Dauerschuldverhältnis, bezüglich dessen ein Streit über einen wesentlichen Teil seines Inhaltes herrscht. Die abweichenden Vorstellungen der Parteien dürften zwar für das nunmehrige Leistungsbegehren von keiner Bedeutung mehr sein. Dessenungeachtet muß der Klägerin ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Abklärung des Inhaltes ihrer vertraglichen Beziehungen zu der Beklagten zugebilligt werden. Eine Klagsänderung ist immer dann zuzulassen, wenn sie es ermöglicht, das zwischen den Parteien streitige Rechtsverhältnis mit den einfachsten Mitteln unter Vermeidung eines weiteren Prozesses klarzustellen (SZ 47/49 u.a.). Das Gericht soll also die Klagsänderung stets dann zulassen, wenn damit keine Veränderung der Zuständigkeit bewirkt wird und keine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung verbunden ist (Fasching Zivilprozeßrecht Rdz 1240).

Im vorliegenden Fall haben bisher Beweisaufnahmen noch nicht stattgefunden. Zwar wird allenfalls zur Klärung jener Rechtsfrage, die mit dem Feststellungsbegehren entschieden werden soll, ein Zeuge zu vernehmen sein, doch ist hiezu ein großer Verfahrensaufwand nicht zu erwarten. Im wesentlichen handelt es sich um eine Rechtsfrage, die weitgehend auf Grund von Urkunden entschieden werden kann. Richtig hat sohin das Rekursgericht erkannt, daß die Voraussetzungen des § 235 Abs.3 ZPO für die Zulassung der Klagsänderung gegeben sind.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.

Stichworte