OGH 3Ob592/85

OGH3Ob592/8530.10.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der Antragsteller Michael A, Kraftfahrer, und Ehrentrude B, Büroangestellte, beide 5550 Radstadt, Stadt 91, beide vertreten durch Dr. Franz J. Rainer, Rechtsanwalt in Schladming, wider den Antragsgegner Josef C, Buchhalter, 5550 Radstadt, Schwemmberg 70, vertreten durch Dr. Matthias Mayr, Rechtsanwalt in Bischofshofen, wegen Einräumung eines Notweges, infolge Rekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 20. Juni 1985, GZ. 33 R 258/85-11, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Radstadt vom 22. März 1985, GZ. 2 Nc 7/85-7, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Kaufvertrag vom 2. Oktober 1951, Beilage IV, verkauften Ferdinand und Katharina D an Michael und Johanna A, die Eltern des Erstantragstellers und Schwiegereltern der Zweitantragstellerin, die neugebildeten Grundstücke 177/3 (488 m 2 ) und 179/3 (162 m 2 ) der Liegenschaft EZ 184 Grundbuch Schwemmberg. Im Punkt II. dieses Vertrages räumten die Verkäufer als Eigentümer der Grundstücke 177/2 und 179/2 derselben Liegenschaft den Käufern für immerwährende Zeiten das Recht ein, über diese beiden Grundstücke in einer Breite von 1 m 'entlang dem Zaun und somit entlang der Grenze gegenüber dem Oberbleikwanggut in Schwemmberg' zu den gekauften Grundstücken zu gehen und zu fahren und bestellten diese Verpflichtung als Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes zu Lasten der beiden Grundstücke und zugunsten der beiden verkauften Grundstücke. Auf Grund dieses Kaufvertrages wurden Michael und Johanna A im Jahre 1952 als Miteigentümer je zur Hälfte der neueröffneten Einlage 185 Grundbuch Schwemmberg mit den beiden gekauften Grundstücken einverleibt. Unter A 2 OZ 2 wurde das Recht des Geh- und Fahrweges wider EZ 184 (später auch wider die EZ 187 und 294) desselben Grundbuches ersichtlich gemacht (Beilage II). Mit Kaufvertrag vom 14. November 1952, Beilage V, verkauften Ferdinand und Katharina D dem Antragsgegner das 144 m 2 große Grundstück 179/2 ihrer Liegenschaft EZ 184 Grundbuch Schwemmberg und ein 1.324 m 2 großes Teilstück des Grundstückes 177/2 derselben Liegenschaft als neugebildetes Grundstück 177/4. Im Kaufvertrag wurde auf die Belastung der verkauften Grundstücke durch die oben erwähnte Dienstbarkeit ausdrücklich hingewiesen. Auf Grund dieses Kaufvertrages wurde der Antragsgegner im Jahre 1953 als Eigentümer der neu eröffneten Einlage 187 Grundbuch Schwemmberg mit den beiden gekauften Grundstücken einverleibt. Dabei wurde unter COZ 1 aus der Einlage 184 desselben Grundbuches folgende Eintragung übertragen:

'25. 7. 1952, 295: Auf Grund des Kaufvertrages vom 2. 10. 1951, Punkt II., wird die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges auf die Grundstücke 177/2 Acker und 179/2 Wiese zugunsten der Grundparzellen 177/3 und 179/3 je Wiese in EZ 185 dieses Hauptbuches einverleibt'. Unter COZ 2 ist bei dieser Dienstbarkeit ersichtlich gemacht, daß das dienstbare Grundstück 177/2 in dieses und in das Grundstück 177/4 geteilt wurde.

Mit Bescheid vom 27. Juni 1955, Zl. 7093/1/55, Beilage 1, erteilte die Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau Michael und Johanna A gemäß § 26 Abs 2 lit c E 1952 die Genehmigung zur Bebauung der Einzelparzellen 177/3 und 179/3 Grundbuch Schwemmberg. In diesem auch an den Antragsgegner ergangenen Bescheid wurde unter anderem festgestellt, daß diese beiden (zusammen) 650 m 2 großen Grundstücke an einem ostseitigen Berghang etwa 150 m westlich der Ennstaler Bundesstraße lägen und von dieser aus über einen 3 m breiten, über die Grundparzellen 177/2 und 179/2 führenden Weg aufgeschlossen würden. Im Grundbuch sei das Geh- und Fahrrecht über diese beiden Grundparzellen vorgetragen. Durch Vereinbarung Michael AS mit Josef C (Antragsgegner) und Ferdinand D sei der Fahrweg von 2 auf 3 m verbreitert worden. Ein Befahren durch große Kraftfahrzeuge sei nicht möglich, weil der Hang zu steil sei. Eine weitere Aufschließung von Grundstücken über den erwähnten Weg sei wegen der Geländeverhältnisse nicht möglich. Besonders hohe Aufschließungskosten würden nicht entstehen, weil weder eine Befestigung der Fahrbahn noch Planierungsarbeiten notwendig seien. Mit Kaufvertrag vom 12. Juni 1964, Beilage VI, verkaufte Peter F an Michael und Johanna A ein 566 m 2 großes

Teilstück seines Grundstückes 177/1 und ein 40 m 2 großes Teilstück des Grundstückes 179/1. Das erste Teilstück wurde in das Grundstück 177/3, das zweite in das Grundstück 179/3 einbezogen. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Radstadt vom 19. Jänner 1977, TZ 77/77, Beilage C, wurden unter anderem die Teilung des Grundstückes 177/2 in dieses und in die Grundstücke 177/36 und 177/37, die Abschreibung des Grundstückes 177/36 von der Einlage 184 unter Mitübertragung unter anderem der in COZ 1 einverleibten Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes zugunsten der Grundstücke 177/3 und 179/3 in EZ 187, die Eröffnung der neuen Einlage 294 und die Einverleibung des Eigentumsrechtes daran für Liselotte D bewilligt.

Mit in Notariatsaktsform geschlossenem Schenkungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrag vom 19. April 1984, Beilage E, schenkten Michael und Johanna A dem Erstantragsteller das durch Teilung des Grundstückes 177/3 neu entstandene 591 m 2 große Grundstück 177/45 und den durch Teilung des Grundstückes 179/3 entstehenden 33 m 2 großen Teil 1 mit allen Rechten, insbesondere mit dem Recht des Gehens und Fahrens auf Grundstück 179/2, und räumten ihm und seinen Rechtsnachfolgern das immerwährende Recht des Gehens und Fahrens sowie des Abstellens von Kraftfahrzeugen aller Art über bzw. auf dem Grundstück 177/3, und zwar über bzw. auf den in der Natur einen Parkplatz darstellenden Teil, ein. Der Erstantragsteller schenkte einen Hälfteanteil der ihm geschenkten Grundstücksteile der Zweitantragstellerin.

Dieser Vertrag wurde zu TZ 683/85 grundbücherlich durchgeführt, wobei die Antragsteller als Miteigentümer je zur Hälfte der neu eröffneten Einlage 332 Grundbuch Schwemmberg mit dem von der EZ 185 desselben Grundbuches abgeschriebenen Grundstückes 177/45 einverleibt wurden (telefonischer Bericht des Erstgerichtes vom 9. Oktober 1985, Aktenvermerk vom selben Tag).

Mit schriftlicher Vereinbarung vom 2. Mai 1984, Beilage D, gestattete Elisabeth G den Antragstellern mit der Begründung, daß diese auf dem Grundstück 177/45 ein Einfamilienhaus errichten wollten, die Zufahrt mit Baufahrzeugen über den bestehenden Aufschließungsweg der Stammparzelle 177/3 aber nicht möglich sei, während der Bauzeit die Zufahrt über einen 6 m 2 breiten Streifen des Grundstückes 177/5.

Mit Schreiben vom 29. Juni 1984, Beilage A, erklärte der Notar, der den Schenkungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrag vom 19. April 1984, Beilage E, errichtet hatte, den Antragstellern unter anderem, daß mit den Grundstücken 177/3 und 179/3 das Recht aus der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges über die Grundstücke 177/2, 179/2 und 177/37 der EZ 184 und 177/36 der EZ 294 je Grundbuch Schwemmberg verbunden sei. Als übernehmer eines Teiles der berechtigten Grundstücke würden den Antragstellern infolge der Mitübertragung sämtlicher Rechte auf das neugebildete Grundstück die Dienstbarkeit im vollen Umfang zustehen.

Mit Schreiben vom 6. Juli 1984, Beilage B, teilte derselbe Notar den Antragstellern unter Bezugnahme auf sein vorerwähntes Schreiben mit, er sei nun von Frau (Liselotte) D und Herrn (Josef) C (Antragsgegner) informiert worden, daß die berechtigten Grundstücke ursprünglich wesentlich kleiner gewesen und erst durch einen späteren Zukauf im Jahr 1958 (richtig 1964) erweitert worden seien. Auf Grund dieser Mitteilung habe er nochmals das Grundbuch und die den Eintragungen zugrundeliegenden Urkunden überprüft und müsse folgendes mitteilen: Michael und Johanna A hätten im Jahr 1951 die Grundstücke 177/3 und 179/3, die damals 566 m 2 und 40 m 2 groß gewesen seien, gekauft. In diesem Vertrag sei das verbücherte Geh- und Fahrrecht eingeräumt worden. Im Jahr 1958 (richtig 1964) hätten Michael und Johanna A von Peter F mit den Grundstücken 177/3 und 179/3 vereinigte

Trennstücke erworben, wodurch die beiden Grundstücke auf 1.071 m 2 bzw. 184 m 2 (richtig 1.054 m 2 und 202 m 2 ) vergrößert worden seien. Durch die Vergrößerung der berechtigten Grundparzellen dehne sich eine Dienstbarkeit nicht aus, sie bleibe auf die ursprüngliche Fläche begrenzt. Das neugebildete Grundstück 177/45 sei mit den seinerzeitigen Trennstücken ziemlich ident. Deshalb könne mit der Abtrennung dieses neuen Grundstücks das Geh- und Fahrrecht, das ja 'auf diesen Teil nicht bestanden habe', nicht mitübertragen werden. Ein neues Geh- und Fahrrecht könne den Antragstellern also nur von den betroffenen Nachbarn freiwillig eingeräumt werden. Am 1. Februar 1985 beantragten die Antragsteller beim Erstgericht die Einräumung eines genau beschriebenen Notweges des Geh- und Fahrrechtes über den in der Natur bereits bestehenden, etwa 3 m breiten Weg über die Grundstücke 177/4 und 179/2 der Liegenschaft EZ 187 des Antragsgegners. Zur Begründung dieses Antrages trugen sie im wesentlichen den oben dargestellten Sachverhalt und weiters vor, daß sie noch bei der erwähnten Vereinbarung mit Elisabeth H am 2. Mai 1984 gutgläubig davon ausgegangen seien, daß sie als Eigentümer des neuen Grundstückes 177/45 den Servitutsweg ebenfalls benützen dürften, weil dieses Grundstück vom herrschenden Grundstück 177/3 abgeteilt worden sei und dieser Weg seit mehr als 30 Jahren von dem genannten Grundstück aus begangen und befahren worden sei. Auch der Antragsteller habe als Sohn der Eigentümer des herrschenden Grundstückes diesen Weg benützt, solange er denken könne. Nunmehr stelle sich der Antragsgegner plötzlich auf den Standpunkt, daß sich das auf seinen Grundstücken lastende Geh- und Fahrrecht nicht auf das abgetrennte Grundstück 177/45 beziehe, und verweigere den Antragstellern das Gehen und Fahren über seine Grundstücke. Ihr Grundstück habe daher kein Geh- und Fahrrecht zum öffentlichen Wegenetz (Ennstaler Bundesstraße), ohne daß den Antragstellern eine auffallende Sorglosigkeit zur Last falle. Während das Grundstück der Antragsteller ohne den Notweg wertlos sei, würde dieser die regelmäßige Bewirtschaftung und Benützung der Liegenschaft des Antragsgegners nicht beeinträchtigen.

Der Antragsgegner sprach sich gegen die Einräumung des Notweges aus und wendete unter anderem ein, daß der Mangel der Wegverbindung auf eine auffallende Sorglosigkeit der Antragsteller bzw. ihrer Rechtsvorgänger zurückzuführen sei. Letztere hätten das den Antragstellern verkaufte Grundstück von Peter F zu einer Zeit erworben, als es noch möglich gewesen wäre, auch für dieses ein Geh- und Fahrrecht auszubedingen, da damals andere Grundstücke noch nicht verkauft gewesen wären. Johanna A habe damals auf die Frage, warum man sich nicht das Geh- und Fahrrecht ausbedinge, erklärt, man brauche keine Zufahrt und man wolle sich auch nicht wegen einer Zufahrt den Garten beeinträchtigen lassen. Die Antragsteller replizierten, eine auffallende Sorglosigkeit liege auch deshalb nicht vor, weil die Parteien des Schenkungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrages vom 19. April 1984 davon ausgegangen seien und der Vertragsverfasser ihnen immer wieder mündlich bestätigt habe, daß das Geh- und Fahrrecht bestehe. Hätte der Vertragsverfasser dies nicht bestätigt, wäre es niemals zum Abschluß dieses Vertrages gekommen. Abgesehen davon, daß eine auffallende Sorglosigkeit der Rechtsvorgänger der Antragsteller nicht vorliege, wäre eine solche rechtlich unerheblich.

Der Antragsgegner erklärte dazu, die Antragsteller hätten den Notar offensichtlich falsch informiert, sonst hätte er nicht eine unrichtige Rechtsauskunft geben können.

Das Erstgericht wies den Antrag ab.

Es stellte im wesentlichen den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt und weiters fest, daß die Antragsteller als Eigentümer des Grundstücks 177/45 kein Geh- und Fahrrecht zu einem öffentlichen Weg besäßen.

Das Erstgericht beurteilte es als auffallende Sorglosigkeit der Antragsteller, dat sie auf diesen Umstand bei Errichtung des Notariatsaktes vom 19. April 1984 nicht Bedacht genommen hätten. Selbst wenn sie wegen der Auskunft des Aktverfassers in gutem Glauben auf das Bestehen eines Geh- und Fahrrechtes gewesen wären, wäre ihnen die Unaufmerksamkeit des Aktverfassers als ihres Vertreters zuzurechnen. Andernfalls wäre dem Mißbrauch Tür und Tor geöffnet.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Gericht zweiter Instanz verneinte eine auffallende (= grobe) Sorglosigkeit der Antragsteller. Es sei nicht festgestellt, daß sie gewußt hätten, daß die von ihnen erworbenen Grundstücksteile nach der Begründung der Servitut hinzugekommen seien. Wenn sie daher davon ausgegangen seien, daß dieses Recht auch auf das ihnen geschenkte Grundstück übergehe, bzw. bestehen bliebe, sei dies zwar nicht richtig, aber nicht grob fahrlässig, auch wenn sie sich vorher mit dem Antragsgegner in Verbindung hätten setzen können. Daß sie dies unterlassen hätten, könne eine Sorgfaltswidrigkeit oder Unhöflichkeit, aber keine grobe Fahrlässigkeit begründen. Daß bei der Vereinigung einer nicht berechtigten mit einer berechtigten Grundfläche die Dienstbarkeit nur für das ursprüngliche Grundstück bestehe, habe den Antragstellern nicht derart bewußt sein können, daß ihnen das Nichtwissen als grobe Fahrlässigkeit angelastet werden könne, und zwar umsoweniger, als sie sich zur Vertragsverfassung eines Notars bedienten. Daß dieser ihr Bevollmächtigter gewesen sei, sei nicht nachgewiesen. Die Parteien hätten den Vertrag selbst geschlossen. Der Notar habe ihn lediglich beurkundet, doch sei auch dem Notar keine grobe Fahrlässigkeit anzulasten. Eine grobe Fahrlässigkeit der Rechtsvorgänger könne den Antragstellern nicht schaden. Da das Erstgericht - ausgehend von seiner Rechtsmeinhng - keine weiteren Beweise aufgenommen und keine weiteren Feststellungen getroffen habe, müsse der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen werden. Sollte im fortgesetzten Verfahren hervorkommen, daß die Antragsteller das Grundstück im Wissen erworben hätten, daß keine Zufahrtsmöglichkeit bestehe und sich das (Geh-) und Fahrrecht nicht auf dieses Grundstück erstrecke, werde auffallende Sorglosigkeit anzunehmen sein.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Antragsgegners mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluß wiederherzustellen. Die Antragsteller beantragen in der Rekursbeantwortung, dem Rechtsmittel ihres Gegners nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (SZ 33/73, 38/19 und 38/38), aber nicht berechtigt.

Nach § 2 Abs 1 NotwegeG ist das Begehren um Einräumung eines Notweges unter anderem dann unzulässig, wenn der Mangel der Wegeverbindung auf eine nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes (mit seiner Kundmachung im RGBl. Nr. 140/1896) eingetretene auffallende Sorglosigkeit des Grundeigentümers zurückzuführen ist. Diese Fassung beruht auf einem Abänderungsantrag des Justizausschusses des Abgeordnetenhauses.

Nach der Regierungsvorlage sollte das Begehren um Einräumung eines Notweges nämlich unter anderem auch dann unzulässig sein, wenn der Mangel der Wegeverbindung auf eine auffallende Sorglosigkeit des Grundeigentümers oder seines Besitzvorgängers zurückzuführen gewesen wäre (1292 der Beilagen Abgeordnetenhaus XI. Session 1895 S 1/2). In den Erläuternden Bemerkungen zu dieser Regierungsvorlage (aaO S 15) wird zu diesem Unzulässigkeitsgrund im Anschluß an die Feststellung, daß pro praeterito in jedem derzeit vorhandenen Notstandsfall die erforderliche Abhilfe zu gewähren sein werde, ohne eine Untersuchung über die Ursachen des Wegemangels und über die Frage des Verschuldens der wegebedürftigen Partei, ausgeführt: 'Pro futuro dürfte jedoch eine Unterscheidung zu machen sein zwischen den Fällen, in denen der wegebedürftige Grundeigentümer oder sein Besitzvorgänger den Wegemangel durch eine auffallende Sorglosigkeit verschuldet hat (z.B. bei Grundteilungen ohne Sicherung einer Communication), und denjenigen Fällen, in denen ein solches Verschulden nicht vorliegt (z.B. bei Elementarereignissen). Nur in den letztgenannten Fällen erscheint es gerechtfertigt, den eingetretenen Notstand der betroffenen Liegenschaft durch die im Gesetzentwurf vorgesehene Maßnahme zu beseitigen. In den entgegengesetzten Fällen hingegen wäre es kaum am Platz, gleichfalls Rücksicht walten zu lassen und die Wohltat des Gesetzes zur Geltung zu bringen, zumal die Einführung des Gesetzes die Interessenten für die Folge zu größerer Umsicht mahnen soll und die Nachlässigkeit der Parteien nicht zu fördern ist'.

Der Justizausschuß begründete seinen dann angenommenen Abänderungsantrag so (1431 der Beilagen Abgeordnetenhaus XI. Session 1896 S 5):

'§ 2. Die vom Ausschuß beschlossene Änderung bezweckt nicht nur eine stilistische Verdeutlichung, sondern auch nach der Rechtskraft dieses Gesetzesentwurfes eine nachsichtigere Behandlung des Grundeigentümers, indem der Besitzesnachfolger für eine culpa lata seines Vorgängers im Besitz, sei es als Universal- oder Singularsuccessor, nicht in Mitleidenschaft gezogen werden soll. Der Regierungsentwurf wollte nach dem Inslebentreten dieses Gesetzes die Folgen eines jeden, sei es fraudulosen, sei es culposen Verhaltens des Besitzers, ein für allemal und für immerwährende Zeiten wirken lassen. Der Ausschuß war aber der Meinung, daß es unbillig wäre, die gerechten und gutgläubigen Erwerber deshalb ein für allemal im Zustand der Not für ihre notwegebedürftigen Grundstücke zu belassen'. Menzel (JBl 1896, 230 f.) bezeichnete die Verweigerung des Notweges wegen auffallender Sorglosigkeit des Grundeigentümers als 'höchst bedenklich', weil die Heranziehung des Verschuldensprinzipes bei einem Institut, das anerkannte wirtschaftliche Interessen befriedigen soll, nicht am Platz sei. Die - im Zeitpunkt dieser Kritik noch nicht Gesetz gewordene - bekämpfte Vorschrift würde dahin führen, daß in den zahlreichen Fällen einer Parzellierung, einer Veräußerung von Teilen einer Liegenschaft ein Notweg nicht begehrt werden könnte. Denn in solchen Fällen wäre es sicher eine auffallende Sorglosigkeit des Parzellenkäufers, daß er sich nicht im Kaufvertrag das Wegerecht ausbedungen hat. Er könnte demnach vom Verkäufer nicht verlangen, den Weg, der über die nicht veräußerten Grundstücke zum öffentlichen Wegenetz führt, später einzuräumen. Amster (JZ 1896, 329) begrüßte 'mit Genugtuung', daß die Sünden des Besitzvorgängers seinem Nachfolger nicht schaden sollen. Diese Verbesserung der Regierungsvorlage durch den Ausschußantrag stehe mit dem unverkennbar 'publizistischen Charakter' des fraglichen Anspruchs in enger Verbindung.

Klang in Klang 2 159 lehrt, der Anspruch auf einen Notweg stehe nicht zu, wenn die Notlage durch eine auffallende Sorglosigkeit des Grundbesitzers herbeigeführt worden sei. Es stehe aber der Einräumung eines Notweges nicht entgegen, daß der Notstand durch eine auffallende Sorglosigkeit eines Besitzvorgängers des Grundbesitzers herbeigeführt worden sei.

Nach Ehrenzweig, Privatrecht 2 I/2, 348, ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn die Zugangsnot durch auffallende Sorglosigkeit des Eigentümers (z.B. freiwilligen Verzicht auf eine Wegegerechtigkeit) herbeigeführt worden sei. Dies schade jedoch dem Besitznachfolger nicht.

Petrasch führt in Rummel, ABGB, Rdz 8 zu § 480 aus, das Begehren bzw. die Einräumung eines Notweges sei unter anderem unzulässig, wenn der Mangel der Wegeverbindung auf eine auffallende Sorglosigkeit des Grundeigentümers zurückzuführen sei: 'gemilderter Anwendungsfall des § 1307 ABGB'. Auffallende Sorglosigkeit (in eigenen Angelegenheiten, nicht im technischen Sinn, im Maßstab entsprechend grober Fahrlässigkeit im Sinn des § 1324 ABGB) liege vor bei Verzicht auf eine bestehende Servitut, nicht schon beim Kauf eines zuganglosen Grundstücks oder Widmungsänderung z.B. für gewerbliche Nutzung oder Hausbau. Grobe Fahrlässigkeit eines Rechtsvorgängers schade nicht, außer beim Rechtserwerb während eines anhängigen (Notwege-)Verfahrens.

Nach SZ 12/122 (außerordentlicher Rekurs) bietet das Notwegegesetz keinen zwingenden Grund für die Annahme, daß unter dem im § 2 verwendeten Ausdruck 'Grundeigentümer' auch der Vorgänger im Eigentum des Grundes gemeint sei. Aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergebe sich vielmehr, daß es gar nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen sei, den gegenwärtigen Grundeigentümer und Ansprecher des Notweges die auffallende Sorglosigkeit des Rechtsvorgängers büßen zu lassen.

In SZ 25/52 (außerordentlicher Rekurs) führte der Oberste Gerichtshof aus, daß die Antragsteller nicht ein Grundstück mit unmittelbarem Anschluß an das öffentliche Wegenetz gekauft hätten, könne ihren Anspruch nach § 1 Abs 1 NotwegeG nicht berühren und nicht dazu führen, einen selbstverschuldeten Notstand anzunehmen. Auch in den Entscheidungen EvBl 1958/362 und 6 Ob 566/78 wird diese Rechtsansicht bestätigt, woraus die letztgenannte Entscheidung sogar ableitete, der im den Antragstellern im Zeitpunkt des Kaufes der Liegenschaft bekannten Fehlen eines ganzjährig benützbaren Fahrweges bestehende Mangel sei nicht auf die auffallende Sorglosigkeit der Antragsteller im Sinn des § 2 Abs 1 NotwegeG zurückzuführen.

Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall:

Daß die von den Antragstellern erworbene Liegenschaft der für die Zwecke einer ordentlichen Bewirtschaftung oder Benützung nötigen Wegeverbindung mit dem öffentlichen Wegenetz entbehrt, weil ihr eine solche gänzlich mangelt, ist - jedenfalls nach den bisherigen Verfahrensergebnissen - nicht auf eine auffallende Sorglosigkeit der Antragsteller, sondern darauf zurückzuführen, daß deren Rechtsvorgänger, als sie im Jahre 1964 von Peter F

Teilstücke der Grundstücke 177/1 und 179/1 kauften, die in ihre Grundstücke 177/3 und 179/3 einbezogen wurden und deren Fläche im wesentlichen die von den Antragstellern erworbene Liegenschaft ausmacht, möglicherweise infolge eines Rechtsirrtums, nicht für eine rechtlich gesicherte Wegeverbindung der zugekauften Grundstücksteile mit dem öffentlichen Wegenetz sorgten.

Die Wegebedürftigkeit der von den Antragstellern erworbenen Liegenschaft ist daher nicht durch Handlungen oder Unterlassungen der Antragsteller oder ihres allfälligen Vertreters im Zusammenhang mit dem Erwerb dieser Liegenschaft, sondern auf Handlungen oder Unterlassungen der Rechtsvorgänger der Antragsteller zurückzuführen, die das vorliegende Begehren um Einräumung eines Notweges jedoch nicht nach § 2 Abs 1 zweiter Fall NotwegeG unzulässig machen. Weil die Notwegesache somit noch nicht spruchreif ist, war dem gegen den Aufhebungsbeschluß gerichteten Rekurs des Antragsgegners nicht Folge zu geben.

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