OGH 4Ob379/85

OGH4Ob379/8529.10.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Gamerith und Dr. Riedler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A & B Gesellschaft mbH, Kolbegasse 66, 1232 Wien, vertreten durch Dr. Gerhard Eckert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei C D E 'WIENER VERLAG'

Gesellschaft mbH, Nfg. KG, Heideäckerstraße 1, 2325 Himberg, vertreten durch Dr. Kurt Schneider und Dr. Rudolf Riedl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert S 500.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 9.August 1985, GZ 1 R 159/85-8, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 21. Juni 1985, GZ.37 Cg 184/85-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens vorläufig selbst zu tragen.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Fa. G.M. B erzeugte seit 1978 unter der Bezeichnung 'Nova Table' gebundene Wochenkalender, die über den Großhandel und Fachhandel, sowie über Zeitungen und Industrieunternehmen vertrieben wurden. Die jährliche Produktion erhöhte sich bis zum Jahre 1984 allmählich auf etwa 18.000 Stück. In diesem Jahr wurde über das Vermögen der Fa. G.M. B der Konkurs eröffnet (6 S 64/84 des Handelsgerichtes Wien). Mit Vertrag vom 17.5.1984, rechtswirksam seit 6.7.1984, verkaufte der Masseverwalter im Konkurse der Fa. G.M. B das gesamte Unternehmen der Gemeinschuldnerin an die klagende Partei, sodaß auch 'alle Urheberrechte bzw. Musterrechte an der Gestaltung der von der Gemeinschuldnerin hergestellten Produkte (insoweit diese Rechte überhaupt schutzfähig sind)' an die klagende Partei übergingen. Die klagende Partei übernahm auch die halbfertigen 'Nova Table'-Kalender für das Jahr 1985 mit einer Auflage von 22.000 Stück.

Die Fa. F G H Gesellschaft, die von der Fa. G.M. B früher 'Nova Table'-Kalender bezogen hatte, bestellte bei der beklagten Partei am 26.7.1984 unter übergabe eines Musters aus der Produktion der Gemeinschuldnerin 3.600 Kalender mit dem Auftrag, die Ausführungsmängel des B-Kalenders zu beheben. Die beklagte Partei führte diesen Auftrag aus und nahm in ihren Katalog für Werbekalender 1986 einen sogenannten 'Wochenplaner' auf, dessen Kalendarium praktisch das gleiche Druckbild wie der 'Nova Table'-Kalender hat.

Die klagende Partei begehrt zur Sicherung des inhaltsgleichen Klagebegehrens, der beklagten Partei mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, die Ankündigung, Erzeugung und den Vertrieb von sklavisch nachgemachten Kalendern, die dem von der klagenden Partei produzierten 'Nova Table'-Kalender in der inneren Gestaltung, dem Aufbau und dem Druckbild ähnlich sind, zu unterlassen. Die klagende Partei behauptet, daß die von der beklagten Partei angekündigten und hergestellten Kalender eine sklavische Nachbildung ihres 'Nova Table'-Kalenders seien.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Sicherungsantrages und wendete ein, daß der von der klagenden Partei vertriebene Wochenkalender mangels wettbewerblicher Eigenart und Verkehrsbekanntheit keinen Schutz nach § 1 UWG genieße. Zudem weiche der von der beklagten Partei produzierte Kalender ('Wochenplaner') in zahlreichen Einzelheiten vom 'Nova Table'-Kalender ab. Die klagende Partei sei auch nicht aktiv legitimiert.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Das Erzeugnis der klagenden Partei habe weder wettbewerbliche Eigenart noch Verkehrsbekanntheit erlangt, was die klagende Partei auch gar nicht behauptet habe. Es genieße daher keinen Schutz gegen 'sklavische Nachahmung' gemäß § 1 UWG.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei Folge und änderte den angefochtenen Beschluß unter Neufassung des Spruches dahin ab, daß es der beklagten Partei auftrug, im geschäftlichen Verkehr die Ankündigung, die Erzeugung und den Vertrieb von Kalendern zu unterlassen, die dem von der Klägerin produzierten Kalender 'Nova Table' (Beilage X) in der inneren Gestaltung, dem Aufbau und dem Druckbild 'sklavisch' nachgeahmt und verwechslungsfähig ähnlich sind. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des von der Abänderung betroffenen und zugleich gesamten Beschwerdegegenstandes S 300.000 übersteigt.

Das Rekursgericht war der Ansicht, daß die klagende Partei als unmittelbar betroffene Konkurrentin berechtigt sei, den behaupteten Wettbewerbsverstoß geltend zu machen.Die beklagte Partei habe das Arbeitsergebnis der klagenden Partei, was die innere Gestaltung, das Druckbild und die Anordnung des Wochenkalenders betreffe, im wesentlichen ohne eigene Leistung und ohne eigenen, ins Gewicht fallenden Schaffensvorgang ganz oder doch in erheblichen Teilen glatt übernommen. Es handle sich nicht um Massenware. Das Originalerzeugnis weise infolge eigenständiger Formgebung und wegen seines Inhalts wettbewerbliche Eigenart auf. Auf Grund der Produktionszahlen und vor allem der regelmäßigen Großgeschäfte mit der Fa. F G H sei auch eine gewisse Verkehrsbekanntheit des Erzeugnisses der klagenden Partei anzunehmen. Die von der beklagten Partei gewählten Abweichungen vom Produkt der klagenden Partei (in der äußeren Ausstattung, der Bezeichnung,dem Feiertagsverzeichnis und dem Adreß- und Telefonverzeichnis) fielen gegenüber den allein beanstandeten übereinstimmungen in der Innenausstattung des Kalenders nicht ins Gewicht. In diesem Bereich könnten die von der beklagten Partei vorgenommenen Abweichungen nur erkannt werden, wenn beide Kalender nebeneinandergelegt und minutiös verglichen würden. Für den Betrachter, der nur eines der beiden Erzeugnisse sehe, sei ein Unterschied nicht erkennbar, so daß die Verwechselbarkeit auf der Hand liege. Ein weiteres Unlauterkeitsmerkmal beider Erzeugnisse liege darin, daß sich die beklagte Partei die Insolvenz der Fa. G.M. B sofort zunutze gemacht und deren Arbeitsergebnis bewußt übernommen habe.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Die Revisionsrekurswerberin hält weiterhin an der Auffassung fest, daß der klagenden Partei die Aktivlegitimation fehle, weil aus der Vereinbarung zwischen dem Masseverwalter im Konkurse der Fa, G.M. B und der klagenden Partei deren Rechtsnachfolge nach der Gemeinschuldnerin nicht hervorgehe. Sie übersieht, daß gemäß § 14 UWG jeder Mitbewerber berechtigt ist, Verstöße nach § 1 UWG geltend zu machen und dieses Klagerecht nicht einmal ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Streitteilen voraussetzt (ÖBl.1974, 57; SZ 54/77; ÖBl.1983, 107 ua). Es genügt vielmehr, daß die von den beteiligten Mitbewerbern vertriebenen Waren ihrer Art nach miteinander in Konkurrenz treten (SZ 54/77). Die klagende Partei, die beim Unternehmenserwerb auch die halbfertigen 'Nova Table'-Kalender der Gemeinschuldnerin (zwecks Fortsetzung dieses Produktionszweiges) kaufte, ist als vom Wettbewerbsverstoß der beklagten Partei unmittelbar betroffene Mitbewerberin somit jedenfalls legitimiert.

Auch der Ansicht der Revisionsrekurswerberin, der nachgeahmte Wochenkalender der klagenden Partei sei ein Massenartikel, dem jede wettbewerbliche Eigenart fehle, sodaß er nicht geeignet sei, Herkunftsvorstellungen auszulösen, ist nicht zu folgen. Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist die Nachbildung eines fremden Erzeugnisses, das keinen Formalschutz genießt, wettbewerbsrechtlich unzulässig, wenn sie unter Begleitumständen geschieht, aus denen sich die Sittenwidrigkeit der Handlung ergibt. Das ist unter anderem der Fall, wenn der Nachahmende das Vorbild nicht nur als Anregung zu eigenem Schaffen benützt, sondern seinem Produkt ohne ausreichenden Grund die Gestaltungsform eines fremden Erzeugnisses gibt und dadurch die Gefahr von Verwechslungen hervorruft. Der Nachahmer muß im Rahmen des Möglichen von dem nachgeahmten Erzeugnis - vor allem dann, wenn ihm eine große Fülle von Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung steht - angemessenen Abstand halten. Voraussetzung der Sittenwidrigkeit der Nachahmung ist also, daß eine bewußte Nachahmung erfolgte, dadurch die Gefahr von Verwechslungen herbeigeführt wurde und eine andersartige Gestaltung zumutbar gewesen wäre (ÖBl.1981, 98, 115 und 154 jeweils mwN, ÖBl.1983, 134, ÖBl.1985, 24 ua). Für den Schutz nach § 1 UWG ist eine besondere Verkehrsgeltung des nachgeahmten Vorbildes nicht Voraussetzung für die Annahme einer Verwechslungsgefahr. Es genügt vielmehr eine gewisse Verkehrsbekanntheit, die auch dann anzunehmen ist, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, eine Herkunftsvorstellung auszulösen (ÖBl.1981, 154 mwN). Es genügt, daß die Ware auf Grund ihrer wettbewerblichen Besonderheiten im Verkehr so bekannt geworden ist, daß sich überhaupt Verwechslungen ergeben können, wenn Nachahmungen in den Verkehr gelangen. Es reicht daher für die Annahme der Verwechslungsgefahr aus, wenn das in den Verkehr gelangte Vorbild eine gewisse Eigenart oder Verkehrsbekanntheit schlechthin hat (ÖBl.1981, 154 mwN). Die Sittenwidrigkeit der sklavischen Nachahmung liegt darin, daß der Nachahmende ein im Verkehr bereits bekanntes Produkt - mag es vom Publikum auch keinem ihm den Namen nach bekannten Erzeuger zugeordnet werden - in einer Weise nachmacht, daß die Kaufinteressenten zu der Annahme kommen können, es handle sich beim neuen Produkt um das ihnen (als solches) bereits bekannte Erzeugnis, welches ihren Vorstellungen und Ansprüchen entsprochen hatte (ÖBl.1983, 134; ÖBl.1985, 24). Daraus folgt, daß aus wettbewerblicher Sicht auch Massenwaren schutzfähig sein können; ihnen fehlt die Eignung, Herkunftsvorstellungen auszulösen nur dann, wenn sie ohne besondere Markierung angeboten werden. Allerdings sind bei Massenwaren an die Verkehrsbekanntheit strengere Maßstäbe anzulegen, weil das Publikum bei ihnen meist nicht auf ihre betriebliche Herkunft achten wird (ÖBl.1981, 154). Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin weist der von der klagenden Partei in Verkehr gebrachte Wochenkalender (in bezug auf das nachgeahmte Kalendarium) ausreichende wettbewerbliche Eigenart auf. Um eine schöpferische Leistung (im Sinne des UrhG), deren Vorliegen die beklagte Partei bestreitet, muß es sich dabei nicht handeln. Es ist zwar richtig, daß bei der Gestaltung eines Kalenders (hier: eines Wochenkalenders) wegen dessen Funktion bestimmte Merkmale von vornherein vorgegeben sind. Das gilt insbesondere für alle (auch mehrsprachigen) Angaben über Datum und Uhrzeit, sowie eine Raumeinteilung, die entsprechende Vormerkungen überhaupt erst ermöglicht. Es bleiben aber eine Fülle von Gestaltungsmöglichkeiten frei, wie insbesondere die Raumverteilung im einzelnen, die Wahl der Drucktypen und der Größe der Buchstaben und Ziffern und der Abstände, mit deren Hilfe jedem Kalender (hier: Wochenkalender) trotz notwendiger öhnlichkeit im Grundaufbau ein eigenartiges und individuelles Aussehen verliehen werden kann. Das gilt insbesondere bei mehrfarbiger Gestaltung, aber im geringeren Maße auch bei dem hier vorliegenden Schwarz-Weiß-Druck. Ein Wochenkalender sieht also nicht produktbedingt wie der andere aus. Daraus folgt aber, daß der Wochenkalender der klagenden Partei, der von ihr (ihrer Rechtsvorgängerin) durch Jahre hindurch in derselben eigenartigen Gestaltung hergestellt und in Verkehr gebracht wurde, bei den Abnehmern auch eine gewisse Verkehrsbekanntheit erlangte, wurden durch seit 1978 in steigender Auflage bis zu etwa 18.000 Stück jährlich unter der Bezeichnung 'Nova Table' vertrieben. Ob man diesen Kalender als 'Massenartikel' zu qualifizieren hätte, kann dahingestellt bleiben, da er jedenfalls wettbewerbliche Eigenart aufweist und mit einer Herkunftsbezeichnung angeboten wurde. Damit führte aber die von der beklagten Partei bewußt vorgenommene Nachahmung - sie gibt selbst zu, von der Fa. F G I

GesmbH den Auftrag entgegengenommen zu haben, den Wochenkalender der Fa.G.M. B (mit entsprechenden Verbesserungen)

herzustellen - die Gefahr herbei, daß das Publikum ( - der Kalender wurde von der beklagten Partei nicht nur an die Fa. F G H Gesellschaft, sondern auch sonst verkauft - ) das täuschend ähnliche Erzeugnis der beklagten Partei dem Erzeuger des Originals zuschreibt. Verwechslungsgefahr, die entgegen dem Vorbringen im Revisionsrekurs von der klagenden Partei auch behauptet wurde (AS 4 f) liegt daher vor. Die durch das verwechselbar ähnliche Kalendarium hervorgerufene Verwechslungsgefahr wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß zwischen den verglichenen Erzeugnissen äußerlich deutliche Unterschiede in der Einbanddecke bestehen, weil das Publikum der Meinung sein konnte, die klagende Partei erzeuge eben ihren Kalender mit den verschiedensten Einbanddecken. Zudem gilt hier gleiches wie bei Unterschieden in der Verpackung. Das Publikum kommt nicht nur mit dem Kalender im geschlossenen Zustand in Berührung, es prüft oft schon beim Kauf den Inhalt und lernt diesen spätestens bei der Benützung kennen, so daß ein hiebei entstehender Irrtum einen späteren Kaufentschluß beeinflussen kann (ÖBl.1982, 73, ÖBl.1983, 70).

Soweit der Revisionsrekurs auf die Zulässigkeit des Auftretens unabhängig voneinander entwickelter Erzeugnisse auf dem Markt verweist, führt er das Rechtsmittel nicht gesetzmäßig aus, weil die bewußte Nachbildung des Kalenders der klagenden Partei feststeht. Unerheblich ist, daß die Fa. G.M. B im Zeitpunkt der Nachahmung ihres Produktes infolge Insolvenz nicht lieferfähig war; sie hat damit den wettbewerbsrechtlichen Schutz für das in der Folge vom Masseverwalter verkaufte Unternehmen nicht verloren. Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 78, 393, 402 EO, 41, 50 ZPO.

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