OGH 2Ob48/85

OGH2Ob48/8529.10.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter A, Römergasse 23, 5020 Salzburg, vertreten durch den Sachwalter Johann A, Pächter, 5630 Bad Hofgastein, Haitzingallee 11, dieser vertreten durch Dr.Ernst Blanke, Rechtsanwalt in Hallein, wider die beklagten Parteien 1.) Bernhard B, Maurergeselle, Petzoldgasse 25, 5020 Salzburg, 2.) C Internationale Unfall- und Schadensversicherungs-Aktiengesellschaft, Tegetthoffstraße 7, 1010 Wien, beide vertreten durch Dr.Heinz Paradeiser, RA in Salzburg, wegen S 400.000,-- s.A. und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 3. April 1985, GZ.1 R 66/85-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Landesgerichtes Salzburg vom 7.Dezember 1984, GZ.1 Cg 104/84-27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat den Beklagten die mit S 10.929,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 960,-- Barauslagen und S 906,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 8.7.1961 geborene Kläger erlitt am 26.3.1982 als Beifahrer eines vom Erstbeklagten gelenkten, bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Motorrades schwere Kopfverletzungen. Der Kläger hatte keinen Sturzhelm getragen. Das Verschulden des Erstbeklagten an diesem Unfall ist unbestritten.

Der Kläger macht neben anderen Ansprüchen Schmerzengeld geltend. Er vertritt die Ansicht, rechnungsmäßig wäre für die bis 14.8.1986 erlittenen Schmerzen ein Betrag von S 800.000,-- berechtigt. Abzüglich von einem Viertel wegen des Nichttragens eines Sturzhelms sowie unter Berücksichtigung einer erhaltenen Zahlung von S 200.000,-- begehrt der Kläger ein restliches Schmerzengeld für die bis 14.8.1986 erlittenen Schmerzen in der Höhe von S 400.000,--. Weiters stellte er ein Feststellungsbegehren.

Mit Teilurteil erkannte das Erstgericht dem Kläger einen Betrag von S 400.000,-- samt Zinsen zu und sprach aus, daß die Beklagten dem Kläger für 3/4 aller in Hinkunft noch hervorkommenden Schäden aus dem Titel des Schmerzengeldes ersatzpflichtig seien, wobei sich die Haftung der Beklagten bis zur Höhe der Haftpflichtversicherungssumme erstrecke. In den Entscheidungsgründen führte das Erstgericht aus, durch den Betrag von (rechnungsmäßig) S 800.000,-- seien die vorhersehbaren künftigen Schmerzen auch über den 14.8.1986 hinaus berücksichtigt.

Das Berufungsgericht änderte dieses Teilurteil in seinem Ausspruch über das Feststellungsbegehren insoweit ab, als die Haftung der Beklagten für alle Schäden aus dem Unfall, hinsichtlich des Schmerzengeldes allerdings nur zu 3/4, festgestellt wurde. Der gegen den Ausspruch über das Leistungsbegehren gerichteten Berufung, mit der der Ausspruch begehrt worden war, daß mit dem Schmerzengeld von restlichen S 400.000,-- nur die bis 14.8.1986 erlittenen Schmerzen abgegolten worden seien, gab das Berufungsgericht nicht Folge. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers. Er macht die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das zugesprochene Schmerzengeld in Höhe von restlich S 400.000,-- samt Zinsen als Abgeltung der vom Kläger erlittenen Schmerzen vom Unfallstag bis zum 14.8.1986 zugesprochen werde.

Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben. Die Revision ist, obwohl dem Kläger der gesamte Betrag zugesprochen wurde, zulässig, weil eine zeitliche Begrenzung des Schmerzengeldzuspruches eine Abänderung darstellen würde (2 Ob 336/74, zitiert bei Jarosch-Müller-Piegler, Das Schmerzengeld 4 168, allerdings mit einer unrichtigen Jahreszahl).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Das Erstgericht ging von folgendem wesentlichen Sachverhalt aus:

Der Kläger erlitt schwerste Verletzungen, nämlich ein Schädel-Hirn-Trauma III, ein offenes Schädel-Hirn-Trauma, mehrfache Gehirnverletzungen an der Basis durch Knochensplitter, einen Schädelbruch, einen nachfolgenden apallischen Zustand (überlebende Stammhirnfunktionen bei weitgehend zerstärter Hirnrindenfunktion) sowie einen offenen Oberarmbruch links mit Dislokation. Er wurde zunächst 40 Tage hindurch in der neurochirurgischen Abteilung der Landesnervenklinik Salzburg stationär behandelt. Während dieses Aufenthaltes besserte sich trotz zahlreicher Operationen sein Gehirnzustand nicht, so daß er in der Folge vom 6.5.1982 bis 18.7.1983 (437 Tage) in die Unfallstation Schwarzach verlegt wurde. Seither befindet er sich ununterbrochen in der Versorgungsanstalt Schernberg. Nach mehrfachen Operationen befinden sich am Schädel weiterhin beiderseits sogenannte Trepanationsäffnungen mit einem Durchmesser von rund 10 cm. Im Schädel selbst wurde eine sogenannte Liquor-Drainage eingebaut, die der Hirnwasserableitung dient. Der Oberarmbruch links ist verplattet, wobei der Speichennerv links verlagert ist. Der Kläger ist in seinem derzeitigen Zustand wach. Es ist zu vermuten, daß er in einem bestimmten Ausmaß noch sieht und härt, während differenzierte Wahrnehmungen jedoch erloschen sind. Die schwere Schädel-Hirnverletzung hat eine dauernde und irreparable Gehirnschädigung zur Folge, die medizinisch als apallisches Syndrom zu bezeichnen ist. Dieser Leidenszustand wird sich in keiner Weise mehr bessern. Eine Verschlimmerung oder auch der Eintritt einer lebensbedrohenden Situation für den Kläger ist ebenfalls nicht zu erwarten. Auch für die Zukunft muß mit dauerndem Siechtum, dauernder Pflegebedürftigkeit und Bettlägerigkeit gerechnet werden. Der Zustand des Klägers ist mit dem eines Säuglings zu vergleichen, wobei allerdings bei ihm auch - die bei einem gesunden Säugling in Ausbildung begriffenen - Großhirnfunktionen erloschen sind. Unfallskausal erlitt der Kläger bis zum Untersuchungstag am 14.8.1984 gerafft insgesamt 40 Tage lang starke dauernde Schmerzen, rund 100 Tage mittelstarke Schmerzen und weitere 150 Tage geringe und abklingende Schmerzen. Für einen Zeitraum von weiteren 2 Jahren ist mit insgesamt 10 Tagen starken Schmerzen, etwa 100 Tagen mittelstarken dauernden Schmerzen und 130 Tagen geringen und abklingenden dauernden Schmerzen zu rechnen. Die mittelstarken dauernden Schmerzen sind auf Grund der dauernden Bettlägerigkeit und der zeitweise auftretenden Verkrampfungen zu erwarten. Der Kläger wird auch in weiterer Zukunft immer wieder Schmerzen haben. Das Berufungsgericht führte zur Frage, ob eine zeitliche Begrenzung vorzunehmen sei, aus, nach ständiger Rechtsprechung solle das Schmerzengeld grundsätzlich eine einmalige Abfindung sein. Eine zeitliche Begrenzung sei nur vorzunehmen, wenn künftige Schmerzen nicht abgeschätzt werden könnten und eine Globalbemessung daher nicht möglich sei. Es liege nicht im Belieben des Klägers, ob er eine Teilbemessung fordere. Bei der Entscheidung seien sämtliche Folgen zu berücksichtigen. Das Gericht könne trotz zeitlicher Beschränkung des Begehrens eine Globalbemessung vornehmen. Im vorliegenden Fall stehe fest, daß der Kläger an einem apallischen Syndrom leide, welches dauernde Pflegebedürftigkeit zur Folge habe und daß grundsätzlich keine Änderung mehr eintreten werde. Der Umstand, daß die genauen Ausmaße der künftigen Schmerzen nicht angeführt worden seien, rechtfertige eine zeitliche Begrenzung nicht.

Der Revisionswerber führt den Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens dahin aus, das Berufungsgericht habe ebenso wie das Erstgericht einen Antrag des Klägers nur unvollständig erledigt, da der Kläger ausdrücklich die zeitliche Beschränkung des Schmerzengeldzuspruches bis zum 14.8.1986

begehrt habe. Das Berufungsgericht habe über diesen Zeitraum hinaus für alle weitere Zukunft das gerechtfertigte Schmerzengeld mit einem Globalbetrag bemessen.

Mit diesen Ausführungen vermag der Kläger keinen Mangel des Berufungsverfahrens aufzuzeigen. Nach ständiger Rechtsprechung kann das Gericht das Schmerzengeld trotz zeitlicher Begrenzung durch den Kläger global bemessen, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind (ZVR 1970/37, ZVR 1972/65 ua).

Zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung führt der Kläger aus, nach der Rechtsprechung sei es dem Geschädigten überlassen, seinen Anspruch auf einmal oder in Teilbeträgen zu verlangen. In einem Globalbetrag sei das Schmerzengeld festzusetzen, wenn die Schmerzen überschaubar seien. Im konkreten Fall seien, wie der Sachverständige ausdrücklich festgehalten habe, die künftigen Schmerzen nicht überschaubar.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß nach herrschender Rechtsprechung der Verletzte nicht berechtigt ist, das Schmerzengeld für einzelne Zeitabschnitte zu begehren, wenn die Folgen der Verletzung voraussehbar und daher eine Globalbemessung möglich ist (ZVR 1979/308 ua). Können die künftigen Verletzungsfolgen schon abgeschätzt werden, dann hat das Schmerzengeld grundsätzlich in einer einmaligen Abfindung zu bestehen, wobei auch die voraussichtlich auftretenden zukünftigen Beschwerden zu berücksichtigen sind. Entscheidend ist somit, ob die Folgen der Körperbeschädigung im vorliegenden Fall voraussehbar sind. Dabei ist davon auszugehen, daß die schwere Schädel-Hirnverletzung des Klägers zu einer dauernden und irreparablen Gehirnschädigung führte (apallisches Syndrom), die dauerndes Siechtum zur Folge hat. Dieser Verletzungsfolge kommt bei der Bemessung des Schmerzengeldes die ausschlaggebende Bedeutung zu. Die auftretenden Schmerzen, deren Einschätzung auf Grund des schwerbeeinträchtigten Bewußtseinszustandes kaum verläßlich möglich sein wird (vgl.das Sachverständigengutachten, nach welchem die Beurteilung der unfallsbedingten Schmerzperioden hier auf besondere Schwierigkeiten stößt (AS 73), kommt hingegen untergeordnete Bedeutung zu. Wesentlich ist, daß eine Änderung des Zustandes nicht zu erwarten ist. Der auf die schwere Hirnverletzung zurückzuführende Zustand wird bestehen bleiben, es werden immer Schmerzen auftreten, deren Beurteilung aber auch zu einem späteren Zeitpunkt kaum verläßlich möglich wäre. Aus diesem Grund ist eine zeitliche Begrenzung des Schmerzengeldzuspruches nicht gerechtfertigt. Der Oberste Gerichtshof hat auch in ähnlichen Fällen eine Globalbemessung vorgenommen und hiebei Schmerzengeldbeträge von S 700.000,-- bzw. S 900.000,-- zugesprochen (2 Ob 266/82, 8 Ob 194/83). Der im vorliegenden Fall als einmalige Abfindung zuerkannte Betrag hält sich in diesem Rahmen. Bei zeitlicher Begrenzung mit 14.8.1986 hätte nur ein geringerer Betrag zuerkannt werden können.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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