OGH 13Os145/85

OGH13Os145/8524.10.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Oktober 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann (Berichterstatter), Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Dallinger als Schriftführers in der Strafsache gegen Heinz A wegen des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 15, 269 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Krems an der Donau als Schöffengerichts vom 11.Juni 1985, GZ 10 b Vr 653/84-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Gehart, und des Verteidigers Dr. Romig, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 25.August 1961 geborene Heinz A wurde des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 15, 269 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er während seiner Strafhaft im kreisgerichtlichen Gefangenenhaus Krems am 10.Juli 1984 die Justizwachebeamten Karl B, Hannes C und Karl

D, die ihn in seinen Haftraum bringen wollten, mit Gewalt an dieser Amtshandlung zu hindern gesucht, indem er sich mehrmals losrieß, mit den Füßen gegen sie trat und mit den Händen um sich schlug, wobei C an der rechten Hand getroffen wurde. Vom Anklagevorwurf, (bei demselben Tatgeschehen) den Justizwachebeamten C während der Vollziehung seiner Aufgaben durch einen Schlag gegen dessen rechte Hand vorsätzlich am Körper verletzt zu haben, wurde der Angeklagte mit Beziehung auf § 259 Z. 3 StPO förmlich freigesprochen, obwohl es sich insoweit um ein mit dem versuchten Widerstand gegen die Staatsgewalt in Tateinheit zusammentreffendes Delikt gehandelt hätte (EvBl 1976/45; EvBl 1983/60), bei dessen Verneinung § 259 Z. 3 StPO nicht eingreift (verbo 'Tat', die ja bei 'Tateinheit' die nämliche wie diejenige des Schuldspruchs ist). Es wäre darum kein formeller Freispruch zu fällen, sondern lediglich die weitere Deliktseignung nicht in den Schuldspruch aufzunehmen gewesen.

Den Schuldspruch ficht der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 5 und 9 lit a StPO gestützten, inhaltlich undifferenziert ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde an.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde versucht zunächst, das inkriminierte Verhalten in 'unbeabsichtigte' bzw. 'reine Abwehrbewegungen' umzudeuten, mit denen Heinz A die Amtshandlung nicht hindern, sondern nur die Wirkung des zu deren Durchsetzung gebrauchten Gummiknüppels mildern wollte. Dies geht an der Tatsache vorbei, daß sich der Angeklagte schon auf dem Weg vom Parterre in den zweiten Stock des Anstaltsgebäudes seiner Abführung durch die ihn beiderseits an den Armen haltenden Justizwachebeamten C und D nicht nur passiv durch Stemmen gegen die Treppenstufen, sondern auch aktiv dadurch widersetzte, daß er mit den Füßen um sich schlug und mit den Händen um sich zu schlagen versuchte, während es (auch nach der eigenen Darstellung des Beschwerdeführers: S. 116, 117) noch nicht zum Einsatz des Gummiknüppels gekommen war. Letzteres geschah erst (nach Androhung) im zweiten Stock durch den dort anwesenden Abteilungsbeamten Gruppeninspektor B zur überwindung des vom Angeklagten weiterhin gegen seine Abführung in den Haftraum geleisteten Widerstands, weil er sich am Gesperre und auf dem weiteren Weg über den Gang bis zum Haftraum an mehreren Heizkörpern nacheinander anhielt und dazu abermals mit Händen und Füßen um sich schlug (S. 143, 144). Da eine Feststellung, der Beschwerdeführer habe mit 'den' (nämlich beiden) Händen gleichzeitig sich an feste Gegenstände geklammert und um sich geschlagen, gar nicht getroffen wurde, kann der mit dem Einwand, solches sei 'denkbar unmöglich', behauptete Verstoß gegen die Denkgesetze nicht vorliegen. Weiters behauptet der Beschwerdeführer, das Gericht habe wesentliche Feststellungen unterlassen, mit denen es sich sodann bei der Urteilsbegründung hätte befassen müssen, und verweist dazu auf die (erste) Meldung der oben genannten Justizwachebeamten, worin nur von einem (unmittelbaren Zwang und den Gebrauch des Gummiknüppels rechtfertigenden) 'ungestümen Verhalten' der wegen Nichtbefolgung von Anordnungen während des Spaziergangs abgeführten Strafgefangenen Heinz A und Alfred E die Rede gewesen sei (S. 11).

Dagegen sei er des aktiven Widerstands erst bezichtigt worden, nachdem er die Beamten wegen Gefangenenmißhandlung angezeigt habe. Damit macht der Nichtigkeitswerber der Sache nach den Begründungsmangel der Unvollständigkeit geltend; indes zu Unrecht:

Eine Erörterung der erwähnten Meldung konnte im Interesse einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z. 5 StPO) unterbleiben, zumal daraus nicht zu ersehen war, worin jenes 'ungestüme Verhalten' bestand, welches nach der Darstellung der Meldungsleger (immerhin) 'Handanlegung' und den Gebrauch des Gummiknüppels erforderlich machte. Mit der daran anknüpfenden Rüge wird ausschließlich die den Zeugenaussagen der Beamten vom Schöffensenat beigemessene Beweiskraft bekämpft.

Demnach erschöpft sich aber das gesamte bisher behandelte Beschwerdevorbringen, von der oben widerlegten Behauptung eines Verstoßes gegen die Denkgesetze abgesehen, in unzulässigen Angriffen gegen die im Nichtigkeitsverfahren der Anfechtung entzogene freie Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO). Formale Mängel der Urteilsbegründung (Z. 5) werden nicht dargetan.

Als Rechtsrüge (Z. 9 lit a) stellt sich der Einwand dar, es wären 'weitergehende Feststellungen' nötig gewesen, um das Herumschlagen mit Händen und Füßen als 'Gewalt' im Sinn des § 269 Abs 1 StGB beurteilen zu können, weil darunter nicht jede Gewalt zu verstehen sei, sondern nur eine 'rohe Kraft von gewisser Schwere', die zur überwindung eines Widerstands bestimmt und geeignet sei. Gewalt (§ 269 StGB) ist indes jede Entfaltung physischer Kraft in einer an sich zur überwindung einer Gegenwirkung geeigneten Intensität (Leukauf-Steininger 2 , § 269 StGB RN. 12). Dem entspricht das festgestellte Umsichschlagen des Angeklagten mit Händen und Füßen durchaus; um dies zu erkennen, waren zusätzliche, im angefochtenen Urteil fehlende Konstatierungen über die 'Form' des Schlagens nicht erforderlich. Da sich der Beschwerdeführer mit bloß passivem Widerstand (etwa durch sein Anklammern an feste Gegenstände) nicht begnügt, sondern Gewalt in der dargelegten Bedeutung gegen die ihn eskortierenden Beamten mit dem festgestellten Vorsatz angewendet hat, dadurch seine Abführung in den Haftraum zu verhindern (S. 144), erging der Schuldspruch irrtumsfrei.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte nach dem ersten Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB über den Angeklagten eine einjährige Freiheitsstrafe und wertete als erschwerend die zahlreichen, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstraftaten und als mildernd den Umstand, daß es beim Versuch geblieben ist und die Tat in einem Milieu begangen wurde, 'in dem es zwar leicht zum Aufbau von Aggressionspotentialen kommt, diese aber nur schwer legal abgebaut werden können'.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine 'wesentliche' Strafherabsetzung unter Hinweis auf die ihm zugefügten Verletzungen an, weil sein Verhalten nur eine Reaktion auf diese Schläge gewesen sei.

Hiebei entfernt sich der Berufungswerber aber von dem festgestellten Geschehensablauf, demzufolge er das Einschreiten der Justizwachebeamten bewußt herausforderte, indem er zunächst deren Anordnung beim Spaziergang provokant mißachtete, sich dann aber vehement gegen seine Verbringung in die Zelle wehrte, wobei er nicht nur passiven, sondern auch aktiven Widerstand leistete, den die Beamten mit dem Gummiknüppel brechen mußten. Die Verletzungen sind also die vom Angeklagten geradezu provozierte Folge seines Widerstands und vermögen keine strafmildernde Wirkung zu entfalten. Im übrigen stellt sich diese Tat als persönlichkeitsadäquate Fortsetzung des durch laufende Gewalttaten gekennzeichneten Lebenswandels des Angeklagten dar, wobei ihm auch der Angriff auf Exekutivbeamte keinesfalls fremd ist (vgl. 1 a Vr 814/79 des Landesgerichts für Strafsachen Wien). Nimmt man noch hinzu, daß die Tat während des Vollzugs einer wegen Körperverletzung ausgesprochenen Strafe gesetzt wurde, zeigt sich, daß die ohnehin im unteren Drittel des durch Anwendbarkeit des § 39 StGB auf viereinhalb Jahre ausgeweiteten Strafrahmens liegende Unrechtsfolge nicht reduzierungsbedürftig ist.

Es war daher auch der Berufung der Erfolg zu versagen.

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