Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
In Erledigung einer wegen des Verbrechens der versuchten Notzucht nach § 15, 201 Abs 1 StGB gegen sie erhobenen Anklage waren im ersten Rechtsgang Manfred B, Stefan C und Alfred D (rechtskräftig) wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach § 15, 202 Abs 1 StGB, und zwar letzterer als Beteiligter nach § 12 (dritter Fall) StGB, sowie Wolfgang E und Mohamed A wegen des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs 1 StGB zu jeweils bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen verurteilt worden.
Auf Grund einer von A erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde in Verbindung mit § 290 Abs 1 StPO hatte der Oberste Gerichtshof dieses Urteil, soweit es letzteren und E betraf, der dagegen kein Rechtsmittel ergriffen hatte, aufgehoben sowie die Sache zu insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung in die erste Instanz zurückverwiesen.
Rechtliche Beurteilung
Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil wurden im zweiten Rechtsgang auch E und A des Verbrechens des versuchten Nötigung zum Beischlaf nach § 15, 12 (gemeint: erster Fall), 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt und ebenso wie im ersten Rechtszug zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen in der Dauer von je sechs Monaten verurteilt.
Als Tatverhalten liegt ihnen zur Last, daß sie im Zusammenwirken mit D die Gabriele F, nachmals verehelichte G,
festhielten und auf ein Bett drückten sowie ihr anschließend die Beine auseinanderdrückten, damit B und C sie entkleiden und in der Folge, nachdem sie sich auch selbst entkleidet hatten, zur Einleitung des tatplangemäß gegen ihren Willen zu vollziehenden Beischlafs mit ihr an ihrem Geschlechtsteil manipulieren konnten. Der auf § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde (lediglich) des Angeklagten A gegen die zuletzt relevierte Entscheidung kommt keine Berechtigung zu. Nicht zielführend ist die Mängelrüge (Z 5).
Die von der Zeugin G in der ursprünglichen Hauptverhandlung am 17.Mai 1984 abgelegte Aussage (S 431 bis 437/I) durfte bei der Urteilsfällung gar nicht berücksichtigt werden (§ 258 Abs 1 StPO), weil sie in der dafür allein maßgebend gewesenen, neu durchgeführten (§ 276 a StPO) Verhandlung am 18.Oktober 1984 nach dem Inhalt des Protokolls (ON 107), dessen Berichtigung nicht begehrt wurde, nicht zur Verlesung gelangt war; dementsprechend ist sie hiebei auch tatsächlich nicht verwertet worden (vgl S 11/II). Insoweit gehen daher die Vorwürfe einer 'Aktenwidrigkeit', Unvollständigkeit und unzureichenden Begründung fehl. Auf die Angaben des (nunmehrigen) Zeugen C aber konnte sich das Erstgericht bei den entscheidungswesentlichen Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite der Beteiligung des Beschwerdeführers ungeachtet dessen, daß er sich zuletzt (S 489 bis 492/I) an verschiedenes nicht mehr zu erinnern vermochte, sehr wohl stützen, weil er dabei jedenfalls seine im Vorverfahren deponierten, diese Konstatierungen deckenden Bekundungen (vgl insbes Bd I S 42 bei Rz 2 bis 4 = S 42/2-4, 72/3, 73/1, 250/1, 2, 251/2) mehrfach als den Tatsachen entsprechend bestätigt hat. Die Aussage des (jetzigen) Zeugen D hinwieder hat das Schöffengericht keineswegs übergangen, sondern vielmehr im Hinblick auf dessen von Anfang an schlechte Erinnerung an die hier aktuellen Vorfälle als taugliche Feststellungsgrundlage ausgeschieden (S 11/II).
Auch in diese Richtungen hin liegen daher die behaupteten Begründungsmängel des Urteils nicht vor.
Die Frage schließlich, ob A mit dem Tatopfer auch selbst einen Geschlechtsverkehr vollziehen oder sie nur zum Beischlaf mit den anderen Tätern nötigen wollte, ist im Hinblick darauf, daß ihm ohnehin nicht Notzucht (§ 201 Abs 1 StGB), sondern bloß Nötigung zum Beischlaf (§ 202 Abs 1 StGB) angelastet wird, rechtlich ohne Belang (vgl SSt 48/71, ÖJZ-LSK 1977/348), sodaß der dazu reklamierte Mangel keine im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes entscheidende Tatsache betrifft.
Mit der Rechtsrüge (Z 11) beschwert sich der Angeklagte A ferner über einen doppelten Verstoß gegen das Verschlimmerungsverbot (§ 293 Abs 3, 290 Abs 2 StPO), und zwar einerseits dahin, daß die jetzt abermals mit einer Dauer von drei Jahren festgesetzte Probezeit später enden würde als die ihm mit dem ersten Urteil bestimmt gewesene, falls jene Entscheidung in Rechtskraft erwachsen wäre, und daß anderseits auch die Tilgungsfrist in bezug auf seine nunmehrige Verurteilung im Hinblick auf die vergleichsweise strengere Strafdrohung für das ihm damit angelastete Verbrechen länger sei als sie in Ansehung des ihm seinerzeit zur Last gelegten Vergehens gewesen wäre. Damit ist er jedoch ebenfalls nicht im Recht. Vorweg war von Amts wegen (§ 290 Abs 1 StPO) zu prüfen, ob das vom Beschwerdeführer relevierte Verbot der reformatio in peius nicht schon dadurch verletzt wurde, daß er im ersten Rechtsgang nur eines Vergehens, im zweiten hingegen eines (dementsprechend mit strengerer Strafe bedrohten) Verbrechens schuldig erkannt wurde; diese Frage ist indessen im Sinn der einhelligen jüngeren Rechtsprechung (11 Os 51/83, 11 Os 22/82, 9 Os 125/80, JBl 1979,661, 12 Os 33/76, 13 Os 101/75) und herrschenden Lehre (Bertel, Grundriß 2 , RN 814 f.; Roeder, Lehrbuch 2 , 275; eher aM Platzgummer, Grundzüge, 156) zu verneinen.
Auszugehen ist davon, daß das Verschlimmerungsverbot primär (§ 290 Abs 2 StPO) an das Rechtsmittelgericht adressiert ist: für jenes aber kommt eine Unterstellung der Tat unter ein strengeres Gesetz bloß auf Grund eines Rechtsmittels des Angeklagten ohnehin schon deswegen nicht in Betracht, weil letzterer zur Geltendmachung einer Nichtigkeitsbeschwerde zu seinem Nachteil nicht legitimiert (§ 282 Abs 2 StPO) und die zweite Instanz ansonsten an seine konkret geltend gemachten Beschwerdegründe gebunden sowie zu einem ihn benachteiligenden amtswegigen Vorgehen nicht befugt (§ 290 Abs 1 StPO) ist (in diesem Sinn - und nicht mit Bezug auf § 290 Abs 2 StPO - die von Platzgummer aaO irrig als Beleg für die Gegenansicht zitierte E. EvBl 1981/27). Gerade deswegen betrifft das in Rede stehende Verschlechterungsverbot durchaus folgerichtig nur die Verhängung einer strengeren 'Strafe', also den Sanktionen-Bereich, und bedarf daher insoweit - anders als die Befugnis des Obersten Gerichtshofes zur Ergreifung konkreter Maßnahmen zugunsten des Angeklagten im Sinn des § 292 letzter Satz StPO (vgl EvBl 1982/186, 13 Os 54/81, 13 Os 42-44/81, JBl 1973,479, RZ 1979/23 = verst. Senat, SSt 40/45 uva) - auch gar keiner extensiven Auslegung.
Eben dieses - nach Wortlaut und Sinn des Gesetzes auf den Sanktionen-Bereich beschränkte - Verschlimmerungsverbot im Sinn des § 290 Abs 2 StPO ist es, welches sodann, wiederum durchaus folgerichtig, durch § 293 Abs 3 StPO über das Rechtsmittelverfahren hinaus auch auf das nach einer Urteilsaufhebung zu erneuernde Verfahren in erster Instanz ausgedehnt wird und für jenes einen systemgerechten und erträglichen Kompromiß zwischen den gerechtfertigten Interessen an einem favor defensionis einerseits sowie einer richtigen Rechtsfindung anderseits vermittelt:
Nur dann, wenn die zweite Instanz in der Aufhebungsentscheidung eine Rechtsansicht äußert und die dafür maßgebende Sachverhaltsbasis im zweiten Rechtsgang unverändert bleibt, ist das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht gebunden (§ 293 Abs 2 StPO); ansonsten aber ist es - innerhalb der faktischen Grenzen des Anklagevorwurfs (§ 262, 293 Abs 1 StPO) - ebenso wie bei der Ermittlung des Sachverhalts (§ 258 Abs 2 StPO) auch bei dessen rechtlicher Beurteilung frei (§ 267 StPO).
Der dadurch allerdings denkbare Zwiespalt zwischen einem im erneuerten Verfahren ergehenden (sach- und rechtsrichtigen) Schuldspruch wegen eines vergleichsweise strenger strafbaren Delikts und einem darauf bezogen (infolge des Verschlechterungsverbots) zu niedrigen Strafausspruch wiegt in aller Regel weitaus geringer als ein allenfalls mit dem Ergebnis des zweiten Rechtsgangs faktisch und/oder rechtlich unvereinbarer, jedoch durch ein weitergehendes Verbot der reformatio in peius erzwungener, in Ansehung der Subsumtion falscher Schuldspruch; demgegenüber ist der Angeklagte auch durch ein im dargestellten Sinn eingeschränktes Verschlimmerungsverbot jedenfalls gegen eine strengere Sanktion ohnehin gesichert und damit in seinem insoweit wesentlichsten Verteidigungsinteresse geschützt.
Innerhalb des Sanktionen-Bereichs aber ist der Beschwerdeführer dadurch, daß im zweiten Rechtsgang die gleiche Strafe über ihn verhängt wurde wie im ersten, und zwar jeweils sechs Monate Freiheitsstrafe, die ihm unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, weder in Ansehung des Endtermines für den Ablauf dieser Probezeit noch in bezug auf die Dauer der Tilgungsfrist benachteiligt worden: ist doch zum einen die (mit jeder Verzögerung des Eintritts der Rechtskraft infolge eines Rechtsmittels verbundene) bloß zeitliche Verschiebung der Probezeit im ganzen - anders als etwa deren faktische Verlängerung im Fall ihrer Erneuerung in voller Dauer nach ihrem (infolge zwischenzeitiger Rechtskraft des ersten Urteils) bereits begonnenen Ablauf (auf Grund einer Maßnahme nach § 290 Abs 1 oder 292 letzter Satz StPO) - keineswegs als eine Schlechterstellung des Angeklagten anzusehen und zum anderen für die Dauer der Tilgungsfristen durchaus nicht die jeweilige Strafdrohung, sondern vielmehr die (hier wie gesagt in gleicher Höhe wie im ersten Rechtsgang) tatsächlich verhängte Strafe maßgebend (§ 3 bis 5 TilgG).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Bei der nach § 202 Abs 1 StGB vorgenommenen Strafbemessung wertete das Erstgericht den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten A und den Umstand, daß das Verbrechen beim Versuch blieb, als mildernd, die besondere Rücksichtslosigkeit der Täter sowie das über das sonst bei Notzucht vorkommende Maß an Demütigung und entwürdigendem Umgang mit dem Opfer weit hinausgehende Maß an Ungemach, welches Gabriele F durch den gemeinsamen Angriff einer Gruppe von fünf Burschen zu erleiden hatte, hingegen als erschwerend. Auch der Berufung des Angeklagten A, mit der er eine Strafherabsetzung und eine Verkürzung der Probezeit sowie allenfalls die Verhängung einer (bedingt nachgesehenen) Geldstrafe anstatt einer Freiheitsstrafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu. Die Annahme einer tatbedingten besonderen Ungemach des Opfers ist im Hinblick auf die Begleitumstände des Verbrechens durchaus gerechtfertigt; darauf konnte das Schöffengericht (zwar nicht als besonderen Erschwerungsgrund im Sinn des § 33 StGB, jedoch) im Rahmen der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung nach § 32 Abs 3 StGB sehr wohl entsprechend Bedacht nehmen.
Für die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 Abs 1 Z 5 StGB) war demgemäß schon mangels überwiegender Milderungsumstände kein Raum. Aus Gründen der Spezial- und Generalprävention kam aber auch die Verhängung einer Geldstrafe (§ 37 Abs 1 StGB) nicht in Betracht. Die Dauer der Probezeit schließlich ist mit drei Jahren ebenfalls sachgerecht festgesetzt worden.
Der Berufung mußte daher gleichfalls ein Erfolg versagt bleiben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)